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Horst Lichter

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Beschreibung

Horst Lichter, Deutschlands beliebtester TV-Koch und Moderator, begibt sich auf eine Reise in die Stille und zu sich selbst: Ein Lebensratgeber voller Ruhe, Kraft und Entschleunigung, aber auch voller Humor, Augenzwinkern und Lebensfreude. Die Sehnsucht nach einem Moment des Innehaltens in einer Welt, die uns alles abverlangt, die Stress und Burnout, Überforderung und Anstrengung mit sich bringt, kennen wir alle. Schweigen, still sein, einatmen, ausatmen, in der Meditation ganz für sich sein – dieses Abenteuer, diese Selbstfindung wagt der Mann, der nie um einen flotten Spruch verlegen ist. Was macht die plötzliche Stille mit ihm? Die Pause vom schnellen Leben? Ist Meditation der Schlüssel zum Glück? Und was hat es eigentlich mit diesem Buddhismus auf sich? Horst Lichter erzählt auf sympathische und humorvolle Weise, was ihn zum Schritt in die Stille bewogen hat, warum er sich die Pause vom Alltagsstress gönnt. Er berichtet von der Zeit der Ruhe und was passiert, wenn man plötzlich allein in seinem Kopf ist. Wenn die laute Welt durch die eigenen Gedanken ersetzt wird. Welche Fragen man sich selbst stellt und auch selbst beantworten muss. Und er verrät, was am Ende bleibt von dieser Erfahrung. Wie es gelingt, seine Kraft und innere Mitte zu bewahren, wenn man wieder zurück im Alltagsstress ist. Dieses Buch ist ein spannendes Experiment, berührend, inspirierend und zum Schmunzeln, aber auch echte Lebenshilfe für den Umgang mit der Überforderung und der Belastung, die wir alle täglich spüren.

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Horst Lichter

mit Till Hoheneder

Ich bin dann mal still

Meine Suche nach der Ruhe in mir

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Horst Lichter, Deutschlands beliebtester Moderator und TV-Koch, begibt sich auf eine Reise in die Stille und zu sich selbst: Ein Lebensratgeber voller Ruhe, Kraft und Entschleunigung, aber auch voller Humor, Augenzwinkern und Lebensfreude.

Die Sehnsucht nach einem Moment des Innehaltens in einer Welt, die uns alles abverlangt, die Stress und Burn-out, Überforderung und Anstrengung mit sich bringt, kennen wir alle. Schweigen, still sein, einatmen, ausatmen, in der Meditation ganz für sich sein – dieses Abenteuer, diese Selbstfindung wagt der Mann, der nie um einen flotten Spruch verlegen ist. Was macht die plötzliche Stille mit ihm? Die Pause vom schnellen Leben? Ist Meditation der Schlüssel zum Glück? Und was hat es eigentlich mit diesem Buddhismus auf sich?

Horst Lichter erzählt auf sympathische und humorvolle Weise, was ihn zum Schritt in die Stille bewogen hat, weshalb er sich die Pause vom Alltagsstress gönnt. Er berichtet von der Zeit der Ruhe und was passiert, wenn man plötzlich allein in seinem Kopf ist. Wenn die laute Welt durch die eigenen Gedanken ersetzt wird. Welche Fragen man sich selbst stellt und auch selbst beantworten muss. Und er verrät, was am Ende bleibt von dieser Erfahrung. Wie es gelingt, seine Kraft und innere Mitte zu bewahren, wenn man wieder zurück im Alltagsstress ist. Dieses Buch ist ein spannendes Experiment, berührend, inspirierend und zum Schmunzeln, aber auch echte Lebenshilfe für den Umgang mit der Überforderung und der Belastung, die wir alle täglich spüren.

Inhaltsübersicht

Bedienungsanleitung für dieses Buch

Vor der Stille

Im Kloster

Der erste Tag

Der zweite Tag

Der dritte Tag

Der vierte Tag – Fazit meiner Klosterzeit

Bares für Rares

Die nächste Eskalationsstufe

Ruhe und Stille

Kampf und Angst

Zufriedenheit

Ich mag mich

Whanaungatanga

Neuanfang

Verlustängste

Harmonie – des Lichters Kern!

Was bleibt am Ende der Suche?

Dank Horst

Dank Till

Bedienungsanleitung für dieses Buch

Herrschaften, was freue ich mich. Da isses, mein neues Buch. Ich hatte ursprünglich gar nicht vor, so schnell ein neues Buch zu schreiben. »Keine Zeit für Arschlöcher« war ja ein sehr emotionales Werk, das mich sehr aufgewühlt hat. Am Ende des Schreibprozesses war mir klar geworden, dass wieder mal ein Lebensabschnitt vorbei war. Nach Mutters Tod war ich ein Mensch, der keine Eltern mehr hatte, ich war niemandes Kind mehr. Und ich hatte statistisch gesehen schon knapp zwei Drittel meines Lebens hinter mir, das hat mich sehr bewegt. Diese Erkenntnis führte dazu, mein Leben neu zu sortieren. Ich habe wichtige Entscheidungen für meine Zukunft getroffen. Habe mich mit meiner Frau beraten, mit guten Freunden gesprochen und bin mit mir selbst in den Clinch gegangen: Was will ich, wo soll es hingehen, was will ich nicht mehr und was bedeutet das für mein zukünftiges Leben? Das sind natürlich keine Fragen, die man sich mal schnell zwischen ein paar Drehtagen stellt. Nein, es war so weit, das Thema Rückzug und Ruhe war plötzlich wieder präsent und ich hatte von Tag zu Tag ein größeres Bedürfnis danach, einfach mal den Schnabel zu halten und in mich reinzuhorchen.

Ihr werdet in diesem Buch lesen, was mich zu diesen Fragen gebracht hat, wie meine Entscheidungen ausgefallen sind und was sie für Konsequenzen hatten. Die denkt man sich zwar vorher aus und wägt ab, aber ist das Ruder erst herumgerissen, das Tau gekappt oder der Schritt gegangen … dann kann man sich vorher gedacht haben, was man will. Denn nichts muss passieren, wie es geplant oder berechnet wurde. Das ist ja genau das, was das Leben so spannend macht: Das Leben findet einfach statt, während du ganz andere Pläne schmiedest. Oder wie es der gute John Lennon auf Englisch gesagt hat: »Life is what happens to you while you are busy making other plans!«

So ist es mir auch ergangen. Und davon will ich euch erzählen, Kinders!

Nicht weil ich denke, dass ich so wahnsinnig lebensklug bin. Eher weil ich überrascht war, wie sehr das Leben eine Eigendynamik entwickelt, die man einfach nicht vorausplanen kann.

Ebendieser Eigendynamik und meinem Umgang damit wollte ich genauer auf den Grund gehen. Darum hab ich mich auf ein Experiment eingelassen. Eines, das sich vermutlich im ersten Moment ganz schön bekloppt anhört. Nämlich, dass ausgerechnet ich in ein Schweigekloster gehe, um mal – salopp gesagt – die Klappe zu halten. Schweigen, oder mehr die Suche nach der Ruhe, Sehnsucht nach einer Pause, das ist in den letzten Jahren ja irgendwie Thema für viele von uns geworden, ist mir aufgefallen. Freunde, Bekannte, Kollegen, praktisch jeder kennt irgendjemanden, der sich mal eine sogenannte »Auszeit« gönnen wollte. Da ging es mir nicht anders. Ich fand die Idee spannend, konnte mir gut vorstellen, dieses Abenteuer auszuprobieren, aber ich hatte Bedingungen: Ich wollte unvorbereitet sein, nur den Termin kennen und einen Tag vorher erst die Adresse bekommen. Damit ich auch wirklich nicht wusste, was (und wo es) mir blüht. Und es sollte etwas sein, das für viele Menschen interessant ist, damit möglichst jeder meine Erfahrungen nacherleben könnte. Und so müsst ihr, liebe Leser, das Buch auch lesen: Wir hatten die Idee »Ich bin dann mal still – meine Suche nach der Ruhe in mir« … und wir hatten auch eine Vorstellung, wie diese Mission ablaufen sollte. Aber es ist, wen wundert es, mal wieder ganz anders gekommen.

Vielleicht ist das gerade das Gute, dass selbst so ein Experiment, wie das echte Leben, nicht planbar ist, vielleicht liegt darin schon eine erste wichtige Erkenntnis? Und wir haben noch gar nicht richtig angefangen. Darum ist es mir wichtig, euch vor dem Lesen zu sagen: Das Buch ist kein Lebensführer, kein esoterischer Ratgeber, keine Anleitung oder ein Konzept, frei nach dem Motto: »Hier ist das Rezept für innere Ruhe und Frieden!« Von wegen! Dieses Buch ist vielmehr ein persönliches Tagebuch geworden, eine Reflexion über meinen Versuch, Stille und Ruhe zu finden. Das heißt im Klartext: Ich kann hier nur für mich sprechen. Denn nur wo Horst Lichter draufsteht, gibt es auch 100 Prozent Horst Lichter zu lesen. Meine Gedanken, meine Erlebnisse und wie ich sie verarbeitet habe.

Ich habe im Kloster Dinge erlebt, die mir klargemacht haben, dass ich am falschen Ort war. Aber ich war eben »falsch«, nicht das Kloster, die Kurse oder die Menschen da. Nein, ich war in dieser Konstellation nicht kompatibel, ich passte nicht in das Puzzle. Deswegen möchte ich schon vorweg klarmachen, dass andere Menschen an diesem Ort und in diesem Setting sehr wohl ihren inneren Frieden finden können. Absolut!

Mir hat es ja sogar geholfen, dort zu verweilen, weil ich sonst vielleicht keine Ahnung von dem bekommen hätte, was mich alles umtreibt. Wie ich bin, wie ich »ticke«, was mir im Leben wichtig ist und ob ich überhaupt »still« sein möchte … jeder Jeck ist anders, jeder Mensch hat eine andere Vorstellung von innerer Ruhe und wie man dahin kommt. Alle Wege, so sagt man, führen nach Rom. Und so ist es auch in diesem Fall: Es gibt keinen Königsweg zur Ruhe, das ist mir klar geworden, es gibt viele unterschiedliche Routen, die alle ihre Vorzüge und Tücken haben. Welche Route die richtige ist, dass müsst ihr schon selber herausfinden. Vielleicht muss man dabei auch die ein oder andere Abzweigung ausprobieren, bevor man sein Ziel findet. Ich war auch überrascht von den Ergebnissen dieser Suche nach der Ruhe in mir, das könnt ihr mir glauben. Ob ich weiser geworden bin, ob ich »still« sein kann, ob ich in Zukunft immer fündig werde, wenn ich meine innere Ruhe suche? Ich habe keine Ahnung. Ich hoffe es. Aber eines ist gewiss – wer sich nicht auf die Suche macht, wer nicht ein paar Steine in seiner Seele umdreht, wer nichts ausprobiert und mit geschlossenen Augen durch sein Leben geht … der wird auch nichts finden. Passt auf euch auf, seid achtsam und bleibt gesund.

 

Euer Horst

Vor der Stille

Mein guter, treuer Ford-Kastenwagen fraß brav die Kilometer des grauen Betonbandes, das sich vor meinen Augen endlos durch die wunderbare Sommerlandschaft schlängelte. Ich hing meinen Gedanken nach, vor allem, wenn ich mal wieder in einem Stau gelandet war. Kinders, Hand auf den Herd: Ich hatte mir das alles so schön ausgemalt, ich war so begeistert von der Idee gewesen. Von der Idee, einige Zeit in ein Schweigekloster zu gehen. Gerade ich, der von den meisten Menschen, den Medien und allen, die mich zu kennen glauben, gerne als der »fröhlich fidele Onkel Hotte«, »die rheinische Gute-Laune-Maschine«, »der Menschenflüsterer«, »die Herz- und Seelenfrohnatur der Republik« bezeichnet werde. Was ich da schon alles gelesen habe! »Der feine Kerl mit dem lustig aufgedrehten Schnurrbart und dem knuffeligen Dackelblick hinter der goldenen Nickelbrille«, als wäre ich die personifizierte Unschuld à la »Können diese Augen lügen, können diese Füße fremdgehen?«. Natürlich bin ich – das ist ja kein Geheimnis – jemand, der sein Herz auf der Zunge trägt. Deswegen war ich ja selber unheimlich neugierig, ob ich, der so wahnsinnig gerne mit Menschen redet, eine ganze Zeit lang die Klappe halten kann. Und »einfach« mal still sein. Vielleicht, dachte ich, sammeln sich schon nach wenigen Tagen dermaßen viele ungesprochene Sätze in mir, dass ich wie eine überhitzte Dampfmaschine glatt durch die Decke gehe. Wissen kann man es ja erst, wenn man es mal ausprobiert hat.

Ich sah mich schon als bescheidener, in sich ruhender Mönch in demütiger Andacht durch die altehrwürdigen Klostermauern wandeln, ausgefüllt von der harten Arbeit und gesättigt von den einfachen, aber wohlschmeckenden Mahlzeiten, die ich mit den anderen Gebetskuttenträgern an einer langen Tafel glücklich schweigend einnehmen würde. Natürlich würde ich auch früh aufstehen, dann mit den Mönchen in der Kapelle beten und mich an der harten Arbeit im idyllischen Klostergarten erfreuen. Zwischendurch ein Mittagsschläfchen, spazieren gehen, den Gedanken nachhängen und nach ein paar Tagen selbstverständlich den Sinn des Lebens erfasst haben. Die Stille in mir suchen, finden und allumfassend begreifen, was wir hektischen, nach lauter Anerkennung strebenden Menschen komplett falsch machen. Nach diesen ruhigen Tagen würde ich vom dauergesprächsbereiten Medienmenschen zum weisen, erleuchteten »Dalai Lichter« mutieren. So reimte ich mir das alles wunderbar in meiner Vorstellung zusammen. Ich war schon im Vorfeld gerührt und begeistert von mir selbst, ganz und gar ergriffen von diesem wunderbaren Plan. (Wenn ich damals geahnt hätte, dass … aber wir sind ja gerade erst am Anfang des Buches. Also, immer schön der Reihe nach!)

Je näher ich meinem Ziel kam, desto glücklicher wurde ich: Schön, gleich bin ich irgendwo, da ist Ruhe. Da sind keine Autos, da ist nix. Da sind alle tiefenentspannt und relaxt, das ist fein, da freue ich mich wahnsinnig drauf. Das wird geil. Eine weitere Ausgabe von »Horst Lichter sucht das Glück« … findet es, begreift den Lebensplan und das alles, ohne wochenlang mit dem Moped durch die Gegend zu fahren. Ein Träumchen, eine Hammeridee. Zwischendurch hielt ich noch einmal an einer Raststätte und mampfte – quasi als Henkersmahlzeit, als Sinnbild unserer Schnell-schnell-Gesellschaft und letzte weltliche Amtshandlung – einen Burger mit Pommes. Drehte im Auto noch mal volle Kanne die Musik laut, um mir endgültig klarzumachen, wie sehr ich die Schnauze voll hatte von dem ganzen sinnlosen Lärm, mit dem wir uns tagtäglich bombardieren. Und obwohl ich mich so richtig in meine Stille-Mission reinsteigerte und mir das kleine Abenteuer begeistert ausmalte, konnte ich mir eine Tatsache nicht so richtig aus den Knochen schönreden: Ich war mal wieder total an der Kante und völlig erschöpft von der Arbeit. Müde, kaputt und ausgelutscht. Fix und foxi nach acht Wochen ununterbrochenen Dreharbeiten. Drehtage mit mindestens zwölf Stunden. Ich war durch, und ich wusste das auch tief in meinem Inneren. Sonst hätte ich mir die Klosterzeit ja auch nicht so hochgejazzt.

 

Was mir außerdem noch tief in den Knochen steckte, außer dieser wahnsinnigen Müdigkeit, war so ein schwammiges Gefühl der Unsicherheit. Denn vor diesen intensiven Dreharbeiten, also in den Wochen und Monaten nach dem 15. März, hatte mich – wie wahrscheinlich viele andere Menschen auch – der Corona-Lockdown unglaublich stark beschäftigt. Die Welt, die wir alle kannten, existierte auf einmal nicht mehr. Von einem auf den anderen Tag saßen Millionen Menschen in Deutschland auf der Couch und wussten nicht, was das alles bedeuten sollte. Ein Virus bedrohte plötzlich unser komplettes Leben, unsere wirtschaftlichen Existenzen. Geschäfte zu, Schulen und Kindergärten zu, Krankenhäuser in Alarmbereitschaft. Keine Veranstaltungen, kein Fußball, keine Kultur, wer keinen systemrelevanten Beruf hatte, saß auf einmal zu Hause auf dem Sofa und hatte viel Zeit zum Nachdenken. Ich auf jeden Fall, denn ich hatte ja kein »Homeoffice« oder kleine Kinder zu betreuen. Ein Workaholic, dem die Kabel gekappt wurden und der auf einmal feststellte, wie leise und still die Welt sein konnte! Und wo geht die überhaupt hin, unsere Welt? Was passiert tatsächlich, wie schlimm ist diese Krankheit? Was macht sie, was macht dieser Lockdown mit den Menschen? Wann ist der ganze Spuk wieder vorbei? Hört das eventuell überhaupt nicht auf? Jeden Tag erfuhr man irgendetwas anderes. Was gestern als halbwegs gesichert galt, war am nächsten Tag schon wieder Schnee von gestern, obsolet. Keiner hatte eine genaue Ahnung, aber viele laberten in Talkshows rum, als ob sie die Weisheit mit dem Löffel gefressen hatten. Jede Quasselrunde, die etwas auf sich hielt, hatte einen eigenen Virologen. Und dem war vor allem wichtig, dem Kollegen der Konkurrenzsendung zu widersprechen … so schien es mir jedenfalls. Wenn ich abends, den Kopf voller Gedanken, durch die Felder spazieren ging, war die Welt eigentlich wie immer. Die Vögel zwitscherten, die Sonne ging unter und die Abendstille breitete sich wie ein samtiger Teppich aus. Ich ging ins Bett und dachte wie so oft: Ist doch wie immer, morgen früh geht es wieder los!

Aber kein Wecker klingelte, keine Arbeit wartete und es blieb auch tagsüber merkwürdig still. Nach einiger Zeit gab ich mich der Hoffnung hin, dass der Lockdown auch viel Gutes bewirken könne – Menschen helfen sich gegenseitig, sind höflich und nett zueinander, weil ja schließlich alle im selben Boot sitzen. Aber nach ein paar Monaten und erfolglosen Jagden auf Toilettenpapier war es ja nicht zu übersehen, dass sehr viele Leute unsolidarisch, frech, aggressiv und böse wurden. Ich hatte sogar den Eindruck, dass, nachdem alles wieder etwas offener wurde und wenigstens ein bisschen Normalität zurückkehrte, sich die Aggressionen teilweise verstärkten. Ich erwischte mich bei dem Gedanken, dass ich auf einmal ein komisches Gefühl hatte, in die Stadt zu gehen. Ich sah die Menschen zwar wieder unbekümmert nah beieinandersitzen, konnte aber trotzdem so eine schwelende Gereiztheit spüren – kurz: Ich traute dem Braten überhaupt nicht! Ein ganz urwüchsiges Gefühl beschlich mich bei diesem Szenario: Ich erinnere mich, wie ich einmal dachte: »Wenn jetzt ein Polizeiwagen hier anhält und die Leute auffordert, Masken aufzusetzen und Abstände einzuhalten, dann geht ein Pulverfass hoch, dann gibt’s ’ne Schlägerei!« Eine seltsame Stimmung war das und ich machte von da ab erst mal einen großen Bogen um die Stadt und suchte mehr die zuerst ungewohnte, dann aber etwas vertrauter gewordene Stille. Nun, jetzt können Sie natürlich sagen: »Da hatte er doch seine Stille, der Lichter! In den Monaten auf der Couch hätt er doch wunderbar nachdenken können.« Ja, möchte man meinen. Aber so einfach ist es nicht, sonst wären ja nach dem ersten Lockdown nur noch durch und durch Erleuchtete rumgelaufen. Die wahre »Innenschau« kann man nur schwer auf dem eigenen Sofa finden. Da ist man ja auch so wunderbar von sich abgelenkt, man guckt in den Fernseher, liest ein Buch, fragt sich, was man abends kocht und ob man besser am Dienstag oder Mittwoch zum Wertstoffhof fährt. Vielleicht gibt es sogar Menschen, die das können, Schweigekloster im eigenen Heim. Aber mir hilft schon das richtige »Abgeschnittensein« von dem Alltagsallerlei.

 

Und nach dieser Lockdown-Ruhephase ging es ja irgendwann auch wieder los mit der Arbeit und ruck, zuck war ich wieder in meinem geliebten Hamsterrad. Ein bisschen Normalität kehrte zurück und manchmal fühlte es sich fast so an, als wäre es so ähnlich wie früher. Nur mit mehr Händewaschen und viel Masketragen. Nur die Stille, die ließ mir keine Ruhe. Klingt komisch, oder? »Die Stille ließ mir keine Ruhe« – aber anders kann ich es nicht beschreiben. Ich hatte ja gezwungenermaßen ein wenig von der himmlischen Stille genascht und wollte noch mehr. Warum war ich überhaupt so fasziniert von der Ruhe, der friedlichen Stille? War »friedlich« überhaupt positiv aufzufassen? Ich arbeitete doch so gerne in meinem Beruf, in meinem Zirkus, mit dem ganzen Trubel und den vielen Menschen und ihren herrlichen Geschichten. Na und, dachte ich – das eine schließt das andere ja nicht aus. Nur weil ich wahnsinnig gerne in einer lauten, quirligen Unterhaltungsbranche arbeite, darf ich nicht gerne in Ruhe irgendwo die Stille genießen? In der Natur, in mir, wo auch immer?

Nein, die Idee für dieses Stille-Projekt kam genau zur rechten Zeit. Stille, Abgeschiedenheit, absolute Ruhe – das wird eine geile Sache. Dachte ich.

 

Überhaupt, »Ruhe«. Wie oft benutzen wir dieses Wort, es gibt so viele »Ruhe-Redewendungen« und »Ruhe-Wörter«:

Lass mich in Ruhe, hat man hier denn nie seine Ruhe, Ruhe in Frieden, Hauptsache, ich habe meine Ruhe, du musst doch auch mal zur Ruhe kommen, ich wollte nur noch meine Ruhe haben, Ruhepuls, Ruhestand, Ruhestörung, Ruhezeiten, Ruhepause.

Aber was bedeutet Ruhe eigentlich? Im Wörterbuch steht:

Ru·he (/Rúhe/)

Substantiv, feminin [die]

1a. [fast völlige] Stille; durch keine Geräusche o.Ä. gestörter Zustand, z.B. »eine wohltuende, friedliche Ruhe«

Fast völlige Stille, eine wohltuende, friedliche Ruhe. Zur Ruhe kommen, damit man sich erholen kann. Die Ruhe ist ein Gemütszustand. Einer, bei dem wir Frieden mit uns selbst empfinden. In diesem Zustand sind wir frei von Stress, Angst und negativen Gefühlen wie Wut oder Gereiztheit. Für mich ist die Ruhe wie ein Akku. Wenn wir glücklich mit unserem Leben sind, uns unsere Arbeit Spaß macht, dann verbrauchen wir zwar täglich Energie von dieser Batterie, aber durch unsere Zufriedenheit und Glücksgefühle laden wir sie auch immer wieder auf. Wir schütten Glückshormone, sogenannte Endorphine, aus und die sorgen im Gegenzug dafür, dass sich unser Stresslevel reduziert. Ein gutes System.

Allerdings war mein Stresslevel so hoch, dass die Glückshormone nicht mehr ausreichten, um mich zu entspannen. Das war mein Problem. Ich kam nach der Arbeit, die mir nach wie vor großen Spaß machte, einfach nicht mehr zur Ruhe. Ich fand weder zu Hause noch im Hotel die benötigte Ruhe, um mich zu erholen. Gesunder Geist im gesunden Körper, alles muss im Gleichgewicht sein. Wenn aber mein Kopf nicht zur Ruhe kommt, wenn es nicht still wird, dann wird es irgendwann problematisch. Zigmal haben wir das doch schon gehört und gelesen: Dass wir achtsam sein sollen, dass wir uns nicht zu viel zumuten sollen. Beruf, Sport, Haushalt, Kinder, Freizeit, Wochenendaktivitäten – permanent hält uns irgendetwas auf Trab, mal erzwungenermaßen, mal aus eigenem Antrieb. Ständig sind wir auf Achse, wer rastet, der rostet, und alle haben Angst, etwas zu verpassen. Mit hohem Tempo spurten wir jeden Tag durch unser modernes, ja fast narzisstisches Leben. Und in den wenigen Ruhepausen, die uns der Tag bietet, greifen wir dann noch zum Handy, um schöne Selfies und Fotos von unserem glücklichen Leben zu posten. Schreiben #auszeit, #selbstliebe, #ruhepause, #selfcare, wenn wir uns für straff abgezweigte zwei Minuten einen Espresso beim Italiener an der Ecke gönnen. Die totale Illusion mit den tausend richtigen »Hashtags« (das war früher mal das Rautezeichen!) zu posten, dauert mindestens doppelt so lange. Das ist doch verrückt! Auf einem Event saß wirklich mal so ein junges Mädel neben mir, die hat ungelogen eine halbe Stunde versucht, das perfekte Selfie von sich zu schießen. Und das war wirklich ein tolles Fest, also eins, bei dem man gute Gespräche führen kann, tolles Essen serviert bekommt, kurz, bei dem es sich lohnt, »im Moment« zu sein. Der aber ging es nur um das »Außen«! Als ihr perfektes Selfie endlich fertig war, hat sie für ihre Follower noch völlig gaga ein paar Minuten in ihr Telefon reingelabert, irgendwelche Hashtags gepostet und flugs ist sie abgeschwirrt, zu irgendeiner weiteren Einladung. Das ist doch kein Leben! Die kriegt das doch gar nicht mit! Die Folgen sind absehbar: Wenn wir so durch unser Leben hetzen, dann verbrauchen wir zu viel Energie, haben aber gleichzeitig zu wenig Ruhepausen, um den Akku wieder aufzuladen. Das Tempo ist zu schnell, unser Motor dreht zu hoch. Und dann ist es nicht mehr weit bis zum körperlichen und seelischen Erschöpfungszustand. Burn-out, die neue Volkskrankheit.

 

Jetzt muss man wissen, ich war schon als Kind immer der Clown, war aber auch sehr gerne alleine mit mir. Zu Hause war es bei uns immer ein bisschen zu laut, das lag aber mehr an den Sorgen und Nöten meiner Eltern. Mit Oma, Opa und dem Onkel, die obendrüber in unserem kleinen Haus lebten, da gab es ja dauernd Ärger und Theater. Nein, bei uns war es weiß Gott nicht still im Haus. Auf unserer Straße war es hingegen wahnsinnig friedlich und abends war auch immer irgendwo was los. Erwachsene standen vor den Häusern und hielten ein Pläuschchen, während wir Kinder mit unseren Fahrrädern die Straße hoch und runter düsten. Vor allem im Sommer, wenn es warm war und draußen länger hell, da waren immer Leute draußen, man hat sich was erzählt, ein lecker Bierchen dabei getrunken und ein bisschen Spaß gehabt.

Stille mochte ich trotzdem sehr gerne. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich als Kind mal alleine in die Eifel geschickt wurde. In den Urlaub, was ja nicht oft passierte, denn wir hatten nicht viel Geld. Mein Vater war ein einfacher Arbeiter. Aber weil es eben so gut wie nie vorkam, dass wir zusammen in den Urlaub fuhren, war ich umso überraschter gewesen, dass ich alleine zu Onkel Ernst und Tante Gerda in die Eifel geschickt wurde, um ein paar Tage Erholung zu genießen.

Mutterseelenalleine bin ich jeden Tag mit einem kleinen Säckchen losgelaufen, mit einer Flasche Wasser, ein paar Butterbroten und einer Mundharmonika. Ich bin einfach durch die Dörfer gelaufen, durch den Wald gestreunt und habe unheimlich viel Spaß gehabt. Ich war mir selber genug, genoss die wunderschöne Natur und war froh, dass ich nicht reden musste. Das glaubt man jetzt vielleicht nicht, aber das mochte ich immer schon gerne und habe es mir bis heute bewahrt. Das mag für viele erstaunlich sein, aber ich bin eben auch manchmal das Gegenteil von dem, was man eigentlich von mir kennt und erwartet. Wenn ich alleine bin, genieße ich die Stille. Da kann ich mich richtig reinfallen lassen, wie in einen unfassbar kuscheligen Bademantel. Aber sobald ich nicht alleine bin, habe ich immer das Gefühl, dass ich die Menschen unterhalten muss. Ich empfinde das auch nicht unbedingt als einen krassen Widerspruch. Es gibt eben zwei Seiten in mir und die leben in einer Koexistenz. Da gibt es den Horst, der – egal ob als Fernsehmoderator oder als privater Gastgeber – wahnsinnig gern mit Menschen redet und sie unterhalten will … und es gibt den Horst, der gerne still ist und sehr gut alleine für sich bleiben kann. Das ist wie Tag und Nacht in einer Person. Ich habe das schon mal meiner Frau so erklärt: Das ist wie Köln und Düsseldorf, eigentlich mögen die sich ja überhaupt nicht so gerne. Aber für mich gehören die trotzdem fest zusammen. Das, was Köln nicht hat, hat dafür Düsseldorf und umgekehrt. Wenn eine der beiden Städte morgen nicht mehr da wäre, würde der anderen ernsthaft was fehlen. Auch wenn die Menschen dieser Städte das natürlich nie zugeben würden. Alles lebt von Kontrasten, unterschiedliche Perspektiven. Das macht es ja so interessant, das Leben. Nur 3-Sterne-Menüs sind auch langweilig, manchmal brauch ich einfach ein frisches Brot und lecker Butter drauf. Glück muss nicht immer teuer sein.

Und nicht, dass man das jetzt falsch versteht: Ich fühle mich sehr wohl als Unterhalter, da erzähle ich gerne, da erzähle ich viel. Genieße es aber unheimlich, wenn ich mal in eine Gesellschaft reinkomme, in der jemand anderes diesen Job übernimmt, wo ich einfach nur zuhören kann. Aber genauso genieße ich es eben, wenn ich tatsächlich mal alleine zu Hause bin. Da passiert es nicht selten, dass ich drei Tage praktisch so gut wie nie aus dem Haus gehe und kein Wort rede. Kein Radio, Handy stumm schalten, kein Fernsehen – einfach nur in Ruhe die Stille genießen. Das kann ich ganz wunderbar und ohne diese Seite könnte ich nicht leben. Ich brauche sie genauso dringend wie den »lauten« Horst. Die beiden bekämpfen sich nicht. Das Einzige, was mir als Dorfkind ab und zu schwerfällt: die Hektik und Lautstärke der Großstadt. Wenn sehr viele Menschen unterwegs sind, durcheinandergesprochen wird und laute Musik dazu läuft … dann werde ich nervös, das ist mir zu heftig. Ich mag die Stadt am liebsten, wenn sie ihre eher ruhigen Stunden hat. Dann sitze ich gerne in einem Café, trinke ein Tässchen Kaffee und beobachte die Leute. Das ist für mich, als ob ich einen Film gucken würde. Da brauche ich auch keine gesprochene Unterhaltung, die würde nur stören.

 

Aber die große Kunst im Leben ist es wohl, die stille Seite mit der lauten Seite in der Waage zu halten. Darauf zu achten, dass die Ruhe zu ihrem Recht kommt. Und das wird immer schwieriger in unserer narzisstischen Zeit. Ein kluger Mensch hat neulich davon gesprochen, dass wir in einer Gesellschaft mit permanentem Glücksversprechen leben: Online-Shopping, Wochenendtrip für 40 Euro nach London, Paris, Mailand, Konzertbesuche, Erlebnisgastronomie, Weinprobe-Kurzurlaub, Varieté,  Urlaub, Freizeitparks, Netflix, Amazon Prime, Social Media … alles ist jetzt und sofort verfügbar und macht uns rastlos glücklich, versprochen! Dazu kommt noch der Nähkurs, morgens Yoga, After-Work-Party und abends der Fitness-Klub. Oder man sieht ältere Herren mit Schmerbauch in bunter, knatschenger Radsportbekleidung auf sündhaft teuren Rennrädern durch die Gegend brausen. Unsere Monate sind randvoll mit Terminen, spontane Verabredungen sind kaum noch möglich, weil man alles schon wochenlang im Voraus verplant hat: »Wollen wir uns zwischen Weihnachten und Neujahr mal treffen?« »Gerne, nächstes Jahr hätte ich noch einen Tag frei!« Wir rasen durchs Jahr und hangeln uns von Urlaubsinsel zu Urlaubsinsel, immer kurz vorm Burn-out. Dann haben wir ein, zwei Wochen frei und glauben ernsthaft, in der Zeit würde sich unser Körper und unsere Seele von dem ganzen Wahnsinn erholen. Dann geht es wieder los und nach drei Tagen ist die komplette »Erholung« schon wieder total hinüber. Was ja nichts anderes bedeutet, als dass man natürlich nicht vollständig erholt war.

Ganz im Ernst, wer von uns hält eigentlich noch Langeweile aus? So richtig schöne Langeweile an einem Sonntagnachmittag im Herbst? Draußen regnet es in Strömen, der Wind ist kalt und stürmisch. Wer von uns schafft es noch, ein bis zwei Stunden einfach nichts zu tun? Kein Fernsehen, kein Handy, kein Tablet in die Hand zu nehmen. Nicht aufzuräumen, nichts zu kochen oder zu telefonieren. Einfach nur mal dazusitzen und zu versuchen, so wenig wie möglich nachzudenken.

Oder aus dem Fenster zu gucken, wie sich die Bäume im Wind wiegen, die Blätter durch die Luft wirbeln. Die Regentropfen in einer Pfütze zu zählen. Darauf warten, welche Gedanken einem durch den Kopf schießen, welche Erinnerungen aufkommen oder an wen oder was man urplötzlich denken muss. In sich hineinhorchen … bin ich eigentlich glücklich, müde, melancholisch oder traurig? Wenn ja, warum? Forscher haben herausgefunden, dass Langeweile unheimlich wichtig ist, besonders für Kinder. Das erzeugt kreative Gedanken. Das gilt natürlich auch für Erwachsene. Aber wir lassen keine Langeweile mehr zu, die Kinder und wir. Wir ballern uns sofort zu mit Nintendo, Playstation, Instagram, Facebook, Sport, Hobbys … bloß nicht »nichts tun«! Bloß sich nicht mit sich selbst beschäftigen. Es könnte sich ja die Psyche melden und sagen: »Ich kann nicht mehr! Es läuft was schief! Ich bin erschöpft, ich brauche Ruhe. Das wollte ich dir schon lange sagen, aber du hörst mir ja gar nicht zu! Du knallst dir jeden Tag was auf und um die Ohren, damit du mir nicht zuhören musst!«

Leider kann ich mich bei der Arbeit oder tagsüber nicht besonders gut »ausklinken« oder in kleinen Pausen mal entspannen. Das ist nicht mein Ding, ich muss immer ein bisschen auf Spannung sein, ich möchte die Strömung nicht abreißen lassen. Wenn Trubel um mich herum ist, dann kann ich nur sehr schwer loslassen, da brauche ich auch das unbedingte Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Ich könnte nie wie einige Kollegen am Set oder in einer lauten Garderobe mal kurz wegnicken – unmöglich. Aber nach der Arbeit, am Ende des Tages sieht die Sache ganz anders aus. Viele Kollegen vom »Bares für Rares«-Set haben mich oft gefragt, was ich denn im Hotel abends machen würde, um abzuschalten oder runterzukommen, wenn ich doch in Köln nicht ausgehe. Ganz einfach: Wenn ich mich »ausknipsen« will, dann gehe ich in die Badewanne. Ich lass mir ein heißes Bad ein, das ist für mich die einzige Möglichkeit, komplett abzuschalten, mal wirklich nichts zu denken. Augen zu und sich einfach nur auf die wohlige Wärme konzentrieren, die den Körper umhüllt. Das kann ich ohne Probleme über eine Stunde machen, das tut so gut. Danach fühle ich mich nicht nur äußerlich gereinigt, es gibt mir auch immer das Gefühl, dass die wohltuende Wärme und die Leichtigkeit des Wassers auch meine Seele beruhigen. Andere gehen joggen, meditieren oder brauchen Halligalli … aber ich nehme am liebsten in aller Ruhe ein heißes Vollbad.

 

Und weil wir alle andauernd durchgetaktet sind, es keinen Raum mehr gibt für Spontaneität oder Abenteuer, werden wir zunehmend kontrolliert. Von wem? Ganz einfach, wir kontrollieren uns ständig selber. Wie anstrengend! Denn wir begeben uns gar nicht erst in Situationen, die zu Überraschung, Angst, unvorhergesehenen Gefühlen oder seelischer Unruhe führen können. Ein Bekannter von mir checkt wirklich vor jeder Reise, vor jedem aushäusigen Übernachtungstermin genau alle Punkte, die ihn in unruhiges Fahrwasser bringen könnten: Sein Hotelzimmer darf nicht in den oberen Stockwerken sein, nicht zu weit weg von der Notfalltreppe, die Klimaanlage muss ausschaltbar sein, das Bett sollte eine Matratze mit Topper haben und um das perfekt weiche Federkissen zu garantieren, bringt er es gleich selber mit. Sonst dreht er am Rad. Seine Sachen müssen nach einem bestimmten Ritual zusammengelegt werden und zu Hause herrscht eine nur für ihn durchschaubare Ordnung. Er sagt immer zu mir: »Horst, in meinem Kopf ist so viel Unordnung, ich brauche diese Rituale und Strukturen. Sonst bekomme ich keine Ruhe in meinem Kopf.« Irgendwann hat er sich an einen Therapeuten gewandt, weil ihm diese Rituale zu anstrengend geworden waren und auch auf Dauer keine Ruhe mehr im Kopf gebracht haben. Das hat ihm unendlich gutgetan, er hat gelernt, sich auf andere Weise zu beruhigen. Die Angststimmen sind stiller geworden, der Kontrollwahn hat rasant nachgelassen.

 

Ich bin da zum Glück eher robust. Wenn ich unterwegs bin, kann ich mich sehr gut arrangieren mit den Zuständen, die ich vor Ort vorfinde. Das habe ich auch noch mal gemerkt, als ich im Schweigekloster war: Ich bin ja dahingefahren, ohne überhaupt auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, was mich da erwartet! Und dann arrangiere ich mich einfach damit. Mein Kumpel wäre (vor seiner Therapie) wahnsinnig geworden. Der wäre nach unten zur Rezeption gegangen und hätte sich erst mal alle Zimmer zeigen lassen. Und wenn die dann alle so gewesen wären wie seins, dann hätte er auf dem Absatz kehrtgemacht und hätte das Kloster verlassen. Das hätte der nicht einen Tag ausgehalten, ohne durchzudrehen. Da bin ich komplett anders, weil ich weiß, dass ich die Situation jetzt nicht verändern kann und auch nicht will. Ich habe zugesagt, also ziehe ich das jetzt auch ohne Extrawurst durch.

Apropos Kloster! Vielleicht erzähle ich erst mal von meinem ersten Tag.

Im Kloster

Der erste Tag