Im Auftrag des MfS - Walter Brendel - E-Book

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Walter Brendel

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Beschreibung

Mata Hari, Josephine Baker oder Virginia Hall – weibliche Spioninnen gelten oft als schön, intelligent und gefährlich – ihr Doppelleben als geheimnisvoll. Aber wie legendär war das Leben echter Spioninnen? Was trieb sie an? Liebe, Macht, Überzeugung? Agenten zumeist von aktiven inoffiziellen Mitarbeitern der HVA angeworben, wobei vier von fünf Anwerbungen in der DDR erfolgten. Angaben ihrer Führungsoffiziere zufolge waren 60 % politisch motiviert, 27 % materiell, 7 % waren in "Honigfallen" getappt, 4 % waren unter falscher Flagge angeworben und lediglich jeweils 1 % zur Mitarbeit erpresst worden bzw. boten von sich aus eine Mitarbeit an. Die Führung, Kontrolle und Auswertung der Tätigkeit der Auslandsspione unterlag der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA). Die Hauptaufgabe der HVA war die Auslandsaufklärung (Spionage). Die HVA-Mitarbeiter verstanden sich als Elite des MfS. Von ihnen wurden hoher persönlicher Einsatz, Flexibilität, Leistungsfähigkeit und, wie von allen MfS-Kadern, absolute Linientreue zur SED verlangt. Mitarbeiter anderer MfS-Abteilungen konnten nach hervorragenden Leistungen – quasi als Auszeichnung – bei Bedarf zur HVA versetzt werden. Wir möchten sechs Spioninnen näher vorstellen, sie von ihren Arbeit und Motivationen und zweifellos auch von ihren Erfolgen bei ihrer Tätigkeit als "Kundschafter für den Frieden"berichten lassen. Es sind: Christel Guillaume, Johanna Olbrich, Gerda Schröter, Gabriele Gast, Lilli Pöttrich und Gabriele Kliem.

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Walter Brendel

Im Auftrag des MfS

Impressum

Texte:             © Copyright by Walter Brendel

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

Inhalt

Impressum

Einführung

1. Christel Guillaume

2. Johanna Olbrich

3. Gerda Schröter

4. Gabriele Gast

5. Lilli Pöttrich

6. Gabriele Kliem

Quellen

Einführung

Mata Hari, Josephine Baker oder Virginia Hall – weibliche Spioninnen gelten oft als schön, intelligent und gefährlich – ihr Doppelleben als geheimnisvoll. Aber wie legendär war das Leben echter Spioninnen? Was trieb sie an? Liebe, Macht, Überzeugung?

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), bekannt auch unter dem Kurzwort Stasi, war in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zugleich Nachrichtendienst und Geheimpolizei und fungierte als Regierungsinstrument der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). Formal war es innerhalb des Ministerrats der Deutschen Demokratischen Republik ein „Ministerium der bewaffneten Organe“. Auch die Hauptverwaltung A (HVA), der Auslandsgeheimdienst der DDR, war eine von etwa zwanzig Hauptverwaltungen des MfS.

Das MfS wurde am 8. Februar 1950 nach sowjetischem Vorbild gegründet und entwickelte sich zu einem weitverzweigten, personalstarken Überwachungs- und Repressionsapparat, dem im Jahr 1989 etwa 91.000 hauptamtliche Mitarbeiter und zwischen 110.000 und 189.000 inoffizielle Mitarbeiter (IM) angehörten. Als Motive für die Kooperation ermittelt man vor allem politische Ideale. Geld habe nur eine untergeordnete Rolle gespielt, auch erpresste Zusammenarbeit mit dem DDR-Spitzelapparat sei selten gewesen. Innenpolitisch hatte das als Machtinstrument benutzte MfS Schutzfunktion für staatliche Organe und Personen. Dazu wurden mehrere Bezirksverwaltungen für Staatssicherheit (BVfS) wie zum Beispiel in Leipzig eingerichtet.

Methodisch setzte das MfS dabei Observation, Einschüchterung, Inhaftierung sowie die sogenannte Zersetzung gegen Oppositionelle und Regimekritiker („feindlich-negative Personen“) als Mittel ein. In den 1950er Jahren wurde in Stasi-Gefängnissen noch physische Folter angewandt, später wurde mit ausgeklügelten psychologischen Methoden gearbeitet.

Mit dem Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ gehörte zum MfS auch eine eigene militärisch-operative Truppe, die 1990 etwa 11.000 Mann umfasste. Neben dem MfS gab es einen weiteren Nachrichtendienst in der DDR, die Militärische Aufklärung der Nationalen Volksarmee mit Sitz in Berlin-Köpenick. Diese wurde – ebenso wie die Grenztruppen und die restliche NVA – durch die Hauptabteilung I (MfS-Militärabwehr oder Verwaltung 2000) des MfS kontrolliert.

Als Kundschafter des Friedens wurden im Sprachgebrauch der DDR die im Ausland bzw. im Inland gegen Ausländer und ausländische Einrichtungen eingesetzten Agenten der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) oder die der Militärischen Aufklärung der Nationalen Volksarmee (NVA) bezeichnet.

Nach Auswertungen von Mitarbeitern der BStU (Der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR) wurden Agenten zumeist von aktiven inoffiziellen Mitarbeitern der HVA angeworben, wobei vier von fünf Anwerbungen in der DDR erfolgten. Angaben ihrer Führungsoffiziere zufolge waren 60 % politisch motiviert, 27 % materiell, 7 % waren in „Honigfallen“ getappt, 4 % waren unter falscher Flagge angeworben und lediglich jeweils 1 % zur Mitarbeit erpresst worden bzw. boten von sich aus eine Mitarbeit an.

Im Gegensatz zum Selbstbild als „Kundschafter des Friedens“ seien die politischen Führungen der DDR und des Warschauer Paktes durch die Lageberichte der ostdeutschen Militäraufklärung „über das Potenzial und die Absichten der NATO gezielt getäuscht worden“.

Die Führung, Kontrolle und Auswertung der Tätigkeit der Auslandsspione unterlag der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA).

Die Hauptaufgabe der HVA war die Auslandsaufklärung (Spionage), darunter die politische, Militär-, Wirtschafts- und Technologiespionage. Daneben zählten Aktionen gegen westliche Nachrichtendienste (Gegenspionage mittels Eindringen in deren Strukturen), Sabotagevorbereitung und die Aktiven Maßnahmen (z. B. Platzierung von Artikeln in West-Zeitungen, u. a. durch Aktivisten der Friedensbewegung) im Operationsgebiet Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin sowie einigen weiteren Ländern zu den Aufgaben der HVA.

Bekannt geworden ist in der Öffentlichkeit die Methode Romeo der HVA. Die Aufgabe der Romeos oder Romeoagenten bestand seit den frühen 1960er Jahren darin, Sekretärinnen von westdeutschen Politikern durch Vortäuschung von Liebe für sich zu gewinnen (Stasi-Jargon „intim betreut“), emotional abhängig zu machen oder sogar „gezielt nachrichtendienstlich“ zum Schein zu heiraten. Die oft ledigen und einsamen Frauen, die zuvor von ostdeutschen Experten ausgesucht wurden, gaben ohne Wissen des eigentlichen Auftraggebers geheime Dokumente ihres Arbeitsbereiches an ihre Liebhaber weiter. Im Jargon der Stasi wurde der Begriff „Ficken fürs Vaterland“ zu einem geflügelten Wort für diese Einsätze.

Seit Beginn der 1980er Jahre gewann die Militärspionage der Weltsysteme zunehmend an Bedeutung. Die Sowjetunion, die SED-Führung und der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke erwarteten von der HVA angesichts des Kalten Krieges zwischen den Supermächten wesentliche Informationen zur Früherkennung von Kriegsvorbereitungen.

Die Hauptverwaltung A lieferte den Bruderdiensten im Ostblock – vor allem dem KGB – den Löwenanteil des Informationsaufkommens aus der Bundesrepublik Deutschland, einem wichtigen europäischen NATO-Mitglied. Der KGB hatte seinen DDR-Hauptsitz in der ehemaligen Festungspionierschule in Berlin-Karlshorst, der sowjetische Militärgeheimdienst GRU in Potsdam-Babelsberg, darüber hinaus gab es Verbindungsleute zu jeder Bezirksverwaltung. In Dresden z.B. war ein gewisser Waldimir Putin aktiv, heute Präsident von Russland. Hinzu kamen Spionageerfolge aus dem NATO-Hauptquartier in Brüssel und einigen westeuropäischen Staaten, etwa aus Großbritannien. In den USA hingegen konnte die HVA nie wirklich Fuß fassen, dort agierte fast nur der KGB.

Der Leiter der HVA war gleichzeitig Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit. Er hatte fünf Stellvertreter. Leiter der HVA von 1951 bis 1952 war Anton Ackermann, von 1952 bis 1986 (über 34 Jahre) Markus Wolf. Werner Großmann führte die HVA von 1986 bis 1989.

Die Hauptverwaltung A hatte 1989 über 3800 hauptamtliche Mitarbeiter. Darunter waren laut Stellenplan etwa 2.400 Berufsoffiziere und -unteroffiziere, 700 Hauptamtliche IM, 670 OibE (Offizier im besonderen Einsatz) und 5 Zivilbeschäftigte.

Die HVA-Mitarbeiter verstanden sich als Elite des MfS. Von ihnen wurden hoher persönlicher Einsatz, Flexibilität, Leistungsfähigkeit und, wie von allen MfS-Kadern, absolute Linientreue zur SED verlangt. Mitarbeiter anderer MfS-Abteilungen konnten nach hervorragenden Leistungen – quasi als Auszeichnung – bei Bedarf zur HVA versetzt werden, wenn sie entsprechend qualifiziert waren, also zum Beispiel über einen Hochschulabschluss, Fremdsprachenkenntnisse oder ähnliches verfügten. Umgekehrt wurden auch HVA-Kräfte bei mangelhaften Resultaten oder nach Intrigen zu anderen Diensteinheiten der Staatssicherheit versetzt, was als Degradierung verstanden wurde, es aber administrativ nicht war.

Haus 3 MfS Hochschule der Hauptverwaltung A in Gosen

Die hauptamtlichen HVA-Mitarbeiter führten eine bislang nicht exakt bekannte Anzahl Inoffizieller Mitarbeiter (IM). Dies waren in erster Linie DDR-Bürger mit Westreiseerlaubnis (Reisekader, umgekehrt jedoch war nur ein Bruchteil der Reisekader als IM tätig), in der DDR lebende Angehörige von „operativ interessanten“ Zielpersonen im Westen, Kuriere und Instrukteure, aber auch Tausende Einwohner der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlins, teils an exponierten gesellschaftlichen Positionen.

Die HVA hatte insbesondere Interesse an der Werbung westlicher Studenten, die auf Besuch in der DDR waren. Diese für Leitungsaufgaben und damit vertrauliche Informationen besonders prädestinierten geeigneten Jungakademiker wurden mit hohem personellen und finanziellen Aufwand über Jahrzehnte hinweg entwickelt, mit dem Ziel ihrer Platzierung in hohen staatlichen und wirtschaftlichen Funktionen, von denen aus sie Zugang zu geheimen Informationen bekamen.

Berühmtes Beispiel einer solchen Werbungsoperation war Gabriele Gast, die 1968 als Studentin verpflichtet wurde und bis zur Regierungsdirektorin im Bundesnachrichtendienst entwickelt wurde. Als Top-Quelle wurde sie von Markus Wolf persönlich geführt.

Die eigentlichen Quellen der Spionageerkenntnisse im westlichen Ausland waren bei der HVA (bzw. vom MfS) nicht unbedingt als IM registriert. Vielfach wurden sie als Kontaktpersonen (KP) geführt, was wenig über den Grad der Zusammenarbeit mit dem DDR-Nachrichtendienst aussagt: Die Spanne reichte von der unwissentlichen Abschöpfung durch HVA-Kontaktleute im persönlichen Umfeld bis zur bewussten und gezielten Weitergabe von Material. Die Spione trafen sich mit ihren Führungsoffizieren und Instrukteuren sowohl in der DDR, wie auch in Ländern Ost- und Westeuropas, wobei damals neutrale Staaten wie Österreich, Schweiz oder Schweden bevorzugt wurden.

Nach BStU-Angaben aus dem Jahr 2004 sollen 1989 etwa 1500 Bundesbürger sowie 10.000 DDR-Bürger für die HVA aktiv gewesen sein.

Wir möchten sechs Spioninnen näher vorstellen, sie von ihren Arbeit und Motivationen und zweifellos auch von ihren Erfolgen bei ihrer Tätigkeit als Kundschafter für den Frieden berichten lassen. Es sind:

1. Christel Guillaume

1950 in Berlin – Christel Boom arbeitet als Stenotypistin im Deutschen Friedenskomitee. Ein Mann kommt zur Tür rein und stellt sich vor - Günter Guillaume.

Die beiden lernen sich kennen, sie ist beeindruckt von seinem politischen Verständnis, seiner Bildung. Ein Jahr später heiraten die beiden. Sie ahnt nicht, dass ihr Mann von Beginn an ein Doppelleben führt.

2. Johanna Olbrich

Polen im Januar 1945. Die Ostfront rückt näher. In einem Internat in der Nähe von Kattowitz wohnen noch zwei Lehrerinnen und zwanzig Mädchen. Eine von ihnen ist die damals 18jährige Johanna Olbrich. Später, 1963 sehen wir Johanna, die seit Kriegsende als Lehrerin in Leipzig arbeitet.

Ein Freund fragt sie, ob sie ihre Wohnung als sogenannte "konspirative Wohnung" zur Verfügung stellen würde. Es ist ihr Einstieg in die Welt der Staatssicherheit.

3: Gerda Schröter

Die Geschichte beginnt in einem kleinen Dorf in Bayern, konservativ, streng katholisch, im Deutschland nach dem großen Krieg, in den biederen 1950ern, zwischen "Wohlstand für alle", VW Käfer und Ex-Nazis.

In dieser Zeit wächst Gerda Schröter heran, will aus der Enge entfliehen, so schnell es geht.

4: Gabriele Gast

Beim BND ist Gabriele Gast "Dr. Gabriele Leinfelder", bei der HVA "Gisela".

Im Sommer 1968 gerät die Doktorandin auf einer Recherchereise für ihre Dissertation in das Visier der Staatssicherheit – und verliebt sich in einen Stasi-Mann – kurz zuvor hatte ihre langjährige Jugendliebe die Heiratspläne zerstört, weil die damals 25-Jährige ihre Promotion nicht für eine Familie aufgeben wollte.

5. Lilli Pöttrich

1954 geboren wird die Jura-Studentin und überzeugte Kommunistin mit 22, mitten im Studium, von der Stasi angeworben. Die Studentin ändert ihr komplettes Leben, richtet es vollständig auf die Agentinnentätigkeit aus – mit Erfolg. Sie beginnt mit Berichten über ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen, 1983 startet ihre Diplomatinnen-Laufbahn im Auswärtigen Amt in Bonn.

6: Gabriele Kliem

Sie ist wohl das berühmteste Opfer der sogenannten "Romeofalle“. Die Sekretärin aus Bonn wird von einem DDR-Agenten verführt und spioniert wirklich aus Liebe. Gabriele Kliem ist 32, Übersetzerin bei der US-amerikanischen Botschaft, ledig – eine typische "graue Maus", um im Bild der Bonner Republik zu bleiben. Fast ein ganzes Jahrzehnt lang liefert sie ihrem Geliebten und Langzeitverlobten Frank Dietzel Informationen aus der Botschaft.

1. Christel Guillaume

Oberlandesgericht Düsseldorf 1975. Hier begann am Morgen der Strafprozess, mit dem der schwerste Spionagefall in der Geschichte der Bundesrepublik gesühnt werden soll. Neben ihren Mann Günther ist auch sie angeklagt.

Christel Guillaume

„Sicher habe ich Schuld, da brauche ich gar nicht darüber nachzudenken“, erklärt sie gleich zu Beginn ganz offen. Sie wird im größten Spionagefall der Geschichte der alten Bundesrepublik beschuldigt, gemeinsam mit ihren Mann Staatsgeheimnisse mitgeteilt zu haben. Ihr Ehemann schaffte es bis zu Willy Brand ins Kanzleramt. Es sind aber vor allem die Fähigkeiten seiner Frau, die bis zu den Chefetagen des DDR-Geheimdienstes bekannt sind.

Fast zwei Jahrzehnte spionieren sie im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) für die DDR. Irgendwann verdichten sich aber die Hinweise. Biografien stimmen nicht, Funksprüche werden entschlüsselt. Aber das gilt für alle Agenten, die Angst für ihre Enttarnung ist immer bei ihrer Tätigkeit dabei.

An 24. April 1974, um 6.30 Uhr klingelt bei den Guillaumes das Bundeskriminalamt. Es waren die Funksprüche, die dem Ehepaar letztendlich das Genick gebrochen haben.

Das geteilte Deutschland, es ist ein reiches Betätigungsfeld für die Geheimdienste im kalten Krieg. Nirgendwo gab es in einem Land mehr Spione und Spioninnen und es gibt kein Patentrezept für Spionage. Der kalte Krieg ist die Zeit der Systemkonfrontation zwischen Ost und West. Das war das Geheimdienstgeschäft total wichtig, um zu erfahren, was die andere Seite jeweils plant um zu schauen, wie weit man bereit ist, auch Krisen eskalieren zu lassen.

Es ist die gleiche Sprache, die gleiche Kultur. Agenten und Agentinnen beider deutschen Staaten fällt es daher leicht, die Seiten zu wechseln. Dich die meisten bekannten Spionage-Geschichten sind die der Männer. Doch das Geschlechterverhältnis wird zu einer vertrackten Geschichte, wenn man auf das MfS schaut. Frauen sollten mehr logistische Funktionen haben.

Man sieht daher mehr und mehr das patriarchalische Muster wieder, dass Frauen nicht zugetraut wird, und das ist auch das Muster für Frauen im MfS, die unter Umständen nicht den Mund halten können und über Geheimnisse beim Kaffeekränzchen reden. Doch Christel Guillaume hingegen genoss höchstes Ansehen in der Führungsetage des DDR-Geheimdienstes. Doch wie fing das alles an, wie wird eine junge Frau Spionin?

Christel wurde am 6. Oktober 1927 nichtehelich als Christel Meerrettig in Allenstein geboren. Ihre 1905 geborene Mutter Erna Meerrettig war Landarbeiterin und heiratete Anfang der 1930er-Jahre den Niederländer Tobias Boom, der Christel adoptierte. Nach neunjähriger Schulzeit ab 1934 (vier Jahre Volksschule und fünf Jahre Oberschule, die sie im März 1943 verließ) leistete Christel Boom das Pflichtjahr ab und begann eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin, konnte diese aber infolge des Kriegsendes nicht beenden. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm sie Privatstunden im Schreibmaschinenschreiben sowie in Stenografie und arbeitete danach beim Sonderbaustab Berlin und ab September 1950 in Ost-Berlin als Sekretärin für das Groß-Berliner „Komitee der Kämpfer für den Frieden“.

Christel Boom

1950 in Ost-Berlin. Die Sekretärin im Friedenskomitee, eine junge Frau aus wohlhabenden Verhältnissen war noch ein etwas naives Menschenkind was die Politik betraf. Sie hatte mehr Interesse für Musik, Oper, Ballett, viel mehr als für die Politik. Und hier beim Friedenskomitee kommt es eines Tages zu einer unscheinbaren Begegnung mit einem Mann, der ihr Leben für immer verändert.

Es war schon in den Nachmittagsstunden und Christel hatte noch allerhand im Stenoblock, was es in die Schreibmaschine zu übertragen galt. Sie saß mit dem Gesicht zum Fenster und merkte, dass sich hinter ihr die Tür öffnete. Sie drehte ich halb um und sah einen Mann in einer blauen Baskenmütze, die schräg übers Ohr gezogen war. Der Mann ist Günter Guillaume. Aus dieser Begegnung entsteht der größte Spionagefall des geteilten Deutschlands.

Christel Boom und Günther Guillaume

Was Christel nicht ahnt, ist, dass ihr zukünftiger Mann von Anfang an ein Doppelleben führt und in dieser Zeit ist er schon im Auftrag der Gewerkschaft nach Westdeutschland gefahren um in Städten wo Streikbewegungen waren, die dortigen Streikenden zu unterstützen. Das war auch gegenüber Christel die offizielle Version von Günther Guillaume. Die Wahrheit ist allerdings, dass die Auftraggeber von Günther im Ministerium für Staatssicherheit sitzen, denn Günther war Offizier im besonderen Einsatz (OibE) des MfS.

In der Konkurrenz der beiden deutschen Nachfolgestaaten setzt die SED in der DDR auf ihr mächtiges Ministerium, um die Macht zu sichern. Konrad Adenauer in der Bundesrepublik orientiert sich an den Westmächten, steuert in Richtung Wiederbewaffnung. Der Kampf gegen den Faschismus und für den Frieden wird für die DDR zur zentralen politischen Erzählung. Wer in den 1950ziger Jahren in Ost-Berlin indem Friedenskomitee und der Friedensbewegung war, war hinreichend politisch arrangiert, sonst wäre er dort nicht gewesen.

Man musste nicht, man konnte oder wollte dort politisch aktiv sein und das gilt auch für Christel Boom. Ein seltenes Foto aus dieser Zeit zeigt die junge Christel Boom bei einer Demonstration der Friedensbewegung.

Zunächst ist Christel noch beeindruckt von Günter Guillaume, von seinem Auftreten, seinem politischen Verstand. Am 12. Mai 1951 heiraten sie in Leisnig. Zurückblickend fragte sich Christel, warum sie sich nicht in den ersten Ehejahren, wo es leicht zwischen dem Paar gekriselt hatte, von diesem Mann getrennt hatte, denn dann wäre ihr Leben anders verlaufen. Sie fragt sich weiter, warum sie sich so bedenkenlos mit auf dem Weg gemacht hat, ohne groß danach zu fragen, was daraus wird.

Christel Boom bei einer Demonstration der Friedensbewegung

Das Ehepaar Guillaume