How To Catch A Magical Light (New York Magics 1) - Lily S. Morgan - E-Book

How To Catch A Magical Light (New York Magics 1) E-Book

Lily S. Morgan

0,0
9,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein diebisches Irrlicht und ein attraktiver Agenten-Dämon in einem Sturm an widersprüchlichen Gefühlen. Die 21-jährige Arlyn Dorell ist die beste Diebin New Yorks. Dass sie ein Irrlicht ist und unsichtbar werden kann, macht sie geradezu unfassbar. Doch als bei ihrem neusten Coup ein Drachenwandler außer Rand und Band gerät, kann sie nur knapp dem dämonischen – und sehr attraktiven – Special Agent Marlon Heaton entkommen, der es schon lange auf sie abgesehen hat. Und ihr Pech hält an. Ein Unbekannter, der hinter das Geheimnis ihrer Identität gekommen ist, beginnt sie zu erpressen. Um nicht aufzufliegen, muss sie ein wertvolles Artefakt aus dem Magical Bureau of Investigation stehlen. Dafür gibt sie sich selbst als Agentin aus und wird so zur neuen Partnerin ... ihres Erzfeinds Marlon Heaton.  Die Forced Proximity Romance Fantasy von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Lily S. Morgan ist der mit Spannung erwartete Auftakt der knisternden »New York Magics«-Dilogie. Persönliche Leseempfehlung von SPIEGEL- und BookTok-Bestseller-Autorin Bianca Wege: »Eine Geschichte voller Magie, Spannung, Witz und einem Agenten, der seinem Namen alle Ehre macht. Ich kann den zweiten Band kaum erwarten.« Alle Bände der »New York Magics«-Dilogie: How To Catch A Magical Light (Band 1) How To Find A Fallen Star (Band 2) Die zwei Bände sind keine Standalones und bauen aufeinander auf.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


 

ImpressDie Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.

Jetzt anmelden!

Jetzt Fan werden!

Lily S. Morgan

How To Catch A Magical Light (New York Magics 1)

Ein diebisches Irrlicht und ein attraktiver Agenten-Dämon in einem Sturm an widersprüchlichen Gefühlen.

Die 21-jährige Arlyn Dorell ist die beste Diebin New Yorks. Dass sie ein Irrlicht ist und unsichtbar werden kann, macht sie geradezu unfassbar. Doch als bei ihrem neusten Coup ein Drachenwandler außer Rand und Band gerät, kann sie nur knapp dem dämonischen – und sehr attraktiven – Special Agent Marlon Heaton entkommen, der es schon lange auf sie abgesehen hat. Und ihr Pech hält an. Ein Unbekannter, der hinter das Geheimnis ihrer Identität gekommen ist, beginnt sie zu erpressen. Um nicht aufzufliegen, muss sie ein wertvolles Artefakt aus dem Magical Bureau of Investigation stehlen. Dafür gibt sie sich selbst als Agentin aus und wird so zur neuen Partnerin … ihres Erzfeinds Marlon Heaton.

Die Forced Proximity Romance Fantasy von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Lily S. Morgan ist der mit Spannung erwartete Auftakt der knisternden »New York Magics«-Dilogie.

Wohin soll es gehen?

Vita

»New York Magics«-Stadtplan

Buch lesen

Danksagung

Schauplatz »Libby« (die magische Bibliothek)

Triggerwarnung

© privat

Lily S. Morgan wurde 1990 in Heidenheim geboren und entdeckte früh ihre Liebe zum geschriebenen Wort. Wenn sie nicht mit Romanfiguren diskutiert, durch fiktive Welten wandert oder auf ihrem bekannten Instagram Account »lilys.wortwelt« über Bücher bloggt, dann streift sie mit ihrer Hündin Maja durch den Wald. Ihr Fantasy-Debüt »City of Burning Wings« erklomm auf Anhieb die SPIEGEL-Bestsellerliste.

VORBEMERKUNG FÜR DIE LESER*INNEN:

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Lily und das Carlsen-Team

Für Bibi, Jenny und Olga.Ohne euch hätte ich meinen Laptop aus dem Fenster geworfen.

1. KAPITEL

Unsichtbarkeit hat einen großen Vorteil: Wenn ich mir Zutritt zu gesicherten Gebäuden verschaffen will, brauche ich weder Charme noch gute Verkleidungen oder plausible Geschichten.

Nein, ich spaziere einfach seelenruhig durch den Vordereingang, ohne einen müden Gedanken an Überwachungskameras oder den Sicherheitsdienst zu verschwenden.

Und heute mache ich mir nicht einmal die Mühe, selbst die Tür zu öffnen. Stattdessen folge ich einem Mann mit Aktentasche, der zielstrebig an finster dreinblickenden Drachenstatuen vorbeigeht, die den Eingang des Ashford Towers auf hohen Sockeln flankieren.

Ehe sich die Tür hinter dem Mann schließt, husche ich von einem lauen Herbstwind begleitet in das rote Sandsteingebäude, das im Herzen New Yorks wie ein Riese in den Himmel aufragt. Vorbei an zwei Wachposten, die unübersehbar eine Waffe unter ihren schwarzen Anzügen tragen und die Besucher im Auge behalten.

Alle, außer mich.

Wie von selbst wandern meine Mundwinkel nach oben, während ich einen Moment das Foyer der Bank betrachte, die ich gleich bestehlen werde.

»Spar dir das selbstgefällige Grinsen und beeil dich lieber.« Tadelnd dringt die Stimme meiner besten Freundin und Komplizin durch den winzigen Kopfhörer, der in meiner linken Ohrmuschel steckt.

»Spielverderberin«, murmle ich und lege einen Zahn zu, denn bedauerlicherweise haben meine besonderen Kräfte einen klitzekleinen Haken: Ich kann sie nur eine begrenzte Zeit aufrechterhalten. Deshalb habe ich die letzten zwei Wochen akribisch auf meine Work-Life-Balance geachtet, die unerlässlich ist, wenn – wie heute – ausreichend Magie durch meine Adern fließen soll.

»Tja, Arlyn, so ist das. Eine von uns muss eben die Zeitpolizei spielen«, sagt Bo. »Dir bleiben nämlich nur noch neunundzwanzig Minuten und vierzehn Sekunden.«

Zugegeben, das Zeitfenster ist verdammt knapp bemessen, um die Sicherheitsvorkehrungen zu überwinden, den Schließfächern im Tresor einen erleichternden Besuch abzustatten und das Gebäude wieder zu verlassen. Aber ich bin auch kein dahergelaufener Langfinger, sondern das Phantom von New York. Eine Meisterdiebin, die seit Jahren erfolgreich die schwierigsten Coups ausführt. Mit einem Lächeln auf den Lippen und ohne schlechtes Gewissen, denn ich bestehle ausschließlich zwielichtige Gestalten, die ihren Besitz durch fragwürdige Machenschaften angehäuft haben. Und der dubiose Kunstexperte, den ich im Visier habe, hat mindestens genauso viel auf dem Kerbholz wie ein waschechter Gangsterboss.

Schnell durchquere ich die riesige Eingangshalle, in deren Zentrum eine marmorne und mit goldenen Ornamenten verzierte Empfangstheke auf einem Sockel thront. Direkt darüber hängt ein gewaltiger Kronleuchter, dessen Licht sich in funkelnden Kristallen bricht und Schimmer auf die Wände wirft, an denen wertvolle Gemälde angebracht sind. Diese werden täglich von Hunderten Touristen bestaunt und von einem der besten Sicherheitssysteme überwacht, die derzeit auf dem Markt existieren.

Mich schreckt das allerdings genauso wenig ab wie die Tatsache, dass die Bank in den Klauen eines mächtigen Drachenclans liegt.

Im Gegenteil.

Ich mag die Herausforderung und das aufgeregte Kribbeln im Nacken, wenn ich mich an verbotene Orte schleiche und anderen beispielsweise dabei helfe, alte Familienerbstücke zurückzubekommen, um die sie betrogen wurden. Dass ich dabei beträchtliche Summen verdiene, ist ein willkommener Nebeneffekt, auf den wir dringend angewiesen sind, um …

»Hast du die Rauchbomben mitgenommen?«, reißt Bo mich aus meinen Gedanken und entlockt mir ein leises Stöhnen, das von den Stimmen mehrerer Schüler verschluckt wird, die hinter einem Exkursionsführer herlaufen.

»Ich brauche keine Rauchbom…«, beginne ich, doch Bo fällt mir unwirsch ins Wort.

»O doch, Arlyn! Sie sind dein Ablenkungsmanöver, falls etwas schiefgeht oder plötzlich Mr Übereifrig auftaucht. Du weißt schon, der Agent, der dich liebend gern verhaften würde.«

Ich unterdrücke ein Seufzen, denn natürlich bin ich mir im Klaren darüber, wen sie meint. Schließlich haben wir Special Agent Marlon Heaton diesen Spitznamen gegeben, weil er bekannt dafür ist, sich an seinen Fällen festzubeißen, bis sie restlos aufgeklärt sind.

Doch obwohl er die kriminelle Unterwelt New Yorks in Atem hält und seit fast zwei Jahren gegen mich ermittelt, bereiten mir seine Bemühungen noch lange kein Kopfzerbrechen.

»Du machst dir zu viele Sorgen. Er hat keinen blassen Schimmer, wer hinter dem Phantom steckt. Deshalb wird er mir auch nie auf die Schliche kommen«, sage ich, um sie zu beruhigen. Dabei schlängle ich mich an mehreren Leuten vorbei, die Fotos von den Kunstwerken machen und dabei vortrefflich im Weg herumstehen.

»Jaja. Bestimmt hat Diamond Jack das auch immer gedacht und du siehst ja, wohin ihn das gebracht hat«, erinnert Bo mich. Doch nur weil Heaton den bekannten Juwelendieb letzte Woche auf frischer Tat ertappt hat, bedeutet das nicht, dass es mir genauso ergehen wird.

»Außerdem möchtest du die nächsten zwanzig Jahre sicherlich nicht im Knast verbringen, Gefängnisfraß essen und orangefarbene Overalls tragen, die sich furchtbar mit deinen roten Haaren beißen, nur weil du die Rauchbomben zu Hause vergessen hast.« Wie immer, wenn Bo aufgebracht ist, hämmert sie so laut auf ihrer Tastatur herum, dass es bis zu mir dringt. »Sollte das der Fall sein, blasen wir die Aktion ab. Und zwar sofort.«

»Ist ja gut, ich habs verstanden. Und natürlich habe ich sie eingepackt«, sage ich rasch, bevor sie ihre Drohung wahr macht, denn im Gegensatz zu mir ist Bo die Übervorsichtigkeit in Person, die jeden Evakuierungsplan auswendig kennt und alle Fluchtwege im Auge behält. Egal, ob sie in der Kommandozentrale vor ihren Bildschirmen sitzt und meine Missionen überwacht oder sich auf der nächsten Straßenseite nur schnell eines ihrer zuckrigen Lieblingsgetränke holt. Darum besteht sie auch vehement darauf, dass ich immer Rauchbomben dabeihabe. Natürlich nur, falls der überaus unwahrscheinliche Fall eintritt, dass etwas schiefgeht und ich tatsächlich ein Ablenkungsmanöver brauche. Eines, das ein wenig Verwirrung stiftet, aber niemanden verletzt, denn das ist das oberste Gebot unseres Diebescodex, an den wir uns strikt halten.

Da bisher alles ruhig ist, lasse ich die Empfangstheke hinter mir und biege in einen Säulengang, an dessen Ende sich die Zugänge zu den anderen Etagen befinden.

Bevor Mitarbeitende und angemeldete Gäste dorthin vorgelassen werden, müssen sie die Sicherheitsschleuse passieren. Ein lästiges Hindernis, das aus einem Metalldetektor, schrankhohem Wachpersonal und einem Magiebarometer besteht. Vor allem Letzteres soll Personen wie mich davon abhalten, mit magischer Unterstützung die Herzstücke der Bank zu betreten, und macht unbemerktes Weiterkommen für gewöhnlich unmöglich.

Außer, man hat eine Geheimwaffe.

In meinem Fall heißt sie Bo.

Bin da, teile ich ihr über Morsezeichen mit, indem ich mit der Fingerspitze gegen den In-Ear-Kopfhörer tippe. Hier ist es wesentlich leiser als im Eingangsbereich und ich will nicht riskieren, dass jemand eine scheinbar körperlose Stimme hört.

»Alles klar. Wenn ich die Stromzufuhr abschalte, hast du zwanzig Sekunden«, sagt Bo. »Bist du bereit?«

Ich tippe eine Bestätigung und lasse den Blick über das uhrähnliche Gebilde fliegen, das zu meiner Rechten an der Wand hängt. Ein goldener Zeiger erzittert kaum merklich, als eine Frau vor mir die in den Boden eingelassenen Sensoren übertritt. Sie können Magie messen und werden wahrscheinlich sofort einen ohrenbetäubenden Alarm auslösen, sobald eine meiner Haarsträhnen oder eine Zehenspitze in ihren Wirkungskreis gelangt.

»Okay. Mission Deaktivierung beginnt in drei, zwei, eins. Los.«

Sofort betrete ich den gefährlichen Bereich, der unser komplettes Vorhaben umgehend beenden und mich zur Flucht zwingen könnte. Doch wie erwartet bleibt der heulende Alarm aus und der Zeiger steht still.

Geschickt weiche ich zwei Sicherheitsleuten aus, die die Frau in Empfang nehmen, um sie auf gefährliche Gegenstände zu überprüfen, schlüpfe durch eine Lücke zwischen Metalldetektor und Wand und übertrete den letzten Magiesensor.

»Geh an den Fahrstühlen rechts und folge dem Gang zwanzig Meter geradeaus«, gibt Bo mir postwendend die nächste Anweisung, damit ich gar nicht erst in Versuchung komme, mich auf meinen miserablen Orientierungssinn zu verlassen, der mich meistens mit übertriebener Präzision aufs Glatteis führt. Deshalb behält Bo mich an Tagen wie heute immer mit einem Tracker im Auge.

Ich biege gerade um eine Ecke, als ein blonder Mann aus einer der angrenzenden Räumlichkeiten taumelt.

»Red? Alles in Ordnung?«, fragt ein weiterer, der scheinbar Tomaten auf den Augen hat, denn Blondie sieht alles andere als fit aus. Seine Haut ist gerötet und Schweiß rinnt in den Kragen seines todschicken Anzugs, der später dringend in die Reinigung sollte.

Hektisch huscht sein Blick aus blutunterlaufenen Augen umher, deren vertikale Pupillen eindeutig zeigen, dass Drachenblut durch seine Adern fließt und er, genau wie ich, zu den Magics, dem magischen Bevölkerungsanteil von New York, gehört.

Schweigend hält er sich den Bauch und rülpst, als wäre er ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht.

Igitt.

Naserümpfend schiebe mich an ihm vorbei, bevor er sich womöglich übergibt und Drachenkotze auf meinem schwarzen Lieblingshoodie landet.

Bo gibt mir weitere Anweisungen, öffnet aus der Ferne eine Sicherheitstür und leitet mich weiter, bis ich den Fahrstuhl erreiche, der mich zum Tresorraum im Keller bringen soll.

»Wenn wir noch ein paarmal hier einbrechen, findest du den Weg vielleicht allein«, stichelt sie gut gelaunt.

»Sehr witzig.« Ich drücke einen goldenen Knopf an der Wand, um den Aufzug zu rufen.

Bo gluckst und ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie sie breit grinsend vor ihren Bildschirmen sitzt.

»Das werde ich dir heute Abend heimzahlen. Und zwar mit gesalzenem Popcorn.«

Von der anderen Seite der Leitung ist ein ungläubiges Schnauben zu hören. »Das wagst du nicht.«

»Warts ab.« Meine Mundwinkel zucken nach oben und die Fahrstuhltür öffnet sich einladend.

»Pass auf dich auf«, sagt Bo nun wesentlich ernster.

»Natürlich, du kennst mich doch.« Ich trete in den fahrbaren Untersatz, wohl wissend, dass ich gleich auf mich allein gestellt sein werde, da der Tresorraum vor jeglichem Empfang abgeschirmt ist.

»Genau das ist das Problem.« Sie seufzt theatralisch.

»Ich hab dich auch lieb.« Augenverdrehend tippe ich auf das Bedienfeld und wenige Sekunden später setzt sich der Aufzug sanft in Bewegung.

Bo brummt etwas Unverständliches, dann ertönt ein leises Bling in meinem Ohr, das mir sagt, dass die Verbindung weg ist.

Die Hände in der Bauchtasche meines Hoodies vergraben, betrachte ich edles Holz, filigrane Zierleisten und eine schwarze Glasscheibe, in der sich der Ausgang spiegelt. Von meiner nicht allzu großen Gestalt und den kupferroten Locken, die ich zu einem eng anliegenden Haarkranz geflochten habe, fehlt allerdings jede Spur. So, als wäre ich überhaupt nicht hier.

Perfekt.

Ein Gong ertönt und der Aufzug kommt zum Stehen.

Sofort richte ich meine Aufmerksamkeit auf die Tür, die beinahe geräuschlos aufgleitet. Dahinter liegt ein marmorgetäfelter Bereich, den rote Lichtstrahlen wie ein wirres Netz durchziehen und den gegenüberliegenden Tresor zu einem der sichersten Aufbewahrungsorte New Yorks machen. Vielleicht mit Ausnahme der Asservatenkammern, aber nicht einmal ich bin vermessen genug dort freiwillig einen Fuß hineinzusetzen.

Ich trete aus dem Aufzug und betrachte aufmerksam die Sicherheitsmaßnahme, die auf Bewegungen reagiert und mich leider auch unsichtbar erkennt, da ich nicht geistergleich durch Wände gehen kann. Und zu allem Überfluss ist es selbst Bo unmöglich, sie abzuschalten, da dazu nur ausgewählte Mitarbeitende mithilfe eines Iris-Scanners in der Lage sind.

Deshalb musste Rose, die Dritte im Bunde, sich als potenzielle Neukundin tarnen und die Positionen der Strahlen heimlich filmen, damit wir das Konstrukt zu Hause nachbauen konnten. Schließlich wäre ich nicht das Phantom, wenn ich mich von Bewegungsmeldern aufhalten lassen würde.

Ich lasse meine Fingerknöchel knacken, die Schultern kreisen und fokussiere den ersten Lichtstrahl, hinter dem Dutzende weitere liegen. Allzeit bereit, einen schrillen Alarm auszulösen und die Fahrstuhltür zu verriegeln, bis die Polizei eintrifft.

Dann atme ich ein letztes Mal tief durch und übertrete die erste Linie.

Leichtfüßig wie eine Tänzerin gleite ich nach rechts, strecke den linken Arm aus und ducke mich unter der nächsten hindurch.

Dabei folge ich der Choreografie, die ich in den letzten Tagen unermüdlich geübt habe, bis sie mich vergangene Nacht sogar in meinen Träumen heimgesucht hat.

Gerade als ich unter einem weiteren Lichtstrahl hindurchtauchen will, erfasst plötzlich eine erdbebengleiche Erschütterung meine Umgebung.

Ich erstarre in der Bewegung, strauchle auf der Zehenspitze und schaffe es nur um Haaresbreite, das Gleichgewicht zu halten.

Mit verengten Augen sehe ich mich um, nachdem das Phänomen verklungen ist, doch ich kann nichts Ungewöhnliches entdecken.

Seltsam.

Im Bruchteil einer Sekunde entscheide ich, mich später damit zu befassen. Jetzt habe ich Wichtigeres zu tun.

Hölzern ducke ich mich unter weiteren Lichtstrahlen hindurch und versuche den Rhythmus wiederzufinden.

Doch obwohl es mir misslingt, erreiche ich nach einer gefühlten Ewigkeit, bei der es sich in Wahrheit nur um wenige Minuten gehandelt hat, den Tresor. Mit bebender Brust wende ich meine Aufmerksamkeit der armdicken Tür zu. Dem letzten Hindernis, das mich von den Schließfächern trennt.

Wie der Rest des Tresors ist sie aus golden schimmerndem Drachenstahl gefertigt, den selbst Lava nicht zum Schmelzen bringen könnte, was unbefugtes Eindringen übers Erdreich unmöglich macht. Dazu durchziehen unzählige Schutzrunen das glänzende Metall und bündeln sich um eine kleine Öffnung, über der ein steuerradähnliches Gebilde herausragt.

Routiniert schiebe ich den linken Ärmel meines Hoodies nach oben, unter dem sich ein fingerloser Lederhandschuh verbirgt, der mir beinahe bis zum Ellenbogen reicht. Genau wie das Rosa meiner Haut ist er ergraut, seit ich mich unsichtbar gemacht habe, und wirkt wie eine ausgeblichene Erinnerung, die ausschließlich für meine Irrlichtaugen erkennbar ist. An kleinen Schlaufen sind verschiedene Phiolen und Werkzeuge befestigt, bei deren Anblick sich James Bond sicher vor Neid an seinem geschüttelten Martini verschlucken würde.

Zwar ist der Handschuh, dessen Fächer mit Löchern versehen sind, damit ich meine Magie in die Hilfsmittel leiten kann, nicht gerade bequem, aber er hat sich bei zahlreichen Einsätzen bewährt.

Flink löse ich einen verschnörkelten Schlüssel aus seiner Halterung und schiebe ihn in die Öffnung.

Ein paar Sekunden vergehen, dann beginnt das magische Werkzeug, das Rose extra für heute angefertigt hat, sachte zu vibrieren. Ein leises Summen erfüllt den Raum, während sich die Bartzacken am unteren Ende ihrem Gegenstück anpassen, bis sie sich perfekt in den Zylinder des Schlosses schmiegen.

Vorsichtig versuche ich den Schlüssel zu drehen, doch ich kann ihn nicht bewegen. Stattdessen wird er glühend heiß. Hastig lasse ich los.

In dem Moment, in dem die Verbindung zu meiner Magie abbricht, wird er sichtbar und wechselt seine Farbe von schemenhaftem Grau in Gold.

Rose hat mich vorgewarnt, dass sich der Schlüssel erst gegen die Schutzzauber behaupten muss, bevor er das Schloss öffnen kann. Ich habe nie verstanden, wie genau das funktioniert, aber sie kennt sich bestens damit aus. Als Magierin hat sie die Runenmagie im Blut und knackt seit mehr als einem halben Jahrhundert Tresore aller Art.

Das Summen wird lauter. Intensiver. Als würden sich immer mehr Bienen zu einem gewaltigen Schwarm zusammenschließen.

Wieder erzittert das Gebäude.

Was zur Hölle geht da oben vor? Ich schaue zur Decke und tippe den Kopfhörer an, doch er bleibt deaktiviert.

Ich verlagere das Gewicht von einem Bein auf das andere und nehme mir fest vor, Bo später nach dem Beben zu fragen.

Jetzt leuchten die Runen vor mir rot auf und erlöschen schlagartig.

Ein Klicken, gefolgt von leisem Zischen, ist zu hören, dann öffnet sich die schwere Tresortür einen Spalt.

Schnell ziehe ich sie auf, bis ich mich durch die Öffnung quetschen kann, und husche ins Innere des Tresors.

Hunderte kleine Türen verkleiden jeden Zentimeter des Innenraums, reichen vom Boden bis zur Decke und unterscheiden sich lediglich durch die Zahlen auf den goldenen Nummernschildern.

Es juckt mir in den Fingern, die Schließfächer genauer in Augenschein zu nehmen, aber dafür fehlt mir leider die Zeit.

Zwar wird meine Magie nach Ablauf von Bos Timer nicht auf einen Schlag erlöschen und mich enthüllen, aber ich verzichte auch liebend gern auf schrittweise Enttarnung. Es ist nämlich minimal auffällig, wenn plötzlich ein einzelnes Bein durch die Gegend stolpert.

Darum eile ich zielstrebig die linke Wand entlang, bis ich vor der Dreihunderteinundachtzig stehen bleibe.

Rasch ziehe ich mein Einbruchswerkzeug aus dem Handschuh, schiebe es in das Schließfachschloss und stochere mit geübten Bewegungen darin herum, bis es nach wenigen Sekunden nachgibt und aufspringt.

Hinter der Tür kommt eine rote Metallbox zum Vorschein. Sie ist schmucklos und in etwa so groß wie ein Schuhkarton, aber so schwer, dass ich sie kaum tragen kann.

Ächzend wuchte ich sie auf den Tisch, der mitten im Raum steht, bevor ich den Deckel aufklappe.

Neben mehreren Geldbündeln und Pässen liegt eine wachteleigroße Brosche, deren rote Diamanten blütenförmig um ein goldenes Zentrum angeordnet sind.

Mit fliegenden Fingern nehme ich die kleine Kostbarkeit an mich und lasse meine Magie hineingleiten, bis sie ebenfalls unsichtbar ist. Dann verstaue ich sie sicher in einem Fach meines Handschuhs. Die Versuchung ist groß, auch das Geld einzustecken, aber das ist eine Grenze, die ich nicht überschreiten will. Obwohl der sogenannte Kunstexperte es sicher genauso illegal erworben hat wie die Brosche, die er einer alten Fae gestohlen hat, nachdem sie über tausend Jahre im Familienbesitz war.

Jetzt muss ich die Bank nur noch unbeschadet verlassen, damit die Frau ihr Eigentum wieder in Händen halten kann, bevor ihre Seele zu den Sternen aufsteigt.

Ich bringe die Metallbox zurück und verstaue das Einbruchswerkzeug, bevor ich zum Ausgang renne.

So schnell wie möglich klettere ich aus dem Tresor und lasse die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Dann ziehe ich den abgekühlten Schlüssel ab und schlängle mich durch die Lichtstrahlen zurück zum Fahrstuhl. Nachdem er schätzungsweise zwei Drittel der Strecke zurückgelegt hat, drücke ich auf den Kopfhörer.

Es vergehen einige Momente, bis ein Piepen verrät, dass die Verbindung hergestellt ist.

»Ich habs geschafft«, verkünde ich gut gelaunt und ernte ein: »Fuck!«

Okay … Ich habe mit einem winzigen Jubelschrei gerechnet. Vielleicht auch mit einem kurzen Freudentanz, aber sicher nicht mit dieser Reaktion.

»Alles in Ordnung?« Ein Knoten bildet sich in meinem Bauch.

Wieder erzittert das Gebäude.

Die Aufzugtür öffnet sich.

Und dann höre ich es.

Das durchdringende Heulen einer Sirene.

2. KAPITEL

Mir schießen unzählige Szenarien durch den Kopf, die hätten schieflaufen können, aber in keinem habe ich versehentlich einen Alarm ausgelöst. Da bin ich mir absolut sicher.

Ein heißes Kribbeln fährt durch meine Fingerspitzen, erinnert mich daran, dass ich schnell verschwinden muss.

Sofort setze ich mich in Bewegung, folge dem Gang, ohne auf Bos Anweisung zu warten, denn geradeaus laufen ist selbst für mich nicht allzu schwer.

Auf der anderen Seite atmet meine beste Freundin tief durch. Wie immer, wenn sie versucht ihre Nervosität zu kontrollieren, die sie bei Außeneinsätzen schon aus einem Kilometer Entfernung als Diebin enttarnen würde.

»Jetzt links«, sagt sie endlich mit bebender Stimme und eilig biege ich ab.

Hier ist die Sirene noch deutlicher zu hören und Bankangestellte strömen unter der Aufsicht einer Securityfrau aus ihren Büros.

»Was ist passiert?«, wispere ich und folge ihnen in einigem Abstand.

»Was passiert ist? Während du dich gefühlt hundert Stunden im Tresorraum amüsiert hast und ich hier tausend Tode gestorben bin, ist ein Unglück passiert. Ein Desaster. Ein Fiasko galaktischen Ausmaßes, mit dem …«

»Bo«, ermahne ich sie sanft, bevor sie sich weiter in Rage redet.

»Tut mir leid. Es ist nur … Ein Magic hat die Kontrolle über seine Magie verloren.«

»Heilige Scheiße.«

»Das kannst du laut sagen. Aber es kommt noch schlimmer, denn es ist kein Gnom oder ein drittklassiger Magier, der versehentlich seinen eigenen Hintern in Brand gesteckt hat. Nein. Es ist ein Drachenwandler. Ein gottverdammter Drachenwandler, Arlyn!«

»Meinst du …« Das Bild des schwitzenden Anzugträgers schießt mir durch den Kopf.

»… den von vorhin«, bestätigt sie meine Vermutung. »Und er nimmt gerade die Bank auseinander.«

Ich schlucke schwer.

Dieses Mal übertreibt Bo nicht. Es ist eine Katastrophe. Sowohl für alle, die sich in der Bank aufhalten, als auch für die gesamte magische Gemeinschaft, der viele Menschen mit Furcht und Misstrauen begegnen. Und Vorfälle dieser Art tragen nicht dazu bei, dass sie uns mit Gratisschokolade beschenken oder als Götter verehren. Das war vielleicht vor zweitausend Jahren der Fall, aber dieser Zug ist längst abgefahren.

Darüber, wie es so weit kommen konnte, muss ich mir allerdings später Gedanken machen. Bei Kontrollverlusten jeglicher Art rückt nämlich nicht nur das Notfallteam des Ministeriums für Magische Sicherheit an, sondern auch alle verfügbaren Cops, die die Anwesenden evakuieren. Und das ausgerechnet jetzt, kurz bevor meine Magie aufgebraucht ist!

»Als du im Tresor warst, bin ich alle Fluchtrouten durchgegangen«, sagt Bo eine Spur gefasster. »Solange du noch unsichtbar bist, solltest du umgehend durch den Haupteingang abhauen, denn die Notausgänge sind komplett verstopft.«

»Geht klar.« Eilig folge ich den ängstlichen Leuten, bis ich die Sicherheitsschleusen erreiche, wo das Schlamassel wahrscheinlich begonnen hat.

Der Metalldetektor liegt umgeworfen auf dem Boden, ein Loch klafft in der Wand und das Magiebaromter ist zersplittert. Dafür dreht sich der goldene Zeiger so schnell im Kreis, als wollte er dem Propeller eines Hubschraubers Konkurrenz machen.

Schnell husche ich hinter drei Cops vorbei, die versuchen die panischen Menschen und Magics zu koordinieren, die aufgebracht die Treppe herunterströmen. Ich kann es ihnen nicht verübeln, denn der Alarm durchdringt Mark und Bein. Hallt in jeder Zelle meines Körpers wider und lässt mich nervöser werden, als ich mir selbst eingestehen will.

Das Chaos nutzend stehle ich mich weiter Richtung Ausgang, bis ich die Eingangshalle erreiche und …

… geschockt nach Luft schnappe.

Der Raum gleicht einem Schlachtfeld. Steine sind aus der Decke gebrochen, Ruß bedeckt den Marmor und Risse durchziehen die dicken Außenwände, als hätte eine Abrissbirne Pingpong gespielt. An einigen Gemälden züngeln Flammen entlang und von einer riesigen Zimmerpflanze, an der ich vorhin vorbeigegangen bin, ist nur noch der steinerne Topf übrig.

Im Zentrum der Zerstörung steht der Verursacher. Ein gigantischer, glutroter Drache, aus dessen Nasenflügel Rauchschwaden aufsteigen.

Ihm gegenüber plustert sich ein kleinerer Drache auf, beschützt mit ausgebreiteten Flügeln eine Gruppe Menschen, die panisch versuchen sich in Sicherheit zu bringen. Dabei senkt er den Kopf und schwenkt ihn hin und her, als wollte er den Roten besänftigen. Ihn wie mit einem Pendel hypnotisieren und zur Ruhe bringen.

Ohne Erfolg.

Der Rote faucht, peitscht mit seinem Schwanz durch den Raum und trifft den eisblauen Drachen in die Seite. Dieser wird durch die Luft geschleudert und kracht mit einem hässlichen Knirschen gegen die Wand.

Blauer Glanz steigt von den Schuppen auf und der Eisblaue verwandelt sich zurück in seine menschliche Gestalt, die splitterfasernackt auf dem Boden zusammensackt. Den Körper seltsam verdreht.

Der Rote brüllt triumphierend. Schaum tropft ihm aus dem Maul und seine goldenen Iriden glühen fiebrig.

Mehrere Schüler pressen sich hinter ihm an die Wand, da ihnen der Drache den Weg zum Ausgang versperrt.

In unmittelbarer Nähe liegen zwei andere Gestalten unbekleidet auf dem Boden. Vermutlich weitere Drachenwandler, die die Flammen ersticken wollten, denn eine Wand sieht aus, als wäre sie mit Eiskristallen überzogen worden.

Lauf weiter, ermahne ich mich selbst, als hinter mir ein lautes »Jetzt« ertönt. Mehrere Personen mit gelben Helmen und Schutzwesten tauchen von einer Sekunde auf die andere in der Halle auf. Die Hände von sich gestreckt gehen sie im Halbkreis auf den Drachen zu.

»Betäubungspfeil vorwärts«, schallt auch schon der nächste Befehl durch den Raum, während die Spezialeinheit den Drachen mit Beschwörungen in Schach hält.

Eine Frau, die ebenfalls Schutzausrüstung trägt, löst sich aus der Gruppe und rennt mit einer Armbrust auf den Roten zu. Wenige Meter vor ihm lässt sie sich auf die Knie fallen und zielt auf seinen Bauch.

Bevor sie abdrücken kann, schüttelt er die Beschwörungen wie lästige Fliegen ab und stürzt sich mit weit aufgerissenem Maul auf die Frau.

Sie kreischt. Bo keucht und ich bin versucht die Augen zu schließen, damit ich nicht mit ansehen muss, wie er sie in Stücke reißt.

Unfähig, auch nur einen Finger zu rühren, beobachte ich, wie der Drache vorwärtsschnellt.

Die unterarmlangen Zähne sind nur noch Zentimeter davon entfernt, sich in das Fleisch der Frau zu schlagen, als urplötzlich Schatten aus dem Boden schießen. Sich wie Seile um das riesige Maul winden und die Kiefer des Ungetüms zusammenpressen.

Was …? Woher …?

Der Drache bäumt sich auf. Zerrt an den Fesseln.

Doch immer mehr Schattenschnüre wachsen aus dem Boden, winden sich um den Körper des Monsters und zwingen es mit gewaltiger Kraft in die Knie.

Irritiert blinzelnd sehe ich mich um und dann entdecke ich ihn. Den Schattendämon, der zwischen Marmortrümmern hinter dem Drachen aufgetaucht ist.

Er bewegt die Arme wie ein Marionettenspieler. Kontrolliert mit eleganten, fließenden Bewegungen die Dunkelheit, die aus allen Ecken der Bank zu ihm strömt und den Drachen samt Klauen und Flügeln am Boden festpinnt.

Nein … Das kann nicht sein. Das ist …

»Mr Übereifrig!«, stößt Bo voller Entsetzen aus.

Entgeistert starre ich den Dämon im dunklen Anzug an, der weniger als zehn Meter von mir entfernt steht. Groß und breitschultrig wie ein Fels in der Brandung aufragt. Die Augen fest auf das Monster gerichtet.

Was macht er hier? Magieregulierung gehört nicht zu den Aufgaben des MBI, des Magical Bureau of Investigation. Die Sondereinheit des FBI ist ausschließlich für magische Verbrechensbekämpfung zuständig und …

Ich schüttle den Kopf, vertreibe die aufsteigenden Gedanken. Die ungewohnte Nervosität, die meine Wirbelsäule heraufkriecht und mir ein eisiges Frösteln über den Rücken jagt.

Heatons Auftauchen muss ein Zufall sein. Bestimmt wollte er nur Geld abheben, ein Bankkonto eröffnen oder eine neue Kreditkarte beantragen, weil er seine alte verloren hat. Wegen mir ist er auf keinen Fall gekommen. Immerhin kann er gar nicht wissen, dass ich hier bin und …

Ein markerschütterndes Brüllen reißt mich aus meiner Starre. Erinnert mich daran, dass ich endlich hier wegmuss. Jetzt, im Tumult, der beste Zeitpunkt ist, um unbemerkt das Weite zu suchen.

Der Drache schüttelt wild den Kopf und für einen Moment verschwindet der hitzige Ausdruck in seinen Augen, stattdessen wirkt er menschlich.

Erschrocken.

Verwirrt.

Dann kehrt schlagartig die Bestie zurück.

Der Rote bäumt sich auf, zerreißt die Fesseln im Sekundenbruchteil und schnappt nach einem anderen Magier mit einer Armbrust, der ihm ebenfalls zu nahe gekommen ist. Beinahe im selben Moment fegt er Mr Übereifrig mit einem Flügel von den Füßen und lässt seinen stachelbewehrten Schwanz mit so viel Wucht gegen die Wand krachen, dass das Gebäude erzittert. Der Kronleuchter klirrt gefährlich. Ein Riss teilt die massive Wand entzwei. Weitere Steine brechen aus der Decke, prasseln wie überdimensionale Hagelkörner auf den Boden.

Reflexartig reiße ich die Arme nach oben, um meinen Kopf zu schützen.

Jemand schreit und meine Aufmerksamkeit huscht zu den Schülern, über denen sich große Brocken aus der Wand gelöst haben.

Wenn der Drache nicht bald gestoppt wird, bringt er womöglich den Wolkenkratzer zum Einsturz.

Die Tür ist in Reichweite. Ich muss nur hinausgehen.

Trotzdem bleibe ich wie festgewachsen stehen.

In der Kürze der Zeit konnten sicher noch nicht alle Stockwerke evakuiert werden. Dort sind Väter. Mütter. Geschwister und Freunde, die unbeschadet nach Hause wollen. Genau wie die Kinder.

Aber das ist vielleicht nicht mehr möglich, wenn der Rote weiter wütet und jeden, der ihm zu nahe kommt, fast in Stücke reißt.

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Weiß, dass ich nur noch ein schwaches Rinnsal Magie übrig haben kann und Heaton bloß wenig Meter von mir entfernt ist.

Aber ich bin die Einzige, der es möglich ist, sich mit ihren Kräften ungesehen an den Drachen heranzupirschen.

»Bo, wir müssen etwas tun«, stoße ich hervor.

»Und was?«

»Helfen, ihn unschädlich zu machen.«

»Bist du von allen guten Geistern verlassen?« Bos Stimme schnellt zwei Oktaven höher. »Er hätte fast ein Mitglied der Spezialeinheit gefressen und selbst mehrere Magier können ihn nicht im Zaum halten. Wir können nur hoffen, dass seine Magie bald aufgebraucht ist und er sich in seine menschliche Gestalt zurückverwandelt.«

Im nächsten Moment schnellt der Drache mit aufgerissenem Maul vorwärts. Heißer Atem fegt über mich hinweg und ich sehe deutlich den Feuerball, der sich in seinem Schlund bildet.

Hastig springe ich aus der Schussrichtung. »Ich kenne mich zwar nicht sonderlich gut mit Drachen aus, aber auf mich wirkt er noch ziemlich fit«, sage ich, während sich ein Schattenseil von Heaton um seine Schnauze windet und gerade so verhindert, dass ein Mitglied der Spezialeinheit geröstet wird.

»Und was willst du dagegen machen?«

Nervös vergrabe ich die Fingernägel in den Handflächen und lasse meinen Blick über die Trümmer schweifen, bis ich in der Nähe eine geladene Armbrust entdecke, die irgendjemandem aus den Händen gefallen sein muss.

Dabei nimmt ein Plan in meinem Kopf Gestalt an. Einer, für den ich mich in spätestens fünf Minuten todsicher verfluchen werde.

»Was Irrlichter am besten können. Ihn austricksen.«

»Das ist der miserabelste Einfall aller miserablen Einfälle.«

»Ich weiß.« Bevor ich es mir anders überlegen kann, renne ich los. Direkt auf die Armbrust am Boden zu.

Hektisch greife ich danach. Schicke über die Fingerspitzen Magie in die Waffe, damit ich sie unsichtbar bei mir tragen kann. Dann hebe ich sie auf und haste in Richtung des Drachen.

»Eines Tages bringst du dich mit deinen Spontanaktionen noch ins Grab. Und mich gleich mit, weil mir vor Sorge das Herz stehen bleibt.«

»Beschwer dich später und hilf mir lieber! Ich habe keine Ahnung, wie man einen Drachen umhaut.« Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie der Dämon wieder auf die Beine kommt und erneut seine Schatten auf den Roten hetzt.

»Weißt du überhaupt, wie man schießt?«

»Ich improvisiere.«

»Wunderbar. Ganz wunderbar«, sagt Bo, während hinter mir eine tiefe Stimme »Greift ihn von rechts an« ruft.

Ich hechte auf die andere Seite, bevor ich womöglich von einem Fluch getroffen werde.

Die Waffe fest an die Brust gepresst, weiche ich einem ledrigen Flügel aus, der mit einem gefährlichen Widerhaken ausgestattet ist.

»Du musst eine der goldenen Bauchschuppen treffen. Sie sind seine Schwachstelle«, sagt Bo hektisch.

Ich murmle ein »Danke« und tauche in letzter Sekunde unter der Schwanzspitze weg, während der Drache vorwärtsschnellt und sich auf die Spezialeinheit stürzt.

Doch er kommt nicht weit, denn ein Schatten bringt ihn ins Stolpern und windet sich um einen Hinterfuß.

Damit habe ich freie Sicht auf den Bauch, den glutrote Schuppen wie eine Rüstung bedecken. Und unter dem Ansatz des linken Vorderbeins befinden sich gut sichtbar drei goldene.

Ich hebe die Armbrust an meine Wange, wie ich es in Filmen beobachtet habe.

Tief durchatmend blende ich das Chaos um mich herum so gut wie möglich aus. Dabei fokussiere ich durch das Zielfernrohr, betätige den Abzug und … schieße daneben. Nicht knapp, sondern einen gefühlten Meter.

Verdammt.

Ich weiche den mächtigen Beinen aus, um nicht platt getrampelt zu werden, und husche direkt unter den Bauch des Drachen.

Ein weiteres Mal lege ich die doppelläufige Waffe an, in der sich noch ein zweiter Betäubungspfeil befindet, und ziele mit angehaltenem Atem.

Bitte, bitte, triff, beschwöre ich das Geschoss und drücke erneut den Abzug.

Sirrend schnellt es durch die Luft, direkt auf die gewünschte Stelle zu und … prallt mit einem Klong an den roten Schuppen ab.

Das darf doch nicht wahr sein.

Fluchend werfe ich die nutzlos gewordene Armbrust beiseite, deren plötzliches Auftauchen im Tumult hoffentlich genauso wenig auffällt wie die abgeschossenen Pfeile. Dabei übersehe ich beinahe einen Flügel, der auf mich zurast. Ich springe zur Seite, um mich außer Reichweite zu bringen. Allerdings zu spät, denn er trifft mich an der Brust und reißt mich von den Beinen.

Mit voller Wucht knalle ich auf den Rücken. Die Luft wird mir aus der Lunge gepresst. Schmerz schießt meine Wirbelsäule entlang und schwarze Flecken tanzen vor meinen Augen. Werden immer größer. Trüben mein Sichtfeld.

»Arlyn?«, ruft jemand wie aus weiter Ferne.

»Arlyn, lebst du noch? Sag irgendwas.« Bo. Es ist Bos panische Stimme.

Ich reiße die Lider auf, sehe in letzter Sekunde ein krallenbewehrtes Hinterbein, das direkt auf mich zurast. Reflexartig werfe ich mich herum. Ein schmerzhaftes Stöhnen auf den Lippen.

»Arlyn?«

»Alles bestens«, presse ich hervor, obwohl ich mich fühle, als hätte mich ein Laster überfahren. Doch glücklicherweise scheine ich mir keine ernsthaften Verletzungen zugezogen zu haben.

Bo schnaubt. »Ja, natürlich. Und ich bin der Osterhase. Wenn du öfter auf mich hören würdest, wärst du nicht ständig in Schwierigkeiten.«

Über mir brechen noch mehr Steine aus der Decke.

Der Drache muss endlich weg.

Ich rapple mich hoch. Vor mir liegt eine weitere Armbrust neben einer Frau, die hoffentlich nur bewusstlos ist.

Irgendwo hinter mir brüllt jemand und ein Schatten schwingt wie eine Peitsche durch die Luft. Hält den Drachen erneut in Schach, sodass die goldenen Schuppen in meiner Nähe bleiben.

Obwohl ich weiß, dass ich nicht mehr genug Magie habe, um die Waffe unsichtbar zu machen, bücke ich mich nach ihr, doch beide Pfeile sind bereits abgeschossen.

Himmel noch mal, wie viel Pech kann man haben?

Einen Moment verharre ich in der Bewegung, dann bemerke ich weitere Pfeile, die im Köcher der bewegungslosen Frau stecken.

Ich ziehe einen heraus und richte mich auf, obwohl ich keinen blassen Schimmer habe, wie man eine Armbrust lädt.

Möglicherweise muss ich das aber auch gar nicht, denn die empfindliche Stelle des Drachen befindet sich über den kläglichen Überresten der Empfangstheke. Wenn ich es hinaufschaffe, dann könnte ich vielleicht …

»Hau endlich ab, bevor du noch draufgehst«, unterbricht Bo meine Überlegungen.

Wieder bebt das Gebäude und Steine fallen auf mich herunter.

Obwohl ich weiß, dass meine beste Freundin recht hat und die Gefahr, entdeckt zu werden, mit jeder Sekunde wächst, ignoriere ich sie. Blende alle Alarmsignale in meinem Kopf aus, die mich beschwören, endlich vernünftig zu sein und nicht länger die Heldin zu spielen.

Die ängstlichen Schreie der Anwesenden in den Ohren, haste ich von einem Steinhagel begleitet auf die Marmorbrocken zu. Mehr schlecht als recht springe ich darauf, um näher an die Schuppen zu kommen, und halte mühsam das Gleichgewicht.

Die Waffe fest umklammernd, hoffe ich mit jeder Faser meines Körpers, dass ich genug Kraft habe, die Drachenhaut zu durchdringen, und hole aus. Ramme das dünne Metall mit aller Kraft ins Herz der goldenen Schuppen. Nicht annährend so tief, wie es die Armbrust gekonnt hätte, aber wenigstens ein Stück.

Zuerst passiert nichts und beinahe glaube ich, erneut versagt zu haben, dann erstarrt das Ungetüm mitten in der Bewegung. Ein Zittern durchläuft seinen Körper und es schwankt, als hätte es zu tief ins Glas geschaut.

Innerlich jubelnd springe ich von den Überresten der Theke, um nicht unter dem Drachen begraben zu werden, und schlittere zur gegenüberliegenden Wand. Dabei entgehe ich nur knapp dem wild schlingernden Schwanz, bevor der Drache mit einem ohrenbetäubenden Rums auf den Boden kracht.

»Du hast es geschafft«, wispert Bo ungläubig.

»Hast du etwa an mir gezweifelt?« Schwer atmend stemme ich mir einen Arm in die Seite und betrachte einen Moment das riesige Maul mit seinen gigantischen Zähnen, aus dem eine pinke Zunge hängt.

Die Mitglieder der Spezialeinheit, die noch auf den Beinen sind, starren mit großen Augen auf das gefällte Ungetüm.

Alle, bis auf Mr Übereifrig, der nur wenige Meter von mir entfernt steht.

Prompt beschleunigt mein Herz auf die dreifache Geschwindigkeit. Nicht, weil der Dämon verboten gut aussieht, sondern weil seine dunklen Augen auf mich gerichtet sind.

Shit.

Das ist gar nicht gut.

Erschrocken schaue ich an mir hinunter.

Mein rechter Arm ist bis zur Schulter sichtbar und mein linkes Bein flackert, als hätte es einen Wackelkontakt.

Sofort reiße ich den Kopf nach oben und sehe, wie sich Heaton in Bewegung setzt. Mit festen Schritten direkt auf mich zukommt.

»Bei den Sternen, du musst weg, bevor dein Gesicht sichtbar wird«, ruft Bo hektisch, die meinen Zustand durch die Überwachungskameras mitbekommen haben muss.

Das braucht sie mir nicht zweimal zu sagen.

Ich weiche zurück und ziehe blitzschnell eine Rauchbombe aus meinem Handschuh.

Mit aller Kraft werfe ich sie auf den Boden. Das Glas zerbricht und ich renne los.

»MBI, bleiben Sie stehen und nehmen Sie die Hände hoch«, höre ich eine tiefe, raue Stimme hinter mir, die zu Mr Übereifrig gehören muss.

Darauf kann er lange warten.

Ich jage an dem dünnen Rauchfaden vorbei, der vor mir von den Scherben aufsteigt, und passiere das Notfallteam, das zu meinem Glück damit beschäftigt ist, den bewusstlosen Drachen zu fesseln. Dafür wachsen Schatten aus dem Boden, greifen mit ihren Fingern nach mir und versuchen mich festzuhalten.

Nur knapp entgehe ich ihnen, rutsche auf etwas Nassem aus, das verdächtig nach glibberigem Drachensabber aussieht, und rudere hektisch mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Gleichzeitig füllt sich der Raum mit Nebel.

Gerade so einen Sturz verhindernd, verlasse ich die Bank.

Vor dem Gebäude stehen mehrere Streifenwagen. Weiter hinten werden Leute aus einem Notausgang geleitet und Cops sperren die Straße ab, um Schaulustige fernzuhalten.

»Du musst rechts die Straße abwärts«, sagt Bo, die sofort das Ruder übernimmt.

So schnell mich meine Beine tragen, hechte ich über den Asphalt, springe mit der Eleganz eines altersschwachen Elefanten über ein gelbes Absperrband und renne zwischen zwei parkenden Polizeiautos hindurch, bevor ich die Sixth Avenue entlangpresche.

Dabei sehe ich kurz über die Schulter und muss feststellen, dass der Rauch Heaton nicht lange aufhalten konnte. Er hat mit zwei Cops die Verfolgung aufgenommen und kommt mit gefährlich großen Schritten näher.

Verflixt. Warum muss er auch so lange Beine haben?

Vor mir schießt erneut ein Schatten aus dem Boden, wird jedoch von einem Sonnenstrahl verschluckt, ehe er mich zu Fall bringen kann.

Ein Hauch Schadenfreude steigt in mir auf. Bestimmt ist auch er nach dem Kampf geschwächt. Leider ist sie nur von kurzer Dauer, denn ich spüre deutlich, wie meine Beine sichtbar werden.

Passanten schreien bei meinem Anblick erschrocken auf. Wahrscheinlich sehe ich aus, als wäre ich einem schlechten Horrorfilm entsprungen. Darauf kann ich jetzt allerdings keine Rücksicht nehmen und stülpe mir stattdessen die Kapuze über den Kopf.

»Bieg links ab«, sagt Bo.

Ich beiße die Zähne fest zusammen, folge ihrer Anweisung und …

»Nein, nicht da, das andere Links!«, brüllt sie mir ins Ohr, aber es ist zu spät.

Und Umdrehen ist keine Option, dafür ist der Dämon viel zu nah.

Shit! Shit! Shit!

Warum muss mir das immer in den unpassendsten Momenten passieren?

»Wohin jetzt?«, keuche ich und sporne mich selbst an schneller zu laufen, obwohl meine Muskeln wie Feuer brennen. Ich könnte mich dafür ohrfeigen, mein Fitnesstraining in den letzten Monaten vernachlässigt zu haben. Nur, weil ich mich bei den heißen Temperaturen nicht mehr als unbedingt notwendig bewegen wollte. Und auch nicht mit einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd gerechnet habe. Eine Nachlässigkeit, die mir jetzt vielleicht zum Verhängnis wird.

»Keine Ahnung, dein Manöver hat gerade alle Pläne zerstört«, hallt Bos aufgebrachte Stimme durch den Kopfhörer.

»Stehen bleiben«, ruft jemand direkt hinter mir. Statt der Aufforderung zu folgen, sprinte ich an einem FBI-Rekrutierungsstand und mehreren Souvenirverkäufern vorbei, die allerlei Krimskrams auf langen Tischen ausgebreitet haben, bevor ich mich mit rasselndem Atem auf dem Times Square wiederfinde.

Aber Heaton lässt sich nicht abhängen.

Im Gegenteil.

Er holt immer weiter auf.

Ich weiche einem Mann mit Kamera aus, bemerke aus dem Augenwinkel, wie eine große Hand nach mir greift. Starke Finger streifen meine Haut und packen mich am Arm.

Ich keuche, reiße mich los und springe reflexartig nach links. Direkt in eine Menschentraube hinein.

Grob drängle ich mich durch die Leute, um Abstand zwischen den nervtötenden MBI-Agent und mich zu bekommen. Dabei spüre ich, wie das Kribbeln meinen Hals heraufwandert.

Ich muss mich irgendwo verstecken.