Hochzeit kommt vor dem Fall - Dorothy L. Sayers - E-Book

Hochzeit kommt vor dem Fall E-Book

Dorothy L. Sayers

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Beschreibung

Ein brillanter Krimi und ein zeitloses Gesellschaftsporträt Endlich ist es so weit: Amateurdetektiv Lord Peter Wimsey und Krimiautorin Harriet Vane geben sich in der St.-Cross-Kirche zu Oxford das Jawort! Zurückgezogen in einer abgelegenen romantischen Villa in den Bergen, die Lord Peter kurzerhand für Harriet gekauft hat, wollen sie die Flitterwochen verbringen. Doch Beschaulichkeit stellt sich gar nicht erst ein: Als sie dort ankommen, ist niemand zur Schlüsselübergabe da, und der ehemalige Besitzer William Noakes scheint spurlos verschwunden. Ständig tauchen Gläubiger auf, die von dem alten Noakes ihr Geld zurückfordern. Dann findet ihn Lord Peters Butler: erschlagen am Fuß der Kellertreppe. Lord Peter und Harriet machen sich an die Ermittlungen – den Start ins Eheleben haben sie sich anders vorgestellt … Von der großen «Lady of Crime» Dorothy L. Sayers.

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Dorothy L. Sayers

Hochzeit kommt vor dem Fall

Eine Liebesgeschichte mit detektivischen Unterbrechungen

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Otto Bayer

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Ein brillanter Krimi und ein zeitloses Gesellschaftsporträt

 

Endlich ist es so weit: Amateurdetektiv Lord Peter Wimsey und Krimiautorin Harriet Vane geben sich in der St.-Cross-Kirche zu Oxford das Jawort! Zurückgezogen in einer abgelegenen romantischen Villa in den Bergen, die Lord Peter kurzerhand für Harriet gekauft hat, wollen sie die Flitterwochen verbringen. Doch Beschaulichkeit stellt sich gar nicht erst ein: Als sie dort ankommen, ist niemand zur Schlüsselübergabe da, und der ehemalige Besitzer William Noakes scheint spurlos verschwunden. Ständig tauchen Gläubiger auf, die von dem alten Noakes ihr Geld zurückfordern. Dann findet ihn Lord Peters Butler: erschlagen am Fuß der Kellertreppe. Lord Peter und Harriet machen sich an die Ermittlungen – den Start ins Eheleben haben sie sich anders vorgestellt …

 

Über Dorothy L. Sayers

Dorothy L. Sayers, Jahrgang 1893, legte als eine der ersten Frauen an der Universität ihres Geburtsortes Oxford ihr Examen ab. Mit ihren mehr als zwanzig Detektivromanen schrieb sie Literaturgeschichte, sie gehört neben Agatha Christie und P.D. James zur Trias der großen englischen «Ladies of Crime». Schon in ihrem 1923 erschienenen Erstling «Ein Toter zu wenig» führte sie die Figur des eleganten, finanziell unabhängigen Lord Peter Wimsey ein, der aus moralischen Motiven Verbrechen aufklärt. Dieser äußerst scharfsinnige Amateurdetektiv avancierte zu einem der populärsten Krimihelden des zwanzigsten Jahrhunderts.

Bevor sie die Übersetzung von Dantes «Göttlicher Komödie» vollenden konnte, starb die Autorin 1957 in Witham/Essex.

 

Inhaltsübersicht

MottoAn Muriel St. Clare Byrne, Helen Simpson und Marjorie BarberProthalamionMirabelle Komtesse von Severn und Thames, an Honoria Lucasta, Herzoginwitwe von DenverMrs. Chipperley James an die ehrenwerte Mrs. Trumpe-HarteMrs. Dalilah Snype an Miss Amaranth Sylvester-QuickeHelen, Herzogin von Denver an Lady GrummidgeMr. Mervyn Bunter an Mrs. Bunter sen.Miss Letitia Martin, Dekanin des Shrewsbury College zu Oxford, an Miss Joan Edwards, Dozentin und Tutorin für Naturwissenschaften am selben InstitutAuszüge aus dem Tagebuch der Honoria Lucasta, Herzoginwitwe von Denver1. Frischvermählt2. Daunenbetten3. Der Jordan4. Hausgötter5. Donner der Kanonen6. Zurück zu den Waffen7. Lotos und Kaktus8. Heller und Pfennig9. Tag und Stunde10. Im Dorfkrug11. Schutzmannslos12. Topfgucker13. Mal so und mal so14. Fragen über Fragen15. Sherry – und Wermutstropfen16. Liebeskrone17. Kaiserkrone18. Stroh im Haar19. Kaktusland20. Gewußt wie – gewußt werEpithalamionI. London: Amende HonorableII. Denver Ducis: Die Macht und die HerrlichkeitIII. Talboys: Himmelskrone

Das wird einige Tränen kosten bei einer wahrhaftigen Vorstellung. Wenn ich’s mache, laßt die Zuhörer nach ihren Augen sehn! Ich will Sturm erregen, ich will einigermaßen lamentieren … ich könnte einen Herakles kostbarlich spielen oder eine Rolle, wo man alles kurz und klein schlagen muß … Ein Liebhaber ist schon mehr lamentabel.

William Shakespeare: ‹Ein Sommernachtstraum›

An Muriel St. Clare Byrne, Helen Simpson und Marjorie Barber

 

Liebe Muriel, Helen und Bar,

der Himmel allein weiß, mit welch grenzenloser fraulicher Geduld Ihr Euch die Geschichte Hochzeit kommt vor dem Fall angehört habt, während ich sie schrieb. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie oft ich wohl die Sonne selbst mit meinem Gerede ermüdet habe – und wenn man mir irgendwann mitgeteilt hätte, daß Ihr gestorben wärt, hätte ich ohne weiteres geglaubt, ich hätte Euch ins Grab geredet. Aber Ihr seid sonderbarerweise noch am Leben und könnt somit diesen meinen Dank entgegennehmen.

Du, Muriel, warst gewissermaßen zum Opfer vorbestimmt, hast doch Du mit mir zusammen das Stück verfaßt, zu dem dieser Roman nur Zutaten und Verzierungen beisteuert; um so größer meine Schuld und Deine Leiden. Ihr, Helen und Bar, wurdet unbarmherzig auf dem Altar der Freundschaft geopfert, zu der das weibliche Geschlecht angeblich nicht fähig ist; möge die Lüge sich selbst richten.

Euch allen dreien widme ich demütig und in Tränen diese sentimentale Komödie.

Es wurde schon – von mir und anderen – gesagt, Liebesgeschichten würden in einem Kriminalroman nur störend empfunden. Für die Personen der Handlung aber könnte der kriminalistische Aspekt umgekehrt eine ärgerliche Störung in ihrer Liebesgeschichte sein. Mit einer solchen Situation hat dieses Buch zu tun. Auch beantwortet es gewissermaßen die vielen freundlichen Anfragen, wie Lord Peter und seine Harriet denn wohl ihr Eheproblem gelöst haben. Wenn also nur für einen halben Penny Detektivarbeit in dieser unbilligen Menge Saccharin steckt, möge dies als Entschuldigung herhalten.

In aller Dankbarkeit, EureDorothy L. Sayers

Prothalamion

 

HEIRATEN

Wimsey – Vane. 8. Oktober, St. Cross-Kirche, Oxford, Peter Death Bredon Wimsey, zweiter Sohn des verstorbenen Gerald Mortimer Bredon Wimsey, 15. Herzog von Denver, mit Harriet Deborah Vane, einziger Tochter des verstorbenen Dr. med. Henry Vane aus Great Pagford, Hertfordshire.

Mirabelle Komtesse von Severn und Thames, an Honoria Lucasta, Herzoginwitwe von Denver

Liebe Honoria,

nun ist Peter also wirklich verheiratet. Ich habe für meine halbe Bekanntschaft Weidenkränze bestellt. Soviel ich weiß ist das ein laubwechselnder Baum; aber selbst wenn nur noch die blanken Ruten zu haben sind, werde ich sie verteilen, damit sie sich besser damit an die Brust schlagen können.

Sag mal – von einer offenherzigen alten Frau zur andern – ganz ehrlich, wie Dir dabei zumute ist. Ein Zyniker hätte ja allen Grund, sich zu freuen, denn Deinen liebeslustigen, charmanten Sohn mit einem Oxforder Blaustrumpf verheiratet zu sehen, dürfte einiges zur Belebung der Saison beitragen. Ich bin ja nicht zu blind, um Peter mit all seinen Affektiertheiten nicht zu durchschauen, und wenn ich fünfzig Jahre jünger wäre, hätte ich ihn selbst geheiratet, schon um des Spaßes willen. Aber ist diese Frau denn überhaupt aus Fleisch und Blut? Du sagst, sie sei ihm leidenschaftlich zugetan, und ich weiß natürlich, daß sie einmal eine halbgare Affäre mit einem Dichter hatte – aber der Himmel bewahre uns, was ist schon ein Dichter? Einer, der nicht ins Bett gehen kann, ohne eine Hymne darauf zu machen! Peter braucht mehr als eine hingebungsvolle Anbeterin, die ihm das Händchen hält und Gedichte deklamiert; und er hat ja diese dumme, wenn auch liebenswerte Angewohnheit, immer nur eine Frau auf einmal zu haben, was er in einer dauerhaften Bindung mit der Zeit ein wenig ungelegen finden könnte. Ich weiß, man kann nicht allzu viele Ehen heutzutage dauerhaft nennen, aber ich kann mir auch nicht vorstellen, daß Peter sich zum eigenen Amüsement vor dem Scheidungsrichter produzieren würde, obwohl er, um die Gefälligkeit gebeten, zweifellos auch das mit Anstand über sich ergehen lassen würde. (Dabei fällt mir ein, daß mein Großneffe Hughie, dieser Tölpel, wie immer alles vermasselt hat. Nachdem er sich als Kavalier bereit gefunden hatte, die Schuld auf sich zu nehmen, ist er mit irgendeinem bezahlten Nichts nach Brighton davongeschlichen, und der Richter hat weder der Hotelrechnung noch dem Stubenmädchen geglaubt – sie kamen ihm allzu bekannt vor. Das heißt nun also, daß alles noch mal von vorn losgeht.)

Nun, meine Liebe, wir werden ja sehen, und Du kannst sicher sein, daß ich für Peters Frau mein Bestes tun werde, und sei es nur um Helen zu ärgern, die es ihrer neuen Schwägerin sicher so schwer wie möglich machen wird. Natürlich gebe ich nichts auf ihr snobistisches Geschwätz über Mesalliancen, denn das ist albern und überholt. Verglichen mit dem Gesindel vom Film und aus Nachtclubs, das wir jetzt in unsere Kreise bekommen, ist die Tochter eines Landarztes, auch mit einem Dichter in ihrer Vergangenheit, ein wahrer Ausbund an Tugend. Wenn die junge Frau Grips und Mumm hat, ist sie gerade recht. Glaubst Du, daß sie Kinder haben wollen? Helen wäre ja wütend, weil sie doch immer damit gerechnet hat, daß Peters Geld einmal an Saint-George fällt. Wenn ich aber Denver halbwegs kenne, geht es ihm mehr um die Nachfolge für den Fall, daß Saint-George sich mit diesem Auto, das er fährt, doch noch mal den Hals bricht. Irgend jemand wird also verstimmt sein, egal was sie tun, und so werden sie wohl nach ihrem eigenem Gutdünken verfahren.

Es hat mir so leid getan, daß ich nicht zum Empfang kommen konnte – Ihr scheint ja die Presse blitzsauber an der Nase herumgeführt zu haben –, aber mein Asthma war in letzter Zeit sehr schlimm. Immerhin muß ich aber dankbar sein, daß ich mir meine Kräfte und meinen Humor noch so lange bewahrt habe. Sage Peter, er soll mich einmal mit seiner Harriet besuchen, wenn sie aus ihren geheimnisvollen Flitterwochen zurück sind, und glaube mir, liebe Honoria, daß ich (ungeachtet meiner giftigen alten Zunge) Dir stets und immer zugetan bin, Deine

Mirabelle Severn und Thames

Mrs. Chipperley James an die ehrenwerte Mrs. Trumpe-Harte

… So, meine Liebe, und nun mach Dich auf einen Schock gefaßt! Peter Wimsey ist verheiratet – ja, tatsächlich verheiratet – mit dieser unmöglichen jungen Frau, die einmal mit einem Bolschewiken oder Musiker oder dergleichen zusammen gelebt und ihn ermordet hat oder so etwas – ich weiß es nicht mehr genau, das ist ja alles so eine Ewigkeit her, und es passieren doch alle Tage so komische Dinge, nicht wahr? Es ist so ein Jammer, um das ganze Geld und so – aber es beweist einem eigentlich nur wieder, daß mit den Wimseys irgend etwas nicht ganz stimmt, oder? – Dieser Vetter dritten Grades, Du weißt ja, der sich in Monte so in einer kleinen Villa einschließt, der ist ja nun mehr als exzentrisch – und jedenfalls muß Peter mindestens schon fünfundvierzig sein. Weißt Du, meine Liebe, ich habe es ja schon immer ein wenig unklug von Dir gefunden, als Du versuchtest, ihn für Monica zu angeln, was ich Dir damals natürlich nicht sagen mochte, als Du Dir solche Mühe gabst …

Mrs. Dalilah Snype an Miss Amaranth Sylvester-Quicke

… Natürlich ist diese Heirat Wimsey-Vane die Sensation. Ich denke, es muß so eine Art soziologisches Experiment sein, denn wie Du ja weißt, mein Schatz, ist er der kälteste Einfaltspinsel der Welt, und mir tut das Mädchen ganz entschieden leid, trotz Geld und Titel und allem, denn an einen schwatzhaften Eiszapfen mit Monokel gebunden zu sein, dafür kann einen nichts entschädigen, meine Liebe, das ist zu arg. Es wird ja sowieso nicht von Dauer sein …

Helen, Herzogin von Denver an Lady Grummidge

Liebe Marjorie,

hab Dank für Deine freundliche Nachfrage. Dienstag war in der Tat ein äußerst strapaziöser Tag, aber heute fühle ich mich doch schon wieder etwas ausgeruhter. Es war allerdings eine sehr anstrengende Zeit für uns alle. Peter war natürlich so unausstehlich wie er nur konnte, und das will allerhand heißen. Als erstes bestand er darauf, in der Kirche zu heiraten, obwohl ich in Anbetracht der Umstände das Standesamt für angemessener gehalten hätte. Schließlich haben wir uns aber mit St. George am Hanover Square abgefunden, und ich war sogar bereit, alles in meinen Kräften Stehende zu tun, damit die Sache so ablief, wie es sich gehörte, wenn es nun schon einmal sein mußte. Aber dann hat mir meine Schwiegermutter alles aus der Hand genommen, und dabei hatte man uns doch deutlich zu verstehen gegeben, daß die Hochzeit an dem von mir vorgeschlagenen Tag stattfinden werde, und das wäre nächsten Mittwoch gewesen. Aber wie Du sehen wirst, war das nur wieder eine von Peters Finten. Die Kränkung trifft mich sehr, zumal wir uns alle Mühe gegeben hatten, höflich zu sein, und das Mädchen sogar schon zum Abendessen eingeladen hatten.

Also! Als wir vorigen Montagabend in Denver waren, bekamen wir ein Telegramm von Peter, das kurz und bündig lautete: «Wenn Ihr wirklich zu meiner Hochzeit kommen wollt, versucht’s mal morgen um zwei Uhr in der St. Cross-Kirche in Oxford.» Ich war außer mir – dieser weite Weg, und mein Kleid noch nicht fertig, und um alles noch schlimmer zu machen, mußte Gerald, der sechzehn Leute zur Jagd eingeladen hatte, auch noch lachen wie ein Idiot und sagen: «Gut gemacht, Peter!» Er bestand darauf, wir sollten beide hinfahren, einfach so, und die Gäste sich selbst überlassen. Ich habe den starken Verdacht, daß Gerald von Anfang an Bescheid wußte, obwohl er es entschieden abstreitet. Jerry wußte es jedenfalls, darum ist er auch in London geblieben. Ich sage immer zu Jerry, daß sein Onkel ihm anscheinend mehr bedeutet als seine eigenen Eltern; und Dir brauche ich ja nicht zu sagen, daß ich Peters Einfluß auf einen Jungen in seinem Alter für höchst verderblich halte. Gerald meinte nach typischer Männerart, Peter habe das Recht, zu heiraten wo und wann er wolle; er kümmert sich nie um die Peinlichkeiten und Ungelegenheiten, die er anderen Leuten mit seinen Exzentrizitäten bereitet.

Wir sind also nach Oxford gefahren und haben die angegebene Stelle gefunden – ein unscheinbares Kirchlein in einer Nebenstraße, sehr düster und feucht aussehend. Wie sich herausstellte, sollte die Braut (die zum Glück keine lebenden Verwandten mehr hat) ausgerechnet von einem Mädchencollege in die Ehe gegeben werden. Ich war schon erleichtert, Peter wenigstens im Cut zu sehen, wie es sich gehört; allmählich hatte ich nämlich schon gefürchtet, er werde in Talar und Barett heiraten. Jerry war als Brautführer da, und meine Schwiegermutter erschien im großen Staat und strahlte nach allen Seiten, als ob sie alle miteinander etwas besonders Kluges angestellt hätten. Und sie hatten Onkel Paul Delagardie – ächzend vor Arthritis, die arme Kreatur – angeschleppt, mit einer Gardenie im Knopfloch und sichtlich bemüht, spritzig zu wirken, was in seinem Alter abstoßend ist. Es waren alle möglichen sonderbaren Leute in der Kirche – praktisch keiner aus unserem eigenen Freundeskreis, dafür aber diese lächerliche Miss Climpson und so ein paar Schmarotzer, die Peter bei seinen «Fällen» aufgegabelt hat, sowie mehrere Polizisten. Charles und Mary erschienen im letzten Moment, und Charles zeigte mir einen Mann in Heilsarmee-Uniform, einen bekehrten Einbrecher, wie er behauptet – aber das kann ich denn doch nicht glauben, nicht einmal von Peter.

Die Braut wurde von einem unmöglichen Sortiment von Brautjungfern begleitet – lauter Professorinnen! –, und eine merkwürdige dunkelhaarige Frau, angeblich die Rektorin des College, übergab sie dem Bräutigam. Ich kann nur dankbar anmerken, daß Harriet (so muß ich sie ja von jetzt an wohl nennen) angesichts ihrer Vergangenheit wenigstens soviel Sinn für Schicklichkeit bewies, nicht in weißer Seide und Orangenblüten zu erscheinen; trotzdem fand ich, daß ein einfaches Kostüm passender gewesen wäre als ein Kleid aus Goldlamé. Ich sehe schon, daß ich bald einmal mit ihr über ihre Kleider sprechen muß, aber ich fürchte, sie wird sich schwierig stellen. Noch nie habe ich einen Menschen so schamlos triumphierend wirken sehen – auf eine Weise hatte sie wohl ein Recht dazu: Man muß ja zugeben, daß sie ihr Blatt sehr klug gespielt hat. Peter war weiß wie Papier; ich hatte das Gefühl, er müsse sich jeden Augenblick übergeben. Wahrscheinlich war ihm aufgegangen, worauf er sich da einließ. Niemand kann sagen, ich hätte nicht alles versucht, um ihm die Augen zu öffnen. Sie wurden nach dem alten derben Ritus getraut, und die Braut sagte tatsächlich «gehorchen». – Anscheinend ist das beider Art von Humor, denn sie sieht so störrisch aus wie ein Maulesel.

Danach gab es ein wildes Durcheinandergeküsse in der Sakristei, und dann wurde die ganze bunte Schar in Wagen verfrachtet (zweifellos auf Peters Kosten), und wir fuhren zurück in die Stadt, auf den Fersen gefolgt von den dortigen Zeitungsleuten. Wir fuhren zum Stadthaus meiner Schwiegermutter – alle, einschließlich Polizisten und Ex-Einbrecher –, und nach einem Hochzeitsfrühstück (das, wie ich zugeben muß, sehr gut war) hielt Onkel Delagardie eine Ansprache, gespickt mit Blüten französischer Eloquenz. Es gab eine Menge Geschenke, darunter etliche groteske; der Ex-Einbrecher schenkte ihnen ein dickes Buch mit schwülstig-frommen Sprüchen und vulgären Liedern! Kurz darauf verschwanden Braut und Bräutigam, und wir warteten lange auf sie, bis meine Schwiegermutter herunterkam, ihr Gesicht ein einziges Lächeln, und uns mitteilte, daß sie vor einer halben Stunde abgereist seien, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Noch in diesem Augenblick weiß ich nicht, wo sie sind, und sonst weiß es auch niemand.

Die ganze Geschichte hat uns in eine äußerst peinliche und lächerliche Lage gebracht. Für mich bedeutet sie den schändlichen Schlußpunkt einer höchst unglückseligen Affäre, und es ist mir kein Trost, mir vorzustellen, daß ich diese schreckliche junge Frau als meine Schwägerin werde präsentieren müssen. Marys Polizist war schon schlimm, aber er ist wenigstens ein stiller Mensch und weiß sich zu benehmen, wohingegen wir bei Peters Frau von einem Tag zum andern wohl mit Aufsehen, wenn nicht gar mit einem offenen Skandal rechnen müssen. Aber nun müssen wir gute Miene machen, so gut es geht; ich würde so etwas natürlich niemand anderem anvertrauen als Dir.

Voll Dankbarkeit für Dein Mitgefühl bin ich in liebevoller Zuneigung

Deine Helen Denver

Mr. Mervyn Bunter an Mrs. Bunter sen.

Liebe Mutter,

ich schreibe Dir von einem «unbekannten Ziel» auf dem Lande und hoffe, daß dieser Brief Dich so gesund und munter antrifft, wie er mich hier verläßt. Auf Grund einer gelinden häuslichen Katastrophe kann ich Dir nur bei Kerzenlicht schreiben, also entschuldige bitte meine schlechte Schrift.

Nun, Mutter, wir haben also heute morgen glücklich geheiratet, und es war eine schöne Hochzeit. Ich wünschte, Du hättest der freundlichen Einladung Seiner Lordschaft folgen können, aber wie ich schon zu ihm sagte, muß man sich mit 87 Jahren mit einigen körperlichen Gebrechen abfinden. Ich hoffe, Dein Bein ist wieder besser.

Wie ich Dir in meinem letzten Brief schon berichtete, war es unsere feste Absicht, den Einmischungsversuchen Ihrer Gnaden, der Herzogin, ein Schnippchen zu schlagen, und das ist uns gelungen. Es lief alles ab wie ein Uhrwerk. Unsere neue Lady, die vormalige Miss Vane, fuhr am Vortag nach Oxford, und Seine Lordschaft folgte am Abend mit Lord Saint-George und mir und stieg im Hotel Mitre ab. Seine Lordschaft hat sehr freundlich zu mir von meinen zwanzigjährigen Diensten gesprochen und die Hoffnung ausgedrückt, daß ich mich im neuen Haushalt wohlfühlen werde. Ich habe geantwortet, ich hoffte stets zu wissen, wo es mir gutgehe, und wollte bemüht sein, ihn jederzeit zufriedenzustellen. Ich fürchte, ich habe mehr gesagt, als meiner Stellung zukommt, denn Seine Lordschaft war ernstlich gerührt und sagte, ich solle nicht albern sein. Ich habe mir dann die Freiheit genommen, ihm ein Bromid zu verordnen, und konnte ihn so endlich zum Schlafen bringen, nachdem ich dem jungen Lord Saint-George klargemacht hatte, er solle ihn in Ruhe lassen. Rücksichtsvoll ist nicht eben das Wort, das ich auf Seine junge Lordschaft anwenden würde, aber man muß seine Hänseleien zum Teil wohl auch dem Champagner zuschreiben.

Seine Lordschaft erschien mir am Morgen ruhig und gefaßt, worüber ich sehr erleichtert war, denn es gab noch viel zu tun. Da wir etliche Freunde aus bescheidenen Verhältnissen mit einem Sondertransport erwarteten, mußte ich dafür sorgen, daß sie sich wohl fühlten und sich nicht verloren vorkamen.

Nun, liebe Mutter, wir haben also schon früh einen leichten Lunch zu uns genommen, und dann mußte ich Ihre Lordschaften ankleiden und zur Kirche bringen. Mein Herr war fügsam wie ein Lamm und machte mir keinerlei Schwierigkeiten, scherzte nicht einmal wie üblich, aber Lord Saint-George war die Ausgelassenheit selbst, und ich hatte mit ihm alle Hände voll zu tun. Fünfmal tat er so, als ob er den Ring verlegt hätte, und gerade als wir aufbrechen wollten, verlegte er ihn wirklich; aber Seine Lordschaft fand ihn mit seinem gewohnten detektivischen Spürsinn wieder und nahm ihn persönlich an sich. Trotz dieses Mißgeschicks bekam ich sie pünktlich in die Kirche, und ich muß sagen, sie machten mir beide Ehre. Ich weiß nicht, wer Seine junge Lordschaft in gutem Aussehen übertreffen sollte, aber für meinen Geschmack ist es gar keine Frage, wer von beiden der feinere Herr ist.

Die Dame ließ uns, wie ich dankbar vermerke, nicht warten; und sehr gut sah sie aus, ganz in Gold gekleidet und mit einem schönen Chrysanthemenstrauß. Sie ist ja nicht eigentlich hübsch, aber eindrucksvoll, wie ich es einmal nennen möchte, und sicher ist, daß sie für niemand anderen einen Blick hatte als für Seine Lordschaft. Begleitet wurde sie von vier Damen des College, nicht als Brautjungfern gekleidet, sondern alle recht adrett und damenhaft. Seine Lordschaft war während der ganzen Zeremonie sehr ernst.

Danach begaben wir uns alle zu einem Empfang ins Stadthaus Ihrer Gnaden, der Herzoginwitwe. Ich war sehr angetan vom Verhalten Ihrer neuen Ladyschaft gegenüber den Gästen; sie war offen und freundlich zu allen Ständen, aber natürlich hätte Seine Lordschaft auch nie eine andere gewählt als eine Dame in jeder Beziehung. Ich erwarte von ihrer Seite keinerlei Unannehmlichkeiten.

Nach dem Empfang schafften wir Braut und Bräutigam heimlich durch die Hintertür hinaus, nachdem wir sämtliche Zeitungsreporter in den Salon gesperrt hatten. Und nun, liebe Mutter, muß ich Dir erzählen …

Miss Letitia Martin, Dekanin des Shrewsbury College zu Oxford, an Miss Joan Edwards, Dozentin und Tutorin für Naturwissenschaften am selben Institut

Liebe Teddy,

so! Wir hatten also unsere Hochzeit – ein Tag, der in der Collegegeschichte rot angestrichen gehört! Miss Lydgate, Miss de Vine, die kleine Chilperic und meine Wenigkeit waren die Brautjungfern, und die Rektorin hatte die Rolle des Brautvaters übernommen. Nein, meine Liebe, wir haben uns nicht kostümiert. Ich persönlich finde ja, wir hätten in akademischer Tracht symmetrischer gewirkt, aber die Braut meinte, der «arme Peter» werde auch so schon genug unter den Schlagzeilen zu leiden haben. Wir sind also einfach im Sonntagsstaat hingegangen, ich in meinem neuen Pelz. Es erforderte unser aller gemeinsame Bemühungen, Miss de Vines Haare hochzustecken und oben zu halten.

Die ganze Familie Denver war auch da; die Herzoginwitwe ist süß, eine richtige kleine Marquise aus dem 18. Jahrhundert, aber die Herzogin kam mir vor wie ein Drachen, sehr verstimmt und steif wie ein Schürhaken. Es war köstlich, zu beobachten, wie sie die Rektorin von oben herab zu behandeln versuchte – unnötig, zu sagen, daß sie bei ihr nicht landete! Dafür schlug der Rektorin dann in der Sakristei die Stunde der Verlegenheit. Sie wollte gerade mit ausgestrecken Händen und einer Gratulationsrede auf den Lippen dem Bräutigam entgegengehen, da packte er sie einfach und gab ihr einen Kuß, und nun werden wir nie erfahren, was sie hatte sagen wollen! Dann küßte er uns alle der Reihe nach (tapferer Mann!), und Miss Lydgate wurde so von ihren Gefühlen übermannt, daß sie den Kuß herzhaft erwiderte. Danach war dann der Brautführer an der Reihe – der schöne Saint-George –, und nach dieser Umarmungsorgie mußten wir Miss de Vines Haare wieder hochstecken. Der Bräutigam schenkte jeder Brautjungfer eine wunderschöne Kristallkaraffe mit einem Satz geschliffener Gläser dazu (für Sherry-Parties – hoch lebe seine frivole Seele!) und die Rektorin bekam einen Scheck über 250 Pfund für das Latymer-Stipendium, was ich eine hübsche Summe nenne.

Aber nun vergesse ich in meiner Aufregung ganz die Braut! Ich hätte nie gedacht, daß Harriet Vane so eindrucksvoll aussehen könnte. Ich sehe sie immer noch als die ungelenke, zerzauste kleine Studienanfängerin, mit knochiger Figur und ewig unzufriedenem Gesicht. Gestern sah sie aus wie ein Renaissanceporträt, das aus dem Rahmen gestiegen war. Zuerst schrieb ich das dem Goldlamé zu, aber bei näherem Hinsehen glaube ich doch, es war die Liebe. Es war schon irgendwie großartig, zu sehen, wie diese beiden einander nahmen, als ob nichts und niemand sonst zählte oder auch nur existierte; ich habe zum erstenmal einen Bräutigam gesehen, der genau zu wissen schien, was er tat, und es tun wollte.

Auf dem Weg nach London – ach, übrigens hat Lord Peter sich energisch gegen Mendelssohn und Lohengrin verwahrt, und wir wurden mit Bach aus der Kirche gespielt – hatte man den Herzog gnädig von seiner verstimmten Herzogin erlöst und mir zur Unterhaltung anvertraut. Er sieht sehr gut aus und ist dumm auf die landadlige Art; äußerlich ist er ein in die heutige Zeit versetzter Heinrich VIII., nur nicht so aufgedunsen und ohne Bart. Er fragte mich ein wenig besorgt, ob ich denn glaubte, «das Mädchen» habe wirklich etwas für seinen Bruder übrig, und als ich antwortete, ich sei mir dessen völlig sicher, vertraute er mir an, er habe Peter nie ganz verstanden und nie damit gerechnet, daß er einmal seßhaft werden würde, und nun hoffe er sehr, daß es gutgehe. Ich glaube, irgendwo in einem Eckchen seines Gehirns lauerte der stille Verdacht, Bruder Peter könne vielleicht dieses kleine gewisse Etwas haben, das ihm selbst fehlt und das er ganz gut brauchen könnte, wenn er nur nicht immer auf die Leute Rücksicht nehmen müßte.

Der Empfang bei der Herzoginwitwe war ein Riesenspaß – und endlich kriegte man bei einer Hochzeit einmal genug zu essen – und zu trinken! Schlecht kamen dagegen die armen Reporter weg, die inzwischen etwas gewittert hatten und in Bataillonsstärke anrückten. Sie wurden gleich an der Tür von zwei hünenhaften Dienern gepackt und mit dem Versprechen, daß «Seine Lordschaft gleich zu ihnen kommen» werde, in einen Raum gepfercht. Schließlich ging «Seine Lordschaft» dann auch hin – allerdings nicht Lord Peter, sondern Lord Wellwater vom Außenministerium, der eine ausführliche und hochwichtige Erklärung zu Abessinien abgab, die nicht anzuhören keiner gewagt hätte. Bis er damit fertig war, hatten unsere Lord- und Ladyschaft sich durch die Hintertür davongeschlichen, und so blieben für die Reporter nur noch ein Zimmer voller Hochzeitsgeschenke und die Reste vom Kuchen. Aber die Herzoginwitwe sah sie dann und war sehr nett zu ihnen, und so trollten sie sich schließlich einigermaßen zufrieden, allerdings ohne Fotos und ohne irgendwelche Informationen über die Flitterwochen. Ich glaube überhaupt, daß niemand außer der Herzoginwitwe weiß, wohin Braut und Bräutigam wirklich gefahren sind.

So – das war’s; ich hoffe von Herzen, daß die beiden so richtig glücklich sind. Miss de Vine findet, es sei zuviel Intelligenz auf beiden Seiten im Spiel – aber ich habe ihr gesagt, sie soll nicht so ein eingefleischter Pessimist sein. Ich kenne haufenweise Ehepaare, die beide so dumm sind wie die Eulen und gar nicht glücklich dabei – also hat wohl weder das eine noch das andere wirklich etwas zu bedeuten, nicht?

Herzliche Grüße,Letitia Martin

Auszüge aus dem Tagebuch der Honoria Lucasta, Herzoginwitwe von Denver

20. Mai. – Peter rief heute morgen an, furchtbar aufgeregt, der Ärmste, um mir zu sagen, daß er und Harriet wirklich und wahrhaftig verlobt sind und das alberne Außenministerium ihn nach dem Frühstück gleich wieder schnurstracks nach Rom geschickt hat – sieht denen ähnlich, man sollte meinen, sie tun es mit Absicht. Vor lauter Empörung und Glück redete er vollkommen durcheinander. Legt allergrößten Wert darauf, daß ich mich mit Harriet in Verbindung setze und ihr zu verstehen gebe, daß sie willkommen ist – das arme Kind, es muß hart für sie sein, hier alleingelassen zu werden und sich mit uns abgeben zu müssen, wo sie doch weder mit sich selbst noch mit irgend etwas anderem so ganz im reinen sein kann. Habe ihr nach Oxford geschrieben und ihr so klargemacht wie möglich, wie sehr es mich freut, daß sie Peter so glücklich macht, und sie gefragt, wann sie mal in London sein wird, damit ich sie besuchen kann. Lieber Peter! Ich hoffe und bete, daß sie ihn wirklich so liebt, wie er es braucht; ich werde es auf den ersten Blick sehen, wenn ich sie vor mir habe.

 

21. Mai. – Las gerade nach dem Tee in Die Sterne blicken herab (Anm. sehr deprimierend und gar nicht das, was ich vom Titel erwartet hatte – muß wohl ein Weihnachtslied im Sinn gehabt haben, erinnere mich aber jetzt, daß es etwas mit dem Heiligen Grab zu tun hat – muß Peter fragen und mich vergewissern), als Emily plötzlich «Miss Vane» melden kam. War so überrascht und erfreut, daß ich aufsprang und Ahasverus ganz vergaß, der auf meinem Schoß schlief und furchtbar beleidigt war. Ich sagte: «Meine Liebe, wie schön von Ihnen, daß Sie kommen» – sie sah so anders aus, daß ich sie gar nicht erkannt hätte – aber es ist ja auch schon fünfeinhalb Jahre her, und auf der Anklagebank in diesem tristen Old Bailey sieht sicher niemand besonders gut aus. Sie kam geradewegs auf mich zu, fast als ob sie vor ein Erschießungskommando träte, und sagte mit dieser merkwürdig tiefen Stimme, die sie hat, ganz ohne Umschweife: «Ihr Brief war so freundlich – ich wußte nicht recht, wie ich darauf antworten sollte, da hielt ich es für besser, gleich herzukommen. Sind Sie auch wirklich nicht allzu böse wegen Peter und mir? Ich habe ihn nämlich ganz furchtbar lieb, und daran kann man einfach nichts machen.» Worauf ich sagte: «Oh, dann haben Sie ihn nur weiter lieb, weil er es sich doch so sehr wünscht, und er ist mir von meinen Kindern eigentlich am liebsten, obwohl es sich für Eltern ja nicht gehört, so etwas zu sagen – aber jetzt darf ich es Ihnen sagen, und ich bin froh darüber.» Daraufhin gab ich ihr einen Kuß, und Ahasverus wurde so wütend, daß er ihr seine sämtlichen Krallen kräftig in die Waden schlug, so daß ich mich entschuldigen mußte und ihm einen Klaps gab, und dann haben wir uns beide aufs Sofa gesetzt, und sie sagte: «Wissen Sie, ich habe mir auf dem ganzen Weg von Oxford bis hier gesagt: ‹Wenn ich ihr nur ins Gesicht sehen kann und alles in Ordnung ist, dann habe ich endlich jemanden, mit dem ich über Peter reden kann.› Das hat mich als einziges davon abgehalten, auf halbem Wege wieder umzukehren.» Armes Kind, mehr wollte sie wirklich nicht – sie war noch ganz benommen, denn anscheinend ist das alles ziemlich spät am Sonntagabend passiert; dann haben sie die halbe Nacht in einem Puntkahn gesessen und sich wie verrückt geküßt, die armen Dinger, und dann mußte er fort und konnte überhaupt nichts mehr in die Wege leiten, und wenn sie nicht seinen Siegelring gehabt hätte, den er ihr noch rasch im letzten Moment an den Finger gesteckt hatte, wäre ihr alles vorgekommen wie ein Traum. Und nachdem sie ihm die ganzen Jahre widerstanden hatte, schien sie jetzt völlig kapituliert zu haben, wie wenn man in einen Brunnen stürzt, und wußte nun anscheinend nichts mit sich anzufangen. Sie sagte, sie könne sich nicht erinnern, seit ihrer Kindheit je so restlos und zum Zerspringen glücklich gewesen zu sein, und nun fühle sie sich innerlich ganz leer. Auf Nachfrage bekam ich heraus, daß sie im wahrsten Sinne des Wortes innen leer sein mußte, denn soweit ich feststellen konnte, hatte sie seit Sonntag weder etwas gegessen noch nennenswert geschlafen. Ich schickte Emily nach Sherry und Keksen und überredete sie – ich meine H. –, zum Abendessen dazubleiben. Wir redeten über Peter, bis ich ihn förmlich sagen hörte: «Aber Mutter, du feierst ja regelrechte Orgien» (oder schreibt man das Orgyen?) … H. entdeckte Peters Foto, das von David Bellezzi, das er nicht leiden kann, und ich fragte sie, was sie davon halte. Sie sagte: «Hm, das ist ein recht netter englischer Gentleman, aber weder der Wahnsinnige noch der Liebhaber, noch der Poet, finden Sie nicht?» Bin ganz ihrer Meinung. (Weiß gar nicht, warum ich das Ding noch aufbewahre, höchstens David zuliebe.) Holte das Familienalbum. Gott sei Dank fing sie nicht gleich an, über Peterchen mit strampelnden Beinen auf dem Teppich zu glucken – kann mütterliche junge Frauen nicht ausstehen, obwohl Peter wirklich ein sehr drolliges Kind war mit seinen widerspenstigen Haaren, die er aber jetzt ganz gut im Griff hat, warum also die Vergangenheit wieder aufrühren? Sie stürzte sich gleich auf die beiden Bilder, denen Peter die Titel «Tunichtgut» und «Der verlorene Akkord» gegeben hat, und sagte: «Die hat jemand aufgenommen, der Peter kennt – war es Bunter?» – was mir wie Hellseherei vorkam. Dann gestand sie mir, daß sie Bunters wegen ein furchtbar schlechtes Gewissen habe und seine Gefühle nicht zu sehr zu verletzen hoffe, denn wenn er kündige, werde es Peter das Herz brechen. Ich sagte ihr ganz offen, das komme ausschließlich auf sie selbst an, und Bunter würde bestimmt niemals von selbst gehen, wenn man ihn nicht geradezu fortdrängte. H. sagte: «Aber Sie werden doch nicht glauben, daß ich so etwas täte. Gerade das ist es ja. Ich möchte nicht, daß Peter irgend etwas verliert.» Sie sah ganz verzweifelt aus, und wir weinten ein bißchen zusammen, bis es uns plötzlich ziemlich komisch vorkam, daß wir beide dasaßen und Tränen um Bunter vergossen, der über die Maßen schockiert gewesen wäre, wenn er es gewußt hätte. Also faßten wir wieder Mut, und ich schenkte ihr die Fotos und fragte, was sie für Pläne hätten, falls sie so weit überhaupt schon gekommen seien. Sie sagte, Peter wisse nicht, wann er zurückkomme, aber sie finde, sie sollte ihr augenblickliches Buch lieber schnell zu Ende schreiben, um zu gegebener Zeit damit fertig zu sein und genug Geld für Kleider zu haben. Sie fragte, ob ich ihr den richtigen Schneider empfehlen könne – sie zeigt sich sehr verständig und ist bereit, für wirklich inspirierte Kleidung Geld auszugeben, aber ich muß mit meinen Ratschlägen vorsichtig sein, weil ich keine Ahnung habe, wieviel man mit Bücherschreiben verdient. Wie dumm und unwissend von mir – ich darf doch um keinen Preis ihren Stolz verletzen … Alles in allem ein rundum erfreulicher Abend. Habe vor dem Zubettgehen ein langes, begeistertes Telegramm an Peter geschickt. Hoffentlich ist es in Rom nicht zu schwül und heiß, denn Hitze bekommt ihm nicht.

 

24. Mai. – Harriet zum Tee. Helen kam dazu – sehr ungezogen und kratzig, als ich ihr Harriet vorstellte. Sagte: «Ach, wirklich? Und wo steckt Peter? Wieder ins Ausland durchgebrannt? Wie dumm und unverantwortlich von ihm!» Dann hechelte sie die ganze Bekanntschaft hier und zu Hause durch und fragte immer wieder dazwischen: «Kennen Sie die So-und-so’s, Miss Vane? Nein? Das sind sehr alte Freunde von Peter. – Gehen Sie zur Jagd, Miss Vane? Nein? Wie schade! Hoffentlich hat Peter nicht vor, es aufzugeben. Es tut ihm so gut, wenn er an die Luft kommt.» Harriet antwortete auf alles sehr vernünftig mit «Nein» und «Gewiß», ohne irgendwelche Erklärungen oder Entschuldigungen vorzubringen, die ja immer gefährlich sind (guter Disraeli!). Ich fragte Harriet, wie sie mit ihrem Buch vorankomme und ob Peters Ratschläge ihr geholfen hätten. Helen meinte: «Ach richtig, Sie schreiben ja» – als ob sie noch nie von ihr gehört hätte, und dann fragte sie, wie das Buch heißen werde, damit sie es sich in der Bibliothek ausleihen könne. Harriet sagte todernst: «Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber erlauben Sie mir, Ihnen eines zu schicken – ich bekomme nämlich sechs Freiexemplare.» Erstes Anzeichen von Verärgerung, aber ich kann es ihr nicht verdenken. Habe mich für Helen entschuldigt, nachdem sie fort war, und gesagt, ich sei froh, daß mein zweiter Sohn aus Liebe heiratet. Ich fürchte, mein Wortschatz ist und bleibt hoffnungslos altmodisch, trotz ausgewählter Lektüre. (Darf nicht vergessen, Franklin zu fragen, was ich mit Die Sterne blicken herab gemacht habe.)

 

1. Juni. – Brief von Peter, der vorhat, ab Oktober das Haus der Belchesters am Audley Square zu nehmen und einzurichten. H. Gott sei Dank bereit, alter Eleganz den Vorzug vor Chromröhren zu geben. H. erschrocken über Größe des Hauses, aber erleichtert, daß ihr nicht zugemutet wird, «ein Zuhause für Peter» zu schaffen. Habe ihr erklärt, daß es seine Sache ist, ein Zuhause daraus zu machen und seine Braut hineinzuführen – ein Privileg, das heutzutage nur noch für Aristokraten und Pfarrer zu gelten scheint, die sich ihre Pfarrhäuser ja selten aussuchen können, die armen Kerle, und dann sind sie meist viel zu groß für sie. H. wies darauf hin, daß Fürstenbräute nach landläufiger Auffassung immerzu herumlaufen und Kretonne auswählen müßten, aber ich sagte ihr, das seien sie nur der Regenbogenpresse schuldig, die häusliche Frauen zu schätzen wisse – Peters Frau sei glücklicherweise ohne derartige Verpflichtungen. Muß mich nach einer Haushälterin für sie umsehen – jemand Tüchtiges –, Peter legt Wert darauf, daß die Arbeit seiner Frau nicht durch Ärger mit Dienstboten gestört wird.

 

5. Juni. – Plötzlicher Ausbruch von Familiensinn in seiner übelsten Form. Zuerst Gerald – natürlich aufgestachelt von Helen –, will wissen, ob das Mädchen präsentabel ist und ob sie moderne Ansichten hat, womit er natürlich Kinder meint, vielmehr keine Kinder. Habe Gerald gesagt, er soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, nämlich Saint-George. Dann Mary mit der Mitteilung, daß Klein Peter die Windpocken hat, und ob das Mädchen wirklich für Peter sorgen werde? Habe ihr gesagt, daß Peter gut genug für sich selbst sorgen kann und wahrscheinlich gar keine Frau will, die nur Windpocken und die beste Art der Fischzubereitung im Kopf hat. Fand bei Harrison wunderhübschen Chippendale-Spiegel und Polstergarnitur.

 

25. Juni. – Liebestraum gestört durch ernstes Gespräch mit Murbles über Ehevertrag – abschreckend langes Schriftstück, das für jede vorstellbare und unvorstellbare Situation eine Regelung enthält und mit Querverweisen jeweils auf des einen oder anderen Tod oder Wiederverheiratung Bezug nimmt, was laut Murbles alles «durch das TESTAMENT (Großbuchstaben) abgedeckt ist». Hatte gar nicht gewußt, daß Peter an seinem Londoner Besitz so gut verdient, H. immer kribbliger bei jedem Paragraphen. Habe sie mir schließlich im Zustand tiefster Depression gegriffen und zum Tee ins Rumpelmayer geführt. Schließlich sagte sie: «Seit ich vom College abgegangen bin, habe ich noch nie einen Penny ausgegeben, den ich nicht selbst verdient hatte.» Ich antwortete: «Nun, meine Liebe, dann sagen Sie Peter, wie Sie empfinden, aber vergessen Sie nicht, daß er ebenso eitel und dumm ist wie die meisten Männer und kein Chamäleon, das um so besser riecht, wenn man drauftritt.» Bei näherem Hinsehen muß ich wohl «Kamille» gemeint haben. (Shakespeare? Muß Peter fragen.) Habe schon überlegt, ob ich es Peter schreiben soll, lasse es aber lieber – junge Leute müssen ihre Kämpfe selbst ausfechten.

 

10. August. – Gestern vom Lande zurückgekehrt, um Sache mit Ehevertrag geregelt vorzufinden. H. zeigte mir dreiseitigen, intelligent mitfühlenden Brief von Peter, der anfing: «Natürlich hatte ich diese Schwierigkeit vorhergesehen» und endete: «Entweder muß Dein Stolz geopfert werden oder meiner – ich kann nur an Deine Großmut appellieren und bitten, daß es Deiner sei.» H. sagte: «Peter sieht immer alle Schwierigkeiten voraus – das ist das Entwaffnende an ihm.» Muß ihr von ganzem Herzen recht geben – kann Leute nicht leiden, die «nicht verstehen, was das Theater soll». H. jetzt nachgiebig und bereit, angemessenes Einkommen anzunehmen, hat aber ihren Stolz gleich getröstet, indem sie in der Burlington-Arkade zwei Dutzend Seidenhemden kaufte und bar bezahlte. Verrät eigensinnige Entschlossenheit, wenn sie schon etwas tut, es auch richtig zu machen – hat begriffen, daß Peter es ausbaden muß, wenn Helen ein Haar in der Suppe findet, und ist wild entschlossen, intelligent an die Sache heranzugehen. Es spricht doch offenbar einiges für Bildung – sie lehrt einen, Tatsachen zu begreifen. Zur Zeit ringt H. darum, Peters Stellung als Tatsache zu begreifen – interessant zu beobachten. Langer Brief von Peter, hat große Zweifel am Völkerbund und schickt detaillierte Anweisungen für Regale in der Bibliothek und ein Barockbett; ist außerdem verärgert darüber, daß man ihn in Rom läßt «wie einen Klempner, um die diplomatischen Löcher zu stopfen». Engländer sehr unbeliebt in Italien, aber P. hatte wohltuende Diskussion mit Papst über ein historisches Manuskript – muß für beide eine angenehme Abwechslung gewesen sein.

 

16. August. – Harriet war auf dem Lande, um sich eine Wassermühle anzusehen (hat etwas mit ihrem neuen Buch zu tun), und erzählt, daß sie auf der Rückfahrt durch Hertfordshire gekommen ist und ihrem alten Zuhause in Great Pagford einen Besuch abgestattet hat. Erzählte von ihrer Familie – stiller Landarzt mit Frau. Vater verdiente ganz gut, hat aber nie daran gedacht, etwas auf die Seite zu legen (muß wohl geglaubt haben, er lebe ewig) – aber sehr besorgt um eine gute Ausbildung für H. –, sehr vernünftig, wie sich zeigte. H. sagt, ihr Kindheitstraum sei es gewesen, einmal genug Geld zu verdienen, um ein wunderliches kleines Bauernhaus namens Talboys im Nachbardorf zu kaufen. Sie habe es auf ihrer Fahrt wiedergesehen. Elisabethanisch, sehr hübsch. Sagte, wie anders doch immer alles kommt, als man erwartet. Ich sagte, das scheine genau das richtige Wochenendhäuschen für sie und Peter zu sein. H. mußte ein bißchen nach Luft schnappen – meinte, das könne schon sein. Beließ es dabei.

 

19. August. – Fand genau die richtigen Vorhänge für das Bett. Helen findet so etwas höchst unhygienisch. Berichtet von Gerald, daß er unerfreuliche Meldungen über die Rebhühner erhalten hat und findet, es gehe mit dem Land bergab.

 

20. August. – H. hat wegen Kauf von Talboys an Peter geschrieben. Erklärt mir, sie habe den Eindruck, daß Peter «gern schenkt» – stimmt genau, armer Kerl! Tatsachen jetzt anscheinend ein für allemal akzeptiert – scheint fünfeinhalb Jahre Geduld jetzt auf einen Schlag zurückgezahlt zu bekommen. Antwortete nachsichtig, ich könnte mir keine größere Freude für Peter vorstellen. Tanzte im Salon einen stummen Freudentanz, als sie fort war – sehr zu Franklins Verwunderung (dummes Frauenzimmer – sie dürfte mich doch inzwischen kennen).

 

21. August. – Harriets Buch fertig und an Verleger geschickt. Das läßt ihr leider Zeit und Muße, sich wegen Abessinien Sorgen zu machen – wie lästig! Ist überzeugt, daß die Zivilisation untergehen und man von Peter nie mehr etwas sehen wird. Wie eine Katze auf heißen Ziegeln; behauptet, Peter fünf Jahre seines Lebens gestohlen zu haben, was sie sich nie verzeihen kann, und es hilft gar nichts, ihr zu sagen, daß er über das Militärdienstalter hinaus ist, denn sein Gewissen trägt den Stempel «Geheimdienst», und wenn er siebzig wäre, könnte er immer noch bei einem Gas- oder Luftangriff ums Leben kommen. Hoffe ernstlich, daß wir keinen neuen Krieg bekommen, mit Fleischmarken und Zuckerknappheit und so vielen Toten – lächerlich und unnötig. Frage mich, ob Mussolinis Mutter dem Jungen zuviel oder zuwenig die Hosen strammgezogen hat. Erinnere mich noch genau, daß ich Peter die Hosen strammgezogen habe, und es scheint ihm nicht allzusehr geschadet zu haben, also haben diese Psychologen wahrscheinlich alle miteinander unrecht.

 

24. August. – Peter hat Makler angewiesen, mit gegenwärtigem Besitzer – einem gewissen Noakes – über Kauf von Talboys zu verhandeln. Sein Brief an mich sehr zurückhaltend – aber er ist begeistert. Lage in Rom klärt sich anscheinend, soweit es seine Aufgabe betrifft. H. immer noch besorgt wegen Kriegsgefahr.

 

30. August. – Harriet völlig aus dem Häuschen nach Brief von Peter, in dem steht: «Und sollte dieser Welt der Abend dämmern: Bevor es Nacht wird, werde ich in Deinen Armen schlafen.» … (Wie erkenne ich darin den alten, wortgewaltigen Peter von vor zwanzig Jahren wieder!) … und außerdem sei seine Klempnerarbeit getan und er habe um seine Entlassung nachgesucht, was der Sache schon näher kommt.

 

4. September. – Die Kerzenleuchter für die Diele und den großen Salon sind gut geworden. Gerald sagt, sie können die Wandbehänge aus dem Blauen Zimmer haben – sie werden sich auf dem oberen Treppenabsatz gut machen, glaube ich –, habe sie zum Ausbessern und Reinigen weggegeben, was sie dringend nötig hatten. (Peter würde sagen, das sei auch bei meinen Pronomina der Fall, aber ich weiß ganz genau, was ich meine.) Ahasverus hat sich in Franklins Zimmer übergeben – komisch, wie er an ihr hängt, wo sie doch Katzen eigentlich nicht leiden kann.

 

7. September. – Peter telegrafiert, daß er nächste Woche zurückkommt. Harriet bestand darauf, mich zum Essen auszuführen und mir Champagner zu spendieren. Sagte übermütig, dies sei ihre letzte Gelegenheit, da Peter keinen Champagner möge. Habe ihr mit einer kurzen (kurz für mich jedenfalls), witzigen Ansprache zum Verlust ihrer Freiheit kondoliert. Möchte mal erleben, daß Helen mich zum Essen ausführt und sich eine Rede von mir anhört.

 

14. September. – Peter ist wieder da. Ist mit Harriet irgendwohin zum Essen gegangen und dann zu mir gekommen – allein, wie nett von ihnen, denn ich hatte natürlich gesagt, er soll sie mitbringen. Er sieht abgemagert und müde aus, aber ich glaube, das muß Mussolini oder das Wetter oder irgendwas sonst sein, denn er ist offensichtlich von keinerlei Zweifeln geplagt (außer denen am Völkerbund natürlich) – und es hat mich sehr überrascht, daß er fast zwei Stunden lang absolut still dasaß, ohne herumzuzappeln oder viel zu sagen, was so ungewöhnlich an ihm ist, denn in aller Regel ist ein Sack Flöhe nichts gegen ihn. Er hat sich sehr über alles gefreut, was ich hinsichtlich des Hauses unternommen habe. Will die Einstellung von Personal mir überlassen, da Harriet zu unerfahren. Sie werden etwa acht Dienstboten brauchen, außer Bunter und der Haushälterin – werde also ganz schön beschäftigt sein.

 

15. September. – Harriet heute morgen hier, um mir ihren Ring zu zeigen – großer Solitärrubin –, der alte Abrahams hat ihn eigens nach Anweisung schneiden und einfassen lassen. Arme H., mußte über sich selbst lachen, denn als Peter ihn ihr gestern gab, hat sie ihn angesehen, und als sie zehn Minuten später danach gefragt wurde, wußte sie nicht einmal, welche Farbe der Stein hatte. Sie hat gesagt, sie wird wohl nie lernen, sich so zu benehmen wie andere Leute, aber Peter hat nur geantwortet, das sei das erste Mal gewesen, daß sein Antlitz mehr galt als selbst Rubine. Peter kam dann zum Lunch dazu – Helen auch, die den Ring sehen wollte und bissig sagte: «Du lieber Himmel! Hoffentlich ist er versichert.» Um ihr Gerechtigkeit angedeihen zu lassen, muß ich zugeben, daß ich mir nicht vorstellen kann, was sie noch Gemeineres hätte sagen können, selbst wenn sie vierzehn Tage lang ausschließlich darüber nachgedacht hätte. Sie sagte dann noch, sie nehme doch an, daß die beiden in aller Stille auf dem Standesamt heiraten würden, aber Peter antwortete, dann könne er ebensogut in einem Bahnhofswartesaal heiraten, und wenn Helen neuerdings religiöse Skrupel habe, brauche sie die Zermonie ja nicht mit ihrer Anwesenheit zu beehren. Darauf meinte Helen: «Ach so, verstehe – wahrscheinlich St. George am Hanover Square» — und sofort fing sie an, alles für sie zu arrangieren, einschließlich Datum, Pfarrer, Gästen und Musik. Als sie zu der «Stimme, die über Eden weht» kam, sagte Peter: «Laß um Gottes willen den Völkerbund aus dem Spiel!» Woraufhin er und Harriet unartige Verse zu dichten anfingen und Helen sich ziemlich überflüssig vorkam, denn in Gesellschaftsspielen war sie noch nie sehr gut.

 

16. September. – Helen hat uns entgegenkommenderweise ein Exemplar des neuen Trauungsritus besorgt, bei dem die ganzen derben Stellen herausgestrichen sind – was ein Spiel mit dem Feuer war. Peter nahm es spaßig auf und meinte, er wisse über die Zeugung von Kindern bestens Bescheid, theoretisch zumindest, wenn auch nicht praktisch, aber die «Vermehrung der Menschheit» nach irgendeiner anderen Methode sei ihm zu fortschrittlich, und wenn er sich je solch gefährlichen Vergnügungen hingeben sollte, wolle er mit Erlaubnis seiner Frau lieber bei dem alten Verfahren bleiben. Was das «Geschenk der Keuschheit» angehe, sagte er, die wolle er nicht einmal geschenkt haben, das gebe er ohne weiteres zu. An diesem Punkt stand Helen auf und verließ das Haus, und P. und Harriet durften sich über das Wort «gehorchen» streiten. P. sagte, er sehe es als Verstoß gegen die guten Sitten an, seiner Frau Befehle zu erteilen, aber H. antwortete, er werde ihr schon noch schnell genug Befehle erteilen, wenn nämlich das Haus brenne oder ein Baum umstürze und er sie in Sicherheit bringen wolle. P. sagte, in diesem Falle müßten sie beide «gehorchen» sagen, aber das sei ein zu saftiger Bissen für die Zeitungen. Ich ließ sie den Streit allein ausfechten. Als ich wiederkam, hatte Peter inzwischen eingewilligt, sich gehorchen zu lassen, aber nur unter der Bedingung, daß er ihr seine irdischen Güter schenken dürfe, nicht nur mit ihr teilen. Schockierender Sieg der Gefühle über das Prinzip.

 

18. September. – Muß jetzt wirklich mal «Verdammt» sagen! Da haben doch diese widerlichen Zeitungen die alte Geschichte von Harriet und Philip Boyes wieder ausgegraben! Peter ist wütend. Harriet sagt: «War ja nicht anders zu erwarten.» Ich hatte fürchterliche Angst, sie könne Peter anbieten, von der Verlobung zurückzutreten, aber sie beherrschte sich tapfer – wahrscheinlich ist ihr klar, daß es ihn umbringen würde, das alles noch einmal durchzumachen. Ich glaube, dahinter steckt nur diese Sylvester-Quicke, die sich seinerzeit so bemüht hat, Peter einzufangen – ich hatte sie schon immer im Verdacht, daß sie für die Klatschspalten der Sonntagszeitungen schreibt. Helen ergriff (plump, aber energisch) Partei für die Familie und meinte, man solle jetzt am besten eine ganz große Hochzeit abhalten und es ihnen zeigen. Sie hat – aus Gründen, die mir unerfindlich sind – den 16. Oktober als das geeignetste Datum gewählt. Hat auch freundlicherweise die Auswahl der Brautjungfern übernommen – lauter Freunde von uns, da Harriets Freunde ja «offenbar unmöglich» seien – und angeboten, ihr Haus für den Empfang zur Verfügung zu stellen –, außerdem zehn Villen im Besitz verarmter Adelsfamilien zur Auswahl für die Flitterwochen. Peter verlor die Geduld und fragte: «Wer heiratet hier eigentlich, Helen – du oder wir?» Gerald versuchte, das Oberhaupt der Familie herauszukehren – gründlich abgeblitzt. Helen gab erneut ihre Meinung zum besten und endete mit den Worten: «Dann darf ich also den 16. Oktober als beschlossen ansehen.» Peter antwortete: «Du darfst ansehen, was du willst.» Helen erklärte, sie werde sich zurückziehen, bis es ihm einzusehen beliebe, daß sie doch nur sein und Harriets Bestes wolle – und Gerald machte so ein flehendes Gesicht, daß Peter sich für die Unhöflichkeit entschuldigte.

 

20. September. – Makler berichtet, daß Preis für Talboys geregelt ist. Viele Umbauten und Reparaturen nötig, Haus aber im Kern gesund. Kaufvertrag sieht sofortigen Besitzwechsel vor – derzeitiger Besitzer darf bis nach Flitterwochen drinbleiben, dann will Peter hinfahren, um zu sehen, was gemacht werden soll, und die Handwerker schicken.

 

25. September. – Helen und Zeitungen machen Situation allmählich unerträglich. Peter außer sich beim Gedanken an St. George und großes Trara. Harriet erneut von Minderwertigkeitskomplexen geplagt; bemüht sich tapfer, sie nicht zu zeigen. Habe alle Einladungen vorerst zurückgehalten.

 

27. September. – Peter kam zu mir und sagte, wenn das noch lange so weitergehe, würden sie noch beide verrückt. Er und H. haben beschlossen, in aller Stille zu heiraten und nur ihren eigenen engsten Freunden etwas zu sagen. Kleine Hochzeit in Oxford, Empfang hier, Flitterwochen irgendwo an einem friedlichen Ort auf dem Lande. Habe mich gern bereit erklärt, ihnen dabei behilflich zu sein.

 

30. September. – Sie haben mit Noakes ausgemacht, daß sie die Flitterwochen in Talboys verbringen werden, ohne daß jemand etwas davon weiß. N. kann kurzfristig ausziehen und ihnen das Mobiliar und so weiter leihweise überlassen. Ich fragte: «Und die Kanalisation?» Peter sagte, die Kanalisation könne ihm gestohlen bleiben – auf Denver sei in seiner Kindheit auch nicht viel an Kanalisation gewesen (wie gut ich das noch weiß!). Trauung (mit Zustimmung des Erzbischofs) am 8. Oktober, und Helen soll bis zuletzt denken, was sie will – Zeitungen ebenfalls. Harriet sehr erleichtert. Peter sagt, Flitterwochen in Hotels seien sowieso widerwärtig – eigenes Dach (besonders wenn elisabethanisch) gezieme sich besser für englischen Gentleman. Viel Lärm um Hochzeitskleid – von Worth –, historisches Gewand aus steifem Goldbrokat, lange Ärmel, viereckiger Halsausschnitt, gesichtsfreie Kopfbedeckung, kein Schmuck, außer langen Ohrringen von mir, die einmal Großtante Delagardie gehört haben. (Anm.: Verleger muß mit neuem Buch ganz gut auf seine Kosten gekommen sein.) H. soll vom College in die Ehe gegeben werden (finde ich ganz reizend) – endlose Telegramme und Verschwiegenheitsgelübde. Bunter soll vorausfahren und in Talboys nach dem Rechten sehen.

 

2. Oktober. – Müssen Bunter aus dem Spiel lassen. Er wird auf Schritt und Tritt von Reportern verfolgt. Einen hat er erwischt, wie er sich durch den Warenaufzug in Peters Wohnung schleichen wollte. B. knapp um Anzeige wegen Körperverletzung herumgekommen. P. will Talboys (einschließl. Kanalisation) lieber auf gut Glück nehmen. Bezahlung erledigt, und Noakes hat versprochen, alles vorzubereiten – ist es gewöhnt, sein Haus an Sommergäste zu vermieten, dürfte also in Ordnung gehen … Helen aufgeregt, weil noch keine Einladungen für den 16. hinausgegangen sind. Habe ihr gesagt, daß der 16. meines Wissens noch nicht offiziell festliegt (!). Helen fragt, was Verzögerung soll. Ob Peter kalte Füße bekommen hat oder ob das Mädchen ihn wieder hinhält? … Habe geantwortet, Hochzeit sei ihre eigene Sache, beide volljährig … Sie nehmen keine Dienstboten mit außer Bunter, der ein vollkommener Gastgeber für sich allein ist und mit Hilfe von Leuten aus dem Dorf alles erledigen kann, was sie brauchen. Ich glaube, Harriet hat Angst davor, gleich mit fremdem Personal anzufangen, und Peter möchte sie schonen. Dienstmädchen aus der Stadt sind ja auf dem Lande auch die reinste Plage. Wenn Harriet erst einmal mit Bunter zurechtkommt, wird sie mit Dienstboten keine Scherereien mehr haben!

 

4. Oktober. – War bei Peter, um ihn bei der Fassung einiger Steine zu beraten, die er aus Italien mitgebracht hat. Während ich dort war, brachte die Post einen eingeschriebenen großen, flachen Umschlag – Harriets Handschrift. Hätte gern gewußt, was sie ihm da lieber schickte, statt es zu bringen (meine Neugier!). Beobachtete Peter beim Öffnen, während ich so tat, als ob ich ein Stück Zirkon untersuchte (so eine wunderhübsche Farbe!). Er errötete auf diese komische Art, die er an sich hat, wenn ihm jemand etwas recht Persönliches sagt, und stand da und starrte das Ding an, bis ich nicht mehr an mich halten konnte und frage: «Was ist es denn?» Er sagte mit sonderbarer Stimme: «Das Geschenk der Braut an den Bräutigam.» Ich hatte mir schon seit einiger Zeit den Kopf darüber zerbrochen, wie sie sich da aus der Affäre ziehen würde, denn man kann einem sehr wohlhabenden Mann ja nun wirklich nicht besonders viel schenken, sofern man nicht selbst ziemlich wohlhabend ist, und das Falsche ist immer schlechter als gar nichts, aber trotzdem hat es niemand gern, wenn ihm freundlich gesagt wird, er könne einem kein schöneres Geschenk machen als seine bezaubernde Person – sehr hübsch, aber so herablassend und gönnerhaft, denn schließlich haben wir alle so unsere menschlichen Triebe, und Schenken ist einer davon. Ich sauste also hin, um es mir anzusehen, und da war es ein Brief, nur ein einziges Blatt, in einer sehr schönen Handschrift aus dem 17. Jahrhundert. Peter sagte: «Das Komische ist, daß mir der Katalog nach Rom nachgesandt wurde und ich gleich ein Telegramm danach losgeschickt und mich sehr geärgert habe, als ich erfuhr, daß es schon verkauft sei.» Ich sagte: «Aber du sammelst doch gar keine Handschriften.» Darauf er: «Nein, aber ich wollte es für Harriet haben.» Und dann drehte er das Blatt um, und ich sah die Unterschrift: «John Donne», was mir so einiges erklärte, denn für Donne hatte Peter schon immer eine Schwäche gehabt. Es scheint ein sehr schöner Brief von Donne an ein Gemeindemitglied zu sein – eine Lady So-und-so – über göttliche und menschliche Liebe. Ich habe versucht, ihn zu lesen, aber ich komme mit dieser komischen alten Schrift nie zurecht (möchte wissen, was Helen dazu sagen wird – sicher wird sie finden, ein goldenes Feuerzeug sei sehr viel angemessener gewesen) – da merkte ich, daß Peter ans Telefon gegangen war und sagte: «Hör mal, mein Herz» – aber mit einer Stimme, die ich sein Leben lang noch nie an ihm gehört habe. Ich also nichts wie raus aus dem Zimmer und geradewegs Bunter in die Arme, der gerade zur Wohnungstür hereinkam. Ich fürchte, Peter läuft ein wenig aus dem Gleis, denn als er nach dem Telefonat herauskam, meldete Bunter, daß er auftragsgemäß für den Abend des 16. Oktober «das beste Zimmer im Lord Warden gebucht habe, Mylord, sowie Zug- und Schiffspassage nach Menton», P. fragte, ob die Höllenhunde ihm auf der Spur gewesen seien. B. bejahte – Oberhund habe sich erwartungsgemäß an ihn herangemacht und ihn auszuhorchen versucht. Warum das Lord Warden und nicht das Nachtschiff oder Flugzeug, habe er wissen wollen. B. habe geantwortet, weil Ihre Ladyschaft zu Luft- und Seekrankheit neige. Höllenhund sei zufrieden gewesen und habe B. 10 Shilling gegeben, die er an die Gesellschaft für Strafgefangenenhilfe weiterzuleiten sich gestatten werde. Ich sagte: «Aber wirklich, Peter!» Da fragte er, warum er einem wohlverdienten Ehepaar nicht mal eine Europareise spendieren dürfe. Damit schickte er die Reservierungen an Miss Climpson zur Weitergabe an einen tuberkulosekranken Buchhalter und seine Frau, die in beschränkten Umständen leben. (Frage: Wie beschränkt man einen Umstand?)

 

5. Oktober. — Worth hat wunderbar gearbeitet und Kleid geliefert. Wenige erlesene Freunde eingeladen, um Brautausstattung zu besichtigen – einschließlich Miss Climpson, die angesichts des Nerzmantels, den Peter der Braut schenkte, auf wundersame Weise sprachlos war – 950 Guineen sind ja auch zugegebenermaßen ein wenig extravagant, aber es war sein einziger Beitrag, und er machte so ein verängstigtes und schuldbewußtes Gesicht bei der Übergabe wie damals, als er noch ein kleiner Junge war und sein Vater ihn mit einer Tasche voller Karnickel erwischte, nachdem er eine Nacht mit diesem nichtsnutzigen alten Wilddieb Merryweather fortgewesen war, an den er sein Herz so gehängt hatte – und wie es in der Hütte dieses Mannes stank! Aber es ist wirklich ein wunderschöner Mantel, und H. bekam nichts weiter heraus als «Oh, Mr. Rochester!» – zum Scherz, was eine Anspielung auf Jane Eyre sein sollte, die sich für meinen Geschmack so undankbar gegenüber dem armen Mann benommen hat – es muß schon bedrückend sein, wenn die Braut, und sei sie auch nur zur linken Hand, immer grauen Alpaka oder Merinowolle oder dergleichen verlangt –, da kann einem Mann die Liebe schon vergehen … Artikel von Höllenhund im Morning Star – diskreterweise anonym, aber unverkennbar. Helen rief an und wollte wissen, ob das wahr sei. Ich antwortete vollkommen wahrheitsgemäß, die Meldung sei von vorn bis hinten frei erfunden! Abends ging ich mit Peter und Harriet zum Cheyne Walk, um mit Paul zu Abend zu essen – der es sich trotz Zipperlein nicht nehmen lassen will, zur Hochzeit zu kommen. Bemerkte ungewöhnliche Befangenheit zwischen P. und H., die mir gestern abend, als sie sich zum Essen und Theater verabschiedeten, noch völlig normal vorgekommen waren. Paul warf ihnen nur einen Blick zu und begann sofort über seinen ewigen cloisonné und die Überlegenheit natürlich gereifter französischer Weine über Portwein zu schwatzen. Ungemütlicher Abend, keiner so recht bei der Sache. Paul schickte schließlich P. und H. allein mit einem Taxi fort, indem er sagte, er habe mit mir über Geschäfte zu reden – ganz klar ein Vorwand! Ich fragte, ob er glaube, daß etwas nicht stimme. Paul antwortete: «Au contraire, ma sœur, c’est nous qui sommes de trop. Il arrive toujours le moment où l’on apprend à distinguer entre embrasser et baiser» – und fuhr grinsend fort: «Ich habe mich schon gefragt, wie lange Peter durchhält, bis er die Schranken fallen läßt – er ist ganz sein Vater, mit einer Spur von mir, Honoria, mit einer Spur von mir!» Mochte weder Zeit noch Atemluft damit verschwenden, mich über Paul zu ärgern – der immer der vollkommene Polygamist war – wie Peters Vater natürlich auch, so lieb ich ihn hatte –, also sagte ich: «Ja, Paul, aber meinst du, daß Harriet –?» Paul antwortete: «Pah, der Wein, den sie trinkt, ist aus Trauben gemacht. Il y a des femmes qui ont le génie –» Ich hätte es wirklich nicht ertragen, Paul jetzt noch über le génie de l’amour reden zu hören, denn dann hört er nicht mehr auf und wird von einer Sekunde zur andern immer französischer, gespickt mit erhellenden Anekdoten aus seiner eigenen Laufbahn und so weiter – und dabei ist er nicht französischer als ich – genau zu einem Achtel –, also sagte ich rasch, seine Diagonale sei sicher richtig (ob ich nicht doch eigentlich «Diagnose» gemeint habe?), und das ist sie sicher auch – in Liebesdingen habe ich Paul noch nie sich irren sehen. Erkenne darin jetzt auch Erklärung dafür, daß er sich mit Harriet auf Anhieb so gut verstanden hat, obwohl man das eigentlich nicht erwartet hätte, wenn man ihre Reserviertheit und seinen Geschmack in puncto Frauen kennt. Ich sagte zu Paul, es sei Zeit für ihn, zu Bett zu gehen, und er antwortete geknickt: «Ja, Honoria – ich werde sehr alt, und die Knochen tun mir weh. Meine Sünden lassen mich im Stich, und wenn ich mein Leben noch einmal leben dürfte, würde ich alles daransetzen, mehr von ihnen zu begehen. Zum Kuckuck mit Peter! Il ne sait pas vivre. Mais je voudrais bien être dans ses draps.» – «Du wirst bald im eigenen Leintuch liegen», sagte ich ärgerlich. «Kein Wunder, daß Peter dich immer Onkel Pandarus nennt, du nichtsnutziger alter Sünder.» Paul erwiderte: «Aber du kannst nicht leugnen, daß ich ihn sein Handwerk gelehrt habe, und er macht keinem von uns beiden Schande.» Darauf gab es nichts zu antworten, also fuhr ich nach Hause … Versuchte mich erneut an Die Sterne blicken herab und fand nur lauter unangenehme Leute darin … Tatsache ist, daß man nie eine richtige Vorstellung von seinem eigenen Sohn hat … Aber ich hätte nicht so grob zu Paul sein müssen.

 

7. Oktober. – Harriet kam mich noch einmal besuchen, bevor sie nach Oxford abfuhr – sehr nett zu mir. Ich glaube, sie wird Peter alles geben, was er braucht – doch, das glaube ich wirklich. Wenn das überhaupt jemand kann … Fühlte mich trotzdem eine halbe Stunde lang ganz deprimiert … Als ich später mit den Vorbereitungen für das Hochzeitsfrühstück beschäftigt war – die Heimlichtuerei macht alles um so schwerer –, wurde ich durch einen Anruf von Peter gestört, der plötzlich ganz unleidlich war, weil es in der Nacht geregnet hatte und die Straßen glitschig seien und Harriet auf dem Weg nach Oxford ganz bestimmt ins Schleudern geraten und umkommen werde. Ich sagte ihm, er solle sich nicht aufführen wie ein Halbverrückter, und wenn er eine vernünftige Beschäftigung brauche, solle er herkommen und Emily helfen, den Zierat in den Vitrinen im Salon zu putzen. Kam aber nicht – dafür Jerry, ganz aus dem Häuschen vor Freude, daß er Brautführer sein darf, und zerbrach eine Schäferin aus Meißner Porzellan.

 

Später.