Ich habe sie getötet - Ali Knight - E-Book

Ich habe sie getötet E-Book

Ali Knight

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Beschreibung

Kate Forman scheint die perfekte Ehe zu führen. Doch eines Abends kommt ihr Mann Paul mit Blut an den Händen nach Hause und flüstert: »Hilf mir – Ich habe sie getötet…« Am nächsten Tag streitet er alles ab, doch in Kate ist der Keim des Verdachts gelegt. Ein alptraumhaftes Rennen gegen die Zeit beginnt, in dem Kate sich schließlich fragen muss, ob Vertrauen gleichzusetzen ist mit Tod.

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Ähnliche


Ali Knight

Ich habe sie getötet

Roman

Aus dem Englischen von Susanne Wallbaum

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Widmung1. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. KapitelEpilogDank

Für Stephen, in Liebe

[home]

1

Ich schlage die Augen auf. Es ist dunkel. Irgendwas stimmt nicht, das spüre ich. Durch die Rollos kriecht ein wenig Licht von den Straßenlaternen herein; der Raum, der allmählich Konturen annimmt, ist mir vertraut. An den Wänden hängen geschmackvolle Drucke. Sessel bewachen den Kamin; auf einem türmen sich Pauls Sachen zu einem wüsten Berg, über dem anderen hängt mein ordentlich zusammengelegter Morgenrock. Ich befinde mich in unserem Schlafzimmer, an einem sicheren Ort, einer Stätte der Zuflucht vor dem brausenden Alltag. Die andere Seite des Doppelbetts ist leer, das Kissen aufgeschüttelt. Paul ist nicht hier. Ich halte die Luft an, denn da ist es wieder, das Geräusch, ein verwaschenes Kratzen oder Schaben, es kommt von überall und nirgends. Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Die Digitalanzeige des Weckers springt auf 3:32, als ich von unten ein Krachen höre. Die Kinder könnten aufwachen. Allein der Gedanke treibt mich unter der behaglich warmen Daunendecke hervor. Ich bin Mutter; Punkt eins der Stellenbeschreibung lautet: Die Kinder müssen beschützt werden, um jeden Preis. Mit langsamen, gezielten Bewegungen rüste ich mich für das, was ich tun muss. Ich greife nach meinem Handy und drehe vorsichtig den Knauf der Schlafzimmertür, um jedes Geräusch zu vermeiden. Unten stöhnt etwas, und es hört sich nicht an wie Paul.

Was als Nächstes geschieht, bin ich im Geiste viele Male durchgegangen, denn Paul ist zurzeit arbeitsbedingt oft weg, und ich finde, ich muss wissen, wie ich kämpfen will für das Einzige, das für mich zählt: meine Familie. Ich bin gern vorbereitet. Und nun spule ich, wie ein Feuerwehrmann im Einsatz, das ganze Programm ab. Ich hole tief Luft, wähle 999, ohne jedoch den grünen Hörer zu drücken, mache das Licht an, laufe, das Handy erhoben wie einen Speer, zur Treppe und schreie in die nächtliche Stille: »Verschwinden Sie aus meinem Haus!«

Dann stampfe ich die Stufen hinunter, umfasse das schneckenförmige Endstück des Handlaufs, schwinge mich, getragen von meinem wachsenden Zorn, herum und sehe gerade noch, wie sich am anderen Ende des Flurs eine Gestalt in die Küche schleppt. »Verschwinden Sie! Raus hier! Die Polizei ist jeden Moment da.« Ich flute mein Reich mit Licht. Unter Getöse geht die dunkle Gestalt mitsamt einem Stuhl zu Boden. Ich hole mir einen Kricketschläger vom Garderobenständer. Er liegt angenehm – tröstlich schwer – in der Hand. Im nächsten Augenblick bin ich schon, die Waffe fest an mich gepresst, in der Küche. »Verschwinden Sie aus meinem Haus!« Sein Gesicht ist dem Fliesenboden zugewandt. Als ich den Schläger erhebe, dreht er sich um, und ich erkenne meinen Mann.

Es ist mein Mann, wenn auch in einer Verfassung, in der ich ihn noch nie gesehen habe. Er weint, schluchzt, schnappt nach Luft; Schnodder läuft ihm in den Mund. Ich werfe das Handy auf den Tisch und lasse den Schläger fallen. »Paul, was ist los, um Himmels willen?«

Er bringt keine Antwort heraus. Als er so zu mir aufblickt, weicht meine Angst um mich selbst der viel größeren Sorge um ihn. Ich versuche, ihn aufzurichten, aber er hängt wie leblos in meinen Armen; zerknittert, gebeutelt, gebrochen, seine ganze Haltung ist dahin. Deshalb habe ich ihn von hinten auch nicht erkannt. Er ist wie ausgewechselt.

»Was ist passiert?«

Paul schlägt sich mit der Faust an die Schläfe und stöhnt. »Kate, Kate …«

»Was ist los, um Himmels willen?«

Schwankend kommt er auf die Knie. Der Autoschlüssel bleibt auf dem Boden liegen. Paul ist ein stattlicher Mann. Groß, mit kräftigen Händen und Schultern zum Anlehnen; nicht zuletzt deshalb habe ich mich vor all den Jahren in ihn verliebt. Bei ihm habe ich mich beschützt gefühlt.

»Hilf mir, Kate …«

An seinen Händen klebt Blut.

»Du blutest!«

Angewidert schaut er auf seine Hände. Er rappelt sich auf, kommt auf die Beine, und ich ziehe vorsichtig an seinem Mantel; irgendwo unter dem dicken Wollstoff muss eine Wunde sein. »Bist du verletzt?«

»Ich … ich … mein Gott, so weit ist es gekommen.«

»Wovon redest du?« Er schließt die Augen, schnieft, schwankt. »Was ist passiert?« Benommen schleppt er sich zur Gästetoilette und beginnt, sich die Hände zu waschen. Blutklümpchen und bräunliches Wasser wirbeln in den Abfluss. »Paul!«

Er wischt sein Gesicht an der Schulter trocken und nickt. »Ich habe sie getötet …«

Während er noch mit den Händen wedelt, um sie zu trocknen, versetze ich ihm einen Stoß gegen die Brust. »Erklär mir, was hier los ist!«

Mein Mann schaut mich an. Seine umwerfenden braunen Augen sind vom Weinen gerötet. »Was für ein Chaos. Was für ein Riesenhaufen …« Er seufzt aus tiefster Seele. »Verdammt, Kate, ich liebe dich!« Und mit diesen Worten fällt er an mir vorbei auf den Boden, in ein Koma, aus dem ihn kein Knuff, kein Stoß und kein Schrei erwecken können.

Zumindest eins kapiere ich: Paul ist betrunken. Sternhagelvoll muss er sein. Es gäbe sicher vieles, was ich jetzt tun könnte, aber zuallererst muss ich pinkeln. Ich sitze auf der Toilette und betrachte den riesigen Körper meines Mannes, wie er da auf dem Boden liegt – die Füße nach innen verdreht, die Handflächen nach oben, als absolviere er eben schnell eine Yogaübung. Dass er es fertiggebracht hat, sich in diesem Zustand hinters Steuer zu setzen, lässt mich vor Zorn beben. Ich packe ihn an den Schultern und schüttele ihn, aber er rührt sich nicht. Spontaneität ist meine Sache nicht; ich muss planen, mich vorbereiten können. Eine Situation wie diese habe ich mir nie vorgestellt, und ich bin vollkommen ratlos, starr vor Schreck angesichts der zahllosen offenen Fragen. Unter heftigem Zerren gelingt es mir schließlich, Paul auf den Rücken zu drehen und ihm den Mantel abzustreifen, wobei ich ihn aufmerksam nach einer Wunde absuche. Dass ich keine finde, erfüllt mich mit erbärmlicher Dankbarkeit; ich kann nämlich kein Blut sehen. Eine Weile bleibe ich neben ihm hocken und starre ihn an. Die festen Linien seines schönen Gesichts sind einer verquollenen Masse gewichen, das energische Kinn hängt schlaff herunter. Paul schnarcht im Takt seines sich hebenden und senkenden Brustkorbs. Im Haus ist es still, meine Kinder schlafen und wissen von nichts. Das laute Ticken der Küchenuhr begleitet sein Schnarchen. Der Kühlschrank summt, und ein Fensterflügel klappert. Alles im Haus fällt zurück in den nächtlichen Modus. Um 3:50 Uhr erhebe ich mich. Wellen von Müdigkeit schlagen über mir zusammen. Mir fällt nichts Besseres ein, als ins Bett zu gehen. Irgendwann wird er schon aufwachen.

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2

Eine gefühlte Sekunde später bohrt sich eine kleine Faust in meinen Bauch.

»Ava! Nicht doch!«

Meine Tochter krabbelt auf mich.

»Lass mich rein, Mami«, bettelt sie und bringt einen Schwall eisiger Luft mit in den warmen Mief unter der Decke. Normalerweise genieße ich es, wenn meine Vierjährige zum morgendlichen Kuscheln zu mir kommt, wenn ich ihre makellos glatte Haut spüre, die kalten Füßchen, die sich gegen meinen Rücken stemmen, aber jetzt ist es zehn nach sieben, ich habe Kopfschmerzen, und es fühlt sich an, als hätte ich Sand in den Augen. Paul ist nicht da. Die aufblitzende Erinnerung lässt mich ruckartig hochfahren. Mein Herz rast.

»Mir ist kalt, Mami!«

Ich fasse es nicht: Wie konnte ich meinen Mann in diesem Zustand unten liegen lassen und weiterschlafen? Entsetzt sehe ich seinen reglosen Körper vor mir und dann Josh, wie er über ihn hinwegsteigt, um den Comic-Kanal einzuschalten. Ich springe auf.

»… Papa liegt auf dem Sofa. Er versteckt sich unter einer Decke.«

Ich stolpere hinüber zum Sessel und ziehe meinen Morgenrock an. Ava kratzt sich den blonden Schopf. »Mama? Kann Phoebe zum Spielen kommen?« Ohne sie weiter zu beachten, stürme ich zur Tür. Es ist an der Zeit rauszufinden, was letzte Nacht eigentlich los war.

Im Wohnzimmer ist Paul nicht. Ich treffe ihn in der Küche an, wo er, eine Tasse Tee in der einen, eine Scheibe Toast in der anderen Hand, am Tresen lehnt. Er ist angezogen und rasiert und redet mit Josh, der sich über seine Müslischüssel beugt. Mein Mann sieht vollkommen normal aus. »Hier, ich hab dir auch einen gemacht.« Lächelnd hält er eine dampfende Tasse hoch. Ich erwidere das Lächeln nicht, sondern verschränke in einer »Komm mir nicht so«-Geste die Arme. Er stellt die Tasse ab, lässt das Grinsen sein.

»Was war heute Nacht …?«

»Nichts.«

»Das war nichts?«

»Ich war betrunken und sentimental, weiter nichts.« Er zuckt die Achseln, um die Sache herunterzuspielen.

Ich kneife ungläubig die Augen zusammen. »Aber du hast gesagt, du …« Beide schauen wir hinüber zu Josh, um zu sehen, ob er lauscht. Ich brauche das Wort nicht auszusprechen. Ich weiß nicht einmal, ob ich es könnte, »getötet« – angesichts der Sonne, die durchs Fenster scheint, und der Radiomeldungen über einen Stau auf der M25 erscheint mir das bizarr und melodramatisch.

»Überleg dir, was du sagst.«

»Und was war nun?«

»Nichts!«

»Von wem hast du gesprochen?«

Allmählich spürt Josh, dass hier irgendetwas vom gewohnten Morgenmuster abweicht, und wie ein Igel nach langem Winterschlaf hebt er den Kopf und blinzelt zu seinen Eltern herüber.

Paul starrt mich an. »Von niemandem.« Ich recke meine Hände in seine Richtung und drehe sie hin und her. Er weiß, dass ich das Blut meine.

»Ich habe einen Hund überfahren.«

»Was ist ›überfahren‹?« Ava schlüpft in die Küche. Sie hat eine Polizistenmütze auf.

»Ich finde es unglaublich, dass du in diesem Zustand überhaupt gefahren bist!«

»Bitte, Kate! Ich bin sowieso schon total am Ende. Und habe einen furchtbaren Kater.« Wir fixieren einander.

»Clusters oder Toast, Ava?«, frage ich und gehe zum Schrank.

»Crispies. Ich will Crispies.« Ich nehme eine Schüssel vom Bord und suche einen Löffel heraus.

»Einen Hund?«

»Ja. Und dann fand ich, ich muss ihn wegräumen, und dabei habe ich mich mit … du weißt schon.«

Blut. Du hattest Blut an den Händen, möchte ich sagen, aber ich halte mich zurück. »Was für einen Hund?«

»Was?«

»Welche Rasse?«

»Eine Labradormischung, schätze ich.« Er starrt auf seine Füße. »Ich musste ihn wegschleifen, das war alles andere als angenehm.«

Ich betrachte meinen Mann, wie er hier in der Küche steht, der Dreh- und Angelpunkt der Familie im Kreis seiner Lieben. Ich kenne ihn besser als er sich selbst. Das sagt er oft. Und ich weiß, wenn er auf seine Füße starrt, lügt er.

»Du weißt, welche Rasse, aber du weißt nicht, welches Geschlecht.« Paul sieht mich verständnislos an. »Heute Nacht war dieser Hund eine ›sie‹. Jetzt ist er ein ›er‹.«

Er zuckt die Achseln. Seine Miene verrät nichts. »Wahrscheinlich habe ich das alles in der Nacht überdeutlich wahrgenommen. Ein verletzter Hund kann dir wie ein Mensch vorkommen.« Er trinkt seinen Tee aus und wischt sich ein paar Krümel vom Jackett. »Ich muss los.« Nun macht er einen Schritt auf mich zu, zieht mich an sich, nimmt mich fest in die Arme, wiegt mich langsam und küsst mich zärtlich auf die Stirn. »Ach, Eggy, du bist immer so besorgt um mich.«

Ich habe eine hohe Stirn, die ich noch nie leiden konnte. Und Paul hat mich gleich zu Anfang, als ich ihn und seine Clique gerade erst kennengelernt hatte und mich nach ihm verzehrte, damit gequält, dass er mich zum Ergötzen seiner Kumpel Egghead nannte. Im Laufe der Monate, während ich zu hoffen begann, dass er sich ebenso in mich verlieben würde wie ich mich in ihn, wurde dann Eggy daraus, und heute ist mir dieser Kosename unter allen, die er mir so gibt, der liebste. Arm in Arm gehen wir zur Haustür, und er lächelt schwach. Ich helfe ihm in den Mantel, er greift nach Schal und Tasche.

»Mama, Ava hat Milch über meinen Comic gegossen!« Aus der Küche tönt Geschrei zu uns herüber.

»Schau lieber nach«, sagt Paul und öffnet die Tür.

»Geht es dir gut?« Ich halte mich noch einen Moment an ihm fest, um die Unzufriedenheit loszuwerden, die von meiner wenig erfolgreichen Befragung zurückgeblieben ist. Er nickt und löst sich aus meinen Armen.

»Wirklich?«

»Besser denn je«, sagt er, aber als er den Gartenweg hinuntergeht, wirkt er einfach nur traurig.

»Mama!« Während Avas Kreischen Oktave um Oktave schriller wird, stehle ich mich ins Wohnzimmer. Ich sehe die zerwühlte Decke, unter der er geschlafen hat; die Konturen seines Körpers zeichnen sich noch auf den Polstern ab. Er muss zeitig aufgestanden sein, um die Spuren der Nacht zu beseitigen. Es gibt eine Frage, die ich während unseres ganzen Gesprächs nicht zu stellen gewagt habe; den Deckel auf einem Kübel voll Emotionen, den zu lüften ich zu ängstlich war. Warum hat er so jämmerlich geweint, als er da auf dem Küchenboden lag? Vor fünf Jahren ist sein Vater ohne jede Vorwarnung an einem Schlaganfall gestorben. Er war entsetzlich traurig. Sein Schmerz war gewaltig. Aber er konnte ihn nicht zeigen, kein Mann kann das, habe ich gedacht – bis heute Nacht.

[home]

3

Ich heiße Kate Forman und hatte unendliches Glück. Das haben Freunde und Verwandte mir viele Male gesagt, und ich selbst empfinde es auch so. Ich kann einige Erfolge vorweisen: Vor acht Jahren habe ich den tollsten Mann auf diesem Planeten geheiratet. Wir haben zwei schöne, gesunde Kinder und ein Haus, viel größer und stattlicher, als ich es mir je erträumt hätte. Ich bin siebenunddreißig, brauche mein Haar nicht zu färben und passe immer noch in die Klamotten, die ich mir gekauft habe, bevor Ava zur Welt kam (okay, in die aus der Zeit vor Josh nicht; das Mutterwerden fordert von uns allen seinen Tribut, so sehr wir das auch bestreiten mögen). Zufall, Bestimmung, hart erkämpft oder Glück – das will ich nicht wirklich wissen. Ich bin glücklich, und Paul ist es auch, und das ist das Einzige, was zählt.

Dass Paul glücklich ist, weiß ich, weil er erst kürzlich gesagt hat, er glaube, er liebe mich mehr als die Kinder. Er wollte wissen, ob mir das falsch vorkomme, und ich habe gelacht und nur den Kopf geschüttelt. Manchmal denke ich, ich habe Paul gar nicht verdient. Seine Familie ist großartig, viel beeindruckender als meine, er war auf einer angesehenen Privatschule, seine Mutter lebt in einem Herrenhaus auf einem zauberhaften Stück Land, er ist mit eigenem Tennisplatz aufgewachsen, mit zahlreichen Geschwistern, Erstausgaben in den Regalen und Ölbildern, die vielleicht wertvoll sind, vielleicht auch nicht, das interessiert niemanden. Das alles ist viel romantischer als der sterile Stadtrand-Kasten, in dem meine Mutter und mein Stiefvater leben, mit Studienabschlussfotos von meiner Schwester Lynda und mir an der Wohnzimmerwand.

Ich habe Paul an meinem ersten Tag an der Uni kennengelernt. Damals hieß ich Katy Brown. Genau genommen war er der erste Mensch, dem ich begegnet bin, seit ich von zu Hause weggegangen war. Ich hatte mein Fahrrad im Zug mitgenommen; meine Mutter brachte die anderen Sachen mit dem Auto; wir wollten uns auf dem Campus treffen. Paul, zu der Zeit im dritten Studienjahr, fuhr den Kleintransporter, mit dem Neuankömmlinge mitsamt ihrer Habe vom Bahnhof abgeholt und zu den Unterkünften gebracht wurden. Ich war die Einzige, die er auf dieser Tour mitnahm, und ich habe mich auf der Stelle in ihn verliebt. Er war braun gebrannt und – nach den langen Sommerferien, die er irgendwo auf dem Kontinent verbracht hatte – unglaublich gut in Form. Er hatte nur eine Hand am Steuer, sein Ellbogen lag im heruntergekurbelten Fenster, und die Spätsommerhitze verlieh unserer Fahrt einen angenehm unwirklichen Hauch. Während wir große Kreisel umrundeten und über die vierspurigen Ausfallstraßen einer großen und fremden Stadt rasten, war ich durchdrungen von purer Vorfreude auf das, was das Leben für mich bereithielt, von einer freudigen Erregung, wie ich sie seither nicht oft verspürt habe.

Er war zwei Jahre älter als ich und machte ein paar freundliche Scherze über Erstsemester. Ein kleiner Flirt, auf den ich nur zu bereitwillig einging. Er hatte große braune Augen und dunkles, etwas struppiges Haar, das er hin und wieder mit einer mechanischen Handbewegung zu glätten suchte. Sein Haar ist bis heute dicht und leicht struppig. Während er mein Fahrrad aus dem Transporter hievte, gab ich mich der Vorstellung hin, dass es an der Universität nur so wimmelte von solchen phantastischen Männern. Es erübrigt sich wohl zu sagen, dass das nicht der Fall war. Im Lauf der folgenden Wochen hielt ich überall auf dem Campus Ausschau nach ihm, sah ihn aber immer nur kurz. Meistens befand er sich inmitten einer Traube von Leuten. Ein paar Mal winkte er mir von ferne zu, und das war’s. Ich lernte Leute kennen, stürzte mich ins Uni-Leben, wurde durch andere Beziehungen abgelenkt. Als ich nach dem Abschluss nach London kam, dachte ich kaum noch an ihn. Fünf Jahre später fing meine Freundin Jessie an, sich mit Pug zu treffen, und der hatte nicht nur einen albernen Namen, sondern war auch ein guter Bekannter von Paul.

Zu der Zeit war Paul mit Eloide verheiratet. Zuerst dachte ich, er hätte sich versprochen und eigentlich »Eloise« sagen wollen, aber nein, selbst ihr Name musste etwas Besonderes sein – und schwierig. Sie war eine Blondine. Ich bin nicht stolz auf das, was ein Jahr später passiert ist, aber glücklicherweise hatten die beiden keine Kinder, was die Sache etwas einfacher machte. Zwischen uns existierte einfach eine Verbindung, die sich nicht verleugnen ließ. Unsere erste Nacht gehört zu den absoluten Höhepunkten meines Lebens. Es versteht sich von selbst, dass der Sex … es ist mir nicht gegeben, diese Intensität und Unverstelltheit in Worte zu fassen. Zwei Monate nachdem seine Scheidung durch war, wurde ich schwanger.

Das war nicht das Ende unserer Geschichte, nein, sie wurde immer besser. Als ich im siebten Monat war, verbrachten wir ein Wochenende in Paris. Dort machte Paul mir einen Antrag, und geheiratet haben wir, als Josh ein Jahr alt war. Unser Baby sah so süß aus bei der Hochzeit in seinem weißen Matrosenanzug mit blauen Paspeln. Die ganze Zeit während des Gottesdienstes in der hübschen Dorfkirche hat meine Mutter ihn auf dem Schoß gehabt und geschunkelt. Hinterher hat sie geweint und gesagt, das hätte ich sehr gut gemacht.

Zweimal sind wir umgezogen, seit wir zusammen sind – von der Wohnung in ein nettes viktorianisches Reihenhaus und von dort in unser imposantes dreistöckiges Haus in der Nähe des Parks. Paul leitet eine Fernsehproduktionsfirma und ist damit sehr erfolgreich. Es ist bergauf gegangen mit uns. Wenn alles so weiterläuft – wer weiß, was wir uns dann noch leisten? Oder wann Paul sich zur Ruhe setzen kann? Ich arbeite nicht mehr voll. Bevor ich Paul wiedertraf, war ich in der Marktforschung tätig und habe Konsumverhalten analysiert – »herumschnüffeln und dafür bezahlt werden« nannten wir es bei unseren Treffs am Wasserspender –, aber als Josh dann da war, begann ich mich mehr für Pauls Metier zu interessieren und bekam die Gelegenheit, Recherchearbeiten fürs Fernsehen zu übernehmen. Und dabei bin ich geblieben. Jetzt bin ich bei Crime Time, einer wöchentlich ausgestrahlten boulevardmäßigen Show, in der – im Wesentlichen anhand von Material aus Überwachungskameras und Handy-Filmaufnahmen, die Zuschauer einschicken – Verbrecher verfolgt werden, vom kleinen Dieb bis zum Mörder. Obwohl ich drei Tage die Woche arbeite, sagt Paul immer noch, ich probiere ein bisschen herum. Das wurmt mich zwar manchmal, aber es ist schon richtig – meine Domäne ist unser Zuhause, Pauls Domäne ist die Arbeit, und wir begegnen uns in der Mitte, in einer Überschneidung wie bei einem hübschen Mengendiagramm.

Eigentlich sollte es ein Morgen sein wie jeder andere. Ich muss Vesperdosen füllen und zusehen, dass ich Josh und Ava rechtzeitig in die Schule bringe. Normalerweise halte ich einiges aus, aber heute treibt mich das Gestreite der Kinder auf die Palme. Der ganze Küchentisch und ein Stuhl sind mit Milch bekleckert, und Josh wedelt mit seinem übergossenen Comic-Heft, bis alle Bilder hinter Milchrinnsalen verschwinden. Meine Kinder sind total verzogen. Mich beschleicht ein schlechtes Gewissen, weil ich ihnen so viel durchgehen lasse, weil ich im Übermaß an ihnen gutmachen will, was ich in meiner eigenen Kindheit vermisst habe. Paul stört das nicht, er ist sehr nachgiebig.

Ich bahne mir einen Weg durch das Küchenchaos, hebe Pauls Kricketschläger auf, der – von seinem unsportlichen Sohn keines Blickes gewürdigt – immer noch am selben Fleck liegt, und bringe ihn zurück an seinen Platz. Bei dem Gedanken, dass ich Paul um ein Haar damit eins übergezogen hätte, zucke ich zusammen. Er weiß das noch nicht einmal. Wenn es doch nur schon halb eins wäre. Mittagessen mit Jessie. Heute trinke ich Wein.

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4

Jessie ist nicht meine älteste Freundin, aber die unterhaltsamste. Wir haben uns am Trafalgar Square verabredet, ich dachte, weil sie Lust auf einen kurzen Rundgang durch die National Gallery habe, aber als ich den Fuß auf die erste Stufe setze, dreht sie sich in die entgegengesetzte Richtung. Offenbar ist sie nicht darauf aus, sich impressionistische Meister anzuschauen oder im Museumsshop Touristen anzurempeln, um besser an die Postkarten heranzukommen. »Lass uns draußen essen, das wird nett.«

»Draußen?«

»Ja, wir besorgen uns was und picknicken bei den Löwen.«

»Bist du verrückt? Guck dir mal das Wetter an!«

»Wo ist deine Abenteuerlust geblieben? Na los, du bist schließlich mein Gast.« Sie grinst mich an. Wir haben uns zum Essen verabredet, weil sie vor kurzem auf einer Ausstellung ein Bild verkauft hat und mich, um das gebührend zu feiern, einladen will.

Wir stellen uns an einer lauten Sandwichbude an, rennen beim Überqueren vollgestopfter Fahrbahnen um unser Leben und lassen uns schließlich auf der Umrandung eines der Springbrunnen nieder. Butterbrotpapier flattert im Wind, während wir uns über die Sandwiches hermachen und den Wein in Plastikbecher gießen.

»Und? Wie geht’s?«, frage ich und fische eine Tomatenscheibe aus meinem Schinkentoast. »Läuft’s gut mit der Arbeit?«

Weil sie den Mund voll hat, nickt sie zunächst nur energisch. »Ich habe ein paar Leute getroffen, die möglicherweise etwas kaufen wollen. Vielleicht kommt ja was dabei heraus. Mein Gefühl sagt mir, dass ich vor einer Art Durchbruch stehe.«

»Das klingt gut!«

»Könnte aber auch alles nur Gerede sein.«

»Das ist nun mal das Los des Künstlers, oder?«

»Meins jedenfalls.« In Jessies Leben hat es immer nur eine wahre Liebe gegeben: ihre Kunst. Sie hat in Bars und Nachtclubs gearbeitet, um sich das Studium an der Kunsthochschule zu finanzieren; hat in besetzten Häusern gewohnt, um die Leinwand bezahlen zu können; muss auch heute noch andere Jobs machen, damit es für die Ateliermiete und die Materialien reicht. Sie nutzt jede freie Minute zum Malen. »Wie spät ist es?«

Ich schiebe meinen Mantelärmel zurück, um auf die Uhr zu sehen. »Gleich eins. Warum?«

Statt zu antworten, lässt sie ihren Blick schweifen. »He, da ist jemand, den ich kenne.« Sie winkt zwei jungen Männern zu, die ein Stück weiter auf dem Springbrunnenrand sitzen. »Guck jetzt nicht hin, aber mit dem linken bin ich gerade so ein bisschen zusammen.« Ich spähe hinüber; der Typ ist vielleicht zwanzig und hat ein Ziegenbärtchen. »Er ist neunzehn.«

»Dich müssten sie einsperren!«, rufe ich in gespielter Empörung. Im Laufe der Jahre, die ich Jessie nun schon kenne, war sie mit unzähligen Männern zusammen, hat welche abserviert, wurde von anderen verlassen. Ich bezweifle, dass sie alle gleichzeitig in die National Gallery passen würden, wohingegen meine früheren Liebhaber es selbst in meinem Badezimmer schwer hätten, einander näherzukommen. In Jessies Leben hat es viele Leidenschaften gegeben, in meinem eine.

Der junge Mann winkt zurück.

»Kommen sie nicht rüber?«

»Vielleicht gleich noch.«

Ich zucke die Achseln; mir ist das egal. Tauben stoßen herab und tippeln ein paar Schritte; es herrscht ein ziemliches Gedränge. Alles scheint normal, und doch habe ich das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt. »Ist alles in Ordnung, Jessie?« Sie prüft die Nachrichten auf ihrem Handy.

Dann lächelt sie. »Wie noch nie! Was macht Paul?«

Heute wird es mir nicht warm ums Herz, als die Rede auf ihn kommt. »Alles gut so weit. Er ist vielleicht ein bisschen gestresst. Seine Produktionen kommen sehr gut an, glaube ich. Bei Crime Time zum Beispiel steigt die Quote.«

»Schön!«

»Das mit der Zuschauerbeteiligung hat richtig eingeschlagen. Die Leute greifen scharenweise zum Handy und melden sich.«

»Interessant.« Jessie beißt in ihr Mozzarella-Rauke-Sandwich. »Vielleicht sollte ich mit ihm mal darüber reden, wie ich mich am besten verkaufe. Er versteht es einfach, sich von der Masse abzuheben. Wie spät ist es jetzt?«

»Eins. Warum ist das so wichtig?« Sie wischt sich eine Mayonnaisespur aus dem Mundwinkel. Plötzlich wird das Brummen des Verkehrs von dröhnender Musik überlagert. Ich verstehe gar nicht, wo die plötzlich herkommt. »Was ist das?«

Jessie steht auf und fegt die Krümel von ihren Jeans. »Hast du dein iPhone dabei?« Ich nicke. »Hol’s doch mal raus.«

Ein rhythmischer Bass hallt über den Platz, und ein paar Meter von uns entfernt beginnt ein Paar zu tanzen. Es ist unmöglich, dem Sound zu widerstehen; meine Schultern bewegen sich schon, und ich sehe gleich neben uns vier Leute bei einem Line Dance.

»Bin gleich wieder da«, sagt Jessie und gesellt sich zu einer Gruppe von sechzehn Leuten, die sich in zwei Reihen aufgestellt haben und tanzen. Auch ihr Freund und dessen Freund kommen dazu; die Gruppe wird immer größer.

Tauben weichen vor der wogenden Horde zurück. Ich verliere den Überblick. Unmittelbar vor mir vollführen ein paar Leute verrückte, aber schöne Bewegungen. Passanten bleiben irritiert stehen, ein Paar hastet davon, ein Obdachloser steht da wie erstarrt. Unter den Tänzern sind die unterschiedlichsten Leute, alle Altersklassen sind vertreten, manche sehen aus wie höchstens dreizehn, andere wie Ruheständler. Hausfrauen, Frauen mit hohen Hacken, ein schnauzbärtiger Mann.

Inzwischen sind es sicher mehr als hundertfünfzig Tänzer, und keine Frage, sie haben das geprobt; sie bewegen sich völlig synchron. Jessie hat mich zu einem Flashmob gelockt, und wie alle anderen Zuschauer auch zücke ich mein Handy und nehme das auf. Plötzlich fühle ich mich herrlich ungezwungen, ich wiege mich hin und her, überlasse mich dem Rhythmus, erfreue mich an der Absurdität dieser Performance zu Füßen der Nelson-Säule. Was der Admiral wohl davon gehalten hätte?

Jetzt läuft andere Musik, moderner, schneller, und die Tänzer bewegen sich dazu freier, kraftvoller. Ich bin sicher, dass irgendjemand die Aktion filmt und das Video möglichst schnell auf YouTube hochladen wird. Ich stehe auf der niedrigen Springbrunnenumrandung. Auf einem der riesigen Löwen entdecke ich einen Mann mit einer leistungsstarken Videokamera.

Auf den Stufen zur Galerie, in der so viel ehedem moderne und innovative Kunst hinter Glas hängt, drängen sich die Schaulustigen.

Jessie schwingt die erhobenen Arme und singt aus voller Kehle. Die Musik wird immer lauter, die Zuschauer lächeln einander an, irgendwo ruft jemand »Bravo«. Ein letzter Move, eine letzte schwierige Drehung, dann springt die Hälfte der Tänzer auf jeweils einen anderen zu und reißt die Arme hoch.

Ebenso unvermittelt, wie die Musik eingesetzt hat, verstummt sie auch wieder, und die Tänzer gehen auseinander, als sei nichts gewesen. Zwei Polizisten, ihrem Mienenspiel nach zu urteilen hin- und hergerissen zwischen Spaßhaben und Wachsamsein, stehen plötzlich wie gestrandet mitten auf dem leeren Platz. Die Leute auf den Stufen beginnen zu klatschen und lautstark Beifall zu bekunden.

Kichernd sinkt Jessie mir in die Arme. »Ich konnte dir doch vorher nichts sagen. Du hättest dein Gesicht sehen sollen – einfach unbezahlbar!«

»Das war toll. Wie bist du denn dazu gekommen?«

»Wir haben es über Facebook verabredet, uns einmal in einer Lagerhalle in Clapton zum Üben getroffen und es dann einfach gemacht. Es war klasse!«

»Sieh mal.« Die Polizisten sprechen den Mann an, der auf dem Löwen gehockt und gefilmt hat. »Heute Abend bist du wahrscheinlich in den Nachrichten.«

»So berühmt werde ich nie wieder sein.«

»Oh, ich erhoffe mir einiges für dich, Jessie.«

»Komm, wir trinken noch was.« Sie schiebt ihren Arm in meinen.

»Stellst du mir den neuen Mann vor?« Ich schaue mich nach ihm um.

»Ach, der ist nicht wichtig.« Sie zieht mich weiter. »Die Sache ist die, dass ich den verheirateten Mann, mit dem ich mich auch treffe, wirklich ziemlich mag. Ich fürchte, ich verliere da ein bisschen die Kontrolle.« Sie sieht mich besorgt an. »Wenn du das blöd fändest, würdest du’s mir sagen, oder?«

»Ausgerechnet ich? Hast du vergessen, dass Paul verheiratet war, als wir …«

Jessie winkt ab. »Er war doch damals viel zu jung. Das hat nicht gezählt.«

»Er hatte einer anderen die Treue geschworen.«

»Bis dass der Tod uns scheidet«, sagt sie, als wir in die Charing Cross Road einbiegen. »Eigentlich ein guter Titel für ein Bild.« Einen Moment lang sieht sie vor ihrem inneren Auge etwas, das mir verborgen bleibt. »Menschenansammlungen haben eine unglaubliche Macht, oder?«

»Absolut. Organisier sie, und sie machen die verrücktesten Sachen.«

»Und wenn du dabei bist, glaubst – oder tust – du alles.«

»Das lehrt ja die Geschichte. In Gruppen sind Menschen leicht zu manipulieren.«

»Mein Herz rast immer noch.« Jessie schlägt sich an die Brust; ihre Augen glänzen.

»Wer ist dieser verheiratete Mann?«

»Psst.« Sie legt einen Finger an die Lippen. »Ich will es nicht verderben. Der Sex ist schließlich einmalig. Ich würde sterben dafür.«

»Sag so was nicht!« Ich bin doch erstaunt. So redet Jessie sonst nicht über ihr Liebesleben – mit solcher Inbrunst. Unser Gespräch kommt ins Stocken. Sie schweigt, und mich durchfährt plötzlich so etwas wie Eifersucht.

»Wofür würdest du sterben?«

»Na ja.« Ich zucke die Achseln. »Für Paul und meine Kinder wahrscheinlich.«

»Wofür würdest du töten?«

»Jessie!«

»Na los!« Sie stützt sich fester auf meinen Arm.

»Für meine Familie. Meine Familie, und sonst nichts.«

Sie zieht die Nase kraus. »Wie banal. Und sentimental.« Sie ist immer noch auf Wolke siebzehn von ihrem Tanz-Event. Mit ausgebreiteten Armen beginnt sie, sich auf dem Fußweg zu drehen. »Ich würde für eine Ausstellung in New York töten. Für die Titelseite von Art Monthly. Für ein Paar neue Stiefel … Geht’s dir gut?«

Ich bin abrupt stehen geblieben, und Jessie starrt mich irritiert an. Während ihres Geplappers ist mir ein Gedanke eingeschossen: Wofür würde Paul töten? Ich hätte immer gedacht, dass seine Antwort das Spiegelbild zu meiner wäre. Wir waren immer stolz darauf, keine Geheimnisse voreinander zu haben – bis letzte Nacht. Ich kann schlicht nicht glauben, dass er wegen eines Hundes dermaßen aus der Fassung geraten würde. Wenn das Blut aber nicht von einem Tier stammte, von wem dann? Einen Augenblick lang spiele ich mit dem Gedanken, Jessie zu erzählen, was los war, aber das verwerfe ich sofort. Ich glaube, ich werde nie jemandem davon erzählen. Das wird Pauls und mein Geheimnis bleiben, bis dass der Tod uns scheidet – und darüber hinaus.

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5

Am Nachmittag ruft Paul an und sagt, ich brauche nicht zu kochen, er bestellt Curry für alle und bringt es von unterwegs mit. Ich argwöhne, dass seine katergeplagten Geschmacksknospen das Kommando übernommen haben und wir anderen da jetzt mit durch müssen. Curry ist nicht gerade mein Leibgericht. Ich decke den Tisch und versuche halbherzig, Josh zum Helfen zu bewegen, aber der begnügt sich damit, sich gähnend unter dem Arm zu kratzen.

Als Paul kommt, springt Ava ihren Papa dermaßen begeistert an, dass er um ein Haar die Curry-Tüte fallen lässt. »He, du Äffchen!«, ruft er, nimmt sie auf den einen Arm und rudert übertrieben mit dem anderen, als könne er nur so einen Sturz verhindern. Ava juchzt, während er, Curry und Kind fest im Griff, von Wand zu Wand taumelt, bis sie schließlich in der Küche sind. »Ab in den Stuhl mit dir, und schon steht das Essen auf dem Tisch. Puh!« Er dreht sich um und schließt mich in die Arme. »Schön, wieder zu Hause zu sein.« Ich entwinde mich ihm. Die Bilder der Nacht stehen mir noch zu deutlich vor Augen, als dass ich Lust hätte, glückliche Familie zu spielen. Paul füllt mir Hähnchen, Spinat und Kichererbsen auf. »Reis, mein Herz?« Er muss Ava übertönen, die Apfelsaft verschüttet hat und vor Schreck aufschreit.

»Mama! Ich bin klatschnass!« Als ich eine beschwichtigende Geste mache, wirft Josh seinen Papadam auf den Tisch und versetzt seiner Schwester einen Stoß. Sie holt tief Luft, um zum ganz großen Geheul anzusetzen, doch Paul springt auf, schnappt sie sich, nimmt sie auf den Schoß und versucht weiterzuessen, obwohl ihr Kopf ihm dabei im Weg ist.

»Das trieft alles!«, mault Josh. Seine Gabel geht mit Geklapper zu Boden.

Paul hebt sein Wasserglas und prostet mir zu. »Auf ein schönes Abendessen bei den Formans«, sagt er und lächelt mich an.

Ava, die an einem Stück Brot knabbert, fragt: »Wie alt bist du, Mami, siebenundzwanzig?«

»Nein, Süße, ich bin viel älter.«

»Einundzwanzig?«

Ich sehe sie milde an. »Nein, ich bin siebenunddreißig.«

»Ziemlich alt«, erklärt Josh, das Kinn in eine Hand gestützt, während er sich mit den Fingern der anderen Reis in den Mund stopft. Ich sehe zu Paul hinüber, doch der starrt ins Leere.

»Ich habe heute Jessie getroffen. Sie hat mich zu einem Flashmob auf dem Trafalgar Square mitgeschleppt.«

Das scheint ihn zu interessieren. »Ach.«

»Ja. Sie hat da mitgemacht. Es war toll. Ein kurzes Stück davon habe ich auf meinem Handy.«

»Das Fernsehen läuft solchen Sachen immer mehr hinterher. Wenn ich nicht aufpasse, bin ich mit meinen Sendungen irgendwann total überholt.«

»Sie hat einen neuen Du-weißt-schon.« Ich sehe ihn vielsagend an.

»Wer ist es diesmal?«

»Er ist verheiratet.«

Er stöhnt. »Der Ärmste.«

»Paul! Wenn schon, solltest du eher seine Frau bedauern. Schließlich ist sie es, die die Midlife-Crisis ihres Mannes ausbaden muss.« Statt zu antworten, senkt er den Kopf und schnuppert an Avas Haar. Ich stehe am Mülleimer, im Begriff, die Tüte mit den Curry-Überresten wegzuwerfen, und schaue ihn an. »Ist alles in Ordnung?«

Von weit her kehrt er zu uns zurück. »Ja, ja natürlich …«

»Was war gestern Abend los, Paul?«

Er weicht meinem Blick aus. »Nichts.«

»Warum bist du so spät gekommen?« Das werde ich ja wohl fragen dürfen, denke ich und fege ein paar Reiskörner vom Tisch in meine Handfläche.

»Ich war mit ein paar Leuten von der Arbeit unterwegs.«

»Was für Leuten?«

Er sieht mich an. »Du quetschst mich aus.«

»Ich will dir helfen.« Mein Ton wird sanfter. Ich will ihm vermitteln, dass ich uns als Team betrachte, dass seine Schwierigkeiten auch meine sind und dass wir sie gemeinsam durchstehen können. Er hebt Ava hoch und pflanzt sie auf den Stuhl neben seinem, so dass er aufstehen und Besteck in die Spülmaschine räumen kann.

»Ich brauche deine Hilfe nicht, es ist alles okay.« Dann läuft er ziellos in der Küche herum, hebt Dinge hoch, schaut darunter – schon zweimal hat er seine Arbeitstasche an einen anderen Fleck gestellt. Unterbrochen wird unser Gespräch, als er an den Schrank unter der Treppe geht und darin herumkramt.

»Was suchst du denn?«

»Nichts.« Er erscheint wieder in der Küche.

»Und? Mit wem warst du nun unterwegs bis ins Morgengrauen?«

»Mit Lex. Wir sind in einer Bar in der Stadt versackt.«

Ich nicke vorsichtig. So weit, so gut. Lex ist Pauls Geschäftspartner, und seine Lieblingsbeschäftigungen sind trinken, feiern, sich aufführen wie ein Teenager. Unsere Gespräche verlaufen fast immer gleich:

Ich: Werd endlich erwachsen.

Lex: He. Wo ist das Problem?

Paul: Verdreht die Augen und schweigt.

Lex und ich sind nicht gerade Busenfreunde. Sollte das für Paul in all den Jahren, die die beiden nun schon geschäftlich miteinander verbunden sind, jemals schwierig gewesen sein, so hat er es geschickt verborgen.

»Wann bist du gegangen?«

»Weiß ich nicht mehr.«

»Ich hätte nicht gedacht, dass du dich wegen Lex so aufregen kannst.« Das hätte ich besser nicht gesagt. Er wirft mir einen derart finsteren Blick zu, dass mir das Lächeln vergeht. »Wo hast du den Hund angefahren?«

»Überfahren, meinst du.« Schaudernd schüttelt er den Kopf. »Auf der Höhe des Parkplatzes bei der Brücke.« Er betrachtet seine Schuhe. »Ich möchte nicht mehr darüber reden, Kate. Die Sache hat mich genug durcheinandergebracht.«

»Dich durcheinandergebracht!«

»Hör auf, mir zuzusetzen!«

Er verschwindet ins Wohnzimmer und schaltet den Fernseher ein. In mir macht sich Traurigkeit breit, denn er hat mich ausgeschlossen. Josh rülpst. Ava muss kichern. Dabei öffnet sie den Mund, so dass halbzerkaute Schokorosinen auf den Tisch fallen. Ich fauche sie an, sie beginnt zu weinen, ich schäme mich, das ärgert mich, und schließlich bin ich wütend auf Paul, weil er mich in so miese Stimmung versetzt hat, dass ich laut geworden bin. Muttersein: ein unendlicher Kreislauf von Frust und Schuldgefühlen.

Ein paar Stunden später spüre ich, wie neben mir Pauls Körper auf die Matratze sinkt. Ich kriege das, was in der Nacht passiert ist, einfach nicht aus dem Kopf. Pauls Verzweiflung – seine Panik – liegt mir im Magen wie Fast Food. Es will mir keine annehmbare Erklärung einfallen. Würde er sich wegen eines Hundes dermaßen aufregen? Ich kann das nicht glauben – aber vielleicht muss ich es, denn alle anderen Möglichkeiten wären weitaus schlimmer. Das Schreckgespenst einer anderen Frau, einer anderen Leidenschaft, die ihn aus der Bahn wirft, sitzt bleiern bei mir in der Dunkelheit. Wir sind seit acht Jahren verheiratet. Habe ich etwas verpasst? Ich dachte immer, wenn Paul je untreu wäre, würde ich es merken, würde die Anzeichen sehen. Ich bin wachsam. Mein Vater hat meine Mutter verlassen, als ich zehn war. Lynda und ich haben gehört, wie sie sich anschrien, wie die Tür ins Schloss flog. Von uns hat er sich nicht verabschiedet. Seit jenem Abend habe ich meinen Vater vielleicht viermal gesehen; ich habe ihn nicht zu meiner Hochzeit eingeladen, und meinen Kindern ist er nie begegnet. Josh wird nächstes Jahr zehn. Dass Paul ihn in dem Alter im Stich lassen könnte, in dem ich selbst im Stich gelassen worden bin, ist für mich undenkbar, schlicht unvorstellbar. Meine Mutter hat immer gesagt, es habe sie aus heiterem Himmel erwischt; sie habe nicht die leiseste Ahnung gehabt, dass er eine Affäre mit seiner Sekretärin hatte. Ich habe in meinen Beziehungen immer streng darauf geachtet, dass ich am Ende nicht so dasitze wie meine Mutter – ahnungslos und betrogen. Jetzt lebt sie mit Dale zusammen; er ist ein Langweiler und trinkt, aber wenigstens ist sie »nicht allein«. Lynda hat weder geheiratet noch Kinder bekommen, aber anders als bei Jessie habe ich bei ihr nicht den Eindruck, dass sie sich damit wohl fühlt. Sie war fünfzehn, als unser Vater verschwand, und es fällt ihr schwer, zu einem Mann Zutrauen zu fassen.

Ich hasse meinen Vater. Sie sehen, selbst eine so glückliche Frau wie ich hat ihr Kreuz zu tragen.

Paul schläft, und ich schmiege mich in Löffelchenpose an ihn, schlinge einen Fuß um ein behaartes Schienbein und lege das Gesicht in die Grube zwischen seinen Schulterblättern. Wir passen zusammen, wir sind Mann und Frau.

Alle mögen Paul. Er sieht gut aus und hat eine freundliche Art, aber – und das ist vermutlich das Sahnehäubchen – er ist nie fade. Ihm fällt immer ein Witz ein, er gewinnt bei Joshs Sportfest den Väter-Wettlauf und weiß Jessie zu trösten, wenn sie mal wieder Liebeskummer hat. Manchmal sagt jemand: »Er ist schon was Besonderes, dieser Paul«, und ich denke: Genau, zum Glück. Er kann mich immer wieder überraschen; ich finde ihn nie langweilig, und Langeweile ist der Tod jeder Ehe. Außerdem hat er Erfolg. Vor zwei Jahren ist Forwood TV – der Name ist eine Kombination aus den Familiennamen von Paul und Lex (der Wood heißt) – von CPTV übernommen worden, einer Firma, die es in den FTSE-100-Index geschafft hat. Damals haben wir gewitzelt, dass wir nun wahrscheinlich Einladungen zu Empfängen in der Downing Street erhalten und Elton John kennenlernen würden, aber das ist nicht eingetreten. Auch meine Kinder werden sich Anerkennung, Entgegenkommen und Möglichkeiten noch erkämpfen müssen, wenn auch nicht in dem Maße wie Lynda und ich damals. Davon, zu den exklusiven Kreisen zu gehören, sind wir noch ein gutes Stück entfernt.

Es war nicht einfach, die Ruhe zu bewahren, als Paul und Lex die Firma verkauften. Sie hatten damit Erstaunliches erreicht, aber natürlich war die Sache auch mit jeder Menge Aufregung und Stress verbunden. Wie soll es einem auch gehen, wenn man mit noch nicht einmal vierzig Jahren seine Träume verwirklicht hat?

Die Welt, in der Paul sich bewegt, ist kosmopolitisch; sie ist schnelllebig, glamourös und rücksichtslos. Bei der letzten Zählung hatte er fünfundfünfzig Angestellte, und zwar überwiegend Frauen, die jünger, schlauer und hübscher sind als ich. Machen Sie aber jetzt nicht den Fehler zu glauben, ich sei unzufrieden mit dem, was die Schönheitslotterie für mich abgeworfen hat; ich kenne es nicht anders, an meinem Aussehen ist nichts Besonderes, und ich bin ein ruhiger Typ – ich gewinne, je besser man mich kennenlernt. Ich habe halblanges braunes Haar, weder glatt noch richtig gelockt, braune Augen mit offenbar anziehenden hellen Einsprengseln und ein freundliches Lächeln. Normalerweise fühlen Männer sich zu Mädchen wie Jessie hingezogen, die vollbusig sind und blondiert, die aus sich herausgehen und immer eine Anekdote auf Lager haben, und trotzdem war ich diejenige unter all meinen Zeitgenossinnen, die den Hauptgewinn gezogen hat: die Ehe und das Leben mit Paul. Ich habe ihn gekriegt, weil ich zielstrebig bin. Wenn ich etwas für richtig halte – und das mit Paul und mir war richtig –, gibt es nichts, das mich aufhalten könnte. Es war ein hartes Stück Arbeit, seine Bedürfnisse über meine eigenen zu stellen, mich damit anzufreunden, dass ich mein Leben in seinem Schatten lebe. Damit habe ich dafür gesorgt, dass er ohne mich nicht leben kann. Das werde ich natürlich nie jemandem erzählen; es würde so aussehen, als hätte ich mich aufgegeben, und das habe ich keinesfalls. Aber nach zehn Jahren und zwei Kindern spüre ich eine Veränderung. Es wird Zeit, dass ich aus dem Schatten heraustrete. Meinen Mann weinend am Boden liegen zu sehen und mir sein Gerede darüber anzuhören, dass er wen oder was auch immer getötet hat – damit werde ich mich ganz bestimmt nicht abfinden. Über kurz oder lang werde ich herauskriegen, was da geschehen ist, und dann werde ich die Sache in Ordnung bringen, koste es, was es wolle.

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6

So glamourös die Leute sich auch alles vorstellen mögen, was mit Fernsehen zu tun hat, die heruntergekommenen Büros, in denen Crime Time produziert wird, stehen dazu in krassem Gegensatz. Auf dem Weg zur Arbeit springe ich immer wieder zur Seite, um dem Splitt auszuweichen, den die in Richtung Innenstadt vorbeirasenden Laster aufwirbeln, und wenn ich ankomme, halte ich mich nie lange unter dem Sechziger-Jahre-Vordach auf, an dem hier und da größere Brocken Zement fehlen; es sieht aus, als habe sich ein wildes Tier seiner urbanen Umgebung so weit angepasst, dass es angefangen hat, sie zu fressen. Drinnen ist es nicht besser. Die Teppichfliesen unter meinem Schreibtisch rollen sich an den Rändern auf wie alte Sandwiches, und die Flecken auf dem Boden erinnern an Blutspritzer.

Ich fahre meinen Rechner hoch und winke Shaheena zu, der Recherche-Kollegin, die mir gegenübersitzt. Wir sind uns augenzwinkernd einig darüber, dass das grottige Ambiente unseres Büros zu den Themen passt, mit denen wir uns Tag für Tag abgeben. An meinem Schreibtisch lehnt ein Müllsack. Noch ehe ich fragen kann, was es damit auf sich hat, beugt Shaheena sich vor und flüstert: »Schwarze Wolke im Anflug.«

Ich drehe mich um und sehe Livvy hereinkommen, die Produzentin. Während sie sich zwischen Bürostühlen hindurch einen Weg zu uns herüber bahnt, säuselt sie etwas in ihr Handy. Viele Leute kenne ich noch nicht, dafür bin ich noch nicht lange genug hier, aber Livvy ist mir auf jeden Fall ein Begriff. Bei uns angelangt, beendet sie das Gespräch und wirft das Handy beleidigt auf meinen Schreibtisch.

»Fängt wohl nicht gut an, der Tag?«

Livvy schnaubt. »Alles Schwachköpfe.«

Ich sehe, dass Shaheena sich ein Lächeln verkneift. Wir nennen Livvy »Schwarze Wolke«, weil sie eine hoffnungslose Pessimistin ist und hinter jeder Ecke eine Katastrophe lauern sieht. »Ich dachte, unsere Einschaltquoten waren gut?«

Sie lächelt nicht. Sie setzt sich auf meinen Schreibtisch, und ihr langer Pferdeschwanz schwingt vor und zurück. »Waren sie.« Diese erfreuliche Nachricht genügt Livvy nicht; in ihren Augen ist der Absturz dadurch nur aufgeschoben. Die Falte auf ihrer Stirn wird steiler. »Aber darauf sollte sich niemand ausruhen.« Sie zeigt auf den Müllsack. »Es kommen immer mehr Zuschauervideos rein. Das ist nur ein Teil davon. Du musst sie durchgehen und die zugkräftigen Storys raussuchen; Material finden, auf dem ein paar von den dreckigen kleinen Gaunern zu sehen sind, die überall ihr Unwesen treiben.« Dazu stupst sie mit dem Zeigefinger gegen meinen Bildschirm.

»Kein Problem«, sage ich.

Livvy lässt nichts unversucht, uns mit ihrer schlechten Laune anzustecken. »Du musst nicht gleich aus dem Häuschen geraten. Das ist eine Sauarbeit.« Was ich auch sage, ich kann sie nicht davon überzeugen, dass ich meinen Job gern mache. Was ihr als ödes, eintöniges Sortieren und Sammeln erscheint, betrachte ich als Möglichkeit, faszinierende Einblicke in das alltägliche Leben und die Dramen der Allgemeinheit zu erhalten. Dass wir die ausgewählten Videos dann Millionen von Fernsehzuschauern zeigen und damit helfen können, Nichtsnutze zu schnappen, die ganze Viertel terrorisieren, das finde ich gut an meinem Job. »Und hinten haben wir noch mehr davon. Ich zeige dir, wo, dann kannst du dir das ganze Zeug herholen.«

»Hat die Auswertung noch irgendwas Interessantes über die Show ergeben?«, fragt Shaheena.

»Marika ist ein echter Hit; wenigstens etwas, das richtig gut läuft.«

»Ja, Marika Cochran, die ist toll«, sage ich unwillkürlich.

»Einfach unschlagbar, oder?« Nicht einmal Livvy, die meistens düsterer Stimmung ist, kann der Ausstrahlung von Marika widerstehen.

»Es ist ja eine ganz andere Welt als die Tanzshow, die sie vorher präsentiert hat, aber sie ist so unverbraucht – das passt wirklich gut«, füge ich hinzu.

»Es war ein genialer Coup, sie zu holen! Natürlich Pauls Idee!«

Ich lächle mein süßestes Lächeln, und das kann schon mal ziemlich künstlich ausfallen. Das mit Marika war meine Idee.

Livvy war schon zu lange gut aufgelegt. Jetzt runzelt sie die Stirn umso entschiedener. »Ja, wie es aussieht, läuft die Show ganz gut, und trotzdem heißt es ständig: ›Kosten senken, Kosten senken!‹ Ach, ich sehne mich so nach den Nullerjahren, als Geld keine Rolle gespielt hat. Man muss sich doch bloß mal dieses Rattenloch hier ansehen!« Alle drei schauen wir uns in der Tristesse um, und mir kommt der Gedanke, dass ich den Job vielleicht vor allem deshalb bekommen habe, weil ich billig war.

»Warum sind wir denn in diesem Büro?«, fragt Shaheena.

»›Büro‹ ist wirklich geschmeichelt! Irgendein Blödmann bei Forwood hat was mit den Mietverträgen vermasselt.« Sie steht auf und hat plötzlich Panik im Blick. »Wo ist mein Handy?« Ich zeige es ihr. »Kate, die Filmaufnahmen.«

Shaheena schenkt mir einen mitfühlenden Blick, als ich mich erhebe und Livvy in den engen Flur folge. Gleich darauf zieht Livvy die schwere Tür zum Crime-Time-Studio auf und geht an der riesigen Sitzgruppe aus Ledersessel, Ledersofa und Glastisch vorbei. Hier hält Marika während der Sendung Hof, allerdings ist das Studio heute verwaist, es ist vollkommen still. In der Sendung werden die Zuschauer gebeten, bei der Aufklärung aller möglichen Verbrechen zu helfen – Mord, Vergewaltigung, Sachbeschädigung, was auch immer. Außerdem werden Telefon- und SMS-Abstimmungen genutzt, um Geld für kommunale Maßnahmen lockerzumachen – eine Überwachungskamera in einem dunklen Winkel etwa oder neue Türschlösser an einer Seniorenwohnanlage.

Seitlich schließt sich an die Sitzgruppe eine Reihe von Schreibtischen an. Hier haben die Kollegen ihren Platz, die die Anrufe, SMS und E-Mails der Zuschauer entgegennehmen und die allwöchentliche Umfrage organisieren. Die Show ist total populistisch und will auch gar nichts anderes sein.

Livvy stößt eine weitere Tür auf, hinter der sich eine Art Ladezone befindet, und beginnt, in einem schwarzen Müllsack zu wühlen, der neben einem riesigen Stapel Pappkartons an der Wand lehnt.

»Ich komme mir vor, als könnte ich demnächst als Delinquentin in unserer Show auftauchen«, sage ich.

Livvy knurrt: »Keine Ahnung, welcher Trottel das Zeug hier abgestellt hat.«

Vorsichtig öffne ich eine Tüte und spähe hinein: Hunderte von Kuverts und Päckchen, und in jedem stecken ein aufrichtiger Brief über die jeweiligen Schrecknisse des Verfassers sowie – in den allermeisten Fällen – ein Video. »Verbrechen von unten.«

»Die Welt ist voller Lug und Betrug«, ergänzt Livvy mit Emphase. »Na los, du packst an der einen Seite an, ich an der anderen.«

»Als ich diesen Kurs über Verhörtechniken gemacht habe …«

»Du hast was?« Überrascht dreht Livvy sich zu mir um, und mir wird klar, dass sie aus meiner Bewerbungsmappe nicht einmal den Lebenslauf gelesen hat. Das ist mir unangenehm. Nicht zum ersten Mal beschleicht mich der Verdacht, dass mein Status als Pauls Frau mir manches leichter gemacht hat, als es hätte sein sollen.

»Einen Kurs dazu besucht, wie man Verdächtige befragt, woran man erkennt, ob sie lügen oder nicht, solche Sachen. Ich saß da ganz allein unter lauter Polizisten und ein paar übergewichtigen Privatdetektiven.«

»Warum …?«

»Damals in der Marktforschung …« Livvy starrt mich verständnislos an. »Bevor ich zum Fernsehen kam, war ich in der Marktforschung tätig. Ich habe Fragebögen entwickelt und untersucht, wie die Leute auf bestimmte Konsumartikel reagieren – Schokoriegel, Waschpulver, alles Mögliche. Das Problem war, dass ich den Ergebnissen oft nicht so recht getraut habe. Ich hatte immer den Verdacht, dass die Befragten schwindeln. Klassisches Beispiel ist die Hausfrau, die auf die Frage, wie viele Stunden sie am Tag fernsieht, antwortet: gar nicht. Wenn du aber wissen willst, was sie von Jeremy Kyle hält, mokiert sie sich über einzelne Themen, die er in seiner Morgenshow abgehandelt hat. Also habe ich meinen Chef überredet, mich zu diesem Kurs über Verhörtechniken zu schicken – dabei ging es auch darum rauszufinden, ob jemand lügt oder nicht, du weißt schon. Ich wollte wissen, ob solche Polizeitechniken auch in der Marktforschung angewendet werden können. Am Ende habe ich auf Firmenkosten als Externe an dem Lehrgang teilgenommen.« Wir packen den Müllsack, jede an einem Ende, und tragen ihn durch das Studio.

»Und, können sie?«

»Na ja, ich glaube schon. Ganz sicher bin ich immer noch nicht, aber vielleicht habe ich mich beim Deuten dessen, was die Leute mir geboten haben, auch nur ungeschickt angestellt.« Livvy nickt. »Ein paar interessante Dinge habe ich allerdings gelernt. Wusstest du, dass siebzig Prozent aller Hauptverdächtigen am Ende gestehen? Wenn diese Leute hier in ihrem Brief oder in der Mail« – ich nicke in Richtung Müllsack – »den Verdacht äußern, dass ihr Partner oder ihr Nachbar etwas Böses im Schilde führt, dann ist da wahrscheinlich etwas dran.«

Livvy nickt. »Wie bei meinem Mistkerl von Ex.« Wir stellen den Müllsack zu seinem Zwilling neben meinem Schreibtisch. Livvy starrt einen Moment ins Leere und gestattet sich dann eine kleine Reflexion. »Also verrät die Marktforschung dir wahrscheinlich, dass ich diese Dinger« – sie zeigt auf den Twix-Riegel, den ich mir für die Pause mitgebracht habe – »deshalb so liebe, weil mein Freund mich zu wenig geliebt hat?«

»Nein. Das kommt daher, dass du so gern Schokolade isst.« Livvy beginnt doch tatsächlich zu wiehern. Das verblüfft mich dermaßen, dass wir kurz darauf beide lauthals lachen. Shaheena, die gerade von der Toilette kommt, bleibt stehen und starrt uns mit offenem Mund an. »Aber im Ernst, eins habe ich in diesen vielen Stunden Abendkurs begriffen: Die meisten Kriminellen sind dumm. Kluge Köpfe sind da die Ausnahme.«

»Oder sie kommen davon.«

»Kann sein. Möglicherweise weil es so einfach ist, eine Gruppe zu lenken. Wir Menschen sind leicht zu manipulieren, nur bilden wir uns immer ein, wir wären immun dagegen oder würden es zumindest merken.«

Livvys Blick wird sehnsüchtig. »Meisterverbrecher. So einen würde ich gern mal fangen.«

»Ich auch.« Sie ahnt gar nicht, wie ernst es mir damit ist.

Mitten hinein in Livvys anhaltende gute Laune ertönt ein hohes Trillern. »Wo ist mein Handy?« Hektisch klopft sie ihre Taschen ab, bis ich es ihr gebe. Es lag immer noch auf meinem Schreibtisch. Zwei Sekunden lang hört sie zu, dann ist das Stirnrunzeln wieder da. »Sag dem Holzkopf, der das gemacht hat, wir brauchen das noch mal von der Buchhaltung zurück.« Und dann geht sie mit heftig wippendem Pferdeschwanz davon.

»Sehe ich da einen Silberstreif über der Wolke?«, fragt Shaheena.

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7

Für Mittwochabend ist ein großes Essen angesetzt, ein weiterer Markstein in der endlosen Folge von gesellschaftlichen Ereignissen bei Forwood Television. Eine (unverkennbar von Paul herbeigeträumte und realisierte) neue Serie ist gerade gelaufen und hat für einigen Wirbel gesorgt. Inside-Out ist eine im Stil von Reality-TV gemachte Dokumentation über Gerry Bonacorsi, der vor dreißig Jahren seine Frau erdrosselt hat. Es heißt, er habe sie nicht mehr ertragen. Dass sich überhaupt noch jemand an Bonacorsi erinnert, ist allein darauf zurückzuführen, dass er nie auch nur das geringste Bedauern bekundet hat und deswegen auch nicht entlassen wurde. Ihm gebührt die Ehre, Großbritanniens dienstältester Häftling mit dem Urteil »lebenslänglich« zu sein. Inzwischen ist er siebzig, und der Bewährungsausschuss hat dem Team von Inside-Out gestattet, sowohl während der Anhörungen als auch in dem Gefängnis, in dem Bonacorsi eingesessen hat, zu filmen. Damit soll gezeigt werden, wie darüber entschieden wird, ob ein Häftling entlassen wird oder nicht. Als wir anfingen, die Serie zu produzieren, wussten wir nicht, ob er rauskommen würde. Nun ist er vor einem Monat auf freien Fuß gesetzt worden. Meiner Meinung nach hätte er bis zu seinem letzten Stündchen dort vor sich hin rotten müssen, aber was soll’s, ich bin nur eine Ehefrau und Durchschnittsbürgerin, was habe ich schon zu melden? Paul meint, ich lasse mich zu sehr von der Klatschpresse beeinflussen, worauf ich erwidere, dass die meisten Leute sich nur so lange liberal geben, wie sie nicht selbst von einem Gewaltverbrechen betroffen sind.

Heute Abend dreht sich also alles um Morde und Mojitos; ich weiß nicht, ob sie den Mix hinkriegen. Pauls persönlicher Assistent, Sergei, hat die derzeit angesagteste Location der Stadt angemietet und ein Essen für ungefähr hundertfünfzig Leute organisiert. Für die Angestellten eine schöne Gelegenheit zu kungeln, Nabelschau zu betreiben und sich auf Kosten anderer die Kante zu geben. Wichtig ist der Abend, weil der Gründer von CPTV, Raiph Spencer, die Absicht hegt, zusammen mit ein paar anderen hohen Tieren vorbeizuschauen. Da will Paul Eindruck schinden. Ich habe mir ein neues Kleid gekauft und war beim Friseur. Mein Haar glänzt und ist so geföhnt, dass es jede Kopfbewegung in einer weichen Welle mitvollzieht.

»Wie findet ihr mich?« Ich stolziere, den weiten Rock des neuen Kleides schwingend, vor Ava und Luciana auf und ab. Ava sitzt auf Lucianas Schoß, und Luciana kämmt sie. Sie kichern und stecken die Köpfe zusammen. Luciana ist das brasilianische Au-pair-Mädchen von Freunden von uns. Wenn sie Zeit hat, springt sie bei uns als Babysitter ein. Sie ist ganz vernarrt in Ava und spielt stundenlang mit ihr – mit den Puppen oder »Schule«. Josh nutzt diese Zeit gern, um ungestört fernzusehen.

»Ach, die Mami ist wunderschön, was?«, sagt Luciana und sieht Ava an.

»Du siehst lustig aus, Mami«, erklärt Ava.

»Und das sagt ein Mädchen, das Gelb und Knallrot und Dunkelrot zusammen trägt«, gebe ich zurück. Ava steckt in einem Alice-im-Wunderland-Kostüm. Sie bohrt in der Nase, und ihre großen Augen fixieren mich, während ihr Kopf vom Kamm zurückgezogen wird und wieder vorschnellt wie bei einem Tango. Josh hebt nicht einmal den Blick vom Fernseher.

»Die Farbe ist toll für dich«, sagt Luciana. »Paul kann stolz darauf sein, dich heute an seiner Seite zu haben.«

»Wow.« Das macht mich verlegen. Ich kichere.

Luciana hebt die schmalen Schultern und spreizt die Hände. »Paul ist ein attraktiver Mann. Du musst schön bleiben, sonst …« Sie lässt die Hände sinken und lehnt sich wieder zurück. »Ansonsten sind die Männer alle gleich.« Luciana ist knapp siebenundzwanzig. Wie eine so junge und schöne Frau dazu kommt, sich so zynisch über Männer auszulassen, ist mir unbegreiflich.

»Du hast mit allem recht … nehme ich an«, sage ich und muss lächeln. »Nehmt euch aus dem Kühlschrank, was ihr braucht. Und sie sollten nicht zu spät einschlafen.« Luciana nickt. Das hört sie sich jedes Mal an, wenn ich aufbreche. Mein Handy klingelt, das Taxi ist da. »Ich gehe dann also. Bis später, ihr Lieben.«

Josh antwortet nicht, der Fernseher plärrt weiter. Ich überprüfe ein weiteres Mal den Inhalt meiner Handtasche und kontrolliere im Flurspiegel meine Zähne. Sie sind noch da.

Weil ich mich für hohe Hacken entschieden habe, gönne ich mir den Luxus einer Taxifahrt in die Stadt. Wir gleiten dahin, vorbei an Geschäften und Wohnhäusern, und ich beobachte eine alte Frau, die sich, gebeugt unter der Last ihrer großen Einkaufstasche, schwerfällig die Straße hinaufschleppt. Beschämt mache ich mir klar, wie verwöhnt ich bin, was für unglaubliches Glück ich hatte. Betrachte ich das jetzt schon als selbstverständlich?

Während ich mich noch mit dieser Frage herumschlage, merke ich, dass mein Handy vibriert. Eine Nachricht von Jessie. »Hatte soeben den besten Sex meines Lebens. Ruf mich an.«

Ich schiebe das Handy wieder in die Tasche und lege den Kopf zurück. Nachrichten dieses Inhalts habe ich von Jessie schon unzählige bekommen. Nichts ist sie so sehr wie unbeständig.

»Paul kann stolz sein …« Das lässt man sich sagen. Und ich bin stolz auf ihn, oder? Seine Schluchzer von Montagnacht klingen mir noch in den Ohren. Mit einem Mal fühlt sich der Autositz klebrig an, und die Luft, die durch das halb geöffnete Fenster hereinströmt, ist eiskalt. Noch hat es keine Erklärung gegeben, die meinen Grübeleien ein Ende gemacht hätte; das Karussell unangenehmer Gedanken setzt sich erneut in Gang. Paul und ich müssen reden. Ich wünsche mir Klarheit, und ich will mein schönes normales Leben zurück. Das Taxi hält, und ich kneife mich selbst in die Hand, um mich zu disziplinieren. Ich bin die Frau des Chefs, ich habe eine Rolle zu spielen, und das will ich gut machen.

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8

Ich werde Paul drinnen treffen. Er hatte vorher noch ein Meeting, von dem er nicht genau wusste, wie lange es dauern würde. Unter normalen Umständen wäre das kein Problem gewesen, aber heute fehlt mir tatsächlich ein Arm zum Festhalten oder Verstecken. Etwas verloren stehe ich in der Schlange am Eingang, und dann fragt mich ein Türsteher, wer ich bin. An der Bar drängeln sich lauter lärmende Leute, die ich nicht kenne. Mein erster Rundgang ist schnell beendet; ich bleibe allein in der Nähe der Garderobe stehen.

»Kate, wie schön, dass du da bist!« Sergei rettet mich, ein ernst dreinschauender Russe Ende zwanzig. Er trägt einen schwarzen Anzug mit schwarzem Hemd und schwarzer Krawatte. Sergei liebt Schwarz. Und er leistet vorzügliche Arbeit, bewacht Paul wie ein Pitbull einen East-End-Dealer. Nach einem formvollendeten Küsschen auf jede Wange fragt er mich nach den Kindern, und zwar mit Namen. Und dann taucht Astrid auf.

»Hallo! Sind Sie nicht Pauls Frau?« Genau das Gleiche habe ich mit ihr schon zweimal durch, deshalb nicke ich nur und lächle unwillkürlich. Lex hat zwei Assistentinnen, Astrid ist eine davon. Paul und ich haben immer gewitzelt, dass Lex zwei Frauen zu seinen Diensten hat, weil eine allein für diesen Job gar nicht gut genug sein kann. Lex aber beharrt darauf, dass seine Macke Methode hat: Er stellt Möchtegern-TV-Sternchen ein und behauptet, dass seine besten Ideen nicht selten von seinen »Satellitenschüsseln« stammen.

»Ich bin Kate«, sage ich und lächle immer noch.

»Ach verdammt, natürlich! Ich kann mir einfach keinen Namen merken!« Astrid ist Australierin. Spielerisch boxt sie Sergei in den steinernen Bauch. Sie ist noch jung genug, um das silberne Top mit dem tiefen Rückenausschnitt ohne BH tragen zu können. »Los, wir besorgen uns was zu trinken!« Dann umarmt sie mich, legt eine duftende Wange an meine und nimmt mich bei der Hand. So marschieren wir hinüber in den Hauptteil des Gebäudes.

Die Persönlichkeiten von Lex und Paul spiegeln sich wunderbar in der Wahl ihrer jeweiligen Assistenten wider. Paul hat Sergei eingestellt, weil er keine Geschichten wollte, wie Lex sie seit Jahren durchsteht. So was Klischeehaftes kommt für mich nicht in Frage, sagt Paul, wer will schon bei der Arbeit ständig abgelenkt sein, weil er nur daran denkt, seine Sekretärin zu vögeln? – Mein Vater zum Beispiel, aber genug davon.

»Wusstest du, dass das hier mal ein Schlachthof war?«, fragt Sergei.

»Das habe ich gehört, ja. Tolle Räume.« Wir blicken beide hinauf zu der schönen Holzdecke, die sich über uns wölbt.

»Hat etwas von einer Kathedrale«, sagt eine Männerstimme hinter uns. Ich drehe mich um und entdecke John. Er hat den Kopf in den Nacken gelegt, sein Adamsapfel wirft einen Schatten über seinen Hals.

»Hallo, John«, sage ich. »Wie läuft’s? Du siehst gut aus.«