Ich sag nur ein Wort: Vielen Dank! - 11 Freunde Verlag - E-Book

Ich sag nur ein Wort: Vielen Dank! E-Book

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Beschreibung

Die Erfolgsgeschichte geht weiter – die Kult-Rubrik von Deutschlands angesagtestem Fußballmagazin in Buchform

»Beim Fußball verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft«, sprach Jean-Paul Sartre. Besonders kompliziert wird es für den Fußballer, wenn er sich abseits des Rasens bewegen muss. An den kleinen Herausforderungen des Alltags scheitert er viel eher als an einem Elfmeter vor 100.000 Zuschauern. Grund genug für die Redaktion des Fußball magazins 11 FREUNDE, weitere 500 erstaunliche, absonderliche Fakten zusammenzutragen – vom Denglish des Franken Lothar Matthäus über die Wirtshausrechnung des Paul Gascoigne bis hin zu Horst Hrubeschs legendärer Abschiedsrede beim Hamburger SV: »Ich sag nur ein Wort: Vielen Dank!«

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Copyright © 2012 by Wilhelm Heyne Verlag, München in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Redaktion: Thomas Brill Umschlagillustration: © Imago/Dieter Wiechmann Umschlaggestaltung: yellowfarm gmbh, S. Freischem Satz: Der Buchmacher, Arthur Lenner, München
ISBN: 978-3-641-07356-5 V002
www.heyne-hardcore.dewww.penguinrandomhouse.de

Vorwort

Viele Fußballer haben ein eher schwieriges Verhältnis zur Mathematik. Wir erinnern diesbezüglich an Horst Szymaniak, der statt einem Drittel mehr Gehalt doch mindestens ein Viertel mehr haben wollte, und an den Schalker Haudegen Ingo Anderbrügge, der die Prozentrechnung gänzlich neu definierte: »Das Tor gehört zu 70 Prozent mir und zu 40 Prozent dem Wilmots.« Vor allem aber muss Horst Hrubesch gewürdigt werden, der einst bei seiner Verabschiedung im Hamburger Volksparkstadion beim Wörterzählen nicht mehr richtig nachkam: »Ich sag nur ein Wort: Vielen Dank!«

Was wiederum nicht nur der Titel des vorliegenden Schmökers geworden ist, sondern auch gut unsere Gefühlslage umschreibt. Denn wir sagen ebenfalls »Vielen Dank« an Spieler, Trainer, Fans und Funktionäre, deren Erlebnisse, Weisheiten und Anekdoten dieses Buch so mühelos gefüllt haben. Und wir können uns auch nach vielfachem Durchlesen nicht entscheiden, welche der vielen kleinen Geschichten uns am besten gefällt. Vielleicht die von Rangers-Keeper Andy Goram, bei dem eine leichte Form der Schizophrenie diagnostiziert wurde und der folgerichtig von den eigenen Fans gefeiert wurde: »Zwei Andy Gorams, es gibt nur zwei Andy Gorams!« Oder die des amerikanischen Mannschaftsarztes, der bei einem Spiel der WM 1930 auf den Platz sprintete und dem in seinem Koffer zwei Ampullen mit Chloroform zerplatzten, woraufhin der bedauernswerte Arzt selbst vom Feld getragen werden musste. Oder jene von den kruden Ideen des FIFA-Präsidenten Sepp Blatter, der einst das Elfmeterschießen abschaffen und stattdessen die Anzahl der Spieler während der Verlängerung nach und nach reduzieren wollte.

Gottlob mussten wir uns nicht entscheiden und haben stattdessen nach unserem ersten Buch mit 500 Dingen über Fußball, das bei Heyne unter dem schillernden Bonmot des emeritierten Welttorhüters Oliver Kahn »Eier, wir brauchen Eier« erschienen ist, abermals 500 Geschichten und Anekdoten gesammelt und sind dabei auf manchen bislang ungehobenen Schatz gestoßen. So birgt beispielsweise die österreichische und schweizerische Fußballgeschichte unzählige Anekdoten der Spitzenklasse. Wer weiß schon, dass der legendäre Rapid-Stümer Franz Hasil einst die eingangs erwähnte Bruchrechnung von Horst Szymaniak ins Finanzfach verlegte und einem Fußballfunktionär, der ihn nach der Auszahlung seiner Gage gefragt hatte, beschied: »Brutto oder netto, das ist mir egal. Hauptsache ist, ich bekomm sie auf die Hand.« Und über allen schwebt natürlich der Gottvater der Trainerzunft, Ernst Happel, dessen Kommentare zum Leben allgemein und zum Fußball im Speziellen sich so wohltuend vom heutigen Dampfgeplauder abhoben. »Wenn wir den Ball haben, hat ihn der Gegner nicht!«, sprach er und stapfte grantelnd vom Trainingsplatz.

Geschichten, die nur der Fußball schreibt. Dafür vielen Dank. Um es mit einem Wort zu sagen.

Philipp Köster, Tim Jürgens (Chefredakteure 11 Freunde)

Inhaltsverzeichnis

VorwortYOU’LL NEVER WALK ALONE - Wenn Fußballfans singenLOTHAR MATTHÄUS - Aus dem Leben eines RaumausstattersFC BARCELONA - Die Bedeutung von MehrwertMODETRENDS - Prêt-à-porter auf dem RasenVERSCHWÖRUNGS-THEORIEN - Bestochene Schiedsrichter, verschobene EndspieleGLÜCKSSPIELE - A bisserl was geht immerFUSSBALLREGELN - Wir sind hier nicht in VietnamMEUTEREIEN - Revolutionen auf dem RasenRÜCKENNUMMERN - Arithmetik für FortgeschritteneTRIKOTS - Schweinrosa ja, Kondome nein!HOLLÄNDER IN DER BUNDESLIGA - Unsere LieblingsfeindeFUSSBALL IN ÖSTERREICH - Zuckerlpässe und WunderteamsFUSSBALL IN DER SCHWEIZ - Senfnasen und falsche Studenten1. FC NÜRNBERG - Stuhlfauth, Eckstein, Merkel & Co.FORTUNA KÖLN - Der Verein bin ichMANCHESTER UNITED - Teufel im DetailJOSÉ MOURINHO - Die Launen des AuserwähltenSPITZNAMEN - Atom-Otto trifft Pomaden-WillyOLIVER KAHN - Vom seefesten Kutter zum stolzen TitanROMAN ABRAMOWITSCH - Reicher Russe sucht FußballklubPLEITEN - Tankstellenbesitzer in der ÖlkriseWELTMEISTER-SCHAFTS- ENDSPIELE - Von Bern bis BerlinPANNEN BEI WELTMEISTER-SCHAFTEN - Alle vier Jahre: Pleiten, Pech und PannenKURIOSE SPIELABBRÜCHE - Vorzeitiger AbpfiffPOKALE - Von Pötten und SalatschüsselnBildnachweis:Copyright

YOU’LL NEVER WALK ALONE

Wenn Fußballfans singen

Bild 1

01 Warum singen Fußballfans? Wilhelm Genazino hat in seinem Roman »Das Glück in glücksfernen Zeiten« das wohl letzte Wort dazu gesprochen: »Früher habe ich mich geängstigt, wenn ich an Bahnhöfen und Unterführungen das Gebrüll von Fußballfans hörte«, schreibt er. »Heute weiß ich, dass es sich um das Geschrei von Eingesperrten handelt, die den Widerhall ihrer Gefangenschaft hören wollen.«

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02 Nahezu jedes bekanntere Volkslied fand schon in einer Variation den Weg in die Fußballstadien. Von »Oh my Darling Clementine«, das als »Von der Elbe bis zu Isar« wieder auftauchte, über den Shanty »Hamborger Veermaster« als »Wir werden deutscher Meister« bis hin zu »When the Saints go marching in«, das als »Der S04 ist wieder da« ein Comeback feierte. Auch Popsongs wie der Village-People-Smasher »Go west« und der Beatles-Hit »Yellow Submarine« sind Evergreens in den Stadien.

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03 Fangesänge sind wie Popsongs. Sie verbreiten sich in den Stadien und geraten ebenso auch wieder aus der Mode. So wurde in den Achtzigern der Schiedsrichter gerne mit den etwas rätselhaften Worten gefoppt: »Schiedsrichter, Telefon, deine Alte wartet schon!« Und wenn der FC Bayern zu Gast war, sang das Stadion regelmäßig schon vor dem Anpfiff: »Zieht den Bayern die Lederhosen aus!« Heute werden diese Chants nur noch von Veteranen bemüht.

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04 Als bekannt wurde, dass bei Andy Goram, Torwart der Glasgow Rangers, eine schwache Form der Schizophrenie diagnostiziert worden war, begrüßten die Rangers-Anhänger den Mann beim nächsten Spiel auf höchst charmante Weise: »Zwei Andy Gorams, es gibt nur zwei Andy Gorams.«

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05 Als 1989 die Mauer und Grenzen zwischen den deutschen Staaten fielen, entdeckten die westdeutschen Anhänger, dass sich auch im Osten eine vitale Fanszene tummelte, die Choräle im Repertoire hatte, die internationalen Standards genügten. Textprobe: »Zwei gekreuzte Hämmer und ein großes W, das ist Wismut Aue, unsere BSG! Wir kommen aus der Tiefe, wir kommen aus dem Schacht, das ist Wismut Aue, eine Fußballmacht!« Schaurig schön.

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07 Die englischen Polizisten, die oftmals mit ihren klassischen Glockenhüten vor den Fanblöcken Wache schieben, sind Zielscheibe allgemeinen Spotts wie im folgenden Vers: »We paid for your hats, what a waste of council tax!« Auf Deutsch: »Wir haben eure Hüte bezahlt, was für eine Verschwendung von Steuergeldern!«

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08 Als Mohamadou Idrissou 2010 den SC Freiburg in Richtung Mönchengladbach verließ, geschah das auch mit dem erklärten Ziel, irgendwann einmal in einem Europapokalspiel mitzumischen. Als Idrissou im Jahr darauf mit Gladbach im badenova-Stadion gastierte und diesem Ziel noch kein Stück näher gekommen war, verbreitete sich im Freiburger Fanblock ein lustiges Lied, gesungen auf die Melodie von »Rivers of Babylon« von Boney M.: »Idrissou spielt Champions League, auf PS3, die ganze Nacht, von zwölf bis acht!«

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09 Wenn es um die Feindschaft zum Lokalrivalen Rot-Weiss Essen geht, bemühen die Anhänger des FC Schalke sehr gerne auch die Heilige Schrift: »In der Bibel steht geschrieben, du sollst deine Feinde lieben!«, beginnt der Choral, um dann aber auf Lücken in der Überlieferung hinzuweisen: »Aber eines wurd‛ vergessen – auf die Schnauze, Rot-Weiss Essen!«

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10 Was der Essener Anhänger jedoch nicht auf sich sitzen lassen muss und routiniert zurückreimt: »Als ich das Licht der Welt erblickt‛, da wusst ich ganz genau / Ich brauche keinen Arbeitsplatz und keine hübsche Frau / Ich brauch nur Fußball, Leidenschaft und Freunde neben mir / Das fand ich irgendwann dann auch in Essen im Revier / Ich hasse jedes Schalke-Schwein und Duisburg auf den Tod / Ich liebe nur den RWE in den Farben Weiß und Rot.« Wichtig, dass das auch noch mal festgehalten wurde.

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11 Am 9. September 1967 dienten die Choräle der Fans im Liverpooler Stadion einmal nicht der eigenen Erheiterung oder Ermunterung, sondern allein der Information. Es waberte nämlich dichter Nebel durch das Stadion, sodass von den Kopfseiten das Tor auf der anderen Seite nicht zu erkennen war. Als dann das Publikum ein Tor bejubelte, brüllten zahlreiche Anhänger in die weiße Wand hinein: »Who scored the goal?« (»Wer schoss das Tor?«) Die Antwort kam ebenfalls gesungen und massenhaft: »Hateley scored the goal!«

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12 Ebenfalls sehr neblig war es Ende 2002 in der Berliner Försterei, als Union Berlin und Eintracht Frankfurt um Zweitligapunkte kämpften und dabei größte Mühe hatten, Ball und Nebenmann zweifelsfrei zuzuordnen. Dabei hatten sie im Vergleich zum bedauernswerten Publikum noch vergleichsweise gute Sicht. Die Zuschauer waren vollends desorientiert, ein Anhänger fasste sich schließlich ein Herz und stimmte an: »Wir woll‛n die Mannschaft seh‛n, wir woll‛n die Mannschaft seh‛n!« Die Lacher hatte er auf seiner Seite.

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13 Manche Chants werden immer mal wieder aktuellen Gegebenheiten angepasst. Eine Werbung des öffentlichen Nahverkehrs wurde zunächst zum Song »Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht«, dann aber flugs in die Vergangenheitsform umgedichtet: »Schiri, wir wissen, wo dein Auto stand«. Und als der Frankfurter Bundesliga-Kicker Maurizio Gaudino einmal der Autoschieberei verdächtigt wurde, machte alsbald ein sachdienlicher Hinweis die Runde: »Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht, Gaudino hat’s, Gaudino hat’s«.

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14 Gleiches passierte mit dem Schalker Standard »Königsblau, ein Leben lang«. Missgünstige Anhänger des Rivalen Borussia Dortmund dichteten den Song angesichts jahrzehntelanger Schalker Titellosigkeit humorig um in »Ein Leben lang keine Schale in der Hand«. Das wiederum konterten Schalker hübsch selbstironisch: »Ein Leben lang dieselbe Unterhose an!« Auch keine schöne Vorstellung!

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15 Nicht alle Chants, die in den Stadien gebrüllt werden, sind geschmackssicher. Ganz im Gegenteil würden viele Gesänge im normalen Leben den Straftatbestand der Beleidigung erfüllen. Allein, im Fußballstadion sollte man das nicht so eng sehen. Was inzwischen wohl auch die TSG Hoffenheim gelernt hat, wo man sich seit Jahr und Tag über abschätzige Gesänge an die Adresse des Mäzen Dietmar Hopp ärgert. Bis ein eifriger Stadionordner handelte und die Gesänge mittels eines selbst gebauten Störsenders übertönte. Weil anschließend Auswärtsfans über Ohrenschmerzen klagten, flog der Selbstjustiziar auf. Immerhin: Dietmar Hopp hatte Verständnis.

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16 International gelten weniger dreistrophige Lieder als vielmehr kurze, zackige, humorfreie Ausrufe als deutsche Spezialität. Also prototypisch »Haut‛se, haut‛se, immer auf die Schnauze« und vor allem der seit der WM 1990 in Italien weltweit bekannte Klatschrhythmus mit abschließendem »Sieg«-Gebrülle.

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17 Wie wirkungsvoll die Gesänge der Fans sind, darüber streiten Laien und Experten. Manch einer schwört auf das Gebrüll der Anhänger, andere zeigen sich völlig unbeeindruckt. Und für einen waren die Beschimpfungen der Anhänger ein verlässlicher Gradmesser für die eigene Leistung. Ulf Kirsten stellte treffsicher wie immer fest: »Wenn bei einem Auswärtsspiel keiner ruft: ›Kirsten, du Arschloch‹, dann weiß ich genau, dass ich schlecht bin.«

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18 Manchmal kommen auch jahrzehntealte Popsongs erneut zu Ehren. So wird bei Celtic Glasgow der Chartbuster »Just can’t get enough« von Depeche Mode gesungen, mit leicht verändertem Text. Die grünweißen »Bhoys« singen voller Inbrunst: »When I see you Celtic, I go out of my head.« Was wiederum dem Depeche-Mode-Mitglied Andy Fletcher sehr schmeichelt: »Das Tolle an den Celtic-Fans ist, dass sie den kompletten Text kennen, auch die Strophe und Bridge.« Was Fletcher allerdings nicht dazu bringt, über seine Vereinspräferenz neu nachzudenken: »Ich bin ein Chelsea-Fan.«

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19 Einer der schönsten lokalen Chants wird in Hannover gesungen. Dort haben sich die Anhänger im Sektor Familienplanung mächtig was vorgenommen. »Jedes Jahr ein Kind«, heißt es dort, »jedes Jahr ein Kind, bis es 96 sind!« So sind die Niedersachsen: sturmerprobt, erdverwachsen und außerdem sexuell rege bis ins hohe Alter.

Bild 4

Bild 6

LOTHAR MATTHÄUS

Aus dem Leben eines Raumausstatters

01 Platzhirsch. Als Lothar Mätthaus 1979 zum Probetraining bei Borussia Mönchengladbach anreist, muss er ein gängiges Ritual über sich ergehen lassen: Kapitän Berti Vogts stellt jeden Neuankömmling auf die Probe, indem er ihn im Trainingsspiel erst mal kompromisslos umsenst. Der 18-Jährige klopft sich nach der Blutgrätsche des Terriers jedoch unbeeindruckt den Staub vom Shirt und revanchiert sich kurz darauf mit einem rüden Foul bei Vogts, der – zurück in der Senkrechten – direkt ins Büro von Borussia-Manager Helmut Grashoff sprintet und sagt: »Setzen Sie sofort den Vertrag für den Jungen auf, nicht dass uns den noch einer wegschnappt.«

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02 Auch beim ersten Länderspiel beweist der Herzogenauracher, dass er besser austeilen als einstecken kann. Sein Lebensmotto: »Ich komme aus einem einfachen Haus. Wir haben nichts geschenkt bekommen, ich musste immer schon mit den Ellenbogen kämpfen.« Vier Minuten nachdem Jupp Derwall ihn in der 76. Minute der Europameisterschaftspartie gegen die Niederlande für Bernard Diez aufs Feld geschickt hat, holt er Bennie Wijnstekers im Strafraum von den Beinen. Deutschland führt zu diesem Zeitpunkt 3:0. Doch den fälligen Elfmeter verwandelt Johnny Rep – und Matthäus macht das Spiel noch einmal unfreiwillig spannend.

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03 Bis heute führt Matthäus ein Leben als Schoßhündchen der Boulevardzeitungen. Er lässt keine Gelegenheit aus, seine Meinung öffentlich kundzutun – und verpasst deshalb auch selten ein Fettnäpfchen. Dennoch sind seine Verdienste für den Fußball unbestritten. Matthäus ist mit 150 Länderspielen Deutschlands unangefochtener Rekordnationalspieler. Seine 25 WM-Spiele sind Weltrekord. Er ist Weltmeister 1990, zweimaliger Vizeweltmeister und Europameister 1980. Er wurde siebenmal deutscher Meister, zweimal DFB-Pokalsieger, zweimal UEFA-Cup-Sieger und einmal italienischer Meister. Er war 1990 Weltfußballer und Europas Fußballer des Jahres.

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Bild 7

05 Der ewige »Loddar« hat es sich in seiner aktiven Laufbahn mit vielen verscherzt. Am nachhaltigsten ist die Abscheu wohl bei den Fans von Eintracht Frankfurt. Dort steht er bis heute auf der schwarzen Liste. Der Grund: Am 15. März 1980 grätscht Matthäus im Waldstadion Eintracht-Legende Jürgen Grabowski so ungelenk ins Sprunggelenk, dass dieser seine Karriere beenden muss. Als ein Reporter ihn 28 Jahre später fragt, ob es ihm leidtue, beweist der Rekordnationalspieler mal wieder diplomatische Defizite: »Ich kann mich für nichts entschuldigen, was ich nicht getan habe. Vielleicht hatte er damals eine gute Versicherung abgeschlossen und wollte gar nicht mehr zurückkommen. Bei einer solchen Verletzung muss man ganz sicher keine Karriere aufgeben.« Der Weltmeister von 1974 retourniert desillusioniert: »Unverschämt! Ich habe damals mit Fußball aufgehört und keinen Pfennig kassiert.«

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06 Eine lebenslange Feindschaft unterhält Matthäus zu Jürgen Klinsmann. In seinem »geheimen Tagebuch«, das 1997 in Buchform erscheint, unterstellt er dem blonden Göppinger, dass dieser der Rädelsführer bei Matthäus’ zwischenzeitlicher Verbannung aus der Nationalelf und Anführer einer Revolte gegen ihn als Platzhirsch beim FC Bayern war. Außerdem hält er den Schwaben – im Gegensatz zu sich selbst – für verschlagen und hinterlistig: »Er war und ist clever, feige, egoistisch und vor allem aufs Geld aus. Und er war der Wortführer der acht Nationalspieler, als man mich als Bayern-Kapitän killen wollte. Wenn er das heute bestreitet, lügt er wie immer.«

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07 Noch mal Lothar vs. Klinsmann. Als Klinsi 1997 zu Sampdoria Genua wechselt, wettet Matthäus mit einem Freund um 10 000 Mark, dass der italienische Klub es nicht schafft, mit Klinsmann einen einstelligen Tabellenplatz zu erreichen. Genua erreicht am Ende der Serie den neunten Rang, allerdings ist Klinsmann in der Winterpause bereits zu Tottenham Hotspur weitergereicht worden. Wer die Wettschulden zu tragen hatte, ist deshalb nicht überliefert.

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09 Lothar & Lolita, Teil 2. Die Ehe steht ganz offenkundig unter keinem guten Stern. Nach nur fünf Jahren folgt die Scheidung. Lolita kommt zu einem negativen Urteil hinsichtlich Lothars Vaterpflichten. »Ich hatte gedacht, wenn Lothar sich um Loris (den gemeinsamen Sohn, Anm. d. Red.) kümmert, macht ihm das Spaß. Okay, ich habe mich geirrt. Es hat ihm keinen Spaß gemacht. Normalerweise freut sich ein Vater, der sein Kind in zehn Monaten zwei- oder dreimal gesehen hat, wenn er mal die Windeln wechseln darf«, schreibt Lolita 1999 in der »Bunten«.

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10 Lothar & ich. Ist es die Hybris des Weltstars oder eine ganz eigene Form der Persönlichkeitsspaltung? Der Nationalspieler geht im späteren Verlauf seiner Karriere in Interviews immer wieder auf Distanz zu seinem Ich und spricht mit großer Ehrfurcht von seinem Alter Ego – dem ominösen »Lothar Matthäus«. Kostproben gefällig? Lothar, der Übermensch: »Ein Lothar Matthäus lässt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal.« Lothar, der Zurückhaltende: »Ein Lothar Matthäus kann es sich nicht leisten, sich zu blamieren.« Lothar, der Lothar Matthäus: »Ein Lothar Matthäus braucht keine dritte Person. Er kommt sehr gut allein zurecht.«

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11 Im Oktober 1993 steht Matthäus im Zenit seines Schaffens. Soeben hat er Franz Beckenbauer als deutschen Rekordnationalspieler überflügelt. Glücklich schlendert er mit seiner neuen Freundin Lolita und Sohn Loris über das Münchner Oktoberfest. Ein Niederländer steht mit einer Videokamera in der Nähe und macht Aufnahmen von dem Prominenten-Pärchen. Matthäus fühlt sich bedrängt, er beschwert sich. Seine Zunge ist beschleunigt von einigen Maßkrügen Bier. So soll er im Eifer des Wortgefechts gesagt haben: »Ach, auch noch Holländer, das sind sowieso alles Arschlöcher, und du bist wohl vergessen worden vom Adolf.« Der DFB und der FC Bayern schreiten ein und stellen das angeknackste Image des Starspielers bald wieder her.

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Bild 20

12 Offene Rechnungen hinterlässt Matthäus offenbar bei einem sechswöchigen Engagement in Brasilien. Als Coach von Atlético Paranaense gelingen ihm 2006 in nur acht Spielen sechs Siege. Jedoch wird er wegen Beleidigung eines Unparteiischen für dreißig Tage gesperrt. Er legt sich mit einem Fotografen an, bei dem Streit in einem Hotel kommt es beinahe zu Handgreiflichkeiten. Brasilien ist nicht gut zu ihm, findet Matthäus. Er setzt sich in seinen Mietwagen, fährt zum Flughafen und fliegt zurück. Der Klub reagiert gereizt und meldet: Lothar habe zwei Handyrechnungen im Gesamtwert von 2700 Euro nicht bezahlt und den Wagen nicht ordnungsgemäß abgemeldet.

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13 Raumausstatter als Vermessungstechniker. Als über den Vorfall Gras gewachsen ist, kreuzen sich am Düsseldorfer Flughafen die Wege des FC Bayern und des TuS Lichterfelde. Die Basketballerinnen aus Berlin sind auf der Rückreise von einem Punktspiel in Bensberg. Die Bayern haben am Nachmittag auf Schalke unentschieden gespielt. Plötzlich schert Matthäus aus einer Spielertraube aus, stellt Augenkontakt zu den Korbballerinnen her und lotst ihre Blicke auf den kolumbianischen Teamkollegen Adolfo Valencia. Er ruft den jungen Damen zu: »Hey, unser Schwarzer hat so einen Langen.« Und um seinen Hinweis anschaulich zu machen, deutet er die Länge mit den Händen an. Michael Okada, der Trainer der Berlinerinnen, ist geschockt: »Gut einen halben Meter.« Matthäus plagen einige Tage später gegenüber Münchner Journalisten Gedächtnislücken: »Tut mir leid, aber ich kann mich an keine Berliner Basketballmannschaft erinnern.«

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14 I hope we’ve a little bit lucky. Als er im Winter 2000 zu den New York Metro Stars wechselt, offenbart Matthäus bei der ersten Pressekonferenz  – obwohl er sich selbst längst als Weltbürger versteht – erstaunliche Englisch-Defizite. Dafür präsentiert er sich ausnahmsweise ungewohnt demütig: »Mei english is not very gud. My german is bedder. I hope in the next mounts I can learn english for understand all questions. And I hope we have a little bit lucky and can win next year the American Soccer Championchip.«

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15 Schon sein Trainer zu Gladbacher Zeiten versucht, sein Benehmen zu schleifen. Als Matthäus nach einem Sieg der Borussia-Mannschaft von Fans umlagert wird, ruft er einem Autogrammjäger zu: »Was willste denn mit der Unterschrift von dem? Das ist doch bloß unser Busfahrer.« Mit hochrotem Kopf gibt Heynckes seinem versnobten Jungstar für diesen Lapsus ein Spiel Denkpause. Danach reißt Matthäus sich mehr zusammen – zumindest vorerst.

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16 Wir dürfen jetzt nicht den Sand in den Kopf stecken. Sieben Trainerstationen hat Matthäus seit 2001 in seinem Lebenslauf stehen, darunter die Nationalmannschaften von Ungarn und Bulgarien. Ein deutscher Verein kann sich bislang nicht erwärmen, sein fußballerisches Know-how zu nutzen. Obwohl, das stimmt nicht ganz. Im Jahr 2005 coacht Matthäus im Auftrag des TV-Senders RTL 2 das Team von Borussia Banana, eine Gruppe sportlich unerfahrener, junger Männer, die von einem professionellen Trainer zu einer Mannschaft geformt werden sollen. Trotz der Mühe, die sich der Franke bei seinem ersten Trainerjob auf deutschem Boden gibt, verliert die Borussia am Ende der Sendereihe das Spiel gegen ein All-Star-Team des FC St. Pauli.

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17 »Ich hab gleich gemerkt, das ist ein Druckschmerz, wenn man draufdrückt.« Das Problem mit einer freien Stelle auf dem deutschen Arbeitsmarkt geht dem Franken mächtig an die Nieren. Wie schlecht seine Aktien stehen, beweist eine Posse im Sommer 2009. Der abgestiegene Erstligist Arminia Bielefeld ist auf der Suche nach einem neuen Übungsleiter. Ein Mittelsmann ruft bei Matthäus an, der in Dubai Urlaub macht. Der signalisiert: »Bin gesprächsbereit.« Als sein Name bei der darauffolgenden Aufsichtsratssitzung durchsickert, fallen die Mitglieder fast vom Glauben ab. »Mit dem, niemals«, lautet das einstimmige Votum der ostwestfälischen Aufsichtsräte.

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18 Als Ursache für die mangelnde Akzeptanz ist nach Meinung vieler Matthäus’ Problem, Interna diskret zu behandeln. Als Uli Hoeneß im November 2002 gefragt wird, ob er sich den langjährigen Leitwolf, der über die Medien immer wieder gezielt Kritik an seinem Exklub übt, auf der Trainerbank des Rekordmeisters vorstellen kann, motzt der barocke Schwabe: »Solange ich und Kalle Rummenigge hier etwas zu sagen haben, wird der nicht mal Greenkeeper im neuen Stadion.« Als Lothar sieben Jahre später in Deutschland noch immer nicht reüssieren kann, bekommt Hoeneß ein weiches Herz und entschuldigt sich für das Zitat: »Der Ausspruch tut mir heute wirklich leid. Lothar ist ein hervorragender Fachmann. Mich haben schon viele Präsidenten nach ihm gefragt. Und in Nürnberg hätte es einmal beinahe geklappt.«

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19 Schon in den Achtzigern beweist Matthäus enorme Ausdauer beim Sprechen, auch im Kreis der Nationalmannschaft. Als diese mal wieder in der Sportschule Hennef gastiert, beginnt am Abend nach dem Training der Kampf um den einzigen Münzfernsprecher im Haus. Der fränkische Flatrate-Fasler geht in diesem Wettkampf der Auseinandersetzung mit den Kollegen durch einen simplen Schachzug aus dem Weg. Er holt sich das Telefon einfach auf sein Zimmer und schneidet die Mitspieler damit kurzerhand von den Gesprächen mit den Anverwandten ab. Als es zum Eklat kommt, stellt er den Münzapparat wieder im Aufenthaltsraum ab, verwaltet aber fortan die Benutzung des Geräts und lässt sich von jedem, der an die Gabel möchte, fünf Mark für ein Telefonat auszahlen.

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20 Matthäus leidet unter Höhenangst. Als er bei einer Sat.1-Show unter dem Motto »Pizza gegen Bratwurst« im deutschen Team unter anderem mit Schauspieler Hannes Jaenicke und Boris Becker gegen eine italienische Promi-Truppe antritt, soll er auf ein Rad steigen, das ihn durch heftiges Treten fast 30 Meter in die Höhe treibt. Da zieht der Exkicker den Schwanz ein: »Das soll der Jaenicke machen.« Der Mime übernimmt für den verunsicherten Rekordinternationalen den Wettkampf. Matthäus beruhigt sich erst nach und nach. We look not back, we look in front.

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FC BARCELONA

Die Bedeutung von Mehrwert

Bild 22

01 »Unser Freund und Partner, Hr. Hans Gamper, von der Fußballsektion der ›Sociedad Los Deportes‹ und früherer Schweizer Meister, sich wünschend, in Barcelona einige Spiele zu organisieren, erbittet jeden, der diesen Sport mag, ihn zu kontaktieren.« Mit dieser schlichten Kleinanzeige gibt der Schweizer Hans Gamper am 22. Oktober 1899 in der Sportzeitung »Los Deportes« den Startschuss zur Gründung des FC Barcelona. Beim Zusammentreffen der interessierten Zeitungsleser in einer Turnhalle in der Altstadt wird fünf Wochen später der Futbol Club Barcelona von 36 protestantischen Fußballverrückten gegründet.

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02