Ich entscheide mich für Dich - Violet Winspear - E-Book

Ich entscheide mich für Dich E-Book

VIOLET WINSPEAR

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Beschreibung

Dina ist ihrer Patin, die ihr ein Leben in Luxus ermöglicht, unendlich dankbar. Auch dass Bella ihre Verlobung mit Bay, dem Sohn eines Senators, arrangierte, fand Dina ganz in Ordnung. Doch dann verliebt sie sich in den Hotelier Raffaelo - völlig unpassend! Niemals wird Bella diesen Aufsteiger akzeptieren …

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Seitenzahl: 220

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IMPRESSUM

Ich entscheide mich für Dich erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© by Violet Winspear Originaltitel: „The Sun Tower“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 149 - 1978 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Umschlagsmotive: olesiabilkei / GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733757267

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Die Musik wurde leise von der Terrasse des Countryclubs herübergetragen. Das Mädchen stand allein am weit geöffneten Fenster und summte ein paar Takte der amerikanischen Melodie mit, nach der die Paare tanzten.

Ein unmerkliches Lächeln flog über ihr Gesicht. Dann blickte sie nachdenklich in den dunklen Park hinaus. Kein anderer Song hätte den Zustand besser beschreiben können, in dem sie sich gerade befand. Es war, als spielte die Band dieses Stück nur für sie.

Bay Bigelow, ein gut aussehender, hochgewachsener Mann, war Abkömmling einer wohlhabenden, alteingesessenen Familie. Aber Dina hatte von Anfang an gewusst, dass sie ihn nicht liebte. Die Verlobung mit ihm kam dennoch für niemanden überraschend.

Sie war zustande gekommen, wie das häufig in Familien der oberen Gesellschaft zu beobachten war: Man war sich in den vielen gemeinsamen Stunden im Countryclub fast zwangsläufig nähergekommen. Ein leichter Druck seitens der Eltern tat das Übrige, und irgendwann bot der junge Mann dem Mädchen einen Ring an, den sie annahm, bevor sie sich über die Bedeutung recht im Klaren war.

Diese Art Verbindung hatte natürlich auch ihren eigenen Reiz, aber wo blieb die atemlose Romantik, wo die leidenschaftliche Begegnung zweier wirklich verliebter Menschen?

Aber da war ihre Patentante Bella Rhinehart, der sie viel verdankte. Sie hatte Dina zu sich genommen, nachdem Lewis Caslyn Pleite gegangen war und Gerüchte über einen Wertpapierschwindel nicht wieder verstummten.

Jahrelang noch hatte Lewis, ihr Vater, in einer baufälligen Hütte in Malibu gelebt. Dann war er ganz plötzlich wie vom Erdboden verschwunden. Er wurde nie wieder gesehen. Es wurde angenommen, dass er ins Meer gegangen sei, um sich mit all seinen Enttäuschungen zu ertränken.

Bella wurde daraufhin zum offiziellen Vormund für Dina erklärt. Sie kümmerte sich um Dina wie um eine eigene Tochter, schickte sie auf die besten Schulen und machte Pläne für ihre Zukunft. Dabei brachte Bella es mit sanftem Druck fertig, in Dina das Gefühl einer Verpflichtung ihr gegenüber zu stärken. So, als müsste sie immer dankbar für ihr neues Zuhause sein und für die eleganten Kleider, vor allen Dingen aber auch dafür, dass sich ein Mann wie Bay Bigelow für sie interessierte.

Dina wusste, dass Bella ihr gekonnt ein Gefühl für Pflichtbewusstsein anerzogen hatte. Dieses Gefühl war auch dafür verantwortlich, dass sie jetzt diese Verbindung einging, eben weil Bella es so wollte. Genau genommen war es ja nur eine kleine Gegenleistung für die Sicherheit und Geborgenheit, die Dina in dem schönen Haus in Satanita erfahren hatte. Dies war immerhin für sie ein richtiges Zuhause geworden. Sie liebte diesen Ort, den Garten mit den Orchideen und mit den großen, alten Bäumen.

Die Band spielte inzwischen eine andere Tanzmelodie, aber Dina nahm das nur ganz am Rande wahr. In ihrer Stimmung trat aus einem unerfindlichen Grund plötzlich eine Änderung ein. Eine eigenartige Spannung bemächtigte sich ihrer. Sie spürte, nicht mehr allein zu sein. Über die Schulter warf sie einen Blick hinter sich ins Zimmer, aber sie war immer noch die Einzige. Auf dem Billardtisch in der Mitte des Raumes lagen wie verloren einige Kugeln.

Dina wandte sich wieder dem Fenster zu und starrte in die dunkle Nacht. Eine Zeit lang stand sie gedankenversunken und bewegungslos da, dann entdeckte sie plötzlich im matten Spiegelbild der Fensterscheibe neben ihrem eigenen noch ein weiteres Gesicht. Sie erschrak, denn sie hatte niemanden näherkommen hören. Es war, als müsste ihr Herz für einen Augenblick stillstehen. Das Spiegelbild, das sie anstarrte, gehörte einem Mann. Seine Augen blickten sie unverwandt an, und es war ihr unmöglich, sich abzuwenden. Als sie sich schließlich mit einem Ruck umdrehte, gab es kein Entkommen. Die Augen fixierten sie mit einer solchen Macht, dass es ihr unmöglich war, auch nur einen winzigen Schritt zu tun.

Er sprach kein einziges Wort. Die braune Haut im Gesicht war wie von allen Wettern dieser Welt gehärtet. Der schwarze Schnurrbart passte genau zu den buschigen, dunklen Augenbrauen und den darunter liegenden metallisch-grauen Augen.

In der Stille des langen Augenblicks erschien es Dina, als hätte ein unbekannter Bildhauer diesen Mann geformt, ihn dann dem Wind, der Sonne und allen Widrigkeiten des Lebens ausgesetzt, die ihre Zeichen in sein Gesicht gegraben hatten. Das gab seinem Erscheinen einen gefährlichen Ausdruck, einen unbeschreiblichen, eigenartigen Reiz. Er war bestimmt kräftig, zwar nicht im Entferntesten schön, aber dafür von einer starken Anziehungskraft, die wie Fesseln wirkte.

„Das ist doch kein Spiel, das Sie allein spielen können?“, sagte er, und in seiner Stimme lag ein rauer Ton. Dieser Klang ließ sie zusammenzucken, er berührte sie unangenehm bedrohlich. Was war das nur für ein Gefühl, das sie in seiner Gegenwart hatte? Er machte den Eindruck eines Tigers, der jetzt in der Nacht auf die Jagd ging.

„Von welchem Spiel reden Sie überhaupt?“, fragte sie und konnte sich die Antwort schon denken. Welches Spiel konnte wohl gemeint sein, wenn ein Mann einer Frau allein begegnete, während alle anderen tanzen und sich amüsieren? Wo war nur ihr charmanter Bay in dieser Minute? Sicherlich saß er wieder mit irgendwelchen Freunden zusammen und unterhielt sich mit ihnen über Polo!

„Es könnte jedes Spiel sein, nicht wahr?“, antwortete der Fremde gelassen. Er sah sich um und deutete dabei mit der langen, dünnen Zigarre auf den Spieltisch. „Zum Beispiel Scrabble oder Billard. Sie haben die Wahl.“

„Sie wollen mich zum Spielen auffordern?“, fragte sie, und ihre hellbraunen Augen blitzten ihn aus ihrem unbewegten Gesicht an.

„Würden Sie denn tatsächlich spielen wollen?“ Er führte gekonnt die Zigarre an die Lippen, nahm einen kleinen Zug und ließ sich die blaue Wolke um das Gesicht wehen. „Es könnte sein, dass Sie in mir einen Gegner gefunden haben, der Ihnen ein, zwei gute Partien bietet!“

„Ich spiele überhaupt nicht!“, entgegnete Dina kühl. „Im Übrigen bezweifele ich, dass Sie überhaupt Interesse an einer Partie Scrabble haben.“

„Sie fangen schon an, mich mit ihren Zweifeln zu überschütten, obwohl wir uns gerade erst begegnet sind.“ Er zog nachdenklich die Augenbrauen hoch, und sie konnte deutlich sehen, wie das Ende seines Bartes diese Bewegung mitmachte. „Wenn das Tanzen da drüben Sie schon nicht fesseln konnte, dann müssen Sie doch wohl auf der Suche nach etwas anderem sein.“

„Glauben Sie etwa, ich bin auf Ihre Gesellschaft erpicht?“, fragte sie ärgerlich. Ihre Augen waren wie Eis, als sie seinen Blick fest erwiderte. „Ich bin hier, weil mir der Lärm und das Geschnatter der Leute auf die Nerven ging.“ Zur Bestätigung dessen, was sie soeben festgestellt hatte, nickte sie noch einmal entschlossen.

„Na schön, wenigstens können Sie also schweigen.“ Er stellte es wie beruhigt fest, und seine Augen wanderten an ihrem schlanken Körper herunter, der sich durch das eng anliegende Seidenkleid modellierte. Dann fiel sein Blick auf ihr Kinn mit dem kleinen Grübchen, das ihr so gut stand. Sein Gesicht machte jetzt dem Anflug eines Lächelns Platz. Ihre Augen hingegen blieben kühl und abweisend. Sie war nahe daran, den Raum einfach zu verlassen und blieb nur, weil sie nicht einsah, warum sie sich von einem fremden Mann vertreiben lassen sollte.

Sie hatte ihn noch nie zuvor im Club gesehen, da war sie sich sicher. Sein Gesicht hätte sich ihr unbedingt eingeprägt, und wenn es nur wegen des verächtlichen Zuckens in den Augen war. Diese Augen, die noch die hellsten Punkte in seinem dunklen Gesicht ausmachten, mussten jedem in Erinnerung bleiben, der sie einmal gesehen hatte.

Er war Ausländer, das stand für Dina fest. Irgendetwas an seiner Art hatte sie unangenehm berührt, und so sagte sie kalt: „Und wer sind Sie? Sicherlich einer der Kellner des Clubs, wenn ich mich nicht täusche.“

Sein Gesicht verzog sich. Sie konnte sehen, wie seine Wangenmuskeln spielten, bevor er beherrscht antwortete:

„Diese Bemerkung mussten Sie wohl machen, wie? Es scheint mir, Sie brauchen jeden Abend ein Objekt, an dem Sie ihre Enttäuschung auslassen können.“

„Wie können Sie es wagen …? Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?“, schnaubte sie.

„Hatten Sie das nicht eben gerade schon treffend festgestellt?“, gab er zur Antwort, der aufsteigende Rauch aus der dünnen Zigarre verfing sich in einer Haarsträhne, die ihm in die Stirn hing. „Verehrte Lady, ich bin tatsächlich Angestellter des Clubs. Ich bin für das Büfett und die Getränke zuständig, auch wenn ich kein Kellner bin. Heute Abend hatte ich geschäftlich einiges mit dem Vorsitzenden des Clubs zu besprechen. Sein Büro ist auf diesem Flur. Im Vorbeigehen hatte ich Sie gesehen. Sie standen in Gedanken vertieft am Fenster, und ich hatte das Gefühl, dass solche Gedanken nicht in diese Umgebung passen. Sie sahen aus wie jemand, dem es gut tun würde, mit einem Fremden zu reden. Ein Fremder kann manchmal ein besserer Helfer sein als nahe Bekannte oder Freunde!“

Er sprach bedachtsam und mit diesem eigentümlich rauen Unterton in der Stimme, der sie zwang, ihn anzusehen. Seine Augen waren in ihrem metallischen Grau wie Jalousien, die es ihr unmöglich machten, seine Gedanken zu erraten.

In diesem Augenblick spürte sie ihren Puls so stark, dass sie fürchtete, auch er würde ihre Unruhe wahrnehmen können. Allein seine Gegenwart empfand sie wie einen Angriff auf ihre verborgen Gefühle. Sie konnte ihm nicht mehr in die Augen sehen und wandte sich von ihm ab.

„Ich war sehr unhöflich zu Ihnen“, sagte sie leise und versucht seinem Blick zu entgehen, „aber ich – ich war nur tief in Gedanken versunken, und Sie – Sie haben mich einfach erschreckt. Sie müssen mich jetzt für sehr eingebildet halten, nachdem ich so zu Ihnen gesprochen habe, doch Sie dürfen mir glauben, dass ich nicht wie die meisten anderen Mitglieder bin, die den Club für ihr Allerheiligstes halten.“

„Machen Sie sich keine Sorgen darum!“ Eine kleine Rauchfahne begleitete seine Worte und bildete aufsteigende Kringel zwischen ihnen. „In meinem Beruf legt man sich frühzeitig eine lederne Haut zu. Sie haben mich nicht verletzt. Aber nun heraus mit der Sprache: Dové el dolore, wie wir in Mailand zu sagen pflegen!“

„Ich spreche kein Italienisch“, entgegnete sie und bemerkte, dass sie den Augenblick verpasst hatte, an dem sie noch schnell hätte weglaufen können, um die Begegnung mit diesem fremden Mann zu vergessen. „Was bedeuten die Worte?“, fragte sie.

„Wo tut es weh“, übersetzte er bereitwillig.

Ihre Augen weiteten sich und sahen ihn ungläubig an. Nie zuvor hatte ihr jemand diese Frage gestellt. In ihren Kreisen ging man immer davon aus, dass das Leben nur angenehme Seiten hatte, noch dazu, wenn man ein schönes junges Mädchen war.

„Diese Frage ist sehr persönlich. Sie sollten mich nicht so etwas fragen.“ Ihre Stimme zitterte leicht, und ihre Augen wanderten unruhig rechts und links um ihn herum, als suchten sie nach einem Weg, seinem Blick zu entkommen.

Dina wurde sich plötzlich des Kontrastes bewusst, in dem sie zu diesem Mann stand. Er so dunkelhäutig, was ihn zwangsläufig gefährlich aussehen ließ, sie dagegen so hell mit ihren blonden Haaren und den bernsteinfarbenen Augen.

„Ich mache vieles, was ich eigentlich nicht tun sollte“, gab er schamlos offen zur Antwort. „Zum Beispiel, eine junge Frau der kalifornischen Gesellschaft anzusprechen. Aber mein Wesen ist italienisch, und das erlaubt mir, Ihnen auch solche Fragen zu stellen, die Sie nicht gerne hören.“

„Ist es italienische Eigenart, bei einem zufälligen Zusammentreffen gleich persönlich zu werden?“, fragte sie und sah ihn wieder an. Dabei empfand sie plötzlich eine gewisse Faszination, mit einem Mann allein zusammen zu sein, der sie so unerschrocken angesprochen hatte. Aber warum auch nicht? Morgen früh schon würde sie das vergessen haben, denn sie würden sich nach diesem Gespräch nicht mehr wieder sehen.

„Nun“, fragte er gedehnt, „was lesen Sie in meinen Augen?“

„Dass Sie Ihre Arbeit lieben und nebenbei gern mit dem Feuer spielen“, entgegnete sie, ohne zu zögern.

„Stimmt, ich habe immer mehrere Eisen im Feuer“, lachte er und nickte. „Aber sagen Sie selbst: Was wäre das Leben ohne Klippen, die es zu umschiffen gilt, ohne Feuer, durch das man springen muss, und ohne den süßen Honig, den man probieren will?“ Während er sprach, flog ein lautloses Lachen über sein Gesicht, ein Lachen, von dem ein dunkler Zauber ausging.

„La belle au bois dormant“, sagte er betont. „Ich nehme an, dass Sie Französisch gelernt haben?“

„Ja! Aber eine schlafende Schönheit bin ich nicht.“ Ihre Stimme sollte abweisend klingen. „Und ebenso wenig sind Sie ein Märchenprinz!“ Dina hörte sich lachen, was ihn allerdings nicht zu beeindrucken schien. Er hob die dünne Zigarre hoch und blickte sie prüfend an, als wolle er die leicht gekrümmte Asche allein mit seinem Blick zum Fallen bringen.

Dieser Mann scheint sich nicht die Spur darum zu kümmern, was andere Menschen über ihn denken, stellte Dina fest. „Für Ihre Art sind Sie bestimmt schon stadtbekannt?“, sagte sie laut und rümpfte zum Zeichen des Widerwillens die Nase.

„Darauf würde ich an Ihrer Stelle nicht wetten“, entgegnete er und lachte dunkel. „Aber wer sind Sie, wenn nicht Dornröschen oder eine andere Prinzessin? Etwa eine angehende Nonne?“ Seine Augen hefteten sich auf ihr Dekolleté.

„In langem Abendkleid und silbernen Tanzschuhen?“, lächelte sie leicht nervös. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals ein solches Gespräch mit einem Mann geführt zu haben.

„Es gibt Frauen, bei denen es keine Rolle spielt, ob sie sich hinter hauchdünner Seide oder in einer härenen Kutte verstecken. Das Temperament darunter können sie nicht verbergen. Aber ich möchte wirklich wissen, was Sie bewegt, was Sie beschäftigt. Sie sehen aus, als könnten Sie sich nicht recht entscheiden – entweder für Hochzeitsglocken oder für Ihren inneren Frieden?“ Er sah sie durchdringend an.

„Wie können Sie es wagen?“, erwiderte Dina wütend, aber sie unterbrach sich, als er auf den diamantenbesetzten Ring an ihrer linken Hand deutete.

Sie warf selbst einen flüchtigen Blick auf das Geschenk, dass Bay ihr mit einem gütigen Lächeln überreicht und über das sie sich so sehr gefreut hatte. Plötzlich war ihr, als bekäme sie keine Luft. Sie hätte sich am liebsten auf ein Pferd geschwungen, um in die Nacht hinauszureiten, um das Gefühl der Freiheit zu spüren und sich den Wind um die Ohren pfeifen zu lassen.

„Wer – wer sind Sie eigentlich?“, schnaubte sie, schob ihr Kinn vor und ließ ihn nicht aus den Augen. „Der große Abenteurer aus dem Süden, wie?“

„Ich bin Raffaelo Ventura, gute Freunde nennen mich beim Vornamen!“ Er erwiderte ohne das Gesicht zu verziehen ihren Blick, und Dina merkte, dass sie sich ihm nicht entziehen konnte und hörte ihm schweigend zu.

„Sie werden sicher nicht überrascht sein, wenn ich Ihnen sage, dass mein Großvater noch sein Brot mit dem Besen in der Hand verdient hat. Er war Straßenreiniger in Mailand. Dann ist er nach Amerika ausgewandert und hat sich hier selbstständig gemacht. Von seiner Art habe ich viel geerbt. Sie ist Teil meiner selbst. Nun wissen Sie, wer ich bin.“

„Sie machen aber den Eindruck, als seien Sie nicht unter Straßenfegern, sondern eher unter den Straßenräubern Siziliens aufgewachsen“, stellte Dina fest und machte einen Schritt auf ihn zu. Seine Nähe ließ sie erschauern. Was war das für ein Mann, der sie so in seinen Bann schlug? Sie hatte das Gefühl, ihre Beine nicht mehr bewegen zu können.

„Nur die Unschuld ist imstande, die Sünde zu entdecken“, murmelte er leise, „denn sie liebt sie.“

„Sie sind willkommen“, entgegnete sie ohne zu wissen, was sie sagte.

„Bis zur Türschwelle, ja, ich weiß. Und wenn ich es wagte, die Schwelle zu überschreiten, würden Sie mir den Weg versperren.“ Er stellte das eher fest, als dass er sie fragte.

„Sie haben wohl plötzlich Angst vor Ihrer eigenen Courage?“ Dina sah ihn offen an.

„Hat nicht jeder Mensch ein wenig Angst?“, fragte er zurück.

Nach einer kurzen Pause unterbrach sie die Stille. „Ein Heiliger sind Sie jedenfalls nicht, eher das Gegenteil.“

„Ein Mann der Sünde also?“, fragte er überrascht.

„Jedenfalls sind Sie ein Mann, der sein Handeln nicht von Begriffen wie Sünde und Tugend abhängig macht“, sagte Dina.

„Und was glauben Sie?“

Sie sah an ihm herunter. Von ihren Begegnungen mit jungen Männern, die alle Tennis oder Polo spielten, wusste sie, dass so nur ein durchtrainierter Körper aussehen konnte.

„Sie haben einen starken Willen zu arbeiten, voranzukommen auf bestimmten Gebieten. Mir scheint, Sie müssen immer in Bewegung sein.“

„Das ist aber schlecht mit dem zu vereinbaren, was Sie eben noch festgestellt haben. Ich sähe aus wie ein Straßenräuber. Das sagten Sie doch, nicht wahr?“

„Ich sagte nur, dass Sie so aussehen, nicht dass Sie auch einer sind!“, entgegnete Dina schnell. „Oder habe ich etwas behauptet, dass Sie anderen Menschen Geld, Schmuck und andere Dinge stehlen?“

„Und wie sieht es mit Frauen aus, gar mit den Frauen anderer Männer? Wie beurteilen Sie mich in diesem Punkt?“ Seine Augen blitzten sie an.

„Auf diesem Gebiet sind Sie bestimmt skrupellos.“

„Wir sind hier ziemlich allein, wir zwei“, sagte er langsam, „wir könnten doch Ihre Meinung über mich einem kleinen Test unterziehen.“ Während er sprach, musterten seine Augen provozierend ihren schlanken Körper, als ob er sie ausziehen wollte.

„Nehmen Sie sich in acht, Signore!“, fuhr Dina ihn an. „Mein Verlobter war früher einmal Boxer. Es könnte Ihnen sonst um Ihre schöne italienische Nase leidtun.“

Sein Gesicht zeigte ein unverschämtes Grinsen, als er bedächtig über die romanischen Konturen seiner Nase fühlte und dann sagte: „Sie sind also absolutes Sperrgebiet? Sozusagen verbotenes Territorium mit einem Siegel aus Diamanten, wie?“

Trotz des ungenierten Wortwechsels, den sie führten, spürte Dina, dass er unterschwellig nicht nur frivole Absichten hatte. Dennoch – er war bestimmt nicht der Typ, der lange nachdachte, wenn ihn eine Frau interessierte, die er haben wollte.

„Ich – ich habe noch nie in meinem Leben so eine Unterhaltung geführt“, entfuhr es ihr, „dazu noch mit einem Fremden!“

„Das ist genau der Grund, warum Sie mit sich so unzufrieden sind!“, sagte er schnell. „Sie verschließen Ihr Innerstes vor allen Menschen, Signora. Aber ich könnte Ihnen jetzt mehr über Sie erzählen, und wäre es nicht faszinierend, wenn Ihnen der große Fremde ein Bild von Ihrem Charakter zeichnet? Sie selbst haben ja mein Bild schon entworfen.“

„In Ihren Augen darf eine Frau doch nichts anders machen, als zu Ihnen aufblicken!“, entgegnete sie wütend.

„Wieder so eine schlimme Unterstellung“, sagte er spöttisch. „Wir Italiener sind in Ihren Augen entweder Gauner, Gangster oder Hoteliers, anders sehen Sie uns wohl gar nicht erst?“

„Und Sie gehören zur ersten Gruppe“, sagte sie prompt.

„Würde Sie das faszinieren, oder würden Sie vor lauter Schreck aus Ihrem Seidenkleid fahren und das Weite suchen?“

„Sie sind nicht gerade sehr charmant, aber Benehmen ist ja auch Glückssache!“ Dina schnappte nach Luft.

„Sachte, sachte“, versuchte er sie zu beruhigen. „Sie waren die ganze Zeit über so kühl und reserviert, dass ich nicht anders kann, als Sie einer kleinen Schockbehandlung auszusetzen. Was, wenn ich wirklich ein Gangster wäre? Würden Sie dann schreiend davonlaufen?“

Sie starrte ihn an und spürte wieder diese seltsame Angst in der Magengrube. Seine dunkle, leicht vorgebeugte Gestalt wirkte jetzt noch furchterregender auf sie als vorher. Er könnte wirklich ein Mann aus der Unterwelt sein. Ein Ganove, der in der Seitentasche seines Jacketts einen schweren Revolver verborgen hielt. Raffaelo Ventura! Allein dieser Name war doch ein Hinweis auf dunkle Geschäfte … Vielleicht sogar auf die Mafia, diese düstere Organisation.

„Nein, schreien würden Sie nicht, wie ich Sie kenne“, stellte er fest und sah sie prüfend an. „Aber Sie würden sich mit Klauen und Zähnen verteidigen, um Ihre Ehre zu retten, stimmt’s?“

„Stellen Sie sich nur vor: Ich finde, dass es wert wäre, dafür zu kämpfen.“ Sie warf den Kopf zurück und sah ihn entschlossen an.

Dabei war ihr gar nicht so tapfer zumute. Das Wort Ehre war gefallen, und es erinnerte sie an ihren Vater und an Schatten von Unehrenhaftigkeit, die er durch seinen Lebenswandel auch auf sie, seine Tochter, geworfen hatte. Hatte sie überhaupt ein Recht, von Ehre zu sprechen?

„Sie würden in hellen Flammen stehen, wenn jemand Ihre harte Schale aufbrechen könnte, habe ich recht, Dina?“ Er sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Woher kennen Sie meinen Namen?“, fragte sie erschrocken. „Wir haben uns doch noch nie gesehen!“

„Und dieses Treffen hier war für sich allein schon sehr unwahrscheinlich, nicht wahr? Wenn man einmal bedenkt, zu welch verschiedenen Kreisen wir gehören.“ Er lachte und zeigte dabei eine Reihe schneeweißer Zähne, die sich gegen den schwarzen Schnurrbart gut abhoben.

„Sie sind eine betörende, aber auch kluge Frau, Dina.“ Er sah sie an, als suchte er etwas in ihren Augen. „Sie werden es sich nicht erlauben, Ihrem Verlobten von diesem Gespräch zu berichten.“

„Und wenn ich es tue?“

„Ich glaube, Ihr Verlobter würde sie eines Gespräches, wie wir es eben geführt haben, gar nicht für fähig halten“, lachte er spöttisch. „In seinen Augen sind Sie ein unnahbares Geschöpf, das auf einem weißen Marmorpodest steht, verhüllt und nicht ein bisschen süßer als gefrorener Honig.“ Wieder zeigte er die Zähne, als sich sein Gesicht zu einem zynischen Lachen verzog, das erst einem ernsten Gesicht wich, als er nach kurzer Pause fortfuhr: „Sicherlich kommt es vor, dass er Ihnen dann und wann ein Geschenk macht. Zum Beispiel den Diamantring, den Sie da tragen, oder die Ohrringe mit den Perlen, die Ihnen so gut stehen. Aber hat er sie eigentlich jemals in seine Arme geschlossen und Ihnen das Gefühl gegeben, durch und durch eine Frau, seine Geliebte zu sein?“

„Sie gehen entschieden zu weit!“, protestierte Dina und trat einen Schritt zurück. Sie hielt sich mit einer Hand an der Ecke des Billardtisches fest und sah mit weiten Augen, dass er ihr folgte. Dann packte er sie und presste sie gegen den Tisch. Mit beiden Händen hielt er ihre Hüften umschlossen, ließ sie nicht wieder los. Ihre Sinne waren zum Zerreißen angespannt.

„Ich glaube nicht, dass ich zu weit gegangen bin“, sagte er, „noch nicht. Hören Sie die Musik? Hören Sie, was die Band drüben spielt?“

Sie lauschte angestrengt, aber sie hörte nur ihr eigenes Herz in wildem Rhythmus schlagen. Es pochte so laut in den Ohren, dass sie erst nach geraumer Zeit die Melodie erkannte: Plaisir d’amour …

„Kennen Sie es? Haben Sie es jemals gefühlt?“, fragte er und riss sie aus ihren wirren Gedanken.

„Lassen Sie mich los!“, keuchte sie. Sie versuchte, sich aus seiner Umklammerung zu befreien, aber je mehr sie sich wand, um so fester wurde sein Griff. Durch das dünne Kleid spürte sie seinen Körper und seine Kraft, der sie nicht entkommen konnte. „Wie können Sie es wagen? Stellen Sie sich vor, jemand kommt jetzt hier herein, was dann? Jeder müsste denken, ich hätte diese Situation gewollt, ich hätte …“

„Haben Sie das etwa nicht?“, fragte er höhnisch. „Haben Sie denn nicht die ganze Zeit nach einem Mann Ausschau gehalten, schon den ganzen Abend, der Ihnen seine Aufmerksamkeit schenkt? Sie sind doch nur vor der romantischen Musik geflohen, weil Sie Ihnen in Ihrer Lage wie ein Schlag ins Gesicht vorkam.“

„Sie sind ein Teufel!“, sagte Dina gepresst. Noch nie hatte sie sich in ihrem Leben so hilflos gefühlt. Wenn sie jetzt schreien würde, kämen alle Leute herbeigelaufen, und sie könnte sagen, der Mann habe versucht, sie zu vergewaltigen. Jeder würde ihr glauben, denn immerhin war sie Dina Caslyn, der Schützling einer der reichsten Witwen Pasadenas und die Verlobte von Bay Bigelow, ein Mädchen, von dem bekannt war, dass es nicht flirtete und seinen Charme wahllos verschenkte. Aber sie ließ den Gedanken, um Hilfe zu rufen, wieder fallen.

Stattdessen presste sie die Zähne aufeinander und beschloss, schweigend gegen diesen Mann anzukämpfen, dessen erste Berührung genügt hatte, ihr das Blut in den Kopf schießen zu lassen.

Sie gehörte zu Bay, ihr Leben war sorgsam im Voraus geplant, auch wenn sie jetzt wie ein zitternder Pfeil eingespannt war in diesem lebenden Bogen von zwei Armen, die nicht nur stahlhart waren, sondern geschmeidig wie eine Sehne.

„Nennen Sie mich nicht Teufel, bevor Sie es auch wirklich meinen.“

„Sie sind abscheulich!“, stieß sie hervor. „Sie tun alles, um mich kompromittieren.“

„Na, na“, lacht er, „wenn uns jemand in dieser Stellung erwischt, können Sie immer noch die Wutentbrannte spielen und mich mit Ihren hübschen Fäusten bearbeiten. Mir würde dann kein Mensch Glauben schenken.“

„Wenn Sie das so genau wissen, dann können Sie mich jetzt gleich loslassen, bevor jemand hereinkommt. Die Musik ist vorüber, und mein Verlobter ist bestimmt schon auf der Suche nach mir, um mich nach Hause zu bringen.“

„Was für ein liebenswerter Mensch muss das sein“, spottete er, „eine kleine Fahrt zurück an der Küste lang, kühler Wind und Mondschein, zu Hause dann ein flüchtiger Kuss, bevor er Satanita wieder verlässt.“

„Woher wissen Sie so viel über mich?“, fragte Dina erstaunt. „Ich jedenfalls kenne Sie nicht und habe Sie nie gesehen!“

„Nein“, entgegnete er mit fester Stimme, „diese überkandidelten Countryclubs sind auch nicht meine Welt. Aber ich habe Sie auf dem Sonnenturm auf Las Palmas gesehen. Das ist der Ort, wo ich zu Hause bin. Sie waren mit ihrer Patentante dort!“

„Ja …“, nickte Dina und schluckte einige Male, bevor sie weitersprechen konnte. „Ich kann mich nicht an Sie erinnern!“ Sie wusste genau, dass sie sein Gesicht nie vergessen hätte. War er wirklich dort gewesen?

Als ob er ihre Gedanken erraten hätte, sagte er: „Ich saß auf meiner Privatterrasse, als Sie unten am Pool waren. Sie trugen einen weißen Bikini. Ich erinnere mich noch genau, dass ich noch nie einen so jugendlichen und doch schon so weiblichen Körper gesehen hatte. Ihr Haar glänzte silbern zu mir herauf.“ Er hatte den Griff etwas gelockert, hielt sie aber immer noch fest.

„Bitte! Lassen Sie mich gehen! Was Sie sagen, ist …“

„Sie haben ja aufgehört, sich zu wehren“, unterbrach er sie einfach.

„Ja – weil ich außer Atem bin!“, entgegnete sie.