Hoffnungsschimmer - Emma S. Rose - E-Book
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Emma S. Rose

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Beschreibung

Komm mit Helena und Noah nach Meeresruh auf Rügen und lass dich beim alljährlichen Strandkorbzauber von der Magie der Weihnacht einhüllen. Nie wollte Helena auf ihre Heimatinsel zurückkehren. So sehr sie die wunderschöne, raue Natur, die schrulligen Bewohner und ihren Opi Enno vermisst – sie fürchtet um ihr Herz, das damals so schrecklich gebrochen wurde. Doch dann bekommt sie einen Anruf: Ihr Opa hatte einen Unfall und braucht dringend Unterstützung beim Verkauf seiner selbstgeschnitzten Unikate, die er jedes Jahr beim Strandkorbzauber anbietet. Obwohl sie die Angst vor der Vergangenheit lähmt, packt sie ihre Sachen, um für ein paar Wochen zu ihm zu ziehen. Womit sie gar nicht rechnet, ist die zweite Hilfskraft, die ihr Opa organisiert hat. Noah Jörgens. In seine funkelnden Augen hat sie sich schon einmal verliebt. Damals ging es schief. Kann der Zauber der Weihnachtszeit die alten Wunden heilen? Dies ist Teil 2 der Reihe »Strandkorbzauber auf Rügen«. Jede Geschichte behandelt ein eigenes Pärchen und ist in sich abgeschlossen. Man trifft allerdings in allen Büchern liebgewonnene Charaktere wieder und erfährt, wie es mit ihnen weitergeht.

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Hoffnungsschimmer

EMMA S. ROSE

Hoffnungsschimmer: Strandkorbzauber auf Rügen

1. Auflage

November 2023

© Emma S. Rose

Rogue Books, Inh. Carolin Veiland, Franz – Mehring – Str. 70, 08058 Zwickau

[email protected]

Covergestaltung: Michelle Schrenk, @canva, www.canva.com

Verwendete Grafiken/ Fotos:

Strandkorb Credit / Evgenia_art/ Istockphoto

Alle Rechte sind der Autorin vorbehalten.

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung und Vervielfältigung – auch auszugsweise – ist nur mit der ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung der Autorin gestattet.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung des Werkes in andere Sprachen, liegen alleine bei der Autorin. Zuwiderhandlungen sind strafbar und verpflichten zu entsprechendem Schadensersatz.

Sämtliche Figuren und Orte in der Geschichte sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit bestehenden Personen und Orten entspringen dem Zufall und sind nicht von der Autorin beabsichtigt.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Epilog

Danksagung

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Über den Autor

Ohne Titel

Für jeden, der zweite Chancen verteilt.

Und der sie nutzt.

Ein kleiner Funke kann große Feuer entfachen. Ein kleiner Hoffnungsschimmer große Hoffnungen wecken.

ADOLF FAUT

KapitelEins

Müde starrte ich aus dem Fenster. Es war voller Schlieren, tauchte die vorbeiziehende Landschaft in ein trübes Grau, und dennoch spürte ich, wie der Anblick etwas in mir bewegte. Unruhe. Aufregung. Nervosität. Und ein diffuses Gefühl von … lang vermisster Heimat.

Das ergab keinen Sinn.

Seufzend fuhr ich mir über das Gesicht. Mittlerweile war ich fast acht Stunden unterwegs. Mein verschwommenes Spiegelbild wirkte so erschlagen und angespannt, wie ich mich fühlte.

Kein Wunder, dass mir seltsame Sachen durch den Kopf gingen. Gab es eine Art Erschöpfungs-Delirium? Falls ja, war ich wohl ein Kandidat dafür.

Seit ich wusste, dass ich nach Meeresruh zurückkehren würde, hatte ich nicht mehr geschlafen. Okay, das war vielleicht etwas übertrieben. Ich hatte geschlafen. Aber eben nicht mehr gut. Nun, da ich mich auf meiner Reise quer durch Deutschland befand, hatte ich das Gefühl, permanent von Sekundenschlaf bedroht zu werden. Keine gute Idee, wenn man so oft umsteigen musste, wie ich auf dieser Fahrt. Vielleicht wäre es klüger gewesen, ein Auto zu mieten. Andererseits … nein. Auf gar keinen Fall hätte ich diese Strecke geschafft. Nicht ohne einhundert Pausen. Mindestens.

Mein Puls beschleunigte sich, während ich eine lose Strähne meiner dunkelblonden Haare hinter mein Ohr strich, die Augen zusammenkniff und tief durchatmete.

Letzte Woche hatte ich mich noch auf eine schöne Weihnachtszeit mit meinen Freunden und meiner Familie gefreut. In Frankfurt, jener Stadt, in der ich seit nunmehr zehn Jahren lebte. Wie gern ich zum Weihnachtsmarkt in die Altstadt ging, dort einen weißen Glühwein trank und mich vom Zauber der Weihnachtszeit einfangen ließ! Die Mischung aus traditionellen Ständen, bunter Lichterdeko, riesigen Tannen – und all das inmitten der überdimensionierten Stadt. Wenn Moderne auf Traditionen traf … einst hätte ich es nie für möglich gehalten, doch selbst in einer so großen Stadt gingen kuschelige, plüschige Weihnachtsgefühle nicht verloren. Im Gegenteil. Und für gewöhnlich war ich in diesem letzten Monat des Jahres übervoll mit plüschigen Weihnachtsgefühlen.

In den vergangenen Jahren hatte ich mich nicht nur in Frankfurt eingelebt, mir ein neues Heimatgefühl erschaffen, ich hatte eigene Traditionen entwickelt. Traditionen, auf die ich mich jedes Jahr aufs Neue freute.

Doch dann hatten sich schlagartig sämtliche Pläne in Luft aufgelöst, als mein Handy einen eingehenden Anruf angekündigt hatte.

Einen Anruf von Opa Enno.

Während es an sich nichts Besonderes war, dass wir telefonierten – und so die räumliche Distanz zwischen uns überbrückten –, war es durchaus unüblich, dass er mich auf normalem Wege anrief. Seit er von seiner Bekannten Annchen gezeigt bekommen hatte, wie Videotelefonie funktionierte, bevorzugte er diese Form des Gesprächs. Ich hatte also bereits geahnt, dass etwas nicht stimmte, ehe ich den Anruf überhaupt entgegengenommen hatte.

Und ich hatte recht behalten.

Zehn Jahre war es her, dass ich meiner wunderschönen Heimat Rügen den Rücken gekehrt hatte. Zehn Jahre, die ich in Frankfurt verbracht hatte. Damals hatte ich die Insel mit einem aus mehreren Gründen gebrochenen Herzen verlassen und mir geschworen, nie wieder zurückzukehren, aus Angst, den Schmerz wieder aufleben zu lassen.

Zehn Jahre hatte ich diesen Schwur aufrechterhalten können.

Und nun war ich doch wieder auf dem Rückweg. Ausgerechnet zu meiner mir liebsten Jahreszeit.

Wenn das mal nicht das schrecklichste Weihnachten werden würde, das ich jemals erlebt hatte …

Wir erreichten Stralsund. Ich ließ meinen Platz zurück, schleppte den schweren Koffer von einem Gleis zum nächsten. Um mich herum herrschte Hektik. Ich versuchte, mir auszumalen, wohin all diese Menschen wollten. Ob noch jemand zum beschaulichen Meeresruh fuhr, um dort ein langes Wochenende zu verbringen? Den Strandkorbzauber zu genießen; den ortseigenen Weihnachtsmarkt, der an den kommenden Adventswochenenden mit Handwerkswaren, Heißgetränken und leckeren Süßwaren die Leute anziehen würde? Zumindest hatte er das vor zehn Jahren noch getan …

Schneeflocken rieselten träge vom Himmel, schwach und vereinzelt und nicht ausreichend, um die Welt wie Puderzucker zu bestäuben. Der Himmel war grau und dicht bewölkt. Eine Art Omen? War es das, was mir nun bevorstand? Wochen der düsteren Kälte, innen wie außen, während ich versuchte, mich vor den Gefühlen zu schützen, die meine alte Heimat in mir auslöste?

Der Zug fuhr ein. Gemeinsam mit einer Handvoll Leuten stieg ich ein. Jetzt war sie endgültig angebrochen, die letzte Etappe meiner Reise. Eine Reise in meine Vergangenheit, die ich in den letzten Jahren so sorgsam in mir verschlossen hatte. Während wir über die Landbrücke auf die Insel fuhren, brach alles über mich herein. Was ich nicht direkt sehen konnte, füllte meine Erinnerung aus: Während die sonst so grüne Insel in ein winterlich-karges Licht getaucht wurde, sah ich Bilder von den strahlend weißen Sandstränden von mir; die hellen Kalkfelsen, das schimmernde Meer, die hellen Häuser mit ihren Balkonen und Giebeln, im deutlichen Kontrast dazu die reetgedeckten Bauten, oft etwas abseits vom Zentrum, so wie das meines Opas.

Und dunkelblaue Augen, die mir einst alles bedeutet hatten …

Seufzend kniff ich mir in die Nasenwurzel. Nein! Es reichte, dass ich zurückkehrte. Ich musste doch nicht bereits daran denken, ehe ich auch nur angekommen war, oder?

Gereizt wechselte ich meine Playlist, die während der gesamten Fahrt versucht hatte, mich in weihnachtliche Stimmung zu versetzen, und startete ein Lied mit hartem Beat und schnellem Rhythmus. Wenn ich in den vergangenen acht Stunden schon nicht in Weihnachtsstimmung geraten war, würde das jetzt ohnehin nicht mehr funktionieren.

Statt It’s Beginning to Look a Lot Like Christmas dröhnte nun Edda Hayes in meine Ohren, und ich versuchte, mich von ihrer taffen, weiblichen Kraft erfüllen zu lassen. Meine Schutzmauern durch sie zu verstärken.

»Du schaffst das«, murmelte ich mir leise zu. »Du bist sechsundzwanzig Jahre alt, stehst mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Ein paar Geister der Vergangenheit werden dich ganz sicher nicht aufwühlen. Immerhin bist du nicht Ebenezer Scrooge.« Über meinen eigenen, mehr als schlechten Witz kichernd, atmete ich tief durch – und stellte fest, dass es wirkte.

Ich fühlte mich besser. Wesentlich besser.

Zeit, sich zu fokussieren. Mein Ziel war klar: Opi Enno. Ich hatte ihn schon ewig nicht mehr persönlich getroffen und freute mich darauf, diesen Umstand zu ändern. Dass wir damals Rügen hinter uns gelassen hatten, hatte er nie richtig verwunden. Leider hatte das im Laufe der Zeit zu unüberbrückbaren Differenzen zwischen ihm und meinen Eltern geführt. Wenn wir uns gesehen hatten, dann auf neutralem Grund; und das war selten genug vorgekommen. Unsere Beziehung lebte vor allem durch Video-Calls – ein Umstand, der mich jetzt, so kurz vor dem Ziel, irgendwie niederschmetterte.

Erneut tönte mir seine Stimme durch den Kopf; aufgewühlt, etwas schwach, unsicher bittend.

»Ich … Helena, ich hatte einen Unfall. Ich weiß, ich verlange viel von dir … aber ich brauche deine Hilfe.«

Zehn Jahre ohne Rügen.

Zehn Jahre ohne meine Heimat.

Und ausgerechnet heute, zwei Tage vor Beginn der Adventszeit, würde ich diese Zeit der Abwesenheit beenden.

Einzig und allein für meinen Opa.

* * *

»Helena! Da bist du ja!«

So angespannt ich auch war – Opas warme Stimme und sein breites Lächeln ließen mein Herz augenblicklich höher schlagen. Gleichzeitig spürte ich einen heftigen Stich, als ich sah, wie er sich auf seinen Gehstock stützte – und wie er unbeholfen auf mich zu gehumpelt kam.

Die Jahre waren nicht spurlos an ihm vorbeigezogen. Natürlich nicht. Und obwohl ich ihn unzählige Male online gesehen hatte, war es doch etwas anderes, ihm nach all der Zeit wieder live zu begegnen. Sein schlohweißes Haar hatte schon immer ein Eigenleben geführt, auch heute stand es wild von seinem Kopf ab. Seine Brille mit den großen Gläsern saß schief auf seiner Nase, weckte das urtümliche Bedürfnis in mir, sie geradezurücken.

»Du hättest mich doch nicht am Bahnhof abholen müssen!«, rief ich aus, während ich ihm in die Arme fiel und ihn fest an mich drückte. Ich war viel zu froh, ihn zu sehen, um in diesem Moment die nötige Empörung zu spüren.

»So weit käme es noch! Willst du das Ding den ganzen Weg zu Fuß schleppen? Denk dran, du bist nicht mehr in der Großstadt. Hier gibt es keine Straßenbahnen und Taxis an jeder Ecke.«

Opas Geruch nach Holz und Kautabak stieg mir in die Nase, und mit ihm eine ganze Fülle an Erinnerungen. Erinnerungen an eine wunderschöne Kindheit mit glücklichen Tagen auf seinem Hof. Ich hatte damals mehr Zeit bei ihm als bei meinen Eltern verbracht, was meine Mutter mir immer wieder mit einem gequälten Lächeln aufs Brot geschmiert hatte.

Und so sehr ich es all die Jahre verdrängt hatte – ich spürte, wie mich eine machtvolle Welle der Sehnsucht mit sich fortriss. Sehnsucht und das Gefühl, viel zu viel Zeit verschwendet zu haben.

»Schön, wieder hier zu sein!«, sagte ich daher auch aus vollem Herzen.

Und kassierte dafür einen ganz typischen Enno-Blick: gewölbte, rechte Augenbraue, skeptisch gekräuselte Lippen, die mir wortlos »Erzähl keinen Mist« sagten. Manche Dinge änderten sich eben nie. Auch nicht in zehn Jahren.

Grinsend hakte ich mich bei ihm unter, nur um sogleich ernst zu werden. »Wie geht es dir denn? Was machen die Schmerzen?«

Im ersten Moment brummte er noch undefinierbar, dann seufzte er auf. »Es geht. Bin froh, wenn ich das Bein gleich wieder hochlegen kann.«

»Jetzt bin ich ja da. Ich kann mich um alles kümmern …«

»Nix da«, unterbrach er mich knurrig. »Du bist nicht hier, um meine Haushaltshilfe zu spielen, Helena. Du bist nur da, um dich um meinen Stand beim Strandkorbzauber zu kümmern, ja? Fang bloß nicht an, meine Rumpelkammer aufzuräumen.«

»Als ob ich mich das jemals trauen würde.«

Wir lachten beide auf.

Vor dem kleinen Bahnhof parkte Opas alter Ford. Ich wagte es nicht, ihn zu fragen, ob ich fahren sollte – er war hierhergekommen, dann würde er auch den Rückweg schaffen. Ich wusste ja, dass es ihm bereits genug abverlangt hatte, mich um Hilfe zu bitten, was den Weihnachtsmarkt anging. So liebevoll mein Opa war, so ein Sturkopf konnte er auch sein. Einer der Gründe, wieso er es damals abgelehnt hatte, uns nach Frankfurt zu folgen, obwohl klar gewesen war, dass es langfristig schwer sein würde, sich allein um das Haus zu kümmern. Die Argumente meiner Mutter waren jedes Mal aufs Neue an ihm abgeprallt. Erst vor einem Jahr hatte es nochmal eine solche Diskussion gegeben; als klar gewesen war, dass der hiesige Hausarzt bald in Rente gehen würde. Seit Opa auf den Tisch gehauen und klargemacht hatte, niemals in die »stinkige Stadt« – seine Worte, nicht meine – zu ziehen, hatte meine Mutter nicht mehr mit ihm gesprochen. Unnötig, zu erwähnen, dass sie es nicht guthieß, dass ich nun hier war, oder?

Opa war eine Inselpflanze, und daran würde sich niemals etwas ändern. So gern ich ihn auch um mich hatte, ich verstand es und ließ ihn mit dem Thema in Ruhe.

Während wir den kurzen Weg zu seinem Haus antraten, klebte ich am Fenster, dankbar, dass mein Opa mir die Zeit ließ, anzukommen. Alles auf mich wirken zu lassen.

Obwohl ich all die Jahre nicht hier gewesen war, fühlte es sich dennoch wie Heimkommen an. Beim Anblick der kitschig dekorierten Häuser quetschte sich mein Herz zusammen. Selbst die Ställe der weitläufigen Höfe waren größtenteils dekoriert. Ob Opas Nachbarn immer noch Mützen für ihre Schafe strickten? Meine Mundwinkel zuckten. Damals hatte ich mich immer köstlich über diese schrullige Eigenart amüsiert.

Opa räusperte sich polternd. Offenbar hatte er die Stille zwischen uns lange genug ertragen. »Wie war die Fahrt denn?«

»Okay«, erwiderte ich abwesend. »Ich bin erstaunlich gut durchgekommen, dafür, dass ich so oft umsteigen musste.«

Er nickte knapp. »Immer noch kein eigenes Auto, hm?«

Ich biss mir auf die Unterlippe. »Wozu auch? In Frankfurt kann ich alles zu Fuß oder mit der Bahn erreichen. Außerdem ist Autofahren in der Großstadt Stress pur.«

»Hier gehört es dazu«, brummte er, doch seine Mundwinkel zuckten.

»Es sei denn, man hat ein Fahrrad«, erklärte ich grinsend – und dachte an mein Rad von damals. Blau und weiß, mit Flatterbändern am Lenker.

Als hätte Opi meine Gedanken gelesen, sagte er: »Hab es auf Vordermann bringen lassen. Es wartet auf dich.«

»Du hast es noch?« Mit großen Augen blickte ich ihn an.

Opa, der gerade auf sein Grundstück bog, lächelte. »Was denkst du denn?«

Überrumpelt von dieser Information, ließ ich sein Zuhause auf mich wirken. Erneut erfasste mich eine Welle der Sehnsucht, dieses Mal noch viel intensiver, während mein Blick auf die dunkelrote Ziegelfassade fiel. Einstöckig, weitläufig, mit dunkelgrünen Sprossenfenstern und dem so typischen Reetdach. Opa hatte es erst letztes Jahr erneuern lassen.

Neben dem Haus gab es noch eine große Garage, vor der Opa nun parkte. Und ich wusste, hinter dem Haus befanden sich ein Garten und eine Werkstatt, wo er seine vielfältigen Holzarbeiten erledigte.

Als ich aus dem Wagen stieg, atmete ich tief ein, genoss den salzigen Geruch des Meeres, das, wie ich wusste, von hier nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt war. Gleichzeitig erschauderte ich. Am Bahnhof war es bereits frisch gewesen, doch hier hatte sich der Wind noch einmal merklich aufgefrischt. Mein Blick wanderte zum Himmel. Dieselben dunkelgrauen, bauschigen Wolken wie auch schon in Stralsund, doch im Gegensatz zu dort fiel hier keine Flocke vom Himmel. Schon immer war das Wetter direkt an der Küste ein anderes gewesen als wenige Kilometer weiter landwärts.

Ich wuchtete meinen Koffer von der Rückbank und folgte meinem Opa zur Haustür. Er humpelte, schwer auf seinen Stock gelehnt, und ächzte dabei leise. Meine Brust wurde eng. Gleichzeitig war ich froh, hier zu sein. So sehr mich die Aussicht auf mehrere Wochen auf dieser Insel auch ängstigte.

»Du schläfst im Gästezimmer. Dein altes Kinderzimmer habe ich damals leider umbauen lassen …«

»Hey, kein Grund, deshalb ein schlechtes Gewissen zu haben. Es war ohnehin Luxus, dass du ein eigenes Zimmer für mich hattest.« Lächelnd hakte ich mich bei meinem Opa unter, der mich zerknirscht musterte.

So viele Falten waren hinzugekommen, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Er wirkte müder, ein wenig abgekämpfter. Mit Sicherheit spielten die Schmerzen da auch eine tragende Rolle. Aber sein Lächeln ließ ihn strahlen wie immer. »Wie wäre es, wenn du dich erst mal einrichtest? Ich mache uns in der Zwischenzeit einen Milchtee.« Sein Lächeln wurde verschmitzter. »Ich habe Stuten besorgt.«

Mein Herz machte einen Satz. Früher hatte ich es geliebt, Rosinenstuten mit Opa zu essen; dick mit Butter und selbstgemachter Marmelade bestrichen.

---ENDE DER LESEPROBE---