Ida erfindet das Schießpulver - Anne Weber - E-Book

Ida erfindet das Schießpulver E-Book

Anne Weber

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Beschreibung

Ida betrachtet die Bewohner unserer Erde und wundert sich. Dem »gesunden Menschenverstand« traut sie nicht über den Weg; ihrer eigenen, unerschütterlichen Logik hingegen widersteht so schnell kein Problem. Sie ist zugleich scharfsichtig, naiv und unerbittlich – ein kleines Ungeheuer mit starkem Drang zur Weltverbesserung. Ida träumt davon, die Erde in die Luft zu sprengen, hat für jede Gelegenheit einen anderen Kopf zur Hand (überhaupt besitzt sie ein Ersatzteillager für alle wichtigen Organe), füttert schwarze Löcher mit allerlei Unnützem oder Unerwünschtem, plaudert mit den Sternen, hilft Kröten über die Straße, leistet sich ein Double, das alle unangenehmen Aufgaben an ihrer Stelle übernimmt, und reist mit Vorliebe in einer Seifenblase umher. Parabelhaft verdichtet Anne Weber in ihrem Prosadebüt die Wirklichkeit und lässt die Welt so neu entstehen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 60

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Anne Weber

IDA ERFINDET DAS SCHIESSPULVER

Geschichten

Matthes & Seitz Berlin

Inhalt

Tag der geschlossenen Tür

Ida macht Schrumpfköpfe

Dialog mit einem Stern

Ida erfindet das Schießpulver

Als Gott Ida schuf

Wegtreten bitte

Idas Ausgrabung

Ida in der guten Gesellschaft

Herzklopfen und Herzschweigen

Vorsicht, Vorsicht

Röntgenblick

Luftverkehr

Zielstrebigkeit

Die Zukunft des Handels

Verwunderung

Frau Ida Holle

Das große Reinemachen

Die alten Männlein im Bade

Von der Geschwindigkeit in der Ehe

Wie spricht man mit einem Wasserspeier?

Menschenrechte

Der Tanz der toten Hosen

Ida begründet eine neue Religion

Missglückte Integration

Krieg und Frieden

Hier haben wir eine Schnecke

Wortklauberei

Leib und Seele

Ida weiß sich keinen Rat

La dolce vita

Von schwarzen Löchern im Hausgebrauch

Ida und die Elektronen

Ersatzteile

Ida in der Peepshow

Praktischer Sinn

Arme Reiche

Gedächtniskrater

Wenn man sich überlegt

Das Idaphragma

Was hat man uns da bloß aufgehalst

Weltfinsternis

Qual der Wahl

Wie viel darf’s denn sein?

Beim Frauenarzt

Wir sind die lustigen Totengräber

Ida vollbringt eine gute Tat

Das Leben wird immer teurer

Vom Reisen im Stand

Vermeintliche Gottlosigkeit

Elephantwoman

Jaja

Idas Wette

Ida fällt aus allen Wolken

Kaiserin Ida

Sterben?

Tag der geschlossenen Tür

In Idas Land organisiert die Regierung einmal im Jahr für die Jugend der Nation einen Tag der Geschlossenen Tür. Alle Türen der Nation bleiben an diesem Tag zu. Wem es aber dennoch durch allergrößten Zufall gelingen sollte, eine Tür zu öffnen, der stünde augenblicklich vor einer zweiten geschlossenen Tür und so fort. Auf diese Weise werden die jungen Leute von Kindheit an darauf vorbereitet, dass ihnen die Zukunft unwiderruflich verbaut ist.

Als sie klein war, freute sich Ida auf den Tag der Geschlossenen Tür, denn die Schule fiel aus. Heute ist sie es leid, den ganzen Tag zu Hause eingesperrt zu bleiben. Heutzutage dreht sich alles nur noch um die Jugend, beschwert sie sich.

Ida macht Schrumpfköpfe

Die Menschen glücklich zu machen ist eine der großen Aufgaben, die sich Ida gestellt hat. So viel Unglück, so viel Leid, und warum das alles? An welchen Stein stößt es, das Heil der Menschheit? An den Kopf. Der einzig Verantwortliche für unsere Leiden ist der Kopf. Ida ist fest entschlossen, dem Unheil, das diese behaarte Kugel anrichtet, ein Ende zu setzen. Es geht darum, ein für allemal mit diesem für das Glück ungeeigneten Anhang Schluss zu machen. Und das soll folgendermaßen geschehen:

Wählen Sie ein männliches Wesen aus, dessen Kopf minimale Dimensionen vorweist. Nehmen Sie anschließend ein mit denselben Merkmalen ausgezeichnetes menschliches Weibchen. Paaren Sie die beiden miteinander. Aus dieser Vereinigung wird aller Wahrscheinlichkeit nach ein kleinköpfiges Kind hervorgehen, das es seinerseits, sobald es ein kreuzungsfähiges Alter erreicht hat, mit dem Inhaber bzw. der Inhaberin eines besonders kleinen Hauptes zu kreuzen gilt. Auf diese Weise wird sich der Umfang des menschlichen Kopfes allmählich verringern, bis das unheilvolle Organ und damit der Homo sapiens gänzlich verschwunden und vom Homo felix abgelöst sein wird.

Natürlich hat Ida auch die Genmanipulation in Betracht gezogen. Auf diesem Gebiet verschwenden die Wissenschaftler ihre Zeit und ihre Energie damit, Wege zur Herstellung schöner und intelligenter Wesen zu suchen. Darüber verlieren sie völlig aus dem Auge, was eigentlich das Hauptziel ihrer Forschungen sein sollte: die Herstellung glücklicher Menschen. Und das ist undenkbar ohne radikale Beseitigung des Kopfes.

Sobald es Ida gelungen sein wird, die wissenschaftlichen Kreise davon zu überzeugen, so rasch wie möglich mit dem progressiven Schrumpfen der Köpfe zu beginnen, wird sie schon etwas ruhiger atmen können.

Dialog mit einem Stern

Es war Mittag, die Sonne stach. Was machst du denn da?, fragte der Stern Ida. (Ida begriff augenblicklich, dass die Stimme die eines Sternes war – eines zu dieser Tageszeit zwar unsichtbaren, aber sprechenden Sternes. Geben Sie es auf, das verstehen zu wollen. Manchmal hat man eben Eingebungen, die nicht täuschen, Punktum.) Was machst du denn da?, fragte wie gesagt der Stern. Ich beobachte dich nun schon eine ganze Weile, und ich kann beim besten Willen nicht sehen, worauf du hinauswillst. Du kommst, du gehst, du rührst an Herzen und an Salatblättern und in Töpfen, du fährst weg mit dem Bus, du kommst mit der Metro wieder zurück, du öffnest mehrmals täglich den Briefkasten, du kaufst ein halbes Baguette, du guckst ins Leere, du blätterst im Telefonbuch, du kommst du gehst du kommst du gehst. Ich kann dir versichern, dass man sich von hier aus gesehen auf dieses ganze Hin und Her beim besten Willen keinen Reim machen kann. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, antwortete Ida (um den Stern zu duzen, war sie zu eingeschüchtert). Aber von der Erde aus gesehen hat das, was Sie da oben treiben, auch nicht gerade viel Sinn. Der Stern war verärgert und verstummte.

Ida erfindet das Schießpulver

Ida sitzt mit gekreuzten Beinen auf einer Parkbank und denkt darüber nach, wie sie am besten die Erde in die Luft sprengen könnte. Da muss zunächst einmal eine Wahl getroffen werden zwischen Dynamit, Nitrobenzol, Dinitronaphtalin, Nitroglycerin, Hexogen, Trinitrotoluol oder eine Mischung aus all dem hergestellt werden. (An die Atombombe braucht man, wenn man nicht gerade eine Industrienation ist, gar nicht erst zu denken.) In einem Fachbuch hat Ida gelesen, man brauche ungefähr zehn Kilo Sprengstoff, um ein Gebäude mittlerer Größe in die Luft zu jagen. Die nächste Frage ist, wie viele Gebäude mittlerer Größe es wohl auf der Erdoberfläche geben kann. An dieser Stelle verliert Ida fast den Mut, denn sie muss feststellen, dass es hierauf keine sichere Antwort gibt. Die mittlere Ausdehnung menschlicher Behausungen, von der Hütte bis zum Wolkenkratzer, ist eine der am wenigsten greifbaren Größen, einer der unsichersten Werte, eine der schlimmsten Quellen der Beunruhigung, die es nur gibt.

Gehen wir logisch vor, sagt sich Ida, um sich Mut einzuflößen. Besser ist es, großzügig zu rechnen, als das Risiko einzugehen, das Ende der Welt zu verpatzen. Sie geht von einer Durchschnittszahl von fünfzig Personen pro Gebäude aus. Das bedeutet, hundert Millionen Gebäude müssen in die Luft gesprengt und eine Million Tonnen Sprengstoff aufgetrieben werden. Das ist kein Pappenstiel. Zumal sie sich nicht mit der Sprengung der Gebäude begnügen kann. Auch an die Straßen, Brücken, Tunnel, Berge, Felder, Laternen, Seen und Ozeane will gedacht sein. Wie sprengt man einen Ozean in die Luft?

Ida sitzt auf ihrer Parkbank und weiß sich keinen Rat.

Als Gott Ida schuf