Ich knall euch ab! - Morton Rhue - E-Book

Ich knall euch ab! E-Book

Morton Rhue

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Beschreibung

Gary und Brendan sind Außenseiter und werden von den "Stars" der Schule gedemütigt und terrorisiert. Die Lehrer schauen weg. Allmählich reift in den Köpfen der beiden der Plan, es ihren Mitschülern und Lehrern - nach dem Vorbild der Amokläufer von Littleton - heimzuzahlen. Am Tag des Abschlussballs präparieren sie die Ausgänge der Turnhalle mit Bomben und stürmen das Fest. Brendan ist neu an der Middletown Highschool und kann sich nur schwer in das neue Umfeld integrieren. Doch dann trifft er auf Gary und mit der Zeit entwickelt sich zwischen den beiden Außenseitern eine enge Freundschaft. Jahrelang werden sie von mehreren Football-Spielern, den Stars der Schule, gedemütigt und terrorisiert. Und die Lehrer tun nichts dagegen. Garys und Brendans Wut und Verzweiflung wächst zunehmend und sie beschließen, es ihren Mitschülern und Lehrern heimzuzahlen. Genauso wie es die Amokläufer in Littleton getan haben. Sie planen ein Attentat auf die Besucher des Schulabschlussballes in der Turnhalle. Als es dann soweit ist, präparieren sie die Ausgänge der Halle mit Bomben und stürmen das Fest. Die Schüler und Lehrer bangen als Geiseln um ihr Leben, während die beiden Amokläufer wahllos Schüsse abfeuern. Als sich allerdings herausstellt, dass sich auch Garys Freundin Allison unter den Gästen befindet, schlägt die Situation dramatisch um.

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Inhalt

Impressum

Widmung

Vorbemerkung des Autors zur deutschen Ausgabe

Auszug aus Gary Searles Abschiedsbrief

Vorwort

Über Gary

Auszug aus Brendan Lawlors Abschiedsbrief

Über Brendan

Siebtes Schuljahr

Achtes Schuljahr

Auszug aus Garys Abschiedsbrief

Mehr aus dem achten Schuljahr

Neuntes Schuljahr

Auszug aus Brendans Abschiedsbrief

Mehr aus dem neunten Schuljahr

Auszug aus Garys Abschiedsbrief

Ende des neunten Schuljahres

Zehntes Schuljahr

Als es geschah

Garys Abschiedsbrief

Der Abschlussball

Brendans Abschiedsbrief

Das Ende

Nachbemerkung

Nachwort: Wie kommt es zu Gewalttaten an Schulen?

Personenverzeichnis

Autoreninformation

Als Ravensburger E-Book erschienen 2012Die Print-Ausgabe erscheint im Ravensburger Verlag GmbHDie Originalausgabe erschien 2002 bei Simon & Schuster, New York unter dem Titel „Give a Boy a Gun“© 2000 by Morton RhueAll rights reserved.Published by arrangement with Simon and Schuster Books for Young Readers, 1230 Avenue of Americas, New York 10020, USA© 2002 Ravensburger Verlag GmbH für die deutschsprachige Ausgabe Covergestaltung: Martina Eisele, München, unter Verwendung eines Fotos von © Aleshyn_Andrei /Shutterstock Zu diesem Buch gibt es Materialien zur Unterrichtspraxis.Redaktion: Petra Deistler Alle Rechte dieses E-Books vorbehalten durch Ravensburger Verlag GmbHISBN 978-3-473-38488-4www.ravensburger.de

Für ein Ende der Jugendgewalt.Für alle jungen Menschen, die jemals durch eine Schusswaffe getötet oder verletzt worden sind.Für Kayla Rolland, sechs Jahre alt, die am 29. Februar 2000 während des Unterrichts im ersten Schuljahr von einem sechsjährigen Klassenkameraden erschossen wurde. Der Tod dieses unschuldigen Kindes zeigt einmal mehr, dass wir in einem Land leben, in dem der Gebrauch und die Verfügbarkeit von Schusswaffen auf das Erschreckendste außer Kontrolle geraten sind.

Vorbemerkung des Autors zur deutschen Ausgabe

Früher war es für mich ein besonderer Reiz, Bücher für junge Menschen zu schreiben, weil ich mich dann nicht mit Mord, Ehebruch und anderen unmoralischen und kriminellen Dingen beschäftigen musste, die in der heutigen Erwachsenenliteratur geradezu obligatorisch zu sein scheinen. Dass dem nun nicht mehr so ist, finde ich traurig und beängstigend. Heute sind Mord und Totschlag unter jungen Menschen in allen Industrieländern auf dem Vormarsch.

Wer die Fernsehnachrichten verfolgt, weiß, dass die Vereinigten Staaten nach wie vor die am schwersten bewaffnete Industrienation der Welt sind. Trotz (schlecht kontrollierter) Gesetze ist praktisch jede Art von Waffen käuflich erhältlich, und meist sogar ausgesprochen billig. Folglich ist die Todesrate durch Schussverletzungen unter jungen Amerikanern die höchste der Welt. Und obwohl die Zahl der Todesfälle an Schulen relativ niedrig ist, nimmt Amerika auch in dieser Kategorie die Spitzenposition ein.

Am 20. April 1999 wurde dies furchtbar deutlich, als zwei Schüler, bewaffnet mit halb automatischen Waffen, Schrotflinten, über 900 Schuss Munition und mehreren Bomben, im Gebäude der Columbine High School in Littleton, Colorado, ein Blutbad anrichteten, zwölf Schüler und eine Lehrkraft töteten und weitere 23 Menschen verletzten, ehe sie die Waffen auf sich selbst richteten und Selbstmord begingen.

»Columbine«, wie man das Ereignis jetzt nennt, ist zum Symbol für die Schießereien an Schulen geworden, und doch ist ein Ende dieser Tragödie nicht abzusehen. Immer wieder kommt es zu ähnlichen Vorfällen, man denke nur an den März 2001, als im kalifornischen Santee ein von seinen Schulkameraden schikanierter Junge zwei Mitschüler tötete und dreizehn weitere verletzte. Nirgendwo in den USA können Schüler und Lehrer ohne ein leichtes Gefühl von Bedrohung zur Schule gehen; niemand weiß, ob er wieder lebendig herauskommt.

Aber die Tragödie dieser Schülermorde ist nicht allein auf die Vereinigten Staaten beschränkt. Auch in Japan, Großbritannien und Deutschland sind jugendliche Gewaltakte eine Realität, vor der man nicht länger die Augen verschließen kann. In Bad Reichenhall, Koblenz, Meißen und Freising kam es in jüngster Zeit zu grausamen Ausbrüchen von Aggression und Gewalt.

Am 26. April 2002 erschoss der Erfurter Schüler Robert Steinhäuser 16 Menschen – und anschließend sich selbst. Dieser Vorfall schockiert uns alle, ganz besonders auch in Anbetracht der Tatsache, dass Deutschland weitaus striktere Waffengesetze hat als Amerika. Ein Schüler richtet die Waffe gegen seine Lehrer – ein Gewaltakt, der bestürzt und auch entmutigt. Ähnlich wie »Columbine« wird uns dieser schreckliche Vorfall nicht loslassen können und uns tagtäglich daran erinnern, dass die Sicherheit unserer Schulen Priorität in unserem Denken haben muss. Unsere Aufmerksamkeit und Anstrengung müssen darauf gerichtet sein, solche Gewaltausbrüche in Zukunft mit allen Mitteln zu verhindern.

Was auch immer Schüler zu solch entsetzlichen Taten treibt, es ist zu einer weltweiten Geißel geworden. Wie Sex und Gewalt in den Medien, nehmen Schusswaffen den Kindern, was wir einmal als Kindheit betrachtet haben. Die Geschichte in diesem Buch ist erfunden. Nichts – und alles – daran ist wirklich passiert. Ich hoffe, wo immer es zu Gewalt unter Jugendlichen kommt, können die in diesem Buch gemachten Beobachtungen und Aussagen einen Beitrag zur Abhilfe leisten.

Morton Rhue

»Die Schüler auf den Fluren kreischten vor Entsetzen, und Chaos brach aus, als sie erkannten, dass nun auch sie … eine zunehmend vertraute Szene erlebten: einen Schüler mit einer Waffe.«USA TODAY, 21.5.99

Liebe Mom,wenn du das liest, bin ich nicht mehr. Ich möchte nur, dass du weißt, dass auch du mich nicht davon hättest abhalten können. Ich weiß, du hast immer versucht, mir dein Bestes zu geben, und falls jemand daran zweifelt, zeig ihm diesen Brief.

Ich weiß nicht, ob ich wirklich erklären kann, warum ich das getan habe. Vielleicht, weil ich weiß, dass ich niemals glücklich sein werde. Ich weiß, dass jeder Tag meines Lebens mir wehtun würde und dass ich mich niemals richtig wohl fühlen werde. Es hat nur damit zu tun, dass das Leben für mich keinen Sinn mehr hat.

Gary Searle starb am Freitag, dem 27. Februar, gegen 10 Uhr abends in der Turnhalle der Middletown Highschool. Nachdem die Kugel ihm die linke Schädelhälfte zerschmettert und ihm das Gehirn zerfetzt hatte, lebte er noch etwa zehn bis fünfzehn Sekunden.

Das Gehirn ist ein sehr empfindliches Organ, das in einer flüssigen Umgebung schwimmt. Eine Kugel vernichtet das Hirngewebe, durch das sie hindurchfährt, und die durch den Aufschlag ausgelösten Schockwellen zerstören das gesamte Organ, indem sie Millionen höchst zerbrechlicher Strukturen und Verbindungen mit einem Schlag auseinander reißen. In den Sekunden danach füllt sich das Gehirn mit Blut und anderen Flüssigkeiten. Die Teile des Gehirns, die Atmung und Herztätigkeit steuern, werden lahm gelegt. Ein Arzt hat das mir gegenüber als »Erdbeben im Kopf« bezeichnet.

Zum Zeitpunkt von Garys Tod befand ich mich in der Bibliothek der Universität, an der ich im zweiten Jahr Journalismus studierte. Als mich die Neuigkeit erreichte, fuhr ich nach Hause, nach Middletown, und war entschlossen, erst wieder abzureisen, wenn ich verstanden hätte, was sich dort abgespielt hatte.

Als ich in Middletown eintraf, empfing mich ein dicker Nebel aus Bestürzung, Wut, Schmerz und Verzweiflung. Wochenlang tappte ich umher auf der Suche nach anderen Menschen, die dort nicht mehr herausfanden. Manche waren bereit, mit mir zu sprechen. Andere sprachen, weil sie das Bedürfnis hatten, sich zu rechtfertigen, obwohl niemand sie in irgendeiner Weise beschuldigt hatte. Manche kamen sogar zu mir, weil sie reden wollten. Als ob ihnen das Reden helfen könnte, das alles zu verstehen, als ob sie erst so den langen, schmerzhaften Prozess des Trauerns und Weiterlebens beginnen könnten.

Manche wollten nicht reden, weil es ihnen zu sehr wehgetan hätte. Andere wollten vielleicht nicht reden, weil sie durch dieses Ereignis etwas über sich selbst erfahren hatten, das sie noch nicht akzeptieren konnten – oder verheimlichen wollten.

Ich habe mit allen gesprochen, die mit mir reden wollten. Zusätzlich habe ich alles gelesen, was ich über die zahlreichen ähnlichen Vorfälle finden konnte, die sich in den vergangenen dreißig Jahren an anderen Schulen überall im Land zugetragen haben.

Dann habe ich angefangen aufzuschreiben, was ich erfahren habe. Die Geschichte, die jetzt vorliegt, wird von vielen Stimmen erzählt, in Worten, die viel ungeschminkter und ausdrucksvoller sind, als ich sie mir selbst jemals hätte ausdenken können. Die Geschichte handelt von Leid, Angst und Reue. Vor allem aber soll sie als Warnung dienen. Gewalt hat viele Gesichter – sie äußert sich durch den Gebrauch von Waffen und Fäusten oder von Worten, die Hass und Verachtung säen. Wenn wir nichts daran ändern, wie wir andere innerhalb und außerhalb der Schule behandeln, wird es nur noch mehr – und schrecklichere – Tragödien geben.

Denise Shipley

Gary und seine Mutter, Mrs Searle, zogen einen Tag vor dem Beginn des zweiten Schuljahrs in das Haus bei uns nebenan.

Zum ersten Mal richtig gesehen habe ich ihn dann an der Bushaltestelle. Ein ziemlich stiller Junge, aber ganz freundlich. Die anderen spielten morgens an der Bushaltestelle immer Fußball, aber ich hatte keine Lust dazu und war richtig froh, als Gary auftauchte, weil ich jetzt jemanden zum Reden hatte. Wir unterhielten uns über Wackelbilder und Videospiele und was wir im Fernsehen gesehen hatten.

Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen, ich glaube, Mrs Searle war ein bisschen überängstlich. Wahrscheinlich weil sie allein erziehend war. Die ganze Zeit hat sie Gary gefragt, wo er hingeht, und ob er auch warm genug angezogen ist und alles so was. Gary hat immer nur die Augen verdreht.

Bis Brendan aufgetaucht ist, war ich sicherlich Garys bester Freund. Aber Gary hatte so was Geheimnisvolles an sich, da wusste man nie so genau Bescheid. Als ob er irgendwas verbergen würde. Ich kann das nicht erklären, aber ich konnte es spüren, wenn wir zusammen waren. Manchmal wurde er dann plötzlich ganz still, und man spürte, dass er völlig weggetreten war. Ich habe immer gedacht, das hätte vielleicht mit der Scheidung seiner Eltern zu tun.

Ryan Clancy, Freund von Gary und Brendan

Gary Searle war ein ganz reizender Junge mit rötlich braunen Haaren und großen runden Augen. Er war höflich und ruhig und hat immer getan, was man ihm aufgetragen hat. Ich erinnere mich, dass er von einigen Kindern gehänselt wurde, weil er so dick war. Aber Sie wissen ja, wie Kinder in diesem Alter sind.

Ruth Hollington, Garys Lehrerin in der vierten Klasse an der Grundschule Middletown

Ich bin erst im fünften Schuljahr nach Middletown gekommen, vorher habe ich Gary nicht gekannt. Wir waren viel zusammen und manchmal hat er von früher erzählt. Von der Scheidung und wie furchtbar das für ihn gewesen ist, und wie sein Vater dann einfach verschwunden ist und keine Alimente gezahlt und niemals angerufen hat und so. Das hat ihn schrecklich enttäuscht. Da ist er nie drüber weggekommen.

Allison Findley, Garys zeitweilige Freundin an der Middletown Highschool

Die Scheidung war eine hässliche Angelegenheit. Ständig Zank und Geschrei. Geldstreitigkeiten. Und Gary immer mittendrin. Ich glaube, manchmal habe ich ihn benutzt, um zu bekommen, was mir zustand. Was uns beiden zustand. Schrecklich, ein Kind in so was reinzuziehen, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen.

Cynthia Searle, Garys Mutter

Gary war ein sehr aufgewecktes Kind. Man sah ihm das nicht an, weil er recht verschlossen wirkte und sich niemals meldete. Mir ist das zum ersten Mal in Mathe aufgefallen. Seine Klassenarbeiten waren fast immer tadellos, von einzelnen Flüchtigkeitsfehlern einmal abgesehen. Und am Computer war er der Beste. Ich wollte mit der Klasse eine Website einrichten. Gary hat sich freiwillig dafür gemeldet. Und ganz gleich, welche Probleme auftauchten, Gary hat immer mindestens drei Lösungen gefunden.

Stuart McEvoy, Garys Lehrer in der sechsten Klasse an der Mittelschule Middletown

Viele Jugendliche machen Computerspiele und so was, aber bei Gary war das etwas anderes. Er ist andauernd vorm Computer gesessen. Am Telefon war er oft völlig geistesabwesend, und dann wusste ich, dass er gerade online war. Er sprach ganz komisch, immer mit so einer kurzen Verzögerung, und im Hintergrund konnte man ihn tippen hören. Als ob er zwei Dinge auf einmal tun würde. Einmal habe ich ihn besucht und ihm dabei zugesehen. Er hatte drei Chatseiten gleichzeitig geöffnet und hat auf jeder mit einem anderen Partner gechattet. Und dabei auch noch telefoniert. Da ist mir klar geworden, dass er, wenn ich mit ihm telefonierte, nicht zwei Dinge auf einmal tat. Sondern vier.

Ryan Clancy

Ich bin mit Gary zu einer Psychologin gegangen, weil ich hoffte, da würde er vielleicht etwas aus sich herausgehen. Sie fand ihn sehr verschlossen. Ich glaube, sie ist nie so richtig an ihn herangekommen. Inzwischen ist klar, dass uns das allen nie gelungen ist.

Cynthia Searle

Ich will Ihnen ein Beispiel dafür erzählen, wie klug Gary war. Nach dem ersten Monat im sechsten Schuljahr wurde mir eines Tages ausgerichtet, ich solle seine Mutter bei der Arbeit anrufen. Ich erinnere mich an dieses Telefonat, weil sie sich irgendwie nicht wirklich dazu durchringen konnte, mir offen zu sagen, worum es ihr ging; aber am Ende hatte ich den Eindruck, dass sie wissen wollte, warum ich nur so wenig Hausaufgaben stellte. Offenbar brauchte Gary selten mehr als eine halbe Stunde am Abend, um damit fertig zu werden. Das Komische daran war, dass die Hälfte der Eltern meiner Schüler sich beklagten, ich würde den Kindern zu viel für zu Hause aufgeben.

Stuart McEvoy

Heute ist es einfach, zurückzublicken und in allem, was man getan hat, irgendwelche Hinweise zu sehen. In einem Sommer zum Beispiel haben Gary und ich mit Vergrößerungsgläsern gespielt, das heißt, wir haben damit lebendige Käfer und Raupen verbrannt. Das war schon stark, zu beobachten, wie die sich gewunden haben. Ist das ein Hinweis? Oder tun das Millionen andere Kinder auch?

Ryan Clancy

Ich kann immer noch kaum glauben, dass er da mitgemacht hat. Die Schießerei. Die armen Kinder in der Turnhalle als Geiseln zu nehmen. Und was sie mit diesem Football-Spieler getan haben. Das war nicht der Gary, den ich gekannt habe. Wenn Sie nach Antworten suchen, fangen Sie anderswo an. Zum Beispiel bei Brendan Lawlor.

Ruth Hollington

An die guten Menschen von Middletown:Ich hoffe, das wird in großen, fetten Buchstaben auf der ersten Seite der Zeitung gedruckt, denn ich finde, dass jeder Einzelne von euch das lesen sollte. Ich bin jetzt tot, und ihr wollt wissen, warum ich eure Kinder mitgenommen habe.

Darum: Ihr habt mein beschissenes Leben noch schlimmer gemacht. Wie? Weil ihr eure Kinder dazu erzogen habt, dass sie alle gleich sein wollen und jeden hassen, der es wagt, ein bisschen anders zu sein. Oh nein, denkt ihr jetzt wahrscheinlich, das haben wir doch gar nicht getan.

Natürlich habt ihr es getan. Ich habe euch in euren Autos gesehen, wie ihr mich und meine Freunde angestarrt habt. Seht euch diese Penner an. Wie die schon angezogen sind, und was für Musik die hören! Warum treiben die nicht lieber Sport oder feuern wenigstens unsere Mannschaft an?

Brendan Lawlor und seine Familie haben hier in Springfield bis zur Mitte des siebten Schuljahrs gewohnt, dann sind sie nach Middletown gezogen. So etwa ab dem zweiten Schuljahr war ich Brendans bester Freund. Manchmal haben wir uns gestritten und dann eine Zeit lang nicht miteinander gesprochen, aber meistens waren wir Freunde. Ich fand Brendan ziemlich cool. Und beliebt war er auch.

Er war ein kluger und witziger Typ, und für einen mittelgroßen, dünnen Jungen war er ein echt guter Sportler. Guter Läufer. Er konnte jeden zur Schnecke machen und er hatte immer eine schlagfertige Antwort auf Lager. Ich werde nie vergessen, wie wir einmal einen Jungen aufgezogen haben, weil er etwas streng gerochen hat, und wie Brendan sagte: »Du riechst so übel aus den Achseln, dass die Garfield (unsere Lehrerin) dir ’ne Eins gegeben hat, nur weil du dich nicht gemeldet hast.« Wir hätten uns totlachen können.

Brett Betzig, Freund von Brendan in Springfield

Brendan war einer der lauteren Jungen in der Klasse, aber auch ein sehr guter Schüler. Seine Hausaufgaben und Klassenarbeiten hat er immer pünktlich abgegeben. Im schriftlichen Ausdruck war er sehr gut, nur mit Grammatik und Rechtschreibung hatte er Schwierigkeiten, aber das ist bei Jungen in diesem Alter nicht selten. Manchmal war er ziemlich launisch, aber das ist auch nichts Ungewöhnliches.

Katherine Sullivan, Brendans Lehrerin in der sechsten Klasse an der Mittelschule Springfield

Bessere Nachbarn als die Lawlors hätte man sich nicht wünschen können. Tom und Samantha Lawlor waren sehr freundliche Leute, die immer wieder ihre Hilfe angeboten haben, wenn es darum ging, ein Kind abzuholen oder irgendwo hinzubringen. Ihr Haus und ihr Garten waren immer tadellos gepflegt, und die paarmal, die sie Brendan gegenüber laut geworden sind, kann ich an einer Hand abzählen. Es hat mir sehr Leid getan, als sie weggezogen sind.

Kit Conner, Nachbarin der Lawlors in Springfield

Brendan und ich waren in derselben Fußballmannschaft, weil unsere Väter befreundet waren und gemeinsam das Training geleitet haben. Ich habe meistens im Angriff gespielt, weil ich gern Tore schießen wollte. Brendan war Verteidiger. Er war ein komischer Fußballspieler. Manchmal rannte er über den Platz und warf sich vor den Ball, als ob sein Leben davon abhängen würde, und manchmal führte er sich auf, als ob ihn das alles gar nichts anginge. Ich hatte immer das Gefühl, seinem Vater wäre es lieber gewesen, wenn er sich mehr eingesetzt und das Spiel etwas ernster genommen hätte.

Brett Betzig

Es gibt Leute, die wirken immer ganz entspannt und zufrieden mit sich selbst. Zu denen gehörte Brendan sicher nicht. Er hat sich irgendwie nie richtig wohl gefühlt. Er war immer ein wenig nervös, ein wenig misstrauisch. Als ob sein Gehirn immer weiterarbeiten musste, auch wenn wir einfach mal nur Spaß haben wollten.

Julie Shore, Freundin von Brendan in Springfield

Eins konnte Brendan nicht ausstehen: Ungerechtigkeit. Ich erinnere mich noch an ein Fußballspiel; einer aus der anderen Mannschaft hätte wegen Handspiels verwarnt werden müssen. Ganz klare Sache, aber der Schiri hatte es nicht gesehen. Ein paar Sekunden später erzielt die Mannschaft ein Tor. Brendan dreht völlig durch. Baut sich vor dem Schiri auf, schimpft und flucht wie ein Irrer. Uns anderen war das richtig peinlich. Mr Lawlor musste auf den Platz kommen und Brendan da wegholen. Aber solche Sachen hat Brendan einfach nicht ertragen können.

Brett Betzig

Ich war gerade vorm Haus, als Samantha nebenan vorfuhr und aus dem Auto stieg. Sie hat Brendan immer zur Schule gefahren. An diesem Morgen sah sie fix und fertig aus. Als ob sie gleich in Tränen ausbrechen würde. Ich habe sie gefragt, ob alles in Ordnung sei, und sie sagte, Brendan habe es ihr eben mal wieder sehr schwer gemacht. Ich habe sie dann auf einen Kaffee eingeladen. Vielleicht hat sie gehofft, weil ich zwei Söhne großgezogen habe, könnte ich ihr einen guten Rat geben.

Dann weinte sie wirklich und vertraute mir an, dass Brendan manchmal sehr schwierig sei. Er helfe nicht richtig im Haushalt mit, und wenn ihn etwas ärgere, könne er geradezu explodieren. Sie sagte, an manchen Tagen sei es praktisch unmöglich, ihn aus dem Bett zu kriegen und für die Schule fertig zu machen. Ich fand das sehr seltsam. Seine Eltern waren genau das Gegenteil – ausgeglichene Leute. Samantha hatte ein ausgesprochen stilles und freundliches Wesen. Vielleicht wurde sie einfach nicht mit ihm fertig.

Kit Conner

Wir haben dauernd Videospiele gespielt. Eins unserer Lieblingsspiele war Need for Speed