Hummelbi – Der geheime Elfenzauber - Tanya Stewner - E-Book

Hummelbi – Der geheime Elfenzauber E-Book

Tanya Stewner

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Beschreibung

Elfen in Not – Ein Buch voller Magie über die Macht der Fantasie für Kinder ab 8 Jahren Florentine hat schon oft die magischen Worte aus dem alten Buch gesprochen, doch bisher hat sich ihr noch nie eine Elfe gezeigt. Umso erstaunter ist sie, als eines Tages tatsächlich die kleine Hummelbi neben ihr landet! Sie ist rund und tollpatschig und lacht so laut, dass Florentine einfach mitlachen muss. Aber die Elfen sind in Gefahr! Viele von ihnen sind bereits in einen tiefen Schlaf gefallen. Um sie zu retten, muss Florentine sich zuerst mit ihrer nervigen Zwillingsschwester vertragen ...   Hummelbi ist seit Jahren in Kinderzimmern unterwegs − Jetzt gibts den modernen Kinderbuch-Klassiker endlich mit neuen Illustrationen - Magische Kinderbuchreihe für Mädchen und Jungen ab 8 Jahren - Für alle Fans von Liliane Susewind von Bestsellerautorin Tanya Stewner - Mit zauberhaften Bildern und einer Geschichte voller Fantasie und Abenteuer - Für die extra Lesemotivation: Lesebuch mit Quiz bei Antolin gelistet

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Seitenzahl: 160

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Tanja Stewner

Hummelbi

Der geheime Elfenzauber

 

 

Mit Bildern von Mila Marquis

Inhalt

Inhalt

Prolog

Das Elfenbuch

Der Baum auf der Lichtung

Schwestern

Hummbelbi

Die letzte Elfe

Der magische Handfeger

Hoppeluma

Sockimo

Elfen und Schwestern

Bilder und Geschichten

Wurfmucki und Funkelux

Elfenrat

Elfengesang

Das Zwillingsteam

Eltern

Ein Buch für die Elfenwelt

Epilog

Hinweis auf Band 2

Leseprobe

Das Elfenbuch  15

 

Der Baum auf der Lichtung  28

 

Schwestern  46

 

Hummelbi  61

 

Die letzte Elfe  74

 

Der magische Handfeger  89

 

Hoppeluma  98

 

Sockimo  108

 

Elfen und Schwestern  120

 

Bilder und Geschichten  137

 

Wurfmucki und Funkelux  148

 

Elfenrat  160

 

Elfengesang  177

 

Das Zwillingsteam  195

 

Eltern  208

 

Ein Buch für die Elfenwelt  217

Die kleine Elfe spähte vorsichtig durch die Fensterscheibe und presste ihre winzige Nase gegen das Glas. Mit ihren großen, braungrünen Augen starrte sie in das Menschenhaus hinein, so wie sie es jeden Abend tat. Dabei rutschte ihr pummeliges Hinterteil von dem schmalen Sims des Fensters, und sie musste schnell mit ihren kleinen Flügeln schlagen, um nicht abzustürzen. Einen Augenblick lang flatterte sie nun vor dem Fenster auf und ab, schaute neugierig in das Menschenzimmer hinein und versuchte, so wie jeden Abend, einen Blick auf das Mädchen und seine Mutter zu erhaschen.

Doch zum Erstaunen der Elfe befand sich diesmal niemand in dem Zimmer. Der schöne Raum, in dem sich auf vollgestopften Regalen unzählige Bücher drängten und in allen Ecken und Winkeln hohe Büchertürme gestapelt waren, lag völlig verlassen da.

Die Elfe runzelte die kleine Stirn und fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Dann spitzte sie die Ohren. Aus einem anderen Teil des Hauses, eine Etage über dem schönen Bücherzimmer, drang lautes Gelächter. Die Elfe schwang sich in die Luft und flog ein Stockwerk höher. Dort gab es ein weiteres Fenster mit einem ebenfalls sehr schmalen Sims. Die Elfe zielte, setzte zur Landung an und krachte gegen die Scheibe. »Uff«, ächzte sie, als sie mit dem Hinterteil voran auf den Sims rutschte. Landen war nicht ihre Stärke.

Zum Glück konnte sie sicher sein, dass keiner der Menschen im Haus etwas von ihrer Bruchlandung bemerkt hatte. Denn nur jene Menschen, die an Elfen glaubten, konnten ihre Anwesenheit wahrnehmen.

Die Elfe stemmte nun ihre klitzekleinen Hände gegen das Fensterglas und lugte ins Innere. In dem gemütlichen Wohnraum standen zahllose Leute, die ihr allesamt den Rücken zuwandten. Die Elfe wusste nicht, worüber sie soeben gelacht hatten, aber sobald das Gelächter erneut erschallte, kicherte sie mit. Sie mochte es, wenn die Menschen fröhlich waren.

Viele fremde Leute waren hier, die sie noch nie gesehen hatte. Normalerweise lebte in dem alten Fachwerkhaus nur die Familie Buchmacher: der Vater, die Mutter und die zehnjährigen Zwillingstöchter. An diesem Abend feierten die Buchmachers aber offenbar ein Fest. Der Raum war mit bunten Luftschlangen geschmückt, und die vielen Menschen schienen Gäste zu sein.

Die kleine Elfe kicherte erneut, denn sie mochte Feste. Begeistert ließ sie ihren Blick durch das herausgeputzte Wohnzimmer schweifen und entdeckte dabei Florentine – das Mädchen, nach dem sie Ausschau gehalten hatte. »Da ist sie ja!«, flüsterte sie erfreut und drückte Nase und Stirn gegen die Scheibe.

Florentine Buchmacher saß zusammengesunken auf dem Sofa. Die Elfe stutzte. Machte das Fest Florentine etwa keinen Spaß? Da trat einer der Gäste ein wenig zur Seite, und die Elfe konnte erkennen, dass die Leute nicht einfach so im Raum herumstanden. Nein, sie umringten das andere Mädchen: Pauline, Florentines Zwillingsschwester. Sie hielt ein Notizbuch in der Hand und las daraus vor. Die Gäste sahen sie währenddessen bewundernd an und lachten offenbar deshalb, weil Pauline etwas Lustiges vortrug.

Als der Blick der kleinen Elfe wieder zu der traurig dreinschauenden Florentine auf dem Sofa wanderte, lächelte sie mitfühlend. Die Elfe kannte die beiden Schwestern gut, denn sie besuchte sie oft und beobachtete sie durch die Fenster. Obwohl die beiden Zwillinge waren, hätten sie kaum unterschiedlicher sein können. Pauline war sieben Minuten älter als ihre Schwester. Sie hatte langes blondes Haar, mit dem sie jeden Tag eine neue Frisur ausprobierte. Florentine hatte ebenfalls langes, aber dunkelbraunes Haar, das sie am liebsten zu einem einfachen Zopf zusammenband. Obwohl sie zweieiige Zwillinge waren, waren sich ihre Gesichter zum Verwechseln ähnlich. Florentine und Pauline hatten beide große blaue Augen, fein geschwungene Brauen und Lachgrübchen in den Wangen. Ihre Charaktere waren allerdings extrem gegensätzlich. Pauline war ein selbstbewusstes, fröhliches Mädchen, das oft lachte und gern modische Klamotten trug. Doch sie war weder eingebildet noch angeberisch – meist war sie sogar sehr freundlich zu allen. Florentine blieb in der Regel im Hintergrund und war gewöhnlich auch viel unscheinbarer gekleidet als Pauline. Außerdem wirkte sie oft nachdenklich und schaute hin und wieder sogar recht düster drein. Aber die kleine Elfe wusste, dass Florentine lediglich ein wenig schüchtern war. Eigentlich war sie ein sehr aufgewecktes, phantasievolles Mädchen. »Sie steht nur im Schatten ihrer Schwester …«, murmelte die Elfe und betrachtete nun wieder Pauline, die die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog. Offensichtlich las Pauline gerade eine ihrer selbst geschriebenen Geschichten vor. Geschichten erfinden war Paulines großes Talent, und innerhalb der Familie Buchmacher wurde deswegen großes Aufheben gemacht. Alle waren davon überzeugt, dass Pauline eines Tages eine berühmte Schriftstellerin werden würde.

Eine Weile lang lauschte die kleine Elfe nun Paulines Stimme durch das gekippte Fenster und musste anerkennend schmunzeln. Die Geschichte war wirklich gut. Pauline fand immer die richtigen Worte, um etwas auszudrücken. Und wie sie dort stand, inmitten so vieler Erwachsener, und ihre Geschichte mit großer Selbstverständlichkeit und viel Witz vortrug, wurde ihre Begabung wieder einmal mehr als offensichtlich. Pauline war der Star der Familie. Florentine saß unterdessen still auf dem Sofa und wurde von keinem der Gäste beachtet. Die Elfe seufzte und klingelte mit den Flügeln, so dass es klang, als würden diese niesen. Das tat sie immer, wenn sie innerlich aufgewühlt war.

Die Elfe wusste, dass Florentine ebenfalls ein besonderes Talent hatte. Sie hatte das Mädchen beobachtet, wenn es allein in seinem Zimmer unter dem Dach war, und sie hatte gesehen, was Florentine dann dort tat. Allerdings schienen weder die Eltern noch Pauline etwas davon zu ahnen. Florentine hatte offenbar niemandem auch nur ein Sterbenswort darüber erzählt. Die Elfe wusste nicht, warum das Mädchen ein Geheimnis daraus machte. Aber sie liebte es, Florentine durchs Fenster zuzuschauen, wenn sie allein in ihrem Zimmer war.

Da tauchte auf der anderen Seite der Scheibe plötzlich ein riesiger Kopf auf. Die Elfe zuckte zusammen und rutschte vor lauter Schreck vom Fenstersims. »Huch!«, piepste sie, während ihr stämmiger kleiner Körper durch die Luft purzelte. Hastig schlug sie mit den Flügeln und schwang sich schnaufend wieder zum Fenster zurück. Dort blickte sie in ein pelziges Gesicht mit langen Schnurrhaaren und einer rosafarbenen Nase. Es war Krümel, der Kater der Familie Buchmacher.

»Hallo!«, rief die kleine Elfe freundlich und winkte mit einem ihrer fülligen Ärmchen. Sie landete nicht wieder auf dem schmalen Sims – das war zu mühsam –, sondern schaukelte in der leichten Abendbrise vor dem Fenster hin und her. Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne ließen ihre durchsichtigen Flügel in allen Farben des Regenbogens schillern und zauberten ein zartes, buntes Flimmern um sie herum. »Hallo, Krümel!«, rief die Elfe mit ihrer hellen, singenden Stimme und lachte.

Ein Ohr des Katers zuckte leicht zurück, gleichzeitig schloss er zur Hälfte die Augen. So grüßten Katzen. Und so begrüßte Krümel auch die Elfe. Denn anders als Menschen war er in der Lage, Elfen zu sehen – so wie alle Tiere. Für ihn war das flatternde kleine Geschöpf etwas ganz Normales. Schließlich hatte er es oft genug kreuz und quer im Garten herumfliegen, im Wald zwischen den Bäumen herumhuschen oder von irgendeinem Fenstersims ihres Hauses abrutschen sehen.

»Ich muss wieder fort«, sagte die Elfe nun mit zirpender Stimme. Denn immer wenn die Sonne untergegangen war, verließ sie die Familie Buchmacher, um sich wieder ihren Aufgaben zu widmen. Sie blieb abends nie länger als für die Dauer eines Sonnenuntergangs.

Die letzten Sonnenstrahlen des Tages erstarben gerade über den Baumwipfeln am Waldesrand – Zeit zu gehen.

»Bis bald!«, rief sie dem Kater zu, der ihre Worte zwar nicht verstehen konnte, die Elfe aber dennoch anschaute, als wüsste er genau, was ihr Zirpen zu bedeuten hatte. Sein Ohr zuckte abermals. Seine Augen schlossen sich zur Hälfte. So sagten Katzen »Auf Wiedersehen«.

Die kleine Elfe klingelte zum Abschied mit den Flügeln und flog dann wie ein säuselndes Flirren des Windes rasch in Richtung Wald davon.

Florentine Buchmacher saß zusammengekauert auf dem Sofa und starrte ins Leere. Es war der Geburtstag ihres Vaters. Alle Freunde und Verwandten waren gekommen, um mit ihm zu feiern, und das kleine Fachwerkhaus am Waldrand, in dem die Buchmachers lebten, platzte aus allen Nähten. Besonders im Wohnzimmer, wo Florentine auf dem Sofa saß, drängelten sich die Leute. Das lag daran, dass Florentines Zwillingsschwester Pauline gerade ihre neueste selbst geschriebene Geschichte vorlas – eine kurze, witzige Erzählung über einen Mann, der Geburtstag hatte. Die hatte sie extra für ihren Vater geschrieben. Alle lauschten Pauline gespannt und lachten und applaudierten zwischendurch immer wieder. Florentine hörte ihrer Schwester allerdings nicht zu, denn sie kannte die Geschichte schon. Pauline hatte sie erst an diesem Morgen beim Frühstück vorgelesen, als Geburtstagsgeschenk für ihren Vater. Danach hatte ihr Vater vor Lachen Tränen in den Augen gehabt und gesagt, das sei das schönste Geschenk, das er jemals bekommen habe.

Florentines Miene verfinsterte sich bei dem Gedanken daran, denn ihr eigenes Geschenk für ihn, eine selbst gebastelte Papierblume, hatte er sich nur kurz angesehen und dann zur Seite gelegt.

Als Pauline nun eine besonders lustige Stelle vorlas, krümmten sich alle Zuhörer vor Lachen und gackerten durcheinander. Da hielt Florentine es nicht länger aus. Hastig stand sie auf und floh aus dem Zimmer. Im Flur standen ebenfalls überall Gäste herum. Florentine wollte mit niemandem reden, und so drängte sie sich wortlos an den Leuten vorbei und schlich die knarrende Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Der Spatzenwinkel – das kleine windschiefe Fachwerkhaus, in dem sie lebten – war über vierhundert Jahre alt. Deshalb knarrte alles an diesem Haus: die Treppe, die Dielen, die Türen. Selbst das Dach knarrte, wenn der Wind an stürmischen Tagen darüber hinwegstrich. Doch Florentine liebte das Haus und konnte sich gar nicht vorstellen, jemals irgendwo anders zu wohnen.

Am Ende der knarrenden Treppe befand sich eine Tür, die zu dem Teil des Hauses führte, der Florentine am allerbesten gefiel: dem Buchladen ihrer Mutter. Frau Buchmacher war Buchhändlerin und hatte ein eigenes kleines Buchgeschäft, das sich im Erdgeschoss des Spatzenwinkels befand. Obwohl die Buchmachers am Waldrand wohnten und es für Kunden immer ein wenig umständlich war, zum Laden zu kommen, lief das Geschäft sehr gut. Denn Florentines Mutter wusste alles über Bücher, was es über Bücher zu wissen gab, und sie sah jedem Kunden an der Nasenspitze an, welche die richtige Geschichte für ihn war.

Florentine huschte in den Laden. Kaum hatte sie die Tür hinter sich zugezogen, atmete sie erleichtert auf. Hier war keine Menschenseele. Zwischen den mit Büchern vollgestopften Regalen und dem alten roten Sessel, der in der Leseecke des Ladens stand, war es wunderbar ruhig. Nur das Knarren der Schritte im Wohnzimmer über ihr war zu hören.

Florentine ließ sich auf dem abgewetzten Sessel nieder und überlegte, ob sie etwas lesen sollte. Bevor sie aber lange nachdenken konnte, öffnete sich die Tür, und ihre Mutter trat in den Laden. Frau Buchmacher war eine hübsche Frau mit vielen kleinen Lachfältchen um die wachen blauen Augen.

»Flöhchen …«, sagte sie. So nannten Florentines Eltern sie immer – außer wenn sie etwas ausgefressen hatte, dann nannten sie sie Florentine. »Was machst du denn so ganz allein hier unten?« Frau Buchmacher kam mit besorgtem Gesichtsausdruck näher. Sie hatte buschiges braunes Haar, das von feinen grauen Strähnen durchzogen war.

»Ich hatte keine Lust, oben zu bleiben«, antwortete Florentine achselzuckend.

Ihre Mutter betrachtete sie aufmerksam. »Pauline kommt mit ihrer Geschichte ziemlich gut an …«

Florentine schnitt eine Grimasse. »Toll.«

»Mach mal ein bisschen Platz«, sagte ihre Mutter und zwängte sich neben sie. Wenn man nah beieinandersaß, konnte man es sich in dem Sessel auch zu zweit gemütlich machen. Und das taten Florentine und ihre Mutter normalerweise jeden Abend kurz vor dem Schlafengehen. Sie saßen dann eng aneinandergekuschelt in dem Sessel, und Frau Buchmacher las Florentine aus ihrem Lieblingsbuch vor.

»Wegen Papas Feier ist heute alles ein bisschen drunter und drüber gegangen«, stellte Florentines Mutter fest und strich ihrer Tochter übers Haar. »Wir haben gar nicht im Elfenbuch gelesen.«

Florentine nickte. Seit langer Zeit war dies der erste Tag, an dem sie das Elfenbuch nicht angerührt hatten, und das hatte ebenso zu ihrer schlechten Laune beigetragen wie der Starrummel um Pauline. Das Elfenbuch war Florentines liebstes Buch auf der Welt, denn es war etwas ganz Besonderes. Sie hatte es vor einigen Jahren, als sie noch sehr klein gewesen war, hinter einem der Regale im Buchladen gefunden. Ganz verstaubt und dreckig hatte es ausgesehen, als habe es eine Ewigkeit lang zwischen dem Regal und der Wand gesteckt und darauf gewartet, dass jemand es fand. Florentine erinnerte sich noch genau daran, wie schnell ihr Herz geschlagen hatte, als sie damals den Staub von dem Buch abgewischt hatte und auf dem Einband das Bild eines seltsamen kleinen Geschöpfes zum Vorschein gekommen war. Das pausbäckige Wesen hatte durchsichtige, kleine Flügel und borstiges, grünbraunes Haar, das wild vom Kopf abstand. Als Florentine ihren Fund damals ihrer Mutter gezeigt hatte, war diese sehr überrascht gewesen, denn das Buch war von Hand geschrieben! Es stand allerdings weder drin, wer es verfasst hatte, noch, wie alt es war. Aber das Buch besaß einen Titel. In geschwungenen, selbst gemalten Buchstaben stand auf dem Buchdeckel:

Die kleine Waldelfe

Florentine hatte sich damals sehr darüber gewundert, dass das Wesen auf dem Einband eine Elfe sein sollte, denn sie hatte sich Elfen immer als kleine Schönheiten mit bildhübschen Gesichtern vorgestellt, nicht als struppige Pummelchen. Dennoch faszinierte sie das Buch. Aufgeregt hatte sie ihre Mutter gebeten, ihr daraus vorzulesen, da sie selbst noch zu klein dazu gewesen war. Ihre Mutter hatte sich daraufhin mit ihr auf den alten roten Sessel in die Leseecke gesetzt und sogleich mit dem Lesen begonnen. Florentine war auf der Stelle vollkommen gefesselt gewesen. Dieses Buch war anders als alle Bücher, die sie kannte. Schon bei den ersten Sätzen hatte sie das Gefühl gehabt, als geschähe etwas Magisches. Zwar konnte sie nicht sagen, was das genau sein sollte, denn eigentlich passierte gar nichts Ungewöhnliches. Aber dieses Buch war auf unerklärliche Weise anders. Geheimnisvoll.

Seitdem hatte Frau Buchmacher ihrer Tochter jeden Abend ein Kapitel aus Die kleine Waldelfe vorgelesen, und immer wenn das Buch zu Ende war, fingen sie wieder von vorn an. Inzwischen konnte Florentine natürlich längst selbst lesen, aber das Vorlesen war für sie die schönste halbe Stunde des Tages, und manchmal freute sie sich schon den ganzen Nachmittag über darauf.

Frau Buchmacher griff nun unter den Sessel – den geheimen Aufbewahrungsort – und zog das Buch hervor. Aber anstatt es aufzuschlagen, betrachtete sie das Bild der kleinen Elfe auf dem Einband und strich langsam mit dem Finger über die Zeichnung.

»Was ist los, Mama?«, fragte Florentine.

»Hmmm …«, machte ihre Mutter gedankenverloren. »Weißt du, was?«

»Was denn?«

»Heute lese ich dir ausnahmsweise nichts vor. Heute erzähle ich dir stattdessen etwas. Etwas total Verrücktes.«

Florentine setzte sich neugierig auf.

Ihre Mutter lächelte, als ginge ihr etwas Schönes durch den Kopf. »Du kennst doch den alten Kastanienbaum auf der Lichtung im Wald?«

»Klar!« Florentine kannte sich im Wald sehr gut aus. »Was ist mit ihm?«

»Meine Großmutter hat mir vor langer Zeit einmal etwas über diesen Baum erzählt. Damals war ich noch ein kleines Mädchen …«

»Was hat sie dir denn erzählt?«

Frau Buchmacher schaute ihre Tochter forschend an, als überlege sie, ob sie wirklich weitersprechen sollte. Dann sagte sie: »In diesem Baum lebt eine Elfe.«

Eine Elfe! Florentine war wie elektrisiert. »Wirklich?«

»Das hat meine Großmutter zumindest gesagt. Ich nehme allerdings an, dass das nur eine Geschichte war, die sie sich für mich ausgedacht hatte. Sie hat mir ständig selbst erfundene Geschichten erzählt.«

»Ach so.« Nur eine Geschichte. Florentine lehnte sich zurück und war ein wenig enttäuscht.

»Sie hat mir allerdings noch etwas gesagt.«

Florentine blickte ihre Mutter aufmerksam an.

»Sie hat mir gesagt, dass man ein bestimmtes Ritual vollziehen muss, um Elfen überhaupt sehen zu können. Und nur, wer an Elfen glaubt, kann das Ritual erfolgreich bestehen.«

Florentine schnappte nach Luft. »Ein Ritual? Das steht doch auch im Buch!«, rief sie und klopfte auf den Buchdeckel.

»Ja.« Frau Buchmacher lächelte nachdenklich. »Merkwürdig, nicht wahr? Meine Großmutter hat mir das Ritual genau beschrieben. Und als wir beide viele Jahre später zum ersten Mal gemeinsam im Elfenbuch gelesen haben, war ich überrascht, dass es dort auch erwähnt und fast mit denselben Worten erklärt wird wie seinerzeit von meiner Großmutter …«

Florentine spielte aufgeregt mit ihrem langen Zopf herum. »Und? Hast du das Ritual damals gemacht?«, fragte sie.

»Natürlich.« Ihre Mutter schmunzelte. »Und danach saß ich stundenlang vor dem alten Kastanienbaum auf der Lichtung und starrte auf das Loch im Stamm, von dem meine Großmutter gesagt hatte, es sei die Wohnhöhle der Elfe. Ich habe Ewigkeiten darauf gewartet, dass ein magisches Wesen daraus hervorschwirrt.« Frau Buchmacher lachte leise. »Natürlich ist das nie passiert.«

Florentine nickte langsam.

»Aber …«, murmelte ihre Mutter.

»Was?«

»Immer wenn ich dir hieraus vorlese …« – sie strich über das Elfenbuch in ihrer Hand – »… dann muss ich an die Geschichte meiner Großmutter denken. Die kleine Waldelfe aus dem Buch lebt schließlich auch in einem Baum auf einer Lichtung.« Sie lachte. »Das ist wahrscheinlich völlig irrsinnig.« Amüsiert schüttelte sie den Kopf. »Weißt du, was? Deine Mama ist total verrückt geworden!« Sie kitzelte Florentine unter dem Arm.

Florentine kicherte. Sie wurde jedoch schnell wieder ernst. Sollte sie ihrer Mutter erzählen, dass sie ebenfalls bereits mehrere Male versucht hatte, das Ritual durchzuführen? Vor einigen Jahren hatte sie es im Garten ausprobiert. Aber es hatte ebenso wenig funktioniert wie ihre späteren Versuche am Bach oder hinter der Hecke. Selbst auf der Lichtung im Wald hatte sie das Ritual schon einmal durchgeführt. Allerdings hatte sie nicht vor der Kastanie gesessen, sondern am Rande der Wiese.

Da steckte plötzlich Florentines Vater den Kopf zur Tür herein. Er war ein großer, schlanker Mann mit freundlichen Augen und einer schicken Bürobrille. »Hier seid ihr!«, rief er und klang ein klein wenig vorwurfsvoll. »Wollt ihr nicht wieder nach oben kommen? Lesen könnt ihr doch auch ein andermal.«

»Stimmt.« Florentines Mutter stand auf und ging zu ihrem Mann hinüber. »Feiern wir den Geburtstag eines ganz alten Mannes!«

Florentines Vater zog einen übertriebenen Schmollmund, dann lachte er.

Während ihre Eltern miteinander scherzten, starrte Florentine gedankenversunken auf das Elfenbuch. Was, wenn …

»Kommst du auch, Flöhchen?«, fragte ihr Vater und zog seine Frau bereits aus dem Laden.

»Ja, gleich.« Florentine erhob sich langsam. Bevor sie ihren Eltern aber die knarrende Treppe hinauffolgte, musste sie das Elfenbuch noch unter dem Sessel verstecken. Als sie sich hinunterbeugte, um es an seinem geheimen Platz zu verstauen, hatte sie plötzlich mehr denn je das Gefühl, dass von dem Buch irgendetwas Eigenartiges ausging … etwas Rätselhaftes.

Florentine hielt inne und betrachtete noch einmal den Buchdeckel. Die kleine Elfe winkte ihr auf dem Bild mit ihren runden Ärmchen zu, als wolle sie sie rufen.

Was, wenn …