Ich kenne dein Geheimnis - Jan Becker - E-Book

Ich kenne dein Geheimnis E-Book

Jan Becker

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Beschreibung

In zahlreichen Shows und Fernsehauftritten hat Jan Becker seine scheinbar übersinnlichen Fähigkeiten unter Beweis gestellt: Er findet eine Stecknadel, die irgendwo in Berlin versteckt wurde. Er spielt russisches Roulette mit präparierten Fallschirmen und springt dann aus einem Flugzeug. Er fährt mit verbundenen Augen Autorennen. Nie passiert ihm etwas, alles gelingt. Sein Geheimnis? Er liest die Gedanken der Menschen, die ihn umgeben. Ohne es zu wissen, vertrauen sie ihm an, was sie wissen und sind so der Schlüssel zu den scheinbar unlösbaren Aufgaben.Psychologisches Fachwissen, Lust an der Inszenierung, Empathie und Intuition machen Jan Becker zum Gedankenleser. Diese Fähigkeiten können wir in seinem Buch bestaunen – und von ihm lernen.10.01.2012 Desimo´s Spezial Club Hannover16.01.2012 Friedrichsbau Varieté Stuttgart23.01.2012 Krystallpalast Leipzig12.05.2012 Marke Mohnheim

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Mehr über unsere Autoren und Bücher:

www.piper.de

Dieses Buch ist der Sonne,

der Neugier,

dem Abenteuer,

der Leidenschaft,

Romy und Samuel Elias gewidmet.

Die Zaubersprüche [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7] erschienen ursprünglich in:

Papyri Graecae magicae. Die griechischen Zauberpapyri

Hrsg. und übersetzt von Karl Preisendanz,

Nachdr. d. 2. verb. Aufl. von 1973/2001, Verlag K. G. Saur,

© Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin

Vollständige E-Book-Ausgabe der im Piper Verlag erschienenen Buchausgabe

1. Auflage 2011

ISBN 978-3-492-95364-1

© Pendo Verlag in der Piper Verlag GmbH, München 2011

Illustrationen: Sven Binner

Umschlaggestaltung: Mediabureau Di Stefano, Berlin

Umschlagfoto: Foto Carsten Sander

Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken. Die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ist ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

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Warnung!

Dieses Buch spinnt.

Richtig, dieses Buch ist komplett verrückt.

Es springt von einem phantastischen Thema zum nächsten. Ohne sich auch nur ein einziges Mal dafür zu entschuldigen.

Lesen Sie darin, wie Sie wollen, bloß halten Sie sich nicht an den vorgegebenen Rhythmus der Kapitel oder an Seitenzahlen. Denn dieses Buch will Sie bewusst verwirren, und dann, im Moment des größten Staunens, packt es zu, umschließt mit festem Griff Ihren Geist, hebt ihn in ungeahnte Höhen und lässt ihn danach, wie bei einer Achterbahnfahrt, im Salto mortale zurück auf den Grund Ihres Daseins fallen.

Glauben Sie mir, ich kenne dieses Buch genau, ich habe es geschrieben. Ich spreche also aus Erfahrung, denn mit mir hat dieses Miststück es nicht anders gemacht. Auch mich hat es gefangen genommen, ohne jede Vorwarnung, Buchstabe für Buchstabe. Mich durch meine Hirnwindungen geschleudert und dann wieder ausgespuckt in die Realität.

Lesen Sie dieses Buch auf eigene Gefahr, es soll später nicht heißen, ich hätte Sie nicht gewarnt. Hiermit entbinde ich mich von jeglicher Haftung.

Sollten Sie dennoch meine Warnung nicht ernst nehmen und durch die Lektüre süchtig nach dem Unerklärlichen, nach Magie werden, finden Sie am Ende dieses Buches noch zusätzlichen Stoff. Zum weiteren Konsum gedacht.

1

Ansichten eines Wundermachers

Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.

Friedrich Schiller

Ich muss zugeben: Es gibt für mich nichts, das ich mit mehr Leidenschaft tue, als Menschen mit Dingen zu konfrontieren, die sie für unmöglich halten. Um dieses »Wundermachen« soll es hier in diesem Buch gehen. Um das Spiel mit dem Unmöglichen und speziell um das Gedankenlesen. In den vielen Jahren, in denen ich als Gedankenleser und Wundermacher aufgetreten bin, habe ich immer wieder eine ganz elementare Erfahrung gemacht: das Erleben des Wundersamen, des Kuriosums. Dieses Erleben schafft auf intensive Weise ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Ganz besonders stark wird dieses Gefühl, wenn es mit der Kunst des Gedankenlesens und deren Poesie verwoben ist. Der Mentalist und sein Akteur gehen auf der Bühne eine enge und zugleich spielerische Beziehung zueinander ein und haben danach ein Erlebnis, das sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden. Doch nicht nur die beiden, auch jeder, der zusieht, wird in diesen Moment eingesogen. Eine ganze Gruppe von Menschen wird durch einen einzigen Augenblick zusammengeschweißt. Aus Fremden wird auf magische Weise eine Gemeinschaft. Gemeinsam erleben sie einen besonderen, nicht alltäglichen, ja spektakulären Moment.

Nicht nur das Gedankenlesen besitzt diese Kraft, sondern jeder kuriose Moment, den wir erschaffen. Ich werde mein Bestes geben, Ihnen auf den folgenden Seiten einen Einblick in die Welt des Gedankenlesens zu offenbaren. Es ist eine Ehre für mich, mein Wissen mit Ihnen zu teilen. Und da ich diese Momente der Gemeinsamkeit mit anderen Menschen für so wichtig halte, werde ich Ihnen zudem einige Zauberrituale an die Hand geben, mit denen Sie Ihre Umgebung zum Staunen bringen können – und natürlich sich selbst auch. Gestalten Sie Ihren Alltag etwas bunter! Haben Sie Mut zur Poesie und teilen Sie Ihre Phantasie mit anderen.

Wunder sind Ereignisse, die man sich nicht erklären kann. Wunder bilden eine begehbare Brücke zwischen dem Möglichen und dem Unmöglichen und eröffnen einen neuen emotionalen Raum. Es ist eine fühlbare Schönheit, die in diesem Raum herrscht und die sich hinter dem Sichtbaren verbirgt. Das Spüren des Wunderbaren ist ein beflügelndes Gefühl, ein höherer Bewusstseinszustand, weshalb es hier auch um Trance und Hypnose gehen soll.

Mit diesem Buch, mit dieser Sammlung von Wunderdingen, Zauberhandlungen und Zaubersprüchen, können Sie selbst diese Wunderbrücke bauen. Denn Sie lernen nicht nur, den Gedanken eines anderen Menschen zu lesen, sondern unter anderem auch, wie Sie jemanden dazu bringen, sich in Sie zu verlieben, und warum es manchmal so wichtig ist, sich in einen Engel zu verwandeln.

Doch bevor wir damit anfangen, sollten Sie mich ein wenig besser kennenlernen.

Ich liebe Wörter und das Erzählen von Geschichten. Das war schon von klein auf so. Denn mit Geschichten werden wir zu Gestaltern. Wir erschaffen Welten in den Köpfen derjenigen, die uns zuhören.

Geschichten haben mich immer dazu angeregt, einen schönen Schein zu schaffen. Und dieser Schein kann zur absoluten Wahrheit werden, davon bin ich überzeugt. Ich behaupte, der schöne Schein ist die absolute Wahrheit.

Das, was wir als schönen Schein beschreiben, wenn wir für ein Fest einen Raum oder einen Tisch schmücken, wenn wir uns lieben, besinnen und beschenken, wenn wir den Frieden einkehren lassen, mit der Schönheit übertreiben – das ist die Welt, wie ich sie mir wünsche. Ich selbst strebe danach, jeden Tag zu einem Fest zu machen, auch wenn ich weiß, dass das nicht immer gelingen kann. Dennoch sollten wir es stets versuchen. Tun Sie es mit mir gemeinsam. Zelebrieren wir unseren Alltag!

Meist reagieren wir nur auf die mentale Landkarte der Wirklichkeit, auf die Bilder, die wir – oder andere – von der Realität angefertigt haben. Nie auf die Realität an sich, die sich als weitaus komplexer, intensiver erweist, wenn wir lernen, sie neu und mit all unseren Sinnen wahrzunehmen und den Zauber der Phantasie walten zu lassen. Zu denken, die gewohnte Landkarte wäre die echte, für immer festgeschriebene und nie wieder veränderbare Landschaft, ist nichts anderes, als in einem Restaurant die Speisekarte zu essen und nicht das eigentliche Gericht. Ich möchte Sie dazu ermutigen, Ihre mentale Landkarte der Wirklichkeit spielerisch bunt zu gestalten.

Jeder Mensch sehnt sich nach dem Gefühl des Lebendigseins.

Ich liebe das Abenteuer und die Herausforderung. Jeder Mensch sollte sich mit allem, was er zu bieten hat, in diese einzigartigen Erlebnisse hineinwerfen und sie genießen, je seltsamer sie sind, desto besser. Ich selbst freue mich auf jede neue Erfahrung, versuche neugierig zu bleiben und so selten wie möglich nein zu sagen. »Nein, das ist bestimmt nicht zu machen« habe ich aus meinem Vokabular gestrichen.

Das Erleben von Wundern ist ein Grundbedürfnis und wird von allen Menschen auf der ganzen Welt gesucht. Meine Kunst als Magier besteht darin, diese Wunder in anderen und in mir Tag für Tag zu kreieren, weil das Gefühl für sie in unserer Gesellschaft verloren gegangen ist. Das Wissen, das Sie in diesem Buch erwerben, soll es auch Ihnen ermöglichen, das Wundersame zurück zu den Menschen zu tragen.

Der dänische Polarforscher und Ethnologe Knud Rasmussen hat einmal gesagt: »Jeder große Schamane muss, wenn er gefragt wird oder wenn mehrere Menschen um ihn versammelt sind, seine Kunst auf mysteriöse Art ausführen, um die Menschen zum Staunen und Träumen zu bringen und sie von seinen magischen und allgegenwärtigen Kräften zu überzeugen.«

Haben Sie keine falsche Scheu, lassen Sie die Wunder in Ihrem Leben zu. Erkennen Sie sie auch dort, wo sie sich manchmal vor Ihnen verstecken wollen. Wundern Sie sich. Übertreiben Sie. Sie sind der Dompteur im Zirkus namens Leben. Spielen Sie mit den Löwen.

Warum?

Weil wir so die Welt ein bisschen schöner machen können. Sie wieder phantastischer, traumhafter, geheimnisvoller und schillernder gestalten können. Ich möchte unsere Welt mit Schönheit und dem Unerklärbaren reparieren. Wie ein Handwerker. Helfen Sie mir dabei. Werden wir Naive. Es macht Spaß!

Immer wenn wir etwas Neues erleben, wachsen wir. Buchstäblich, denn unser Gehirn ist ein Organ, das sich verändert, je nachdem, was wir mit ihm machen. Unsere Synapsen und Nervenzellen verändern sich, abhängig davon, wie wir sie gebrauchen. Dieses Prinzip nennt man Neuroplastizität, es beschreibt die Fähigkeit des Gehirns, umzulernen. Jedes Mal, wenn wir Magie erleben, widerfährt uns etwas, das wir so noch nicht gekannt haben. Ein neues Gefühl, eine neue Erfahrung. Dies führt dazu, dass wir ein neues Interesse an der Welt zeigen, in der wir leben, sie hinterfragen. Dass wir plötzlich Verbindungen sehen, die wir vorher nicht wahrgenommen haben. So verändern wir uns, handeln auf einmal anders als vorher. Es kann passieren, dass sich eine innere Blockade löst, ein Komplex oder ein persönliches Problem. Vielleicht erkennen wir auch, wie sehr wir mit allem um uns herum verwoben sind. Gedankenlesen geht einher mit Empathie und lässt uns über uns selbst hinauswachsen, in den Raum des anderen hinein.

Die Kunst des Gedankenlesens und die in diesem Buch aufgeführten Rituale beschreiben einen Weg der Gemeinschaftlichkeit. Aus dem Es – einem fremden Menschen am Anfang unseres Kontakts – erschaffen wir durch unsere Sensibilität, die wir über das Gedankenlesen und das Spiel mit uns selbst und unserer Umgebung erlernen, ein Du, eine freundschaftliche Beziehung zu dieser Person. Aus dieser freundschaftlichen Beziehung gehen wir dann, über den spielerischen Moment, zum Wir. Dadurch wird in kürzester Zeit und auf ganz einfache Weise aus einem wildfremden Menschen ein Partner. Das kann uns im Privatleben, aber auch beruflich oder geschäftlich enorm nach vorne bringen. Und uns einen entspannten Umgang mit Situationen schenken, denen wir vorher vielleicht viel verkrampfter begegnet wären.

Dieses Buch will mit all seinen kuriosen Experimenten, poetischen Momenten und Ritualen aus dem Es ein Du machen und schließlich zu einem Wir gelangen.

Dabei können Sie gleichzeitig das Abenteuer erleben, Ihre eigenen Gedanken, Gefühle und Wünsche zu erkennen und sie spielerisch zu verwirklichen. Und genau in diesem Moment erleben Sie etwas, das unsere Vorfahren vielleicht mit dem Wort »Magie« beschrieben hätten.

2

Zurück zum naiven Denken –

oder das Geheimnis der Motivation

Neuanfang

Wenn dich ein Flüstern erschrickt,

Wenn dich dein Mut zerreißt,

Wenn deine Kraft dich lähmt,

Wenn all deine Taten zu Untaten werden,

Wenn die Musik dich zum Stehen zwingt,

Wenn Rosarot zum Nichts wird,

Wenn ein Windhauch deinen Atem festhält,

Wenn ein Blütenblatt dich erschlägt,

Wenn ein Wassertropfen zu deiner Sintflut wird

Und ein Staubkorn zur unendlichen Wüste,

Wenn du dich verlierst im Jetzt und Hier,

Dann halte ich dich mit Sternenlicht,

Umarm dich gülden, hell leuchtend, voll Trompeten und Posaunen,

Voll Zuckerwatte und Staunen

Und schenke dir

Rosa Esspapier.

Meine Aufgabe als Wundermacher ist es, normale Menschen zum Mittelpunkt eines unglaublichen und unerklärbaren Ereignisses zu machen. Denn ich bin der festen Überzeugung, dass das Erleben eines solchen »Wunder-Momentes« inspirieren und Berge versetzen kann.

Alles fing in der Sendung The next Uri Geller an, die über acht Wochen an einem Dienstag auf einem Privatsender lief. Ich hatte dort in der Finalsendung einen Akt mit dem gesamten Publikum und dem Moderator Matthias Opdenhövel, der früher Stadionsprecher von Borussia Mönchengladbach gewesen war. Er wusste wohl, dass ich Fußballfan bin. Ohne es auszusprechen, fragte er mich in seinen Gedanken:

»Was ist mit der Borussia? Wird der Verein das nächste Spiel gewinnen? Wird er in der Ersten Liga bleiben oder absteigen?«

Es ging auf das Ende der Fußballsaison zu. Meine Antwort auf seine gedachte Frage lautete:

»Das nächste Spiel wird dieser Klub für sich verbuchen. Er wird nicht absteigen. Und zusätzlich sehe ich zwei Tore im letzten Spiel der Saison.«

»Aha, du siehst zwei Tore im letzten Spiel …« Opdenhövel wirkte bass erstaunt.

Seine Bemerkung gab mir zu verstehen, dass ich den richtigen Gedanken erfasst hatte. »Ja, genau.«

»Aber du weißt, dass die Borussen auf dem letzten Tabellenplatz sind und ihr Gegner am kommenden Wochenende, der Hamburger SV, auf dem ersten steht?«

»Das ist mir nicht entgangen.«

Am nächsten Tag, einem Mittwoch, rief mich jemand aus der Geschäftsleitung von Borussia Mönchengladbach an und sagte: »Herr Becker, unsere Fans drehen komplett am Rad. Die Internetforen sind voll. Wegen Ihrer Behauptung, dass unser Verein gewinnen wird, noch dazu gegen den Tabellenersten, spielen alle verrückt. Sie wollen – und wir wollen das auch –, dass Sie ins Stadion kommen und bestätigen, was Sie gesagt haben. Sie müssen für die Fans eine Ansprache halten. Würden Sie das tun?«

Da ich immer ein großer Fan von Gladbach war und als Jugendlicher selbst viel Fußball gespielt hatte, bei Borussia Neunkirchen, einem weiteren großartigen Traditionsverein, sagte ich: »Natürlich mache ich das. Das ist doch eine spannende Sache. Ich wollte eh schon immer mal im Stadion unten auf dem Rasen stehen.«

Zudem dachte ich, aber das behielt ich für mich: Eigentlich treten nur in Südamerika oder Afrika Voodoo-Zauberer und Schamanen vor Fußballspielen auf, um den Ausgang des Matches in eine bestimmte Richtung zu lenken. Und nun will ein deutscher Bundesligaklub mit einer ähnlichen magischen Praktik aufwarten. Das kann nur spannend und lustig zugleich werden.

Erst als ich das Telefonat beendet hatte, wurde mir bewusst, was ich da auf mich geladen hatte. Der Traditionsverein Gladbach war unzweifelhaft abstiegsgefährdet, während der HSV in den vergangenen Wochen ein Spiel nach dem anderen gewonnen hatte. Was konnte ich da ausrichten? Wie konnte ich die offensichtliche Verlierermannschaft und die Fans so motivieren, dass Gladbach genug Tore schoss?

Zuerst überlegte ich mir ein paar Rituale. Schamanen vollziehen mit Tieren, Puppen oder anderen Dingen Beschwörungen. Nein, diese Idee verwarf ich schnell wieder, fand das zu albern.

Als Nächstes dachte ich an einen Zauberspruch aus alten griechischen Zauberpapyri. Dabei geht es darum, sich nachts allein mit einer toten Katze in der linken Hand auf ein flaches Dach zu stellen, sich zwei Hühnerfüße an den Gürtel zu binden, ein rohes Ei in den Himmel zu werfen und darauf zu hoffen, dass der Gott der Siege zum unsichtbaren Begleiter wird. Doch leider hatte ich keine rohen Eier zur Hand, und außerdem würden rund 50 000 Leute um mich herum sein und sich über so einen Hokuspokus vermutlich ziemlich wundern.

»Deine Präsenz muss ausreichen«, sagte ich schließlich zu mir selbst. »Dass du da in Mönchengladbach auf dem Platz stehst, ist schon Kuriosum genug. Rohe Eier hin, Hühnerfüße her.«

Schließlich kam der Samstag, Spieltag. Man hatte mich von Berlin-Tegel aus eingeflogen, vom Flughafen in Köln holte man mich mit einer Limousine ab. Im Stadion warteten auch mein Vater und meine Mutter auf mich, sie sollten dieses Ereignis keinesfalls verpassen.

Dann, kurz vor dem Anpfiff, der Ansager hatte schon die Namen der Spieler verlesen, führte mich der Stadionsprecher mitten auf den Platz. Augenblicklich wurde es seltsam still. Links und rechts vom Feld standen die beiden gegnerischen Mannschaften. Plötzlich ein Raunen. Ich registrierte, wie die Fans der Borussen mich bemerkten. Applaus brandete auf. Es war der Beifall dafür, dass der Verein wirklich getan hatte, was die Gladbach-Anhänger über Internetforen pausenlos gefordert hatten: mich auf den Platz zu holen. Die Spieler vom Hamburger SV sahen mich an, nach dem Motto: »Was ist das denn hier?« Sie hatten von meinem Auftritt offensichtlich keine Ahnung gehabt. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich tatsächlich allein durch meine Präsenz etwas ausgelöst hatte.

Und da stand ich nun auf dem grünen Rasen und sagte zu den Borussen: »Ich habe euch mein Glück, das ich am Dienstag hatte, ins Stadion mitgebracht, um es an euch weiterzugeben. Ich mache es euch zum Geschenk, damit eure Mannschaft gewinnt.« Dabei musste ich aufpassen, dass ich nicht zu schnell sprach. Zwar war ich es gewohnt, über Mikrofon zu kommunizieren, aber durch das Echo, das im Stadion entstand, bestand die Gefahr, dass sich meine Worte ineinander mischten und unverständlich wurden. Nach einer angemessenen Pause gab ich den Fans zu verstehen: »Es ist wichtig, dass ihr all eure Energie bündelt und auf den Platz schickt und eure Mannschaft unterstützt.«

Letztlich ging es aber nicht nur um Unterstützung, sondern um etwas Stärkeres. Um eine gemeinsame Arbeit, einen Zusammenschluss. Natürlich löste mein Auftritt unter den Fans im Hamburger Block viele Buhrufe aus. Schön, dachte ich, so eine Negation hat auch ihre Wirkung. Hatte nicht einmal ein kluger Mann den schönen Spruch gesagt: »Ich glaube nicht an Geister, aber ich habe Angst vor ihnen«? Sobald man etwas negiert, bestätigt man indirekt, dass es existiert. Das konnte bei den Fußballern der gegnerischen Mannschaft unbewusst etwas bewirken, was für Gladbach nur hilfreich wäre.

Überhaupt war mein Erscheinen auf dem Rasen ein perfekter psychologischer Trick. Die Borussen hatten einen Funken Hoffnung bekommen, der neuen Mut in ihnen schürte, im Sinne von: »Jetzt reicht’s mit den Niederlagen, wir wollen nicht die letzten Deppen sein, die sich schon wieder blamieren, sonst geben sie bei uns morgen noch irgendwelche Energiekristalle ab.«

Nachdem ich meine Beschwörung beendet hatte, ging ich zu meinen Eltern auf die Tribüne. Ich setzte mich neben meinen Vater. Er grinste mich an, stolz, aber auch ein wenig so, als könne er das alles nicht fassen, als wäre sein Sohn möglicherweise nicht wirklich sein Sohn, sondern ein Alien von einem anderen Planeten. Leicht entgeistert fragte er: »Was machst du, wenn die nun verlieren? Hast du dir die Frage eigentlich gestellt? Es sind hier ’ne Menge Leute im Stadion! Eigentlich hast du sie nicht mehr alle.« Mir wurde heiß. Er hatte recht. Was hatte ich da bloß getan?

Lieber nicht dran denken. Ich wollte auf mein Gefühl vertrauen, das war schließlich meine Grundhaltung bei allem, was ich tat: Vertrauen zu haben. Und vor allen Dingen: Mut. Fußballtrainer Jürgen Klopp sagte einmal sinngemäß in einem Interview in der Sportschau: »Unser Gehirn ist ein Drecksack, es geht darum, das zu erkennen und den Mut zu haben, wenn dein Gehirn dich bremsen will, sich gegen diesen Drecksack zu stellen.« Also, Mut!

Das Spiel fing an. Zur Halbzeit stand es 1:1. Ein Reporter vom Stadion-TV kam in der Pause auf mich zu und wollte wissen, ob ich denn noch bei meiner Meinung bleiben würde. Meine Antwort wurde über die gigantische Stadionleinwand übertragen: »Ihr werdet das Spiel gewinnen, da bin ich mir ganz sicher. Ich habe Vertrauen, und ihr müsst es ebenfalls haben.« Und in diesem Moment war ich mir tatsächlich absolut sicher. Im Grunde hatten die Borussen keine Chance, dennoch glaubte ich an einen Sieg für diese Mannschaft.

Und dann ging die zweite Halbzeit los. Die Borussen schossen ein Tor nach dem anderen. Schon als das 2:1 fiel, schaute mich mein Vater von der Seite seltsam an. Da war in seinem Gesicht kein Grinsen mehr zu entdecken, nur ein Staunen. Ich war zugegebenermaßen auch ganz schön überrascht. Am Ende gewann Borussia gegen den HSV mit 4:1. Aus einer so gut wie sicheren Niederlage hatte ich einen Sieg »gezaubert«. Ich musste aufpassen, dass man mich in der allgemeinen Begeisterung der Fans und Spieler nicht für Jesus hielt, der aus Wasser Wein machte. Deutlich gab ich als Erklärung dieses unvorstellbaren Ergebnisses zu verstehen: »Wenn ein Fußballverein auf die Idee kommt, so jemanden wie mich auf den Platz zu holen, dann haben die Spieler mit größter Wahrscheinlichkeit gedacht, dass sie einfach alles tun müssen, um zu gewinnen.«

Wie gesagt: Es ist das Kuriosum, das immer wieder Kräfte freisetzt, es ist der poetische Moment.

Die Hamburger meinten nach dem verlorenen Spiel: »Und nächste Woche kommst du zu uns.« Sie waren nicht verärgert über den Ausgang des Spiels, sondern verlangten einfach nur ausgleichende Gerechtigkeit. Während die Geschäftsleitung von Gladbach mich natürlich nun bei jedem Samstagsspiel dabeihaben wollte.

»Ich bin kein Maskottchen«, gab ich darauf zu verstehen. Außerdem wollte ich mich natürlich vor einer möglichen Niederlage schützen. Immerhin konnte es schon beim nächsten Mal mit meiner Vorhersage nicht mehr klappen. Oder was wäre passiert, wenn ich in der Folge nur Niederlagen für Borussia gesehen hätte? Mein einmaliger Erfolg war Belohnung genug.

Wenn ich die unzähligen und oft unseligen Motivationssprüche, die vorzugsweise von Amerikanern erdacht werden, auch nicht sehr mag, einer scheint mir doch sinnvoll: »Selbst wenn das Ziel noch so unwirklich aussieht und so unmöglich erscheint: Solange du es nicht versuchst, kannst du es auch nicht erreichen. Wenn es wirklich unmöglich ist, wird das von alleine deutlich werden.«

Das lässt sich auch auf meine Situation übertragen: Ich hatte das Stadion betreten, ich hatte den Mumm gehabt, mich aufs Spielfeld zu begeben und zu sagen: »So, Leute, heute wird es funktionieren.« Für die Spieler hieß das: »Geht raus, glaubt an den Sieg, selbst wenn es sich irreal anhört. Zaghaftigkeit macht keinen Sinn.«

Das Geheimnis des Erfolgs ist die Motivation – ein magischer, ein energetischer Moment, der sich nicht genau erklären lässt, aber im Kopf ungeahnte Kräfte freisetzt. Ich habe in diesem Augenblick eine gewisse Kompetenz ausgestrahlt – dabei hatte ich nicht einmal die fußballerischen Leistungen der einzelnen Spieler in den letzten Monaten verfolgt.

Das Entscheidende ist die Energie

Immer häufiger werden Krankenschwestern in deutschen Kliniken in einer Behandlungsmethode ausgebildet, die in Amerika und England weit verbreitet ist. Sie nennt sich Therapeutic Touch (TT, Therapeutische Berührung) und geht davon aus, dass jeder Mensch ein eigenes Energiefeld hat, das mit den anderen Energiefeldern in seiner Umgebung in Verbindung steht. Diese bioenergetische Alternativtherapie ist eine Variante des Handauflegens. Von einer Klinik in Berlin weiß ich, dass sie damit große Erfolge in der Wund- und Schmerzbehandlung haben.

Der Vater meiner Frau, ein Chemiker, erzählte mir von Versuchen, bei denen Krankenschwestern Reagenzgläser mit krankhaft veränderten Zellen in die Hand nehmen sollten. Am Ende hatten sich die Zellen so verändert, dass eine Heilung möglich wurde. Der Grund dafür war ein winziger chemischer Prozess, der durch die Berührung ausgelöst wurde.

Ein anderes Beispiel wurde in der ARD-Sendung Das Geheimnis der Heilung im Januar 2011 vorgestellt. Eine Frau hatte nach einer Operation eine Wunde, die selbst nach anderthalb Jahren nicht zuwachsen wollte. Ihr Hausarzt, der gerade einen Kurs in Handauflegen gemacht hatte, bot ihr an, es mit dieser Technik zu versuchen. Die Frau willigte ein – und nach drei Tagen war die Wunde geschlossen. Diese bestimmte, mit dem Handauflegen verbundene Energie und der Glaube an die Selbstheilungskräfte könnten eine Erklärung für die Wirkung sein – und vielleicht auch für den Sieg der Borussen: Es sind die inneren psychologischen Kräfte, welcher Art auch immer, die uns Menschen unterstützen.

Ähnlich wie den Therapeutic Touch könnte man auch das Gedankenlesen betrachten: Im Grunde versucht man dabei mit der eigenen Energie, der eigenen Aufmerksamkeit in den anderen einzudringen. Auf diese Weise ließen sich diverse Effekte erklären, etwa die Erfahrung, die jeder kennt: Man steht auf der Straße oder befindet sich in einem Raum mit vielen Menschen, und plötzlich spürt man im Rücken, dass jemand einen anschaut.

An diesem Tag im Stadion dachten sicher viele, dass ich spinnen würde. Aber die geballte Unterstützung durch die Fans hatte eine solche Suggestionskraft, da wurde wirklich eine enorme Energie losgetreten. Und diese Energie reichte aus, um das an Motivation, was den Gladbachern gefehlt hatte, in Gang zu setzen. Ein guter Trainer kann diese Kraft auch noch aus einer Mannschaft herausholen, wenn diese schon am Boden liegt.

Diese Energie imaginiere ich nicht strahlenförmig wie in einem Science-Fiction-Film, auch nicht in irgendwelchen Formeln, das überlasse ich lieber den Physikern, die können das bestimmt besser darstellen. Energie ist für mich ein Bild, das bei der Umsetzung der Gedanken von anderen hilft. Eine Metapher für Stärke. Wenn mir jemand gedanklich eine Richtung schickt, in die er gehen will, während ich ihn berühre, verändert sich sein Verhalten komplett. Ich habe jahrelang trainiert, dieses Verhalten zu deuten, heute kann ich eine Menge daraus ablesen. Aber von diesem Hokuspokus später mehr.

Im Fußballstadion war alles noch um eine Dimension komplizierter, weil es mir dort gelingen musste, von mir zur Fankurve, von dort zurück zu mir auf den Rasen und schließlich auch noch zu den Spielern zu agieren. Es war also eine Dreierkonstellation. Und zudem hatte ich ein Publikum in einer Größenordnung vor mir, die für mich nicht gerade alltäglich war. Zwar war ich mit meinen Bühnenvorstellungen schon im Prinzregententheater in München aufgetreten, das über tausend Sitzplätze hat, aber die Gladbach-Anhänger waren doch in einer weit größeren Anzahl ins Stadion gekommen und hatten folglich auch eine immense Energie mitgebracht. Das hatte ich spüren können. So wie ich auch die Energie eines Theaterpublikums spüren kann und genau weiß, ob die Menschen tendenziell gut oder schlecht drauf sind, ob der Abend gut oder schlecht wird. Mit meinen Prognosen, die ich vor Beginn der Vorstellung abgebe, liege ich zu 99 Prozent richtig.

Die menschliche Interaktion hat immer etwas Energetisches, etwas Gefühlsmäßiges an sich, das man aber im Gegensatz etwa zur neuesten Autotechnik nicht einem Test unterziehen kann. Eine verbesserte Kupplung oder die schnellere Variante eines Navis sind kaum im Bereich des Unsichtbaren zu verorten. Das Gedankenlesen allerdings schon. Was aber nicht heißt, dass es etwas Übersinnliches ist.

Gibt es das Übersinnliche überhaupt?

Ein Zauberkünstler aus den Fünfzigerjahren, der Kanadier James Randi, hat als Skeptiker und Gegner der Pseudowissenschaften 1996 die James Randi Educational Foundation (JREF) gegründet. Diese Organisation untersucht unter kontrollierten Testbedingungen Phänomene, die sich nicht erklären lassen. Nebenbei hat Randi die Eine-Million-Dollar-Herausforderung gestellt. Diese Summe soll derjenige erhalten, der ihm unter wissenschaftlichen Laborbedingungen übernatürliche Fähigkeiten demonstriert. Bislang wurde die Million noch nicht ausgezahlt. Gäbe es übersinnliche Fähigkeiten, läge das Geld längst nicht mehr auf dem Konto von Randi.

Beim letzten Test, den ich gesehen habe – sie werden im Internet übertragen –, hatte eine Frau behauptet, sie könne auspendeln, welche Spielkarten sich in Umschlägen befänden. Doch als der Versuch gestartet wurde, passierte nichts. Sie konnte nicht eine Spielkarte richtig erpendeln. Auf der anschließenden Pressekonferenz erklärte sie, natürlich könne sie pendeln, es sei nur noch nicht der richtige Zeitpunkt gewesen: Die Öffentlichkeit dürfe bislang nichts von ihrer Gabe wissen. Das war Humbug und Ausrede zugleich.

Ich dachte nur: Das kann gefährlich für die Frau werden, in einem psychischen Leiden enden. Jeder Mensch sehnt sich danach, etwas Besonderes zu sein, etwas Besonderes zu können. Aber wenn man ständig damit konfrontiert wird, dass man das, womit man sich profilieren will, doch nicht beherrscht, könnte das zu einem Problem werden.

Thomas Manns Erzählung Mario und der Zauberer – eine wichtige Inspirationsquelle für die Gestaltung meiner Bühnenakte – ist in diesem Zusammenhang ganz spannend. Da gibt es die Aktion zwischen dem zwanzigjährigen Kellner Mario und dem buckligen Hypnotiseur Cipolla mit seinem Schnurrbart und dem stechenden Blick. Am Anfang seiner Vorstellung behauptet der Gaukler, dass er in die Zukunft schauen könne. Hätte er diese Fähigkeit tatsächlich besessen, hätte er dann nicht auch voraussehen müssen, dass er am Ende des Abends erschossen auf der Bühne liegt? Man hätte dies annehmen können – außer er wünschte sich dieses Ende herbei, weil er von seinen Auftritten, dem Cognac, den er auf der Bühne trank, und seinem Leben überhaupt die Nase voll hatte. Im Text finden sich dazu keine Hinweise. Thomas Mann ging es also auch nicht darum, hier übersinnliche Fähigkeiten zu behaupten.

Was Cipolla beherrscht, das sind Suggestivtechniken, die Menschen dazu bringen, Dinge zu machen, die sie eigentlich nicht machen wollen oder von denen sie denken, sie könnten diese nicht, etwa unter hypnotischer Trance dem restlichen Publikum die Zunge rausstrecken. In der Erzählung berichtet eine ältere Dame unter Hypnose von einer Indienreise, die sie unternommen habe, und ein soldatisch aussehender Herr kann auf einmal den Arm nicht mehr heben. Im Grunde bewegt sich dieser Magier in einem schönen Schein, so wie ich es als Gedankenleser auch tue. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist ein Spiel mit der Imagination des Publikums.

Gäbe es Wahrsagerei und Okkultismus, hätte dann der 11. September 2001 passieren müssen? Würde es dann Flugzeugabstürze geben? Eigentlich müssten bei vorhandenen übersinnlichen Fähigkeiten alle bedrohlichen Momente auf der Welt prophezeit werden, was aber nicht geschieht. Es sei denn, sämtliche Wahrsager sind von Grund auf böse Menschen und nehmen diese Katastrophen gerne hin. Also: vorsichtig sein bei solchen Voraussagen! Sie führen labile oder suchende Menschen in Abhängigkeiten.

Als Magier und Nichtwahrsager gehe ich stattdessen vom Wundersamen aus, was bedeutet: Wir alle tragen die Antworten auf unsere Fragen schon in uns. Verlassen Sie sich auf Ihren gesunden Menschenverstand und hören Sie lieber einmal öfter in sich hinein, aber nicht auf einen Menschen, der behauptet, Ihre Zukunft zu kennen.

Der allerbeste Trick, den ich in diesem Zusammenhang kennengelernt habe – Sie merken schon, ich erzähle wirklich gern –, stammt von David Hoy, einem amerikanischen Mentalisten, der in den Fünfziger- und Sechzigerjahren viele Shows hatte, in einer Zeit also, in der die Menschen mehr Zeitung lasen als heute, weil das Fernsehen noch nicht eine so große Bedeutung hatte und an das Internet noch gar nicht zu denken war. In einem Zeitungsinterview sagte Hoy voraus, dass am kommenden Samstag eine bestimmte Baseballmannschaft gewinnen werde, ich kann mich nicht mehr an den Verein erinnern. Am nächsten Tag behauptete er gegenüber einem anderen, geografisch in weiter Ferne angesiedelten Blatt genau das Gegenteil. Das war genial. Egal, was passierte, er konnte sich immer auf eine wahre Vorhersage berufen. Für ihn Beweis genug, dass er hellsehen konnte. Heute wäre Hoy sofort überführt.

Berge versetzen

Noch mal zurück zu Borussia Mönchengladbach. Bei diesem Fußballspiel hätte ich weder vorher noch nachher behauptet, ich hätte den genauen Ausgang der Begegnung »gewusst«. Ich hätte auch niemals gesagt, dies sei ein Beweis für mein Talent. Es war mehr ein Gefühl, und es stimmte für den Moment, aber das besagt noch lange nicht, dass ich in die Zukunft schauen kann. Es war etwas Gefühltes, das in dieser Situation einen glücklichen Ausgang nahm. Dennoch: Es lassen sich durchaus Kräfte in Gang setzen, mit denen man – bildlich gesprochen – Berge versetzen kann. Auch wenn alle sagen: »Wieso soll so etwas möglich sein? Wieso solltet ihr gewinnen, wo ihr doch die Tabellenletzten seid?«

Eine derartige Kraft zeigt sich zum Beispiel bei der Anwendung eines rhetorischen Tricks. OBWOHL – dieses kleine Wort ist ein wunderbares Zauberwort: »Ihr könnt gewinnen, obwohl ihr die Tabellenletzten seid.« Schon regt sich ein neues Selbstwertgefühl. Auf dieser Ebene ist es dann möglich, dass ein Viertligist aus einem Pokalspiel gegen Bayern München als Sieger hervorgeht, mit einem 6:4. Obwohl – dieses Wort hat geradezu etwas Phantastisches an sich. Gebrauchen Sie es in jeder Situation, in der Sie anfangen, eine Sache zu negieren oder als unvorstellbar zu deklarieren. Das Geheimnis besteht darin, mit diesem Wort die Motivation zu finden, die aus den einzelnen Spielern eine ausgezeichnete Mannschaft macht. Und genau diese Energie habe ich aufs Spielfeld gebracht, das war meine eigentliche Leistung.

Ich glaube nicht, dass der Sieg vom Schicksal vorherbestimmt war. Das war nirgendwo im sogenannten Buch des Lebens festgeschrieben. Nötig dazu war der Moment der Motivation. Der Glaube an ein Obwohl. Damit beginnt alles. Obwohl die Situation aussichtslos erscheint, mache ich die ersten Schritte. Und gehe weiter.

Von dem chilenischen Psychomagier Alejandro Jodorowsky habe ich folgende Geschichte, die sich sehr gut in das eben Erzählte einfügt:

Ein großer Berg schirmt mit seinem Schatten ein kleines Dorf von der Sonne ab. Da kein Sonnenlicht zu ihnen durchdringt, werden die Kinder rachitisch. Eines schönen Tages sehen die Dorfbewohner den Ältesten von ihnen zum Dorfausgang losmarschieren, in der Hand einen steinernen Löffel.

»Wohin gehst du?«, fragen sie ihn.

Er antwortet: »Ich gehe zum Berg.«

»Wozu?«

»Um ihn abzutragen.«

»Womit?«

»Mit diesem Löffel.«

»Du bist verrückt! Das schaffst du nicht!«

»Ich bin nicht verrückt: Ich weiß, dass ich das nie schaffen werde, aber einer muss anfangen.«

BERGE VERSETZEN IN DER PRAXIS

Halten Sie Ausschau nach Leuten, die in Ihnen Berge versetzen können, die das Wort OBWOHL kennen und danach handeln. Das kann der Arzt sein, der anders denkt – damit meine ich nicht den esoterischen Heiler oder jemanden, der mit irgendwelchen Federbüscheln herumrennt. Es kann auch der Bekannte sein, dessen Ansichten vollkommen von den Ihren abweichen und mit dem Sie sich einmal intensiver auseinandersetzen sollten. Suchen Sie nach Menschen, die sich einen anderen Weg zutrauen, die anders aussehen, die anders reden, die etwas anderes an sich haben. Gesunder Menschenverstand wäre perfekt, eine gute Bodenhaftung sollten diese Menschen mitbringen und das Bewusstsein dafür, dass es einen unsichtbaren Raum gibt, in dem Kräfte wirken können. Ohne jedes esoterische Brimborium. Am Ende sind das die Menschen, die mit Ihnen auf einer Wellenlänge liegen. Man muss jedoch lernen, diese zu finden. Das bedeutet Arbeit. Und weil das menschliche Gehirn so angelegt ist, dass wir uns so wenig wie möglich Arbeit machen wollen, suchen wir nach Abkürzungen. Nach jemandem, der den Zauberstab schwingt, und plötzlich weiß man wie ein Universalgenie alles, kann alles. Da das aber nicht geschieht und weil alles so mühsam erscheint, entscheiden wir uns dafür, so zu tun, als ob wir etwas wüssten. Wir denken: Ach was, die anderen kochen auch nur mit Wasser, also muss ich es nicht besser können. Die perfekte Rechtfertigung. Die aber leider verhindert, dass wir uns ausgiebig mit einer Sache beschäftigen. Wunderbar, es gibt doch Wikipedia! Warum sich anstrengen?

Doch erst wenn Informationen nicht nur verarbeitet, sondern auch von uns angewendet werden, kann man von einem wirklichen Wissen sprechen. Das Aufschlagen und Lesen einer Zeitung bedeuten noch längst nicht, dass man sich in einem Thema auskennt.

Bei den Schlangenmenschen, die ich im Varieté kennengelernt habe, war es nicht anders. Eine Frau konnte ihre Beine zwei Mal ums Ohr wickeln, eine andere um den Hals. Hätte mir das einer vorher erzählt, ich hätte es nicht geglaubt. Aber die beiden Frauen haben so lange trainiert, bis sie es konnten. Der menschliche Körper ist zu weit mehr in der Lage, als wir uns gemeinhin vorstellen.

Heute haben wir alle in unseren Handys einen Fotoapparat. Sehen wir etwas Besonderes, machen wir schnell einen Schnappschuss und gehen dann weiter. Alexander von Humboldt unternahm seine Expeditionen noch ohne Kamera. Wollte er ein Bild von einem Vulkan mit nach Hause nehmen, musste er sich stundenlang vor diesen setzen und ihn wirklich studieren, um ein möglichst genaues Abbild davon zu zeichnen. Er hat viel Zeit dafür investiert, aber er hat am Ende den Vulkan »erfahren«, sich mit allen Sinnen mit ihm auseinandergesetzt. Er hat ihn in sich und am Ende auch auf seinem Skizzenblock visualisiert. Um Visualisierung, Sinnlichkeit und Erfahrbarkeit geht es mir auch in meinen Shows.

Im Zen-Buddhismus wird gezeigt, dass man es in einer Sache zur Meisterschaft bringen kann, wenn man sich ihr voll und ganz verschreibt. Kennt man sich auf einem Gebiet aus, wird das Leben rund, dann wird man auch über andere Bereiche nicht nur oberflächlich urteilen. Es gibt eine Aussage in der Zen-Philosophie, die mir in diesem Zusammenhang sehr gut gefällt: »Selbst wenn du ein Leben lang nur den einen Arm hochhältst, kannst du Erleuchtung erlangen. Denn du weißt, wie es sich anfühlt, nach einem Jahr, nach fünf Jahren, nach zwanzig Jahren. Du kannst es genau erzählen, weil du es gemacht hast.«

Jetzt interessiert Sie bestimmt noch eine Frage: Und was wäre geschehen, wenn ich mit meinem »Toresehen« falsch gelegen hätte? Ich hätte gelacht. Denn wie sagt man so schön: Die Weisheit und das Lachen bilden eine Einheit.

Ich glaube kaum, dass mein Leben ruiniert gewesen wäre. Wenn überhaupt, so hätte man sich zwei Wochen lang marktschreierisch darüber ausgelassen und versucht, meinen Ruf als Gedankenleser kaputt zu machen. Dann aber wäre alles vergessen gewesen. Viel wichtiger war, wie gesagt, der Mut. Ich hatte die Aufgabe übernommen und war ins Stadion gekommen.

Nicht wenige Menschen haben Angst, dass sie, wenn sie etwas Ungewohntes anpacken müssen, versagen könnten. Aber ein Versagen kann auch seine guten Seiten haben, dann nämlich, wenn man anhand dessen herauszufinden versucht, was das für einen zu bedeuten hat. Wenn bei mir etwas nicht funktionierte, zeigte mir das jedes Mal, dass ich noch nicht den richtigen Weg gefunden hatte – gleichsam als Feedback.

Also: Einfach mal über Grenzen gehen und Neues ausprobieren! Natürlich sollen Sie dabei keinem anderen Menschen schaden wollen. Aber das versteht sich ja von selbst. Sagen Sie sich, dass jeder Versuch, den Sie wagen, einen Nutzen hat, für Sie oder für Ihr Umfeld. Wenn Sie sich das klargemacht haben, können Sie keine Fehler begehen.

Werden Sie zum OBWOHL-Menschen. Und denken Sie immer daran: Wenn einmal ein Vorhaben nicht gelingt, lachen Sie darüber. Die wirklich lustigen Momente in unserem Leben sind diejenigen, die uns so richtig peinlich sind.

Alte Zaubersprüche

Immer wieder werde ich Sie in den einzelnen Kapiteln mit alten Zaubersprüchen bekannt machen. Sie sind als Spiel gedacht, denn das magische Denken ist nach wie vor in unseren Köpfen, nur ist uns dies oft nicht bewusst.

Doch in Wahrheit sind wir Meister im magischen Denken, es erzeugt Hoffnung und dadurch Möglichkeiten, Entwicklung. Auch in unserer modernen Gesellschaft wenden wir Tag für Tag das magische Denken an. Und wenn wir genauer hinsehen, erkennen wir vielleicht, dass sich zwar die Attribute der Magie geändert haben, nicht aber das zugrunde liegende Prinzip.

Wir glauben nicht mehr an den Himmel, sondern an den Erfolg. Federschmuck und Hautbemalungen sind Prada-Anzügen gewichen, um Eindruck zu schinden und Macht zu demonstrieren.

Wir beten keine Götter mehr an, sondern Celebrities. Ein Foto von ihnen oder ein Kleidungsstück kann uns in Hysterie verfallen lassen wie Gläubige einst eine Reliquie.

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