Hotel Wunderbar - Jutta Nymphius - E-Book

Hotel Wunderbar E-Book

Jutta Nymphius

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Beschreibung

Mika möchte, dass Weihnachten wieder so wird wie früher. Als das Hotel seiner Eltern noch voller Gäste war und es dort fröhlich zuging. Aber seit seine Mama nicht mehr da ist, hockt Papa nur noch in seinem Büro herum. Es kommt sehr selten vor, dass die beiden gemeinsam etwas unternehmen. Als Mika eines Tages den Obdachlosen Teddy und seinen kleinen Hund Silvester kennenlernt, schließt er die beiden gleich ins Herz. Sie suchen in dem kalten Winter noch ein warmes Plätzchen für die Nacht. Klar, dass Mika den Obdachlosen in das Hotel einlädt. Dort stehen noch genug Zimmer leer. Eine mutige Entscheidung, die alles verändern wird! Denn Abend für Abend bringt Teddy weitere Freunde und «Notfall-Besucher« mit. Und während die Hotelzimmer immer voller werden, muss Mika die neuen Gäste vor seinem Vater geheim halten. So anstrengend hat Mika sich das Leben als kleiner Hotelier nicht vorgestellt! Im Januar 2009 strahlte das ZDF eine Reportage über den Brüsseler Hotelier Benjamin Ahmed aus, der in den Wintermonaten die leer stehenden Zimmer seines »Hotel Mozart» Obdachlosen überlässt. Diese Herzensgüte hat die Autorin zu ihrem Roman inspiriert.

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Über dieses Buch

Weihnachten im Hotel Wunderbar: Mika hat keine Lust zu feiern. Der Weihnachtsbaum ist mal wieder nur aus Plastik. Und sein Vater, der Hotelbesitzer, hat an Heiligabend keine Zeit für ihn. Warum also nicht einfach Freunde einladen, wie seine Mutter es immer tat? So lässt Mika heimlich den Obdachlosen Teddy im Hotel übernachten, zusammen mit seinem nicht ganz stubenreinen Hund Silvester. Als Teddy wiederum nach und nach seine Kumpels mitbringt, droht die ganze Sache aufzufliegen.

Ein warmherziges Buch über echte Freundschaft und ein ungewöhnliches Weihnachtsfest!

Die Autorin

Jutta Nymphius wurde 1966 in Bremerhaven geboren. In Köln und Florenz studierte sie italienische, deutsche und spanische Literatur und arbeitete anschließend viele Jahre als Lektorin für Kinder und Jugendbücher, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und Katze Emma lebt sie in Hamburg.

Der Illustrator

Stephan Pricken wurde 1972 in Moers geboren. Nach seinem Grafik-Design-Studium an der Fachhochschule Münster gründete er mit ein paar Kollegen die Ateliergemeinschaft Hafenstraße 64. Dort arbeitet er seit 2004 als freier Illustrator. Mit seiner Frau und seinem Sohn wohnt er in Münster, Haustiere hat er keine. (Gott sei Dank haben die Nachbarn welche.)

Heiß-kaltes Inhaltsverzeichnis

Warm ums Herz

Eiskalt und steinhart

Ein warmes Plätzchen

Kalt erwischt

Um den heißen Brei herum

Kalter Winterwind

Warm wie ein Ofen

Kalter Hund und Kaltmamsell

Warm, wärmer, heiß!

Sprung ins kalte Wasser

Warmer Lichterglanz

Heiße Eisen, kühler Kopf

Kleiner Nachtrag

Von guten Geschichten und Taten – Ein kleines Nachwort

Spielanleitung für Hase und Jäger

Impressum

Für Benjamin Ahmed, der in den kalten Wintermonaten Obdachlose kostenlos in den frei stehenden Zimmern seines »Hotel Mozart« in Brüssel wohnen lässt

Ich weiß, was Weihnachten ist.Weihnachten ist ein Tannenbaum, aber ein echter.So einer mit klebrigen Nadeln, die gut riechen.Auf gar keinen Fall ist Weihnachtenein Plastikbaum zum Aufklappen.

Warm ums Herz

»Hilfe, Hiiilfeee!«

Henry fuchtelt übertrieben wild mit den Armen und lässt sich nach hinten fallen, um sich dann im allerletzten Moment noch festzuhalten.

»Hör auf mit dem Quatsch«, schimpft Fanny, die unten steht und die Leiter festhält. »Jetzt sieh lieber zu, dass wir fertig werden. Mir ist schon ganz kalt! Außerdem musst du noch das Abendessen für die Gäste vorbereiten!«

»Ja, ja, ich mach schon«, antwortet Henry und blinzelt Mika verschwörerisch zu. »Guck doch!« Mit diesen Worten fummelt er eine Tannenzweig-Girlande von dem Hotelschild und wirft sie sich wie eine Stola schwungvoll um den Hals. Dann breitet er die Arme aus und schmettert »Tatatataaa!«.

Mika seufzt. Er weiß, dass Henry ihn zum Lachen bringen will. Das versucht er immer. Aber ihm ist gerade nun mal überhaupt nicht zum Lachen zumute. Er ist einfach nur froh, wenn endlich diese Plastikzweige verschwinden, die über dem Hoteleingang hängen und vergeblich versuchen, eine festliche Stimmung zu verbreiten. Genau wie dieser scheußliche Weihnachtsbaum in der Eingangshalle! Der ist auch aus Plastik und man kann ihn auf- und zuklappen wie einen Regenschirm.

Papa hat ihn eines Tages angeschleppt und gemeint, der sei doch schön und außerdem sehr praktisch. Dann ist er wie immer in seinem Büro verschwunden und hat die Tür fest hinter sich zugemacht.

Mika seufzt noch einmal. Papa ist doch nur erleichtert gewesen, dass er sich von nun an überhaupt nicht mehr um Weihnachten kümmern musste! Denn seitdem hängen Henry und Fanny jedes Jahr im Dezember denselben Plastikschmuck draußen über dem Hoteleingang auf und stellen denselben Regenschirmbaum in die Eingangshalle. Im Januar kommt dann alles wieder weg. Und mit dem echten Baum und den echten Tannenzweig-Girlanden sind bei Mika auch die ganzen schönen, warmen Weihnachtsgefühle verschwunden.

Henry hat sich inzwischen noch zwei rote Kugeln an die Ohren gehängt und klimpert wie eine feine Dame mit den Augenlidern. Jetzt muss Mika doch ein bisschen grinsen. Selbst Fanny schüttelt kichernd den Kopf.

Früher haben sie alle gern Weihnachten gefeiert. Es haben auch viel mehr Gäste in ihrem kleinen Hotel gewohnt. Mama und Papa hatten sogar einen Seitenflügel mit sechs neuen Zimmern anbauen lassen, um bei guter Belegung alle unterbringen zu können. Am Heiligen Abend durften dann alle Angestellten und Gäste ausnahmsweise in den großen Wohnraum neben der Küche kommen, auf dem das Schild »Privat« steht und der eigentlich nur für ihn, Mama und Papa bestimmt war. Aber an diesem Abend war er für alle geöffnet, denn, wie Mama immer sagte: Gastfreundschaft ist das Wichtigste auf der Welt. »Allah hat wohl deswegen gewollt, dass ich einen Hotelbesitzer heirate«, hat sie augenzwinkernd hinzugefügt. Damit hat sie Papa gemeint.

Obwohl Mama aus Marokko kam und Weihnachten ursprünglich gar nicht kannte, fand sie es doch immer schön. Immer wieder ist sie herumgegangen und hat geguckt, ob auch alle noch etwas in ihren Gläsern und auf ihren Tellern hatten. Mika sieht sie noch vor sich, die Salate mit einer Rose aus Tomaten, die belegten Brote mit einem Gurkenherz oder den Kaffee mit einem selbst gebackenen Keks auf den Untertassen. Immer hat Mama etwas Hübsches dazugelegt.

Aber dann ist sie krank geworden und jetzt ist sie eben nicht mehr da. Schon lange. Mika zuckt mit den Achseln.

Inzwischen hat Henry alle Zweige und Kugeln abgenommen. Auch die von seinen Ohren. Er und Fanny verstauen alles in großen Kartons. »Kommst du mit rein, Mika?«

Mika nickt. Ja, er kommt mit rein. Gleich. Noch einen kleinen Moment möchte er warten. Warten und wünschen. Vielleicht geht er ja doch noch in Erfüllung, sein einziger, wirklicher Weihnachtswunsch. Dass es wieder einmal so wird wie damals auf der gemeinsamen Feier. Schön und gut und irgendwie … warm. Er wird es sich jetzt ganz fest wünschen, auch wenn es im Januar eigentlich schon viel zu spät ist für einen Weihnachtswunsch. Aber das wäre Mama bestimmt auch egal gewesen.

Mika wartet. Fanny und Henry winken schon ganz ungeduldig zu ihm herüber. Es ist kalt und er hat eine viel zu dünne Jacke an. Da – auf einmal spürt er es, das warme Gefühl. Warm und – nass. Unten an seinem linken Hosenbein.

Langsam blickt Mika an sich herunter, kann aber nichts erkennen. Er dreht den Kopf nach hinten. Da ist etwas, das herumwirbelt und aussieht wie ein kleiner schwarzer Propeller.

»Hey, wer bist du denn?« Mika kniet sich hin. Der kleine schwarze Hund, der ihm gerade eben ans Bein gepieselt hat, läuft erst erschrocken einige Schritte weg, guckt dann aber neugierig zurück. Schließlich läuft er wieder zu Mika hin. Es ist noch ein ganz junger Hund, ein richtiger Welpe. Er hat einen kleinen, sehr runden Kopf mit einer ganz weichen Schnauze. Das merkt Mika, als der Hund eifrig seine Hand abzuschlecken beginnt. Wie das kitzelt!

Sein Fell kringelt sich an einigen Stellen zu kleinen schwarzen Löckchen, die genauso abstehen wie Mikas Haare, wenn er sich morgens noch nicht gekämmt hat. Das Auffälligste an dem Hund aber ist sein kurzes Stummelschwänzchen: Damit wedelt er so heftig hin und her, dass der ganze Po mitwackelt und der kleine Körper fast umfällt. Mika stellt sich vor, dass sich der Hund gleich wie ein Hubschrauber mit seinem Propeller in die Luft erheben wird. Da muss er doch ein wenig lachen.

Plötzlich dreht sich der Hund um und will weglaufen.

»Halt, nein, warte!«, ruft Mika erschrocken und versucht ihn festzuhalten. »Sollen wir mal in der Küche nachsehen, ob wir ein leckeres Würstchen für dich finden? Ja? Würde dir das gefallen? Bleib hier, Hündchen, bleib doch hier!«

Der kleine Hund fängt laut an zu kläffen und versucht Mikas Händen zu entkommen.

»Was machst du da mit Silvester, Junge!«, dröhnt plötzlich eine tiefe Stimme über Mika. »Tu ihm bloß nicht weh!«

Erschrocken springt Mika auf. Sein nasses Hosenbein fühlt sich plötzlich nicht mehr warm, sondern kalt und klamm an. Er schaut geradewegs auf einen Mantel. Auf einen alten, sehr schmutzigen Mantel. Hm. Er schnüffelt.

»Jaja, ich weiß, ich rieche nicht gerade wie ein Rosenbeet, stimmt’s?«, brummt die Stimme über ihm wieder ungnädig.

Vorsichtig schaut Mika hoch. Immer höher. Ganz weit oben sieht er einen Kopf mit einem zotteligen Bart und langen Haaren, die noch schlimmer aussehen als Mikas morgens vor dem Kämmen.

Vor ihm steht ein wirklicher und echter Riese! Als Mika ein paar Schritte zurückgeht, schrumpft der Riese ein wenig. Aber er ist immer noch sehr groß. Ob der Mann jung oder alt ist, kann Mika nicht erkennen, dafür hat er überall zu viele Haare. Sogar auf seinen verblüffend kleinen, runden Ohren kann Mika im Gegenlicht feine Härchen sehen.

»Silvester?«, stottert Mika jetzt. Mehr fällt ihm im Moment nicht ein.

»Ja, Silvester«, brummt der Riese. »Mein Hund. Ich habe ihn so genannt, weil ich ihn am Silvesterabend gefunden habe, zwischen den Mülltonnen. Er hatte wohl genauso viel Hunger wie ich.«

Mit diesen Worten nimmt der Mann Silvester in seine Hände, die so groß sind wie Bärentatzen. Der kleine Hund verschwindet fast darin. Nur noch sein aufgeregt wedelndes Schwänzchen ist zwischen den Fingern zu sehen.

»Ach so, klar, Silvester«, sagt Mika jetzt und nickt. Er kommt sich ein bisschen dumm vor.

»Ja, Silvester. Wie heißt du denn? Weihnachten?« Der Mann muss über seinen eigenen Witz laut lachen, bevor er heiser zu husten beginnt. Dabei kann Mika sehen, dass ihm vorn zwei Zähne fehlen.

Mika schüttelt den Kopf. »Nein, ich heiße Mika«, sagt er ernst.

»Mika? Komischer Name!«

»Eigentlich Mikail. Aber alle sagen Mika.«

»Dann sind wir Namensvettern!«, freut sich der große Mann. »Ich heiße nämlich Michael. Und weiter heißt du …«

Mika sieht, wie der Mann mühsam das Schild über dem Hoteleingang zu entziffern versucht. Hotel Jameel steht darauf. »Weiter heißt du Jameel, stimmt’s? Ich habe dich nämlich schon oft hier gesehen und weiß, dass das Hotel deinem Vater gehört!«

Mika schüttelt den Kopf. »Ja, nein, ich meine, das stimmt zwar, aber Jameel ist arabisch und bedeutet wunderbar«, erklärt er leise. »Mit Nachnamen heiße ich aber Bär.«

Jetzt prustet der große Mann so laut los, dass Mika Angst vor einem neuen Hustenanfall bekommt. »Dann sind wir sogar zweimal Namensvettern! Meine Freunde nennen mich nämlich Teddy«, erklärt der Mann immer noch lachend.

Mika schaut ihn an. Die vielen Haare, der große Körper mit den riesigen Pranken und den kleinen Ohren – ja, Teddybär passt ganz gut.

»So, jetzt müssen wir aber gehen!«, erklärt Teddy energisch. »Es gibt noch viel zu tun, nicht wahr, Silvester?«

Vorsichtig setzt er den kleinen Hund auf die Straße und wendet sich zum Gehen. Silvester rennt freudig bellend voraus.

»Nein, wartet!« Mika möchte nicht, dass Silvester geht. »Ich wollte doch noch ein Würstchen holen!«

Teddy dreht sich um und schaut Mika nachdenklich an. »Ein Würstchen, hm, ja, das würde ihm gefallen. Aber nicht jetzt. Morgen vielleicht. Ja, morgen könnten wir es einrichten.« Dann ruft er dem Hund hinterher: »Hey, warte, Silvester, ich komme ja. Ein alter Mann ist keine Dampflok!«

»Okay, dann also morgen«, flüstert Mika beschwörend zu sich selbst und hebt ein bisschen hilflos die Hand. »Ich werde hier sein!«

Plötzlich bleibt Teddy noch einmal stehen, als hätte er Mika gehört. »Ach übrigens, ich hätte gar nichts dagegen, wenn du für einen alten Mann auch noch ein Würstchen übrig hättest!«

Dann sind die beiden schon um die Ecke verschwunden.

Eiskalt und steinhart

Mika sieht das Kissen in hohem Bogen auf sich zukommen und kann gerade noch ausweichen, bevor es krachend den hinter ihm stehenden Stuhl umwirft. Er nimmt es vom Boden auf und schleudert es zurück zu Fanny.

»Pass auf, ich bin stärker!«

Fanny knallt das Kissen auf das Bett, das sie gerade machen will, und stemmt ihre Hände in die Hüften.

»Wenn du mich noch einmal fragst, wie spät es ist, Mika, werfe ich dir das gesamte Bett hinterher! Du hast mich jetzt bestimmt schon zwanzigmal nach der Uhrzeit gefragt! Was ist denn bloß los? Hast du noch was vor? Es sind doch Ferien! Hilf mir lieber die Betten zu beziehen, anstatt hier nur herumzustehen und mich als Zeitansage zu benutzen!«

Mika seufzt und macht sich an die Arbeit. Geschickt beginnt er, das zweite Bett im Zimmer zu beziehen. Wie man das macht, hat ihm Fanny beigebracht: Erst muss man das Betttuch auf links ziehen, dann hineinfassen, die Ecken der Decke greifen und das Betttuch über die Decke schütteln, bis es am anderen, unteren Ende ankommt. Das macht Mika immer besonders viel Spaß. Er schüttelt nicht nur die Arme, sondern auch den Po und beginnt schließlich im Zimmer umherzustolzieren, während er wie ein Torero mit der Decke wedelt. Der Stuhl ist der Stier.