Hunters Liste Sammelband 1-3 - Margaux Navara - E-Book

Hunters Liste Sammelband 1-3 E-Book

Margaux Navara

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Beschreibung

„So viel Leidenschaft, Sex, Angst und Spannung.“
„Sowas habe ich noch nie erlebt“
„sowohl erregend, anregend und aufregend“

Eine Villa erben und nicht wissen, was sie damit anstellen soll?
Check!
Eine Idee haben, aber keine Ahnung von der Umsetzung?
Doppelcheck!
Alice läuft die Zeit davon. Innerhalb eines Jahres muss sie einen Plan vorlegen, was sie mit dem Erbe ihrer Tante anfangen will, sonst ist es für sie verloren.
Eine Idee hat sie: Einen Club wie der, den sie seit einer Weile besucht. Ein Ort, an dem man seine Kinks ausleben kann. Nur welches sind ihre Kinks? Um das zu erfahren, muss sie sich endlich auf all das einlassen, was sich bisher einzig in ihrer Fantasie abspielte.
Hunter erstellt für sie eine Liste. Jeden Monat ein anderer Kink bei einem ausgewählten Lehrer. Jeden Monat ein neuer Ort.
Aber ist der finstere, dominante Hunter wirklich so selbstlos oder verfolgt er eigene Ziele?

Gehalten Alice springt kopfüber ins Kaninchenloch. Jay, ein Experte mit Seilen, führt sie im ersten Monat ein in seine Welt, die sie in mehr als einer Hinsicht fesselt.
Explizit. Anregend. Einfühlsam.

Erzogen Alice arbeitet Hunters Liste ab, um endlich herauszufinden, ob sie in die Welt der Dominanz und Unterwerfung gehört oder nicht.
Erziehung steht auf dem Plan. Dazu gehört es, sich in Gehorsam zu üben. Doch Alice tut sich schwer. Sie ist doch kein Hund, der auf Kommando Männchen macht!
Sir Cecil und die anderen Herren aus dem Club in Orlando, Florida geben sich Mühe mit der aufsässigen Frau, die gerne Sub sein möchte und doch nicht mit dem Herzen dabei ist.
Vielleicht schafft Hunter, was die anderen nicht erzwingen können?

Bezwungen Hunter sendet Alice im April zu Sir Bruce, dem Veranstalter des Kinky Kollege in Chicago. Der ist Spezialist in Lust durch Schmerz und er kann weitaus mehr, als nur Schläge auszuteilen. Zum Glück weiß er auch die Grenzen einer Sub auszuloten und einzuhalten.
Alice unterwirft sich nur zu gerne dem dominanten und gut aussehenden Sir Bruce. Sogar den Schmerz lernt sie zu schätzen. Ihre Grenzen dehnen sich erheblich weiter als gedacht.
Stört es Hunter, dass Alice Sir Bruce so nahe kommt? War es wirklich seine Absicht, sie in die Arme eines anderen zu treiben?
348 Taschenbuchseiten

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Inhaltsverzeichnis

1

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Hunters Liste

Sammelband 1: Gehalten - Erzogen - Bezwungen

© 2020 Margaux Navara – alle Rechte vorbehalten.

Coverfoto ©Tamara_k; silva; Vilor - Depositphotos.com

Margaux Navara

c/o Papyrus Autoren-Club

Pettenkoferstr. 16-18

10247 Berlin

[email protected]

margauxnavara.com

Danksagung Christiane und Isabell, zwei tollen Frauen, die auch mal alles liegenlassen, um mir zu sagen, dass ich auf dem richtigen Weg bin (und trotzdem Kritik üben), gebührt mein Dank für aufmunternde Worte und kluge Hinweise. Schön, dass es euch gibt!

Hunters Liste Teil 1 - Gehalten

1

„Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich würde gerne einen eigenen Club aufmachen. Für so Leute wie wir."

Missi kicherte. „Du meinst, nur für Subs?"

„Natürlich nicht." Alice grinste mit. Missi brachte sie immer zum Lachen, wenn Alice das Leben mal wieder zu ernst nahm. „Für Kinkster wie wir. Für die, die nicht das Extreme wollen, aber nicht immer nur zuhause spielen wollen und können. Ein Platz, an dem sich Doms und Subs treffen können. Sicher und unter Beobachtung, sauber und ordentlich. Kein Swingerclub, kein Club zum Tanzen und Vögeln, keine Fleischbeschau."

„Oh ja!" Missi seufzte theatralisch. Sie war eine Little, die nach einem Daddy suchte. Nicht Alices Kink, die vermutete, selbst einfach devot zu sein und möglicherweise auch ein wenig masochistisch. So ganz hatte sie die Einteilung noch nicht verstanden.

Alice war nicht engstirnig, sie mochte die Freiheit des BDSM, diese Möglichkeit, seine Kinks ausleben zu können. Aber sie konnte mit so vielen davon rein gar nichts anfangen. Nadeln? Oh Gott, vielleicht mal zum Piksen, aber nicht zum Durchstechen. Messer? Na gut, als Drohung gewissermaßen, aber doch nicht zum Haut aufschneiden. Oder Windeln? Nein, bloß nicht!

Was ihr gefiel, war die Idee der Unterwerfung. Und na ja, auch mal auf den Hintern geschlagen zu werden. Weshalb der wöchentliche Besuch in diesem winzigen Club nicht gerade der Höhepunkt ihrer Woche war, sondern nur eine Möglichkeit, mit Menschen wie Missi in Kontakt zu kommen.

„Aber wie soll das gehen? Du müsstest ein Haus anmieten …“

„Nein, eben nicht“, fiel Alice ihr ins Wort. „Tatsächlich habe ich ein Haus, das perfekt dafür passen würde.“

„Du hast ein Haus? Warum wohnst du dann in diesem Mini-Apartment?“ Missi hatte die Augen aufgerissen, bis sie so aussah wie eine der Puppen, mit der sie ihre Wohnung eingerichtet hatte.

„Tante Alberta ist doch vor kurzem gestorben.“ Alice folgte mit den Augen einem Dom, mit dem sie bisher noch kein Wort gesprochen hatte. Er hatte eine besondere Art, sich zu bewegen. Als wäre er auf der Jagd. Aber vielleicht bildete sie sich das nur ein. Sein Name, Hunter, verführte zu dieser Assoziation. Ja, garantiert lag es nur daran. Sie blinzelte zu Missi, die ihr den Ellbogen in die Seite gestoßen hatte. Ach ja. Ihr Erbe. Das nur ihr Erbe sein würde, wenn sie schnellstens einen Plan entwickelte. „Sie hat mir ihr Haus vermacht. Und weil sie wusste, dass ich niemals alleine darin wohnen würde, hat sie mir zur Auflage gemacht, innerhalb eines Jahres etwas damit anzufangen. Wenn ich bis dahin keine Verwendung gefunden habe, geht es an eine Stiftung oder die Kirche, keine Ahnung. Das werde ich erst danach erfahren. Aber das ist ja auch gleichgültig, da ich dann die ganze Erbschaft vergessen kann.“

Missi verzog das Gesicht. „Uh! Wie kam sie denn auf die Idee? Na ja, ist ja auch egal. Ein Club für uns alle klingt wunderbar. Das Haus hat hoffentlich mehr als drei Zimmer?“ Sie schaute sich in dem Raum um, in dem sie saßen. Er enthielt eine Bar, eine Loungeecke, ein paar Spielzeuge und es gingen nur zwei Türen ab zu den sogenannten Spielräumen. Wirklich armselig, selbst für Springfield, Massachusetts. Dabei war die Gruppe an BDSMlern, die die Räume eingerichtet hatte, noch stolz, überhaupt Räumlichkeiten zu haben. Das Springfield Munch Convention Center nannten sie es großspurig.

„Ja, es hat mehr als drei Zimmer. Zwanzig, um genau zu sein. Dabei sind im Obergeschoss alleine sechs Bäder. Unten gibt es einen riesigen Salon, dazu Küche und diverse Zimmer wie Bibliothek, Frühstückszimmer, Esszimmer und Musikzimmer. Vom Keller und dem Dachgeschoss gar nicht zu reden.“

„Und da hat sie alleine gewohnt? Wow! Sie muss ganz schön reich gewesen sein.“

„Du sagst es. Das ist das nächste Problem. Das dazugehörige Geld verfällt auch, wenn ich nicht ein Konzept für eine Nutzung vorlege. Ich meine, was soll ich mit diesem Riesenklotz machen? Ich kann kein Hotel führen. Und Golfclubs oder Countryclubs haben wir schon genug. Aber diese Art Club … Am Ende würde ich damit sogar Geld verdienen. Die Gäste müssten schon für die Mitgliedschaft zahlen.“

„Hauptsache, du lässt mich rein. Du kannst ja die Gebühren einkommensabhängig machen.“ Missi kicherte über diese Idee.

Alice grinste. Sie fand den Gedanken gar nicht so schlecht.

„Und wie willst du den Club einrichten?“

Hunter war am Ende des Raums angekommen, schaute jetzt kurz in den abgetrennten Spielraum, dessen Tür einladend offen stand. Würde er hineingehen? Sie hatte ihn bisher nur einmal an einer Szene teilhaben sehen. Ein anderer Dom hatte ihn gebeten, seine Sub von hinten zu nehmen, während er ihren Mund benutzte. „Keine Ahnung. Ich könnte jedes Zimmer anders gestalten. Nur die Kinks bedienen, die mir gefallen.“

„Welche sind das?“

Alice schwieg. Missi war gekleidet wie ein kleines Mädchen, trug Zöpfe und bunte Klämmerchen im Haar und kaute unablässig Kaugimmi, was manchmal dazu führte, dass Alice ihre Intelligenz unterschätzte. Dabei schaffte sie es immer wieder, den Finger in die Wunde zu legen.

„Sag mal, hast du eigentlich was gegen die Doms hier?" Missi tat so, als wäre das Thema ganz nebensächlich und sie würde nicht gerade den Elefanten im Raum ansprechen. Zumindest Alices ganz persönlichen Elefanten, den sie so gut es ging verdrängte.

„Natürlich nicht."

„Subs, die lügen, sollte man den Hintern versohlen. Und noch so vieles mehr." Die Stimme ließ die beiden Frauen zusammenzucken. Mist, sie waren belauscht worden. Ausgerechnet von Hunter. Wie hatte der es geschafft, von da hinten bis zu ihnen zu wandern, ohne dass sie das bemerkt hatte? Sie behielt ihn doch sonst auch im Auge! Alice wäre am liebsten im Boden versunken. Missi wurden bestimmt keine Schläge angedroht, das bezog sich ganz allein auf sie.

Sie konnte nicht einmal abstreiten, überhaupt gelogen zu haben. Zumindest war es wohl Auslegungssache, ob sie etwas gegen die Doms hatte oder einfach zu wählerisch war. Sie wollte halt … etwas anderes.

„Ich muss mal zur Toilette", murmelte Missi und verschwand.

„Du trägst Windeln, du Verräterin!" Aber das hörte Missi schon nicht mehr. Außerdem wusste Alice gar nicht, ob Missi tatsächlich Windeln trug. Sie schlüpfte zwar gerne in die Rolle eines Kindes, aber nicht in die eines Babys.

„Und aufsässige Subs, die auch noch ihre Freundin schmähen, haben erst recht eine Strafe verdient. Aber vielleicht ist ein Spanking gar keine Strafe für dich. Was meinst du?"

Alice wandte sich endlich zu ihm um. Er war ihr als Sadist beschrieben worden, was sie bisher von einem Kontakt abgeschreckt hatte. Und er war von sich aus nicht auf sie zugekommen, wie schon einige andere der Doms. Sie hatte es darauf geschoben, dass er wie sie noch nicht lange Mitglied war.

Außerdem fand sie ihn nicht wirklich ansprechend. Wenn sie ihn betrachtete, suchte sie nach Fehlern. Kühl. Düster. Unzufrieden. Immer runzelte er die Stirn. Nie sah man ihn lachen. Dabei lachte sie so gerne! „Zum Glück muss ich mich aber nicht spanken lassen. Egal, ob es mir gefällt oder nicht."

„Du weißt schon, dass Subs den Doms mit Respekt begegnen sollten? Eigentlich eine Sache der Höflichkeit, meinst du nicht?"

Er erwartete Höflichkeit? In einem Club, in dem Peitschen geschwungen wurden? „Ich dachte, ich muss nur meinem Herrn gehorchen. Wenn ich einen hätte, meine ich."

„Das mag sein. Aber ich frage mich, welcher Dom eine Sub haben möchte, die unhöflich und respektlos ist. Hast du dich schon mal gefragt, ob es nicht eher an dir liegt, dass du keinen Herrn hast?"

Alice wäre am liebsten gegangen, ohne ihm zu antworten. Aber so ungehörig wollte sie nun auch nicht sein. „Vielleicht liegt es einfach an der fehlenden Auswahl. So viele gibt es ja hier nicht. Der Club ist einfach zu klein." Eigentlich handelte es sich um keinen richtigen BDSM-Club, dafür waren die Räumlichkeiten zu beengt und die Gruppe, die sich hier traf, verhielt sich eher wie ein Sportverein.

Deshalb war ihr ja die Idee gekommen, einen neuen Club zu gründen. In dem Haus ihrer Tante, das über hundert Jahre alt war. Es besaß sogar eine große Freifläche, die so einsam lag, dass man dort auch noch Spielmöglichkeiten schaffen könnte. Die Idee war ihr erst jetzt gekommen, aber sie setzte sich langsam fest.

„Was suchst du?"

Alice hasste diese Frage. Wie sollte sie die beantworten? Woher sollte sie wissen, was sie suchte, wenn sie kaum Gelegenheit hatte, es auszuprobieren? Ja, sie hatte mit verschiedenen Doms Szenen gehabt, aber jeder hat seine eigenen Vorlieben. Außerdem hasste sie die ganze Ausfragerei. Viel zu oft musste sie mit „vielleicht" oder „weiß nicht" antworten, was den Doms nicht gefiel. Klar, sie verstand das. Aber sie kam sich vor wie in einem Teufelskreis. Sie konnte doch nicht einfach alles ausprobieren! Wie sollte das gehen?

„Ich suche einen Dom."

„Und weiter?"

Warum hatte sie das Gefühl, als wüsste Hunter genau, was sie bisher auf diese Fragen geantwortet hatte? Er grinste nicht, er schaute sie nicht allwissend an. Nein, Hunter grinste eigentlich nie. Er lachte auch nicht. Das Wort 'finster' passte extrem gut auf diesen Mann. Weshalb sie ihn bisher gemieden hatte. Sie mochte keine finsteren Typen. Punkt.

Doch wie sollte sie aus diesem Gespräch entkommen? Wie Missi zur Toilette rennen? Nein, das erschien ihr zu feige. Sie war nicht feige, sonst wäre sie gar nicht hier. „Hunter, ich weiß es nicht genau. Das ist mein Problem, ich weiß, aber ich kann es nicht lösen."

„Natürlich kannst du das. Wenn du es willst."

Alice war froh, dass er ihr zumindest nicht gleich den Rat gab, dann doch einfach zuhause zu bleiben, wie andere es schon getan hatten. „Und wie soll das gehen?"

„Durch Ausprobieren natürlich."

„Ich glaube nicht, dass einmaliges Ausprobieren mir zeigt, was ich mag und was nicht. Es gibt zu viele Ungewisse und Faktoren, die mit der Person wechseln, mit der man eine Session hat, zum Beispiel."

„Es gibt auch ein paar allgemeingültige Faktoren, die der Einordnung dienen. Diese könntest du herausfinden."

Alice betrachtete den Mann vor ihr und schwieg. Sie nahm sich die Zeit, ihn in Ruhe zu betrachten, das hatte sie sich bisher nämlich nur aus der Ferne getraut. Er sah in ihren Augen so … schief aus. Sein linkes Auge war ein wenig kleiner als das Rechte. Es saß auch ein wenig tiefer. Der Mundwinkel zog sich links höher als rechts. Die Falte zwischen den Augenbrauen war unterschiedlich ausgeprägt, rechts stärker als links. Zog er häufiger nur eine Braue nach oben? Lächelte er schief, wenn er denn lächelte? Was für ein absurder Gedanke. Hunter lächelte nie. Er schaute so finster, er wusste vermutlich nicht einmal, was das Wort bedeutete.

Wäre seine düstere Ausstrahlung nicht, könnte er als attraktiv durchgehen. Nein, das war jetzt eher fies. Sein Körper war wohlproportioniert, schlank, trainiert. Er war immer gut angezogen, oft in Leder, einmal war er auch in einem Anzug gekommen. Dabei waren einige der nicht liierten Subs beinahe ohnmächtig geworden und für so manche von den gebundenen hatte es an diesem Abend Schläge extra gegeben.

„Vielleicht gefällst du dir einfach in der Rolle der Zuschauerin, vielleicht möchtest du gar nicht aktiv werden."

Eines hatte Alice inzwischen begriffen: Die meisten, die hier Szenen spielten, mochten keine Zuschauer. Sie hatte schon zweimal beobachtet, wie Besucher hinauskomplimentiert worden waren, da sie augenscheinlich nur gaffen wollten. Auch wenn viele Szenen in der Öffentlichkeit stattfanden, so wollte man doch unter sich bleiben. Sie wollte auf keinen Fall rausgeschmissen werden. „Nein, das stimmt nicht, auch wenn mir die passive Rolle eher liegt."

„Warum lässt du dich dann nicht auf eine Szene ein?“

„Ja, genau“, meldete sich Missi, die sich endlich dazu durchgerungen hatte, Alice zur Seite zu stehen, „warum probierst du nicht einfach was aus?"

Vielleicht fiel sie ihr auch lieber in den Rücken. Alice funkelte Missi an. Das war nicht hilfreich! „Ich weiß einfach nicht, was ich ausprobieren soll. Und mit wem."

„Aber wenn du einen Club aufmachen willst, musst du doch wissen, was die Leute wollen. Welche Geräte und Räume und so. Welche Kinks du bedienen musst."

Alice wäre am liebsten im Boden versunken. Musste Missi ihre Pläne gleich herausposaunen?

„Du willst einen Club aufmachen?" Klar stürzte Hunter sich auf diese Aussage. Wie vermutlich jeder der Anwesenden sich darauf stürzen würde. Es gab einfach keinen anderen Club in 100 Meilen Entfernung. Nein, das stimmte nicht. Boston lag näher. Und Providence auch, für beide Strecken brauchte man etwa anderthalb Stunden, sobald man die Stadtgrenzen hinter sich gelassen hatte. Aber wer wollte schon so weit fahren für einen Abend unter Freunden? Der Club ersetzte für die meisten eine Kneipe. Man konnte hier etwas trinken, man war unter Freunden und hatte Spaß. Kein Grund, sich dafür mehr als eine Stunde ins Auto zu hocken. Nur für richtige Events nahmen die Mitglieder diesen Weg auf sich.

„Ich weiß noch nicht. Nur so eine Idee. Fährst du manchmal nach Boston? Oder zu einem anderen Club?“ Ablenkung. Vielleicht konnte sie seine Aufmerksamkeit einfach auf ihn richten.

„Manchmal. Wo soll dein Club aufmachen?“

Okay, das war in die Hose gegangen. „Ich habe ein Haus geerbt. Nicht im Zentrum, sondern am Stadtrand. Einsam gelegen, groß genug. Dass ich da nicht wohnen werde, steht fest. Deshalb kam mir die Idee mit dem Club.“

Hunter kniff die Augen leicht zusammen. Ehe er etwas sagen konnte, fügte Alice hinzu: „Nach meinen Wünschen.“

„Klar. Aber du kennst deine Wünsche ja nicht.“

„Warum versuchst du es nicht mal mit Hunter? Er ist sehr erfahren. Hab ich gehört.“

Warum fiel Missi ihr heute so in den Rücken? Alice funkelte ihre Freundin an.

„Du kommst ja nie in die Puschen“, grummelte Missi und schaute zu Boden.

„Weil Alice nicht dem weißen Kaninchen folgt. Sie traut sich nicht ins Loch ohne doppelten Boden und Auffanggurt.“ Hunters Stimme klang herausfordernd.

„Bist du das weiße Kaninchen?“ Alice konnte sich die Frage nicht verkneifen. Sich Hunter als Kaninchen vorzustellen, war zwar lustig, aber so unpassend wie ein Vergleich zwischen einem Raubtier und einem Goldfisch.

„Du brauchst eindeutig mehr als das. Eher ein Würgehalsband, damit du dich von der Stelle bewegst.“

Das saß.

Ja, sie war vorsichtig. Nein, sie spielte nicht mit jedem. Und hatte bisher jede Szene mit ihrem Safeword abgebrochen. Nicht, weil ihr die Behandlung durch die Männer nicht oberflächlich zugesagt hätte, sondern weil sie sich tief in ihrem Bauch nicht wohlfühlte. Ach, es war so schwer, zu erklären. Sie wollte teilhaben. Wollte das, was die anderen hatten. Aber was genau?

Ein Würgehalsband bedeutete, dass sie unter Zwang folgen musste. Genau das, was sie nicht wollte.

Oder doch? Hunter musste ihr die Verletzung angesehen haben, er lenkte ein. So feinfühlig hätte sie ihn gar nicht eingeschätzt. „Jedenfalls musst du erst einiges ausprobieren, ehe du so ein Projekt angehst. Oder soll es ein Charity-Projekt werden? Du willst vermutlich Geld verdienen, oder?“

Daran hatte Alice zugegebenermaßen noch gar nicht gedacht. Klar, Geld verdienen klang gut. Konnte ein solcher Club eine Einnahmequelle werden? Langfristig? Vielleicht. Wenn er gut geführt wurde. „Ja, schon. Aber das ist alles noch so vage.“

„Gerade dann ist es wichtig, dir erst einmal ein Bild der Lage zu verschaffen. Du musst selbst aktiv werden, schauen, was gebraucht oder gesucht wird. Erst dann kannst du dir Gedanken über die nötige Investition machen und abschätzen, ob sie sich überhaupt lohnt.“

Auch wenn es ihr nicht gefiel, so musste sie Hunter einfach recht geben.

„Ich habe gehört, dass du kaum etwas getestet hast. Warum fangen wir nicht einfach damit an? Ich zeige dir, was es alles gibt und du sagst mir, was dich anmacht. Daraus erstellen wir eine Liste.“

Das klang jetzt nicht so schlecht. Kein Spiel, keine Szene. Nur schauen. „Okay. Lass uns das machen.“

Auch wenn sie es immer noch als seltsam betrachtete, dass ausgerechnet Hunter die Führung übernahm, der Mann, den sie garantiert nicht ausgewählt hätte, so fühlte sie sich bei ihm doch gut aufgehoben. Man merkte ihm die Erfahrung an. Außerdem wirkte er ruhig, unaufgeregt, ausgeglichen. Gute Eigenschaften, oder?

Er mochte ihr körperlich zusagen, aber seine Ausstrahlung gefiel ihr nicht. Sein Blick ließ sie zu oft erzittern. Oft? Nein, zugegeben, eigentlich immer.

Die Erinnerung an die Szene, in der Hunter sich als zweiter Mann für den Doppelfick zur Verfügung gestellt hatte, machte die Sache auch nicht besser. Er hatte nur seinen Reißverschluss geöffnet und seinen Schwanz ausgepackt. Mehr nicht. Alice hatte diesen nicht einmal zu sehen bekommen, weil er mit dem Rücken zu ihr stand.

Alleine seine Hüftbewegungen, kalkuliert, kontrolliert, hatten ihr ein nasses Höschen beschert und wilde Träume in der Nacht danach.

2

Alice hatte eine Führung durch die wenigen Räume erhalten, als sie das erste Mal gekommen war, aber damals war sie so fasziniert gewesen von den Menschen, dass sie kaum auf das Equipment geachtet hatte. Deshalb hatte sie nie in Ruhe den Inhalt des Schranks betrachtet.

„Hier hängen jede Menge Instrumente zum Schlagen, fürs Spanking, zur Flagellation, Paddeln, Floggen. So viele und noch weitaus mehr Bezeichnungen gibt es für diese Art von Spiel. Vor welchen davon hast du Angst?“

Hunter trat zur Seite, nachdem er die großen Türen bis zum Anschlag geöffnet hatte. Der Schrank war antik, was zu den Instrumenten passte, die darin lagen oder hingen.

Alices Wahl war schnell getroffen. „Die Bullwhip macht mir Angst.“

„Das ist verständlich. Sie ist kein Werkzeug für Anfänger. Weißt du, dass ich schon Kurse gegeben habe für die Verwendung von Peitschen aller Art? Auch der Bullwhip.“

„Nein, das wusste ich nicht. Aber ich glaube, ich brauche keinen Kurs.“

„Stimmt. Aber sollte jemals jemand eine Peitsche an dir verwenden wollen, kannst du deinen Partner fragen, ob er einen Kurs besucht hat. Gibt es noch mehr hier drin, was dir nicht zusagt?“

Alice sah sich alles in Ruhe an. Sie kannte Paddel und Flogger, auch Gerten, vorwiegend vom Zuschauen bei Szenen anderer. Bei ihrer ersten eigenen Szene hatte der Dom ein Paddel verwendet, das die Größe eines Tischtennisschlägers hatte. Es war … naja. Es hatte geschmerzt. Sie hatte pflichtgemäß gestöhnt, wie sie es bei anderen beobachtet hatte. Nach zehn Minuten hatte der Dom aufgehört und Alice weggeschickt mit der Auflage, sich lieber noch ein wenig umzuschauen. Was er damit sagen wollte, war klar. Sie gehörte hier nicht her.

Und was sollte sie Hunter jetzt antworten? „Nein, alles gut.“

„Da hätten wir also Punkt eins. Spanking oder geschlagen werden. Das gehört natürlich nicht zum Pflichtprogramm einer Sub, die nicht masochistisch veranlagt ist, aber ich dachte, du hättest das angekreuzt?“

Woher wusste er, was sie auf ihrem Bogen angekreuzt hatte? Ach ja, der war ja für alle Doms einsehbar. „Ich glaube schon.“

„Aber du hast es noch nicht ausprobiert. Ich weiß. Du solltest es tun. Schlagen ist unter den Doms sehr weit verbreitet. Es dient ihrer Lust, sofern sie sadistisch sind wie ich, aber es ist auch Teil von Erziehungsszenen oder in D/s-Beziehungen, zumindest in allen dauerhaften Beziehungen, die ich kenne.“

Hunter griff in den Schrank und zog ein langes Lederstück hervor, fast wie ein Gürtel. Erst als sich die Spitze nach unten bog, erkannte Alice, dass es in zwei Teile gespalten war. „Das hier hast du übersehen, weil du es nicht kennst. Es handelt sich um eine Tawse, die so ziemlich die schwersten Schmerzen hervorrufen kann, die du dir vorstellst.“

Alice schauderte es, doch sie hätte unmöglich sagen können, ob es Abscheu oder freudige Erwartung war. Moment. Freudige Erwartung? Wie kam sie auf diese Idee? Wie konnte sie das sagen? Sie mochte Klapse auf den Po, aber keine richtigen Schmerzen. Oder?

Sie gestand sich genau in diesem Moment ein, dass Hunter recht hatte. Sie musste erst selbst ausprobieren, was sie wollte. Danach erst konnte sie beurteilen, was andere brauchten oder wonach es sie verlangte. Sie würde also wohl oder übel für Szenen zur Verfügung stehen müssen, egal mit wem.

„Wir können es testen. Aber ich kann dir jetzt schon sagen, dass ein einmaliger Test nichts über deinen Masochismus aussagen wird. Der hängt von viel zu vielen Faktoren ab, die nicht unter deinem oder meinem Einfluss stehen.“

Sie hatte es geahnt! Er wollte es an ihr ausprobieren! Dazu diente das alles.

Warum nur machte diese Idee sie so an, obwohl sie nicht auf Hunter stand, im Gegenteil, sogar von ihm abgeschreckt wurde?

„Such dir drei Teile aus, die wir nacheinander an dir testen werden.“ Er machte eine Pause. Ein Mundwinkel hob sich beinahe unmerklich. „Danach suche ich ein Teil aus.“

Sie beäugte ängstlich die Tawse in seinen Händen. Wählte er das? Wenn ja, sollte sie dann einfach flüchten?

„Es gilt das Club-Safeword ‚Mayday‘. Ich werde dich nicht fesseln. Du wirst dich für jedes Instrument an eine andere Stelle und in eine andere Stellung begeben, die ich dir zeigen werde.“

Alice schluckte schwer, doch dann nickte sie. Es war so weit. Sie war so weit. Oder?

Sie hasste sich für diesen Zweifel, der ihr jeden Spaß verdarb. Sie gehörte einfach nicht zu denen, die schon seit Kindheit von Schlägen oder Unterwerfung geträumt hatten, trotzdem fühlte sie sich unwiderstehlich zu der Szene hingezogen. Das Einzige, dessen sie sich sicher war, war ihre Einstellung, auf welcher Seite eines Paddels sie sich sah. Eindeutig nicht am Griff.

Natürlich überließ der Sadist ihr die Entscheidung, jedoch ohne die Tawse an ihren Platz zurückzulegen. Jede Sekunde, die verging, in der Alice seine Hände und das Leder darauf aus dem Augenwinkel beobachtete, als könne es zum Leben erwachen und sie anspringen, machte sie fickriger. Würde er das Ding benutzen? Sie konnte ihr Safeword sagen. Schreien wohl eher. Würde er aufhören? Ja.

Seltsam, dass sie sich dessen sicher war, obwohl sie ihn noch nie bei einer Szene mit einer der Subs beobachtet hatte.

Sie nahm sich ein Paddel aus schwarzem Leder, in das ein rotes Herz eingelassen war.

„Was noch?“ Keine Ungeduld, nur die Aufforderung, zu wählen.

Alice konzentrierte sich erneut auf die Sammlung. Hier empfand sie wieder das, was sie an jedem Tag vor der Tür des Clubs dachte. Was tue ich hier? Bin ich pervers? Bin ich krank? Das ist nicht normal. Aber sie war jedes Mal durch die Tür gegangen. Genauso streckte sie ihre Hand aus und griff nach einer Gerte. Noch nie hatte sie eine auf sich gespürt. Sie sah gar nicht so aus, als können sie Schmerzen erzeugen. Nur ein kleines Lederstück an einem langen Stab.

Und dann passierte das, was sie an sich nicht leiden konnte. Ihr Stolz oder eher ein gewisser Hochmut ließ sie nach dem langen Rohrstock greifen. Sie hatte einmal die Striemen gesehen, die er hinterließ. Rot. Nein, mehr als rot, blutunterlaufene Streifen auf der Haut.

Ein Zittern überlief sie. Warum hatte sie danach gegriffen? Warum nur? Am liebsten hätte sie das Ding zurückgelegt, doch der gleiche Stolz, die gleiche Überheblichkeit verhinderte das.

„Wie du meinst. Jetzt bin ich dran.“ Hunter legte die Tawse zurück an ihren Platz.

Alices Herz machte einen Satz. Gott sei Dank. Dann fiel ihr wieder der Stock ein, der von ihren inzwischen weißen Fingern umklammert wurde. Sollte sie das Spiel hier abbrechen?

„Komm mit.“ Hunter hielt ihr eine Hand hin, doch sie interessierte sich viel mehr für das, was er in der anderen hielt. Sie kannte den Begriff Flogger, ein Griff und viele Schnüre. Bei diesem Exemplar schienen sie aus Leder zu sein, relativ breit und lang. Das Teil sah echt fies aus. Sie hatte es doch geahnt. Ein Sadist würde die Gelegenheit nutzen, eine Sub zu schlagen.

Sie klammerte sich an die Macht des Safewords. Sobald sie ‚Mayday‘ sagte, musste er aufhören.

Wirst du es sagen? Auf einmal war sie gar nicht mehr so sicher wie eben noch. Immerhin würde sie damit zugeben, schwach zu sein. Zu schwach vielleicht?

„Hör auf zu denken und lass dich auf das Spiel ein. Beuge dich hier über den Bock. Halte dich an den Ringen fest. Und spreiz die Beine.“

Seine Hand in ihrem Rücken drückte Alice über die halbhohe Spankingbank. Das weiche Leder empfand sie überraschend angenehm am Bauch. Die Ringe, an die normalerweise die Handfesseln eingehakt wurden, waren groß genug, damit sie danach greifen konnte. Erst als sie über der Bank lag, fiel ihr ein, dass sie ja noch bekleidet war. Heute hatte sie sich für einen sehr kurzen Rock entschieden, darunter ein String, darüber ein Top mit einem BH, der ihre Brüste anhob, um diese größer erscheinen zu lassen.

Hunter schien sich nicht an ihrer Kleidung zu stören. Seine Hand machte kurzen Prozess mit dem Rock, schob ihn hoch, so dass ihr Hintern entblößt war.

„Hier kommt das, was du zuerst gewählt hast.“

Ehe sie sich versteifen oder überhaupt vorbereiten konnte, klatschte es auf ihrem Po. Nicht sehr stark, nicht sehr schmerzend. Ja, sie spürte es, aber eigentlich war es harmlos. Alice war stolz auf sich, dass sie nicht rein aus Versehen geschrien hatte.

Sie kam sich vor wie bei einer Mutprobe. Sie musste nur durchhalten, musste die Zähne zusammenbeißen, dann würde sie dazu gehören. Dann würden die anderen sie akzeptieren, sie in ihre Runde aufnehmen. Ob man sie danach in Ruhe zuschauen ließ?

„Hoch mit dir.“

Hunter packte ihren Oberarm und half ihr wieder auf die Beine. Sie schaute ihn prüfend an. Hatte sie alles richtig gemacht? Hätte sie lieber schreien sollen? Bevorzugte er das vielleicht? Oh Himmel, das war alles so schwierig!

Hunter schaute sie mit zusammengekniffenen Augen an. „Alles klar?“

„Mhm.“

„Vergiss es. Ich erwarte eine richtige Antwort.“ Sein Ton war anders, härter, autoritärer.

„Ja, Sir.“ Eigentlich hasste sie diese Art von Bezeichnung, aber etwas Besseres war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen. Es hatte richtig geklungen. War es das nur, weil alle das sagten, oder weil sie es von sich aus als richtig empfand? Sie wusste, dass es das Letztere sein sollte, aber wie sollte sie ihre Wünsche von den Erwartungen trennen, von Konventionen, von nichtssagenden Formeln?

Er nickte und für einen Moment erschien er ihr sogar sympathisch. War das schon der Effekt, dass Stress eine emotionale Bindung hervorrief? Sie wollte aber keine Bindung an Hunter. Also rief sie sich wieder alles in Erinnerung, was sie von ihm wusste oder gehört hatte oder zu wissen glaubte.

„Hierher! Leg dich auf den Bauch.“

Alice kletterte auf die große Liege, beinahe wie eine Massageliege, ebenfalls mit Leder bezogen, wenn auch nicht so weich gepolstert wie die Bank von eben.

Wieder schob er ihren Rock nach oben, doch diesmal gab er keine Anweisungen, dass sie sich festhalten solle.

Der Schmerz kam tatsächlich überraschend. Ihre Hände flogen von alleine zu der Stelle, an der die Gerte aufgetroffen war. Für einen Schrei hatte es nicht gereicht, nur für ein lautes und erschrecktes Einatmen. Sie rieb über die Stelle, an der er sie getroffen hatte. Sie fühlte sich wärmer an als der Rest.

Ehe sie sich erheben konnte, drückte seine Hand sie fest auf die Liege. „Sag mir, wie sich das anfühlt.“

„Es hat wehgetan, aber nicht so arg, dass ich es nicht aushalten könnte.“

„Wie fühlst du dich dabei?“

Alice horchte in sich hinein. Seltsam. Nicht in einem positiven Sinn. Verwirrt, mit mehr Fragen als Antworten. Was sollte sie nur sagen? Was wollte er hören? Blödsinn, darum ging es doch nicht. Sie wollte ihn nicht beeindrucken. Warum auch? „Es hat mich nicht angemacht.“

„Weiter.“

„Ich … fühle mich nicht besonders gut oder schlecht dabei. Es hat wehgetan. Die Liege ist einigermaßen bequem.“

Er schnaubte leise. „Fühl in dich hinein. Reflektiere deine Gedanken und Gefühle.“

Sie verdrehte die Augen. „Es war nur ein Schlag. Da passiert halt nicht viel.“ Das Gefühl, ihn zu betrügen, unterdrückte sie.

„Hierher.“

Es hätte sie interessiert, was er von ihr dachte. War sie ein hoffnungsloser Fall? Würde er sie danach des Clubs verweisen? Oder ihr sein Halsband umlegen wollen, wie sie es aus Büchern kannte?

„Stell dich auf die Matte, Beine gespreizt. Ja, so. Nun beug dich nach vorne und umfasse deine Knöchel.“

Eine seltsame Haltung, aber Alice war schlank und sportlich genug, sie einzunehmen. Als ihr endlich einfiel, welches Gerät als Nächstes an ihr ausprobiert werden würde, zuckte sie nach oben. Der Schlag traf sie auf halber Höhe. Schmerz jagte durch ihren Körper, eine Vibration, die über die Nervenbahnen direkt in ihren Kopf schoss. Dieser entschied, es sei Zeit, abzuhauen. Was folgte, war ein Satz nach vorne.

Starke Hände packten sie um die Mitte und hielten sie gerade noch auf, ehe sie mit dem Kopf an die Wand krachte. „Wenn du abhauen willst, solltest du es mal mit deinem Safeword versuchen. Durch diese Wand schaffst du es nicht.“

Alice hörte das Lachen in seiner Stimme und hasste ihn augenblicklich dafür. Es war seine Schuld, dass ihr Körper so reagierte! Seine Schuld, dass sich sein Arm um ihren Bauch so gut anfühlte, als wäre sie bei ihm in Sicherheit, nur weil ihr blödes Hirn einfach nicht verstand, dass er den Stock geschwungen hatte. Er war schuld! Er hatte sie geschlagen!

„Du hast mich geschlagen!“ Im gleichen Moment, in dem ihr das aus dem Mund purzelte, hätte sie sich am liebsten geohrfeigt. Was für eine blöde Bemerkung!

„Mir scheint, du lernst gerade eine ganze Menge auf einmal, Alice.“

Wie er ihren Namen aussprach … Als wäre sie ein kleines Mädchen, ein Schulkind, das von nichts eine Ahnung hatte. Sie war siebenundzwanzig, zum Teufel! Schon lange kein Mädchen mehr.

Trotzdem blieb sie stumm. Er hatte schlussendlich recht. Sie lernte gerade eine Menge. Über sich. Über ihn. Über den Lifestyle.

„Hier entlang.“ Sie gingen in den Nachbarraum. Der gesamte Club bestand nur aus drei Räumen. Der Nebenraum war leer. Erst diese Tatsache brachte sie darauf, sich zu fragen, ob wohl andere das Ganze verfolgten. Aber sie hatte niemanden neben sich gesehen, hatte jedenfalls nicht das Gefühl, beobachtet zu werden.

Hier waren sie tatsächlich alleine.

„Jetzt kommt meine Wahl. Ein Flogger, wie du gesehen hast. Hast du schon einmal einen Flogger gespürt?“

„Ja. Aber einen anderen.“

„Vermutlich einen mit kürzeren Riemen. Waren sie auch schmäler?“

Sie nickte.

Hunter wiegte den Kopf bedächtig hin und her und betrachtete den Flogger in seiner Hand, als habe er Bedenken.

„Wie viele Schläge?“, wollte er wissen.

„Das weiß ich nicht mehr. Er ließ ihn kreiseln, da konnte ich nicht mitzählen. Vielleicht zehn?“

Wieder das Wiegen, dabei ließ er die Hand mit dem Schlagwerkzeug ein wenig sinken, als wolle er es weglegen.

Alices Herz klopfte heftig. Was wollte er ihr damit sagen? Glaubte er, der Flogger sei zu arg für sie? Bereute er seine Wahl? Aber sie war stark, kein Schwächling. Auf einmal war es ihr unglaublich wichtig, diesen Schlag aushalten zu können. Sie wollte es. Wollte das Spiel zu Ende spielen. Ihr war warm, wärmer als die Stelle auf ihrem Hintern, die er mit der Gerte geschaffen hatte. Ihr Atem ging flach und sie fühlte das Blut in ihren Ohren rauschen.

„Nur zehn?“ Hunter sah sie mit gerunzelter Stirn an. „Hm.“

„Ich schaffe das.“

„Ja, könnte sein. Aber wird es dir auch gefallen?“

„Bestimmt. Ich meine, quatsch, ich weiß es nicht, aber wir wollten es doch ausprobieren. Ich soll doch spüren, ob es mir gefällt.“ Warum wollte er auf einmal aufhören, wo er sie doch selbst zu dem Spiel angestachelt hatte?

„Dieser Flogger hier … Es wäre einfacher, wenn du erregt wärest. Bist du erregt?“

Alice schüttelte den Kopf. Nein, bestimmt nicht. Wieso auch? Bisher war nichts Erregendes passiert.

„Prüf es bitte. Bist du feucht? Haben sich deine Nippel aufgestellt? Ist dir warm?“

Ihre Nippel? Die waren hart, eindeutig. Das war doch gut zu sehen. Und klar war ihr warm. Aber feucht? Sie würde das nicht prüfen. Nicht vor ihm.

Außerdem genügte es, sich auf das Gefühl in ihrer Pussy zu konzentrieren. Erstaunlicherweise pulsierte ihr Unterleib und strahlte Wärme aus. Ja, sie war feucht, sie konnte spüren, dass das Band ihres Strings zwischen ihre Schamlippen gerutscht war. Sie waren also geschwollen. Eindeutig.

Aber wie sollte sie ihm das sagen? Einfach so? Ihre Muskeln krampften sich zusammen, was ihr weiter einheizte. Eine neue Welle an Wärme floss durch ihren Leib. Sie spannte den Beckenboden an und wurde sich dann bewusst, dass er das sehen konnte, so wie er sie beobachtete. Keine Reaktion von ihm. Steinklotz!

Das forderte sie heraus. „Ja, ich bin erregt. Feucht. Richtig feucht. Und meine Nippel sind hart.“

„Dann wollen wir es versuchen. Noch hast du die Möglichkeit, das Safeword zu verwenden.“

Alice zog die Schultern zurück und hob das Kinn an. „Was soll ich tun? Wie willst du mich haben?“

Oh fuck, das war eine ungünstige Formulierung gewesen. Er würde sie nicht haben, gewiss nicht. Wenngleich die Vorstellung, dass er sie schlagen und danach ficken würde, schon eine gewisse Faszination ausstrahlte. Wie hart wohl der Schlag werden würde? Nach seinem Verhalten zu schließen erheblich schlimmer als der Stockhieb. Sie stellte sich vor, wie die Welle des Schmerzes sie überrennen würde, gefolgt von einer Welle der Lust. Würde sie in den Subspace abtauchen, von dem sie oft hörte? Wie wäre es, genau in diesem Moment von ihm genommen zu werden? Oder von irgendeinem Mann?

Ihr Atem ging so schnell, dass ihr ganz leicht im Kopf wurde. Er sollte es tun, jetzt!

„Knie dich hin, Stirn auf den Boden, Arsch in die Luft. Balle die Hände zu Fäusten und strecke die Arme ganz aus.“

Oh ja, die perfekte Haltung für einen solchen Schlag. Alice biss die Zähne fest zusammen, machte sich bereit.

„Okay. Pass auf. Ich zähle bis drei, dann schlage ich.“

Oh Gott, ein Schauer durchlief sie. Kein Gedanke mehr, nur noch das Warten auf den Schmerz.

„Eins. Zwei.“ Eine etwas längere Pause. Wollte er doch zurück… „Drei!“

Der Schlag traf sie. Hitze schoss in ihre Pussy, ihr Arsch zuckte und Alice schrie. Ein spitzer Schrei, der ihr selbst durch Mark und Bein fuhr. Oh Gott, sie war beinahe gekommen. Für einen Moment nahm sie nichts anderes mehr wahr außer dem Rauschen in ihrem Körper, der sich kaum beruhigen wollte. Es war sonderbar still um sie herum. Sie spürte seine Anwesenheit hinter sich, doch er rührte sich nicht. Warum tat er nichts, sagte kein Wort?

Schwer atmend richtete sie sich auf, tastete nach ihrem Hintern. Da war der Striemen vom Stock, dort die noch warme Stelle der Gerte. Und wo …?

Es dauerte eine Weile, bis sie ahnte, was geschehen war. Sie drehte sich um, starrte Hunter an und klappte dann den Mund zu. Dieses Arschloch! „Du hast gesagt …“

„Nichts dergleichen habe ich gesagt. Hast du deine Lektion gelernt? Brauchst du Nachsorge?“

„Du Arsch!“

Mit einem Schritt stand er vor ihr und hielt ihr Kinn mit einer unnachgiebigen Hand. Sie musste ihn einfach anschauen. Seine Augen waren kalt und hart. „Ich gebe dir zwei Minuten, dann stehst du vor mir und entschuldigst dich. Zwei Minuten!“ Damit verließ er den Raum mitsamt seinem Flogger.

Einem völlig harmlosen Flogger, der vermutlich zum Streicheln gedacht war, aber garantiert keine Striemen hinterließ oder gar Schmerzen auslöste. Höchstens, wenn er stundenlang auf die gleiche Stelle traf.

Alice brauchte anderthalb Minuten, um die Unterhaltung zu rekapitulieren. Die zweite Hälfte der zweiten Minute brauchte sie, um aufzustehen und zur Bar zu gehen, wo Hunter gerade ein Glas Wasser in die Hand nahm.

Sie schnaufte ein weiteres Mal durch, dabei fiel ihr auf, dass sie immer noch erregt war und sich fühlte wie nach Sex ohne Höhepunkt. Geil, aber unbefriedigt. Aber auch das war nicht seine Schuld. Das hatte sie ganz alleine hinbekommen. „Entschuldige bitte, Hunter.“ Etwas verspätet schob sie noch ein „Sir“ nach.

„Hier, trink was. Und setz dich zu mir. Wir müssen reden.“

3

„Ich wiederhole mich ungern, aber ich frage dich noch einmal: Was suchst du?“ Diesmal war Hunters Ton nicht mehr so beiläufig wie vorhin.

Alice ließ den Kopf hängen. Hunter hatte sie mit ihrem Glas Wasser und einem Bier für sich zu einer der Couches geführt, wo sie in Ruhe reden konnten. Keine neugierigen Ohren in der Nähe. Keine Ablenkung. „Ich weiß es nicht. Ich habe viele Bücher gelesen, und jedes Mal, wenn ein Mann einer Frau etwas befiehlt, macht es mich an. Das will ich auch. Aber so vieles andere …“ Sie hob den Blick und umfasste den gesamten Club in ihrer Geste. „Das ist mir so fremd. Alleine der Gedanke, dass mich ein Mann einfach schlägt, weil ich ihm die Erlaubnis dazu gegeben habe, das … es ist so seltsam.“

Hunter sagte nichts dazu, aber sie spürte an seiner Haltung, dass er mehr erwartete.

Sie seufzte. Also dann. Zeit, den Elefanten auszupacken und ihn mitten auf den Tisch zu stellen. „Ich denke dann, dass ich verrückt bin. Durchgeknallt. Wie alle hier. Zugleich spreche ich mit Menschen wie Missi und stelle fest, dass sie eigentlich ganz normal sind. Außer eben in dem einen Punkt, in dem sie anders sind. Dann sind da all die Sachen, die mich total abschrecken, wie die Idee, dass ein Mann eine Frau haben möchte, die sich wie ein Kind verhält. Und dass eine Frau so kindisch sein kann und gleichzeitig so normal und vernünftig.“

Alice warf Hunter einen Blick zu. Er wirkte nicht mehr so finster, hörte aufmerksam zu und machte insgesamt den Eindruck, als interessiere er sich wirklich für ihre Nöte. „Selbst die nicht so extremen Sachen schrecken mich ab. Gefesselt zu sein, sich einem Mann, den man kaum kennt, komplett ausliefern zu müssen, das ist etwas, was mir Angst macht. Und mich doch auch anmacht. Irgendwie.“

„Wir kommen also zurück zu dem Punkt, den ich vorhin schon angesprochen habe. Du solltest mehr ausprobieren. Dich auf Dinge einlassen, ohne sie vorab zu verurteilen. Das gilt übrigens auch für Menschen. Du lässt sie nicht an dich heran, weil du Angst hast, dass du sie dann auch nett finden würdest, so wie Missi. Damit wären sie aber nicht mehr ‚diese Perversen‘.“

Er hatte vermutlich, möglicherweise recht. Hunter war das beste Beispiel. Auf Alice wirkte er pervers. Ein Mann, der mit Frauen spielte, vor anderen Männern, der sie manchmal mit anderen zusammen benutzte. Wenn das nicht pervers war, was dann? Aber das sagte Alice lieber nicht. Sie schätzte, dass Hunter ihre Meinung auch so erahnte. Er schien sie eh zu durchschauen, besser zu kennen als sie sich selbst.

„Ich probiere ja. Ich hatte schon drei Szenen mit anderen Doms.“

„Und du hast alle abgebrochen, ehe es richtig losging. Sag mir, warum.“

„Weil es sich nicht richtig angefühlt hat.“

„Welcher der Schläge eben hat sich für dich richtig angefühlt? Welcher war gut, welcher nicht?“

Ein kurzes Schnauben konnte sie nicht unterdrücken. Auch das wusste er längst. Und es fiel so schwer, es zuzugeben. „Der Letzte war gut. Er hat etwas mit mir gemacht.“

„Nicht der Schlag hat das mit dir gemacht.“

Alice schaute auf ihre Hände, die das Glas immer wieder ein Stück drehten und dann mit den Daumen die Kondenströpfchen abwischten. Sie sagte nichts dazu, wollte nichts sagen.

„Was hast du gelernt?“

„Dass es auch Spaß machen kann, geschlagen zu werden. Wenn ich im Kopf dabei bin.“

„Was noch?“

„Dass es nicht um das Schlagen an sich geht, sondern um das, was in meinem Kopf passiert.“

Hunter ließ diese Antwort eine Weile im Raum stehen, trank einen Schluck Bier und stellte das Glas wieder ab. „Es gibt D/s auch völlig ohne sexuelle Konnotation. Einige Subs wollen geführt werden, verlieren sich darin, zu dienen. Sie brauchen keinen Sex, keine Schläge, keine Fesseln. Doch ich glaube nicht, dass du zu diesen gehörst. Da ich dich alleine mit der Vorstellung erregen konnte, dass dich gleich ein harter Schlag treffen würde, dass ich dich überhaupt mit wenigen Worten in Erregung versetzen konnte, spricht dafür. Aber auch das solltest du ausprobieren. Warum willst du einen Club eröffnen?“

Die Frage kam überraschend. „Das ist nur eine vage Idee. Ich habe von meiner Tante ein Haus geerbt. Ein großes Haus.“ War es falsch, ihm das zu erzählen? Würde er versuchen, sie auszunutzen? Sie betrachtete seine gutsitzende lederne Hose und das schwarze Hemd. Wie stand er finanziell da? Unmöglich, das bei dem Licht abzuschätzen. Aber gut, dies war die Stunde der Wahrheit. „Das Haus wäre groß genug für einen Club. Dieser hier ist ja eindeutig zu klein. Ich möchte das, was ich in Büchern gefunden habe. Das muss doch keine Fantasie bleiben. Ein Platz, an dem sich eine Gruppe von Leuten trifft, von Hand ausgewählt, um dort eine gute Zeit zu haben. Doms und Dommes, die gegenseitig auf ihre Subs aufpassen. Von Zeit zu Zeit neue dazunehmen und ihnen zeigen, was richtig ist und was falsch. Vielleicht Kurse für Anfänger, Aufklärung über BDSM überhaupt und Gespräche für solche wie mich.“

„Ein löbliches Ziel. Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn du dafür mehr Erfahrung hättest? Wie willst du deine Gäste aussuchen? Wie willst du es einrichten? Du kannst deine Vorlieben als Ausgangspunkt nehmen, aber welches sind deine Vorlieben?“

„Ich weiß, eine blöde Idee …“

„Nein, gar nicht. Eine fantastische Idee. Aber es ist noch zu früh. Warum schaust du dich nicht erst in der Szene um? Warum besuchst du nicht einfach andere Clubs, testest deren Einrichtung, aber nicht als Zuschauer, sondern als Teilnehmer, aktiv?“

Das könnte sie tun. Mit dem Geld, das sie geerbt hatte, könnte sie ihren Job aufgeben und nach Belieben reisen. Einfach so. Ihre Tante hatte ihr im Testament für das Jahr bis zur Entscheidung einhunderttausend Dollar zur Verfügung gestellt.

„Kannst du dir das leisten? Hast du Zeit?“ Natürlich waren Hunter die gleichen Fragen gekommen.

„Könnte ich. Nach dieser Erbschaft …“ Für einen Moment schnürte ihr die Erinnerung an Tante Alberta den Hals zu. Sie hatte ihre Tante schon in ihrer Jugendzeit regelmäßig besucht, Einkäufe für sie erledigt und ihr einfach Gesellschaft geleistet. Diese hatte ihr dann das Studium der Gerontologie an der Brandeis University bezahlt, einer renommierten Universität. Seit einem halben Jahr war Alice fertig und arbeitete für einen Ausstatter von Altenheimen. Tante Alberta war vor drei Monaten gestorben, mit siebenundachtzig. Und hatte alles ihr hinterlassen. Das Haus, eine knappe Million Bares und noch so einiges andere, was sie noch gar nicht richtig erfasst hatte. Zumindest, wenn sie die Auflagen erfüllte.

„Wie wäre es, wenn wir eine Liste machen mit Dingen, die du unbedingt ausprobieren solltest? Dazu nehmen wir alle Kinks, die mir einfallen und du entscheidest, welche dich tatsächlich abstoßen. Über die reden wir später.“

Ihr fiel schon auf, dass er diese nicht einfach abtun wollte. Aber die Idee klang spannend. Immerhin war Hunter ein Fachmann. Oder? „Du kennst dich aus?“ Es schadete ja wohl nicht, zu fragen. Er wirkte etwas nahbarer, sofern man sich an einen Mann annähern konnte, der Dominanz ausstrahlte wie ein Reaktor atomare Strahlung.

„Ich bin seit mehr als 10 Jahren in der Szene und habe schon so ziemlich alles ausprobiert. Ich weiß, was ich will, ich nehme es mir und ab und an nehme ich mich Neulingen wie dir an.“

„Dann schieß mal los.“

Er hob eine Augenbraue. Aha! Daher also das schiefe Gesicht und die einseitige Falte auf der Nasenwurzel.

Oh! Sie hatte für eine Sekunde seinen Rang vergessen.

„Wir sollten mit deiner Erziehung beginnen.“

„Ich möchte aber nicht von dir erzogen werden.“ Alice biss sich auf die Zunge. Hatte sie das tatsächlich gesagt? Eine dieser typischen Reaktionen von ihr, spontan, vorlaut.

„Wir sollten das anderen überlassen, die sich damit auskennen und auch die nötige Zeit dafür haben. Ich kenne einen Ort, der sich perfekt für dich eignet.“

„Du meinst, so eine Art Erziehungsanstalt?“ Alice konnte das Entsetzen nicht aus ihrer Stimme halten.

„Ganz genau.“

„Aber … nein! Das ist nichts für mich.“

„Willst du dich darauf einlassen oder dich gleich sperren?“

Ach Mist. „Ich will mich darauf einlassen.“

„Dann mache ich einen Termin für dich aus. Einen Monat dauern diese Kurse in der Regel. Was noch? Bist du überhaupt masochistisch? Magst du Schmerzen?“

Die große Frage. Mochte sie das? „Irgendwie schon.“

Hunter zögerte nicht lange. „Das kommt auf die Liste. Hol mal ein Blatt, damit wir das notieren können.“

Alice ließ sich von dem Barmann Block und Stift geben. Ihr Herz klopfte schneller, zugleich lief ihr ein kalter Hauch über den Rücken. Was würde bei dieser Liste herauskommen? Hatte sie endlich die Chance, etwas über sich selbst zu lernen? Hunter hatte recht, sie würde nie Erfahrungen sammeln, solange sie nur als Beobachter in der Ecke hockte.

„Schreib auf: Erziehung und Masochismus. Kennst du PetPlay? Möchtest du eine Katze sein oder ein Hund?“

„Nicht wirklich.“ Darüber hatte sie sich noch nie Gedanken gemacht.

„Das ist eine weitere Lektion in Gehorsam und Unterwerfung. Schreib es dazu. Hattest du schon mal Analverkehr?“

Alice schüttelte stumm den Kopf.

„Dann sollten wir das voranstellen. Du sollst keine böse Überraschung erleben. Auch Analverkehr ist eine Lektion in Unterwerfung, die zudem noch Spaß macht. Aber nur, wenn du ausreichend vorbereitet wurdest. Ich brauche nicht erst zu fragen, ob du jemals Tease & Denial ausprobiert hast, oder? Schreib es auf die Liste.“

„Okay.“ Sie kannte den Begriff, aber die Vorstellung, sich immer wieder bis zum Rand eines Orgasmus bringen zu lassen, nur um dann davon abgehalten zu werden, klang nicht sehr verlockend.

„Als Gegenpart solltest du eine Zeitlang so viele Orgasmen erleben dürfen, wie irgend möglich. Hattest du schon …? Okay, vergiss es. Schreib Maschinensex auf.“

„Maschinensex? Was soll das denn sein?“

„Das erkläre ich dir, wenn es soweit ist. Sag nur, dass dir die Vorstellung nicht gefällt, so oft kommen zu dürfen, wie du magst?“ Ein kleines Anheben seines Mundwinkels deutete ein Lächeln an. Aber kein offenes, freundliches Lächeln, eher das Gegenteil. Sadistisch. Genau. Oh Mann, worauf hatte sie sich hier eingelassen? Ausgerechnet mit Hunter? Sie war ja völlig durchgeknallt. Aber wer sagte denn, dass sie das auch machen musste?

„Wie wäre es mit dem, was Missi macht? Das Spiel zwischen Little und Daddy? Du könntest wieder ein kleines Mädchen sein, das sich von Daddy mit Malbüchern versorgen lässt. Geht auch ohne Sex übrigens, wenn dir das nicht liegt.“

Warum nur hatte sie den Eindruck, dass er sehr wohl wusste, dass sie das ablehnen würde? „Kommt nicht in Frage. Ich mag Missi, aber das ist garantiert nichts für mich.“ Sie musste ihm ja nicht aufs Auge binden, dass sie sehr wohl Sex mochte. Guten Sex zumindest. Erst recht würde sie ihm nicht verraten, dass sie trotzdem kaum Erfahrung hatte, da normaler Sex sie immer unbefriedigt zurückließ.

„Gut. Ach ja, du solltest Spanking ausprobieren. Genauer gesagt, jede Art von Schlaginstrument. Es scheint mir wichtig, dass du dich damit auseinandersetzt.“

„Das hatten wir doch eben.“

Wieder die hochgezogene Augenbraue. „Das war der Finger in der Torte, aber kein Kuchenbuffet. Schreib es auf. Keine Diskussion. Magst du gefesselt werden? Schon mal ausprobiert?“

„Nein.“

„Latex? Gummi? Kinks, die einen Gegenstand oder Material beinhalten? Irgendwas in der Art? Dann schreib das dazu. Wie stehst du zum Thema Demütigung? Ohrfeigen ins Gesicht, Anspucken, verbale Herabsetzung, Bezeichnungen wie ‚Schlampe‘?“

Alice starrte ihn nur noch an. In ihrem Kopf rasten Bilder und Gedanken, Empörung lag ihr auf der Zunge und Hitze raste durch ihren Körper. Was für ein Mischmasch an Gefühlen! Es war zu viel. Niemand konnte das alles ausprobieren. „Wie soll das gehen? Ich bräuchte Jahre, um das alles durchzuspielen.“ Sie warf den Block auf die Couch. „Das ist unmöglich. Es muss einen anderen Weg geben.“

„Nun, erstens kann ich dir ein Programm zusammenstellen, das die Sache etwas verkürzt. Zum anderen scheint mir, als hättest du ein Ziel. Du kannst den Club natürlich auch erst in zehn Jahren aufmachen.“

„Aber … ich meine … klar kann ich so lange warten. Oder ich mache das in einer Art Schnelldurchlauf?“ Was für eine Frage! Schnelldurchlauf. Das hörte sich an wie die Touren, die ihre Landsleute gerne machten: Europa in zehn Tagen. Australien in einer Woche. Hinfliegen, fotografieren, zurück. Das passte so gar nicht zu ihr. Zugleich fiel ihr wieder die Frist ein. Ein Jahr, sonst wäre sie das Haus los. Und die Erbschaft.

„Eine gute Idee. Überlass das mir. Ich stelle dir einige Punkte zusammen. Einiges können wir hier erledigen, für anderes solltest du unbedingt reisen. Hast du etwas dagegen?“

„Nein, natürlich nicht.“ Sie war noch nie außerhalb der Staaten gewesen, aber jetzt, mit dieser Erbschaft, waren ihr schon so einige Ziele in den Sinn gekommen.

„Überlass das mir“, wiederholte Hunter. Er wirkte längst nicht mehr so unnahbar, eher wie ein Mann, der ein Projekt begonnen hatte. Eine Gartenhütte, die er reparieren wollte. Oder ein uraltes Auto, das es aufzupimpen galt.

Oh Mann. Auf was hatte sie sich eingelassen?

4

Hunter überreichte ihr die Liste beim nächsten Besuch im Club, eine Woche später, so wie sie es ausgemacht hatten.

Alice traute sich kaum, sie anzuschauen. Er hatte noch weitere Punkte hinzugefügt. „O? Was meinst du mit O?“

„Das Buch dazu habe ich hier. Du solltest es so schnell wie möglich lesen.“

Die Geschichte der O. Alice schaute ihn an. Noch immer umgab ihn diese Aura eines Mannes auf einer Mission.

„MMMF? Du meinst Gangbang?“

„Nein, ich meine Sex mit mehreren Männern gleichzeitig. Es wird dir gefallen, glaub mir.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil es dich letzte Woche nicht gestört hat, dass andere zugeschaut haben. Vorführung gehört auch dazu. Es steht weiter oben.“

„Hunter …“

„Ich bevorzuge ‚Sir‘ in dieser Umgebung.“

„Sir, das scheint mir etwas weit zu gehen. Ich kenne keine andere Sub, die eine solche Mammutaufgabe hinter sich gebracht hat.“

„Keine von denen möchte einen eigenen Club. Und keine hat mich gefragt.“

Hatte sie ihn gefragt? Sie wusste es nicht mehr. War nicht er mit dieser Idee auf sie zugekommen? Klar, sie verstand seine Intention. Ohne eine Idee von dem Konzept des BDSM war sie nicht in der Lage, einen Club zu eröffnen, der die Wünsche seiner Besucher berücksichtigte. Aber würden dafür nicht auch Gespräche genügen?

„Deine Erziehung müssen wir auf den nächsten Monat verschieben, also habe ich den Punkt Fixierung vorgezogen. Außerdem kann er in der Nähe stattfinden, so dass du die Planung für die weiteren Punkte in dieser Zeit machen kannst.“

„Moment!“ Auf sein Funkeln in den Augen setzte Alice noch einmal an. „Moment, Sir! Dieser Plan umfasst die nächsten zwölf Monate? Ein ganzes Jahr?“

„Bei unserem Gespräch warst du bei einer Schätzung von zehn Jahren gelandet. Das hier ist eindeutig kürzer. Da ich bei der Erstellung der Liste bei zwölf Punkten gelandet bin, schien mir die Aufteilung auf 12 Monate sinnvoll. Außerdem sind manche Punkte, die Erziehung zur O, nur in einem Kurs machbar, der zufällig einen Monat andauert. Dreißig Tage, um genau zu sein. Knie dich hin.“

„Aber … ein Jahr?“ In einem Jahr würde die Entscheidung fallen, ob sie das Haus behalten durfte. Das bedeutete, dass sie die Planung während dieser Erkundungsphase machen musste.

„Siehst du, kleine Alice, das ist das Problem. Ich habe dir einen Befehl gegeben. Du ignorierst ihn. Du bist nur auf dich konzentriert. Kein Anflug von Unterwerfung. Keine Idee von Demut. Kein Bedürfnis, es einem Dom recht zu machen. Ich gebe zu, dass ich nicht dein Dom bin, aber du missachtest sogar die Gesetze der Höflichkeit. Sprichst mich respektlos an. Schaust mir ständig in die Augen. Gibst mir Widerworte.“

Alice saß da wie vom Donner gerührt. Wie schaffte er es nur, ihr so klar den Spiegel vor Augen zu halten? Sie wollte eine Sub sein. Wollte demütig sein. Und doch schaffte sie es nicht. Warum nur?

Hatte er recht damit, dass sie es erst noch lernen musste? Oder war sie gar nicht submissiv? Sie ließ sich endlich auf die Knie nieder. Nein, sie wusste, dass sie nicht vor ihm knien musste, wenn sie es nicht wollte, aber in diesem Moment wollte sie es. Vor ihm? Auch vor anderen? Auch das konnte sie nicht sagen. Er wollte ihr helfen. Sonst niemand. Und wenn sie auf diese Sache einging, würde sie vermutlich mit mehr dominanten Männern zu tun haben, als sie es sich je erträumen konnte.

„Es tut mir leid, Sir.“ Sie fixierte seinen Bauch. „Vielen Dank für die Hilfe, Sir. Ich habe beschlossen, dass ich das Programm absolvieren werde, dass du für mich ausgesucht hast, Sir.“ Ihr blieb immer noch ihr eigener Wille. Sollte sie aussteigen wollen, konnte er sie nicht daran hindern.

„Du gehst zuerst nach Philadelphia. Ich habe mit dem Rigger JayB gesprochen. Er ist bereit, dich aufzunehmen. Er wird dir alles zeigen, was du über Bondage wissen willst und noch einiges mehr. Es geht darum, dir klarzuwerden, wie du auf Fixierung reagierst. Egal ob leicht oder fest oder so sehr, dass du ganz in dir gefangen bist. Er erwartet dich Anfang Februar.“ Hunters Tonfall änderte sich, jetzt sprach er einen Befehl aus, daran zweifelte Alice nicht. „Übrigens möchte ich, dass du mir über deine Fortschritte Bericht erstattest. Wie du dir denken kannst, kenne ich mich in diesen Bereichen selbst aus. Über deinen Bericht kann ich beurteilen, ob du tief genug in die Materie eingestiegen bist.“

5

Alice packte ihre Sachen.

---ENDE DER LESEPROBE---