Im Morgengrauen wartet der Tod - Udo Ulsperger - E-Book

Im Morgengrauen wartet der Tod E-Book

Udo Ulsperger

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Beschreibung

Für den Kölner Privatdetektiv Frank Baumann läuft es gerade ziemlich bescheiden: seine große Liebe Katja hat ihm den Laufpass gegeben, heftiger Kater nach durchzechten Nächten ist sein ständiger Begleiter und jetzt findet er auch noch Hubert Roosen, den ältesten Freund seines Patenonkels Theo, erhängt am Fahnenmast einer Schrebergartensiedlung. Ehrensache, dass sich Baumann mit äußerster Zähigkeit und gnadenloser Entschlossenheit in die Ermittlungen stürzt, auch wenn er dadurch einmal mehr Hauptkommissar Schmickler in die Quere kommt. Dies ist der Anfang einer wilden Geschichte, in der Baumann und seine Freunde Charlie, Didi und die Motorradgang "Broken Bones" es mit angehenden Profiboxern, einer radikalen Studentenverbindung und gewissenlosen Nazis zu tun bekommen. Und es ist eine Geschichte, in der Baumann so viel einstecken muss, wie niemals zuvor: mehrmals bezieht er mächtig Prügel, sein geliebter Alfa wird im See versenkt und er entkommt nur knapp einem Mordanschlag. Normales Berufsrisiko soweit. Aber dann wird Katja entführt. Und jetzt kann nichts und niemand Baumann in seiner mörderischen Wut stoppen.

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Seitenzahl: 374

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Zum Buch:

Für Privatdetektiv Frank Baumann läuft es gerade ziemlich bescheiden: seine große Liebe Katja hat ihm den Laufpass gegeben, mörderischer Kater nach durchzechten Nächten ist sein ständiger Begleiter und jetzt findet er auch noch Hubert Roosen, den ältesten Freund seines Patenonkels Theo, erhängt am Fahnenmast einer Schrebergartensiedlung.

Kann es noch schlimmer kommen?

Ja, kann es.

Denn dies ist erst der Anfang einer wilden Geschichte, in der Baumann und seine Freunde es mit angehenden Profiboxern, einer radikalen Studentenverbindung und gewissenlosen Nazis zu tun bekommen. Und in der Baumann so viel einstecken muss, wie niemals zuvor.

Doch wer Baumann kennt, weiß, dass der mit äußerster Zähigkeit und gnadenloser Entschlossenheit sein Ding durchzieht.

Bis er auch den letzten Dreckskerl fertiggemacht hat.

Im Morgengrauen wartet der Tod - nach Tödliche Konsequenzen der zweite Teil um den Privatdetektiv Frank Baumann und seine Freunde.

Udo Ulsperger

Im Morgengrauen wartet der Tod

Frank Baumanns zweiter Fall

© 2023 Udo Ulsperger

Website: https://www.udo-ulsperger.com

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Für Jasmin

Es ist nicht entscheidend, wie hart du zuschlagen kannst. Es ist auch nicht entscheidend, wie oft du zuschlagen kannst.

Entscheidend ist, wie viel du einstecken kannst. Wie hart und wie oft man dich schlagen kann, ohne dass du aufgibst.

Bis du auch den letzten Dreckskerl fertig gemacht hast.

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

1945

Heute:

Einige Tage vorher, in der Nacht von Samstag auf Sonntag:

Kapitel 1

Sonntag, früher Morgen:

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Viele Jahre vorher:

Kapitel 13

Zurück im hier und heute; immer noch Sonntag:

Kapitel 14

Kapitel 15

In der Nacht von Sonntag auf Montag:

Kapitel 16

Dienstag:

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Mittwoch:

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Donnerstag:

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Freitag:

Kapitel 38

Vier Tage später, Dienstagnachmittag:

Kapitel 39

Kapitel 40

Mittwochabend:

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Donnerstag, früher Abend:

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Freitag:

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Epilog

Danksagung

Zum Autor:

Im Morgengrauen wartet der Tod

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

1945

Zum Autor:

Im Morgengrauen wartet der Tod

Cover

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1945

„Runter!“, schrie Obersturmbannführer Heinrich Winkler und warf sich augenblicklich selbst zu Boden.

Das nervenzerfetzende Kreischen einer Mörsergranate erfüllte ohrenbetäubend die Luft. Einen Lidschlag später explodierte das Geschoss nur wenige Dutzend Meter neben ihnen. Schotter, Metallteile und Holzsplitter der getroffenen Gleisanlage rasten über Winkler und die beiden Hitlerjungen hinweg. Einer der beiden hatte nicht schnell genug reagiert, saß jetzt auf seinem Hosenboden und hielt sich die blutende Stirn. Winkler zerrte ihn hoch.

„Macht schon! Schneller!“, fuhr er die beiden Jungen an und trieb sie hinüber zu der schweren Metallkiste, die sie hatten fallen lassen.

Fünfzig Meter weiter klaffte der Granattrichter, rotglühende Metallteile lagen überall herum, der aufgewirbelte Staub und Dreck legte sich nur langsam und ließ die beiden Hitlerjungen husten.

Winkler sah sich sichernd um. Noch waren die Amerikaner ein paar Straßenzüge weiter in Feuergefechte verwickelt, aber der Widerstand des letzten deutschen Aufgebots fiel zusehends in sich zusammen. Winkler spie frustriert aus. Die letzten kämpfenden Einheiten des Volkssturms bestanden aus alten Männern, zwangsrekrutierten Halbwüchsigen und einigen fanatischen Werwölfen. Sie waren müde, hungrig und demoralisiert; dazu schlecht bewaffnet und mangelhaft ausgebildet. Das waren keine Soldaten. Sie würden den Amerikanern nicht mehr lange standhalten. Und wenn das geschah, musste alles erledigt und er weg sein.

Er sah hinüber zu den beiden vor Schmutz starrenden Jungen, die gerade die letzten Schaufeln Dreck auf das nun zugeschüttete Loch warfen. Der Jüngere, der mit der immer noch blutenden Stirnwunde, trat die lockere Erde fest. Sein Stahlhelm war viel zu groß und rutschte ihm immer wieder ins Gesicht.

Gute Jungs, dachte Winkler. Aus ihnen hätte zu einer anderen Zeit etwas werden können.

„Wir sind fertig, Herr Obersturmbannführer“, meldete der Ältere, schob sich den Helm in den Nacken und grinste stolz.

Winkler nickte.

„Gut gemacht“, sagte er, nahm seine Schmeisser MP40 von der Schulter und schoss die beiden Jungen nieder.

Winkler hockte sich neben sie. Der Ältere war tot, aber der andere, der mit der blutenden Stirn, presste sich die Hände auf die klaffende Bauchwunde, die die Schmeisser mit ihrem Dauerfeuer gerissen hatte. Tränen liefen über sein Gesicht, zogen bizarre Linien in den Staub auf seinen Wangen; der Junge hustete krampfhaft und spukte blutigen Schleim. Winkler setzte ihm den Lauf der Maschinenpistole an den Kopf. Der Junge lag jetzt still, die Augen vor Angst und Entsetzen weit aufgerissen.

„Tut mir Leid, Kleiner“, sagte Winkler und drückte ab.

Winkler schulterte seine Waffe und trug die beiden toten Hitlerjungen hinüber in die zerfallenen Überreste eines ehemaligen Stellwerks. Dann kehrte er zurück und verwischte, so gut es ging, die Spuren. Zufrieden musterte er sein Werk. Nichts wies auf das Drama hin, das sich erst vor wenigen Minuten hier abgespielt hatte. Auch dass etwas derart Wertvolles hier vergraben worden war, war nicht zu erkennen.

Winkler sah sich sichernd um, lief geduckt los und verschwand bald darauf in den Ruinen der zerbombten Fabrikanlage.

Heute:

Frank Baumann stand im sechsten Stock des Rohbaus und starrte in die Tiefe.

Blut lief ihm über das Kinn, tropfte zäh und wurde mitgenommen von den heftigen Windböen, die an Baumann zerrten und die zerfetzten Plastikplanen in den leeren Fensterhöhlen ohrenbetäubend gegeneinander schlagen ließen.

Baumann beugte sich weit nach vorne.

Soweit, wie er konnte, ohne das Gleichgewicht zu verlieren.

Und betrachtete eine Weile die beiden Toten dort unten, aus deren Rücken blutige Moniereisen ragten.

„Fuck you very much, ihr gottverdammten Arschlöcher“, rief Baumann in den Wind und spuckte blutigen Schleim hinunter.

Dann wandte er sich um und hinkte hinüber zu Katja.

Einige Tage vorher, in der Nacht von Samstag auf Sonntag:

1

An einem anderen Abend oder in einem anderen Zustand hätte Hubert Roosen es vielleicht gehört, das klickern und knirschen der Kiesel unter hastig gesetzten Schritten.

An einem anderen Abend wären seine Instinkte vielleicht wacher gewesen und er hätte sogar bemerkt, dass der Kerl, dem er doch erst vor wenigen Minuten eindeutig klar gemacht hatte, dass mit ihm nicht zu verhandeln sei, sich schnell von hinten näherte und nichts Gutes im Schilde führte.

Möglicherweise hätte er sogar noch etwas tun können, um sein baldiges Ableben zu verhindern.

Weglaufen vielleicht.

Oder wenigstens schreien.

Aber Hubert Roosen war an diesem Abend stark alkoholisiert.

Hackevoll, hätte er selbst gesagt.

Außerdem war er gerade extrem darauf konzentriert, ohne größere Umwege und vor allem möglichst senkrecht den Heimweg zu bewältigen.

Und so hatte der Mörder keine Mühe, den alten Hubert einzuholen, ihm die Hände um den Hals zu legen und zuzudrücken.

Sonntag, früher Morgen:

2

Wie so oft in letzter Zeit:

Baumann schlug die Augen auf und wusste im selben Moment, dass das ein verfickter Scheißtag werden würde.

Denn wenn man im Freien aufwachte, zwar auf offensichtlich gut gepflegtem Rasen, sich aber im wahrsten Sinne des Wortes den Arsch abfror, weil das Hemd aus der Hose gerutscht war, und die Schädeldecke sich jeden Moment in einer Kernschmelze zu verflüssigen drohte, was verdammt nochmal sollte aus so einem Tag schon werden außer ein weiterer verfickter Scheißtag?

Baumann wälzte sich mühsam auf die Seite und starrte in die toten Augen einer moosbedeckten Gipsschildkröte. Verflucht, wo war er denn jetzt wieder gelandet?

Keinen Schimmer.

Blackout.

Baumann hob sein Handgelenk und sah auf seine Uhr. Halb sieben. Er wälzte sich aufstöhnend auf den Rücken. Gefühlt mitten in der Nacht, obwohl es schon hell war. Baumann setzte sich mit einem abgrundtiefen Seufzer auf und fasste sich an die Stirn. Musste ja gestern eine Wahnsinnsparty gewesen sein. Das hoffte er zumindest. Denn dann hätte sich der sich anbahnende mörderische Kater, der jetzt schon heftig die Krallen an seinen Schmerzrezeptoren wetzte, wenigstens gelohnt.

Baumann zitterte vor Kälte. Das Gras und seine Klamotten waren vom Nachttau getränkt und ein feuchter Film klebte unangenehm auf seinem Gesicht. Und seinem Maurerdekolleté. Er sollte sich lieber mal in die Senkrechte begeben, sonst holte er sich noch `ne Lungenentzündung oder `nen Nierenkasper oder irgendeinen anderen Scheiß. Baumann wälzte sich mühsam auf, klopfte die Hosenbeine ab, stopfte sich das Hemd umständlich in die Hose und fluchte verhalten, als er die fetten Grasflecken auf seiner Jeans bemerkte.

Verdammte Sauferei.

Seit Katja ihm den Laufpass gegeben hatte, hatten die feuchtfröhlichen Abende, meistens in Pitters Kneipe, eindeutig überhandgenommen. Wobei feucht absolut korrekt, fröhlich aber eher relativ war. Baumann atmete tief durch. C`est la vie, wie der Lateiner so sagt. Kam er mit klar. Aber dass er immer öfter seinen ihm verbliebenen Gehirnzellenvorrat erst einmal gründlich sortieren musste, bis er wieder wusste, wo er war und vor allem, wieso er da war, wo er gerade war, das war langsam echt nicht mehr lustig. Nein, die Sonne schien ihm in letzter Zeit wahrlich nicht aus dem Arsch.

Baumann zog sicherheitshalber noch einmal seine Jeans hoch, sah sich erneut um und stellte endlich fest, dass er auf Nowaks Parzelle gepennt hatte, die direkt neben Onkel Theos Schrebergartengrundstück lag. Weit war er also nicht gekommen. Dafür hatte er eine breite Schneise der Verwüstung in die liebevoll aufgestellten Reihen der Nowak´schen Gartenzwergregimenter und die angrenzenden Blumenbeete geschlagen. Verdammt, Nowak würde stinksauer sein, wenn er das sah. Da sollte er besser mal `nen schnellen Abgang hinlegen.

Baumann stieg über den Jägerzaun, trottete über Onkel Theos Rasen und blieb wie angewurzelt stehen, als sein Blick auf den Fahnenmast am Eingang der Schrebergartensiedlung fiel.

Da, wo normalerweise stolz die Fahne des KGV-Wilde-Spatzen im Wind flatterte, hing heute Hubert Roosen an einem Strick um den Hals und sah fast so beschissen aus, wie Baumann sich gerade fühlte.

Baumann stapfte mit schweren Beinen hinüber zu Onkel Theos Gartenlaube und stieß die lediglich angelehnte Türe auf. Schaler Geruch nach altem Bier, verschüttetem Schnaps und kaltem Zigarrenrauch schlug ihm entgegen. Die beiden Schläfer, Onkel Theo und Charlie, sägten, was das Zeug hielt, und pressten der ohnehin schon abgestandenen Luft das letzte Quäntchen Sauerstoff ab.

Baumann atmete tief ein, stürzte sich in die lebensfeindliche Atmosphäre, riss das Fenster auf und musterte das Chaos in der Hütte. Onkel Theo lag im Unterhemd auf seinem verschlissenen Sofa, hatte zwar seine Hosenträger abgestreift, aber erfreulicherweise seine Hose anbehalten und schnaufte wie ein Walross, das gerade aus den Tiefen des Nordpolarmeeres aufgetaucht war.

Charlie lag inmitten diverser leerer Flaschen auf einem fadenscheinigen Flickenteppich und umarmte eine leere Pulle Rotwein. Baumann konnte das Etikett nicht erkennen, war sich aber sicher, dass es sich um Le Vin de Merde, Charlies bevorzugte Marke, handelte. Baumann ging hinüber zu Charlie und stieß ihn leicht mit der Fußspitze an.

Charlie fuhr hoch, schnappte heftig nach Luft und rief: „Oh mein Gott, ich bin blind!“

Baumann verzog in stiller Verzweiflung das Gesicht.

„Du hast `ne Sonnenbrille auf.“

Charlie tastete mit zitternden Fingern an seine Augen und nahm das verspiegelte Achtzigerjahremodell ab.

„Mann, ist das hell jetzt“, stieß er erleichtert aus und griente schief. „War wohl `ne Mörderparty gestern, was?“

Baumann antwortete nicht, sondern ging wieder hinüber zum Fenster und beobachtete Hubert, der in gut zwei bis drei Meter Höhe baumelte.

Irgendetwas störte ihn bei dem Anblick, ganz abgesehen von dem toten Hubert selbst.

Irgendetwas war nicht so, wie er es erwartet hätte.

Irgendetwas war falsch, komplett falsch.

Irgendetwas fehlte.

„Was is`n los?“, rührte sich jetzt Onkel Theo.

„Hubert“, murmelte Baumann. „Der hängt da draußen rum.“

„Na, dann gib ihm noch was zu trinken“, nuschelte Onkel Theo schlaftrunken, drehte sich auf die Seite und schnarchte schon wieder.

Baumann hatte erhebliche Zweifel, ob das noch helfen würde. Man sagte Onkel Theos Selbstgebranntem zwar nach, dass er Tote aufwecken konnte, aber im Praxistest hatte bisher noch niemand den Beweis antreten können.

Baumann rieb sich die Schläfen und stutzte.

„Na prima, Baumann“, murmelte er dann.

Jetzt würde der Tag so richtig Scheiße werden.

Denn da fehlte tatsächlich etwas ganz Entscheidendes. Eine Leiter zum Beispiel, ein Stuhl, oder wenigstens eine Mülltonne.

Irgendetwas in der Art.

Irgendetwas, wo Hubert hätte draufsteigen können.

Also Preisfrage: Wie zum Teufel war der alte Hubert den verdammten Mast hochgekraxelt, um sich daran aufzuknüpfen?

Richtige Antwort: Gar nicht.

Er war nicht von alleine da hochgeklettert. Das hätte er gar nicht gekonnt, weil es nichts gab, wo er hätte draufsteigen können. Und Hubert war körperlich nicht dazu in der Lage, ohne Hilfe den Mast zu erklimmen und sich dann auch noch selbstständig an der Fahnenmastleine aufzuhängen.

Schlussfolgerung: Jemand hatte nachgeholfen.

Charlie kam mühsam in die Senkrechte, schlurfte zu Baumann rüber und gähnte, dass die Kieferknochen knackten.

„Was gibt´s denn da zu glotzen?“, wollte er wissen.

Baumann deutete auf Hubert, der sich sachte in der Morgenbrise drehte.

„Ach du heiliges Kanonenrohr“, krächzte Charlie erschrocken.

„Hast Recht gehabt, war tatsächlich `ne Mörderparty gestern“, sagte Baumann.

Dann kramte er sein Handy aus der Jacke und rief die Polizei an.

3

Hauptkommissar Schmickler atmete schwer.

Dicke Schweißtropfen standen auf seiner Stirn und seine Augen waren derart verdreht, dass nur noch das Weiße zu sehen war.

Das Handy klingelte.

Schmickler stöhnte gequält auf und tastete fahrig über den Nachttisch. Endlich hatte er den Störenfried erwischt.

„Hallo?!“, krächzte er heiser.

„Janker hier“, ertönte die Stimme seines Assistenten. „Tut mir leid, Chef, dass ich dich am Sonntagmorgen störe, aber es gibt einen Mord.“

„Ja…, ja… ich komme gleich“, presste Schmickler hervor; seine Hand sank kraftlos auf das Bett, das Handy entglitt ihm und fiel klappernd zu Boden.

„Alles klar, Chef. Ich warte dann hier“, ertönte Jankers Stimme jetzt nur noch gedämpft.

Gisela Steinfeld ließ sich schwer auf Schmicklers Brust sinken und küsste ihn.

„Und? War das gut?“, flüsterte sie und grinste schelmisch.

„Großartig“, keuchte Schmickler und zog sie näher an sich.

Gisela Steinfeld entzog sich ihm lachend und deutete auf das Handy auf dem Boden.

„Wer war denn das gerade?“

Schmickler erschrak.

„So ein Mist“, entfuhr es ihm. „Janker.“

„Chef? Hallo Chef!“, quäkte es prompt vom Fußboden.

Noch bevor Schmickler reagieren konnte, hatte sich Gisela über ihn gebeugt und sich das Smartphone geangelt.

„Hallo Carsten, wie geht es dir?“

„Oh, hallo Gisela. Ja, alles bestens. Was ist denn mit dem Chef? Ich denke, er wollte gleich kommen?“

„Das ist er auch, Carsten.“

Beredte Stille folgte.

Dann stammelte Janker „Oh!…Ach so… jetzt … jetzt verstehe ich.“

Gisela Steinfeld funkelte Schmickler vergnügt an.

„Jetzt versteht er.“

Schmickler schloss in stiller Resignation die Augen und zog sich die Bettdecke über den Kopf.

4

Schmickler knallte die Eingangstüre zu und eilte mit starrem Blick an Janker vorbei, der vor dem Dienst-BMW wartete.

„Was gibt es denn da zu feixen?“, fauchte Schmickler seinen Assistenten an und riss die Fahrertür auf.

Janker versuchte jetzt, betont sparsam zu gucken, aber es wollte ihm einfach nicht gelingen. Das Grinsen klemmte wie festgetackert in seinem Gesicht. Janker schaute hoch in die erste Etage, wo Gisela Steinfeld am Fenster stand und fröhlich winkte. Janker winkte zurück und stieg ebenfalls ein.

„Also, was ist los?“, fragte Schmickler, unmittelbar nachdem sie losgefahren waren.

„Wir haben einen Mord, Chef.“

„Ja, das habe ich mir schon gedacht“, knurrte Schmickler ungnädig. „Wir sind schließlich die Mordkommission. Also wo?“

„In einer Schrebergartensiedlung. Am Engelsweg in Poll. Eine ziemlich merkwürdige Sache. Jemand wurde am Fahnenmast der Siedlung aufgehängt. Ein gewisser …“ Janker blätterte in seinem Notizbuch. „Ein gewisser Hubert Roosen. Rentner und Inhaber einer Parzelle in der Schrebergartenanlage.“

Schmickler zog die Augenbrauen hoch. „An einem Fahnenmast aufgehängt? In einem Schrebergarten? Das hatten wir auch noch nicht, oder?“

„Nein, das hatten wir noch nicht.“

Schmickler nickte wie zur Bestätigung, schaltete einen Gang rauf und ließ den BMW jetzt gemächlich untertourig rollen.

„Was läuft nur schief in unserer Gesellschaft, Janker?“, sagte er dann schwermütig. „Hast du einmal darüber nachgedacht? Eigentlich sollte ein Schrebergarten doch ein Hort des Friedens, wahrer Gemütlichkeit und familiären Zusammenseins sein. Wie kann es da zu solch einer Gewalttat kommen?“

„Da sagst du was, Chef. Es ist einfach deprimierend.“

Sie schwiegen. Das sonore Motorengeräusch lullte sie allmählich ein und beide hingen ihren Gedanken nach, bis sie die Innenstadt verlassen, und über die Severinsbrücke die rechtsrheinischen Stadtteile Kölns, erreicht hatten.

„Und, wie war dein Wochenende bis jetzt so?“, wollte Janker nach einiger Zeit wissen.

„Bis jetzt ganz gut“, antwortete Schmickler und forschte in Jankers Gesicht nach Anzeichen von Respektlosigkeit oder gar sich anbahnender Aufsässigkeit.

„Das freut mich für dich“, erwiderte Janker aber aufrichtig. „Leider hat sich das ja jetzt erledigt.“

Schmickler machte ein undefinierbares Geräusch und hüllte sich dann wieder in nachdenkliches Schweigen. Gemächlich fuhr er auf der Siegburger Straße ein Stück durch Deutz und bog dann Richtung Rheinufer ab.

Es schien ein schöner Tag zu werden. Die Sonne stand gleißend am strahlend blauen Himmel und das Wasser des Rheins schimmerte wie flüssiges Silber. Spaziergänger führten ihre Hunde aus, ein Pärchen schlenderte Hand in Hand, jemand aß ein Eis, womöglich, um sich für das Mittagessen Appetit zu machen, andere saßen ruhig auf Bänken und Blumenkübeln und sahen den Kindern und Hunden zu, die auf den weitläufigen Poller Wiesen herumtollten.

Nebenan wurde ein Fußballspiel der D-Jugend des VFL Rheingold Poll angepfiffen und schon nach wenigen Sekunden ertönten die typischen Anfeuerungsrufe der Spieler und Zuschauer, die sofort hoch motiviert bei der Sache waren.

Schmickler seufzte. Er würde bedeutend lieber dem Kick der Jungs zuschauen, oder besser noch, mit Gisela hier den ganzen Tag verbringen. Stattdessen würde dieser Mordfall ihn das gesamte Wochenende kosten.

„Wieso sind wir eigentlich sicher, dass das ein Mord war? Vielleicht hat sich dieser Roosen ja selbst erhängt. Dann wäre es kein Fall für uns“, meinte Schmickler nach einer Weile und sah Janker hoffnungsvoll von der Seite an.

„Tut mir leid, Chef. Der Fahnenmast ist gute vier bis fünf Meter hoch, die Fahnenleine hängt ungefähr in drei Metern Höhe und da war nichts, was Hubert Roosen hätte benutzen können, um sich in dieser Höhe selbst aufzuhängen. Keine Leiter, kein Stuhl, nichts. Wenn also niemand das Hilfsmittel weggeräumt hat – und warum sollte das jemand tun – scheidet Selbstmord aus. Außerdem war Roosen deutlich über sechzig und nicht besonders fit. Der wäre nie den glatten Mast hochgekommen, um das selbst zu bewerkstelligen. Also muss ihn wohl jemand hochgezogen haben.“

„Na schön“, resignierte Schmickler. „Hast du die Kollegen von der Spurensicherung schon verständigt?“

„Ja, es sind schon alle in der Siedlung und haben die Arbeit aufgenommen. Dr. Heinke ist ebenfalls schon da“, bestätigte Janker.

Schmickler brummte etwas Zustimmendes.

„Woher hast du eigentlich die ganzen Informationen? Warst du schon vor Ort und hast Zeugen befragt?“

„Nein, ich bin direkt zu dir gefahren, um dich abzuholen. Der, der den Mord telefonisch angezeigt hat, hat darauf hingewiesen.“

„Gut beobachtet“, gab Schmickler zu. „Endlich mal eine Aussage, mit der man etwas anfangen kann. Wer ist der Zeuge?“

Janker zögerte mit der Antwort. Das würde Schmickler jetzt den Tag endgültig verhageln.

„Frank Baumann“, sagte er schließlich leise.

Schmickler trat voll in die Bremsen und lenkte den Wagen abrupt an den Straßenrand. Hinter ihnen ertönte ein wütendes Hupkonzert, und der Mercedesfahrer, der an ihnen vorbeizog, demonstrierte gestenreich sein Unverständnis für derartig unvorhersehbare Fahrmanöver.

„Das gibt es doch nicht. Sag, dass das nicht wahr ist“, stöhnte Schmickler und sah dabei dermaßen bekümmert aus, dass Janker sich genötigt sah, irgendetwas Tröstliches beizusteuern.

„Das wird schon nicht so schlimm werden, Chef“, sagte er hölzern.

„Doch, das wird es, Janker. Wenn dieser Baumann seine Finger im Spiel hat, wird es sogar sehr schlimm werden, verlass dich drauf.“

Und das wurde es auch.

5

Baumann stand auf Onkel Theos baufälliger Veranda und beobachtete das hektische Treiben rund um den Fahnenmast.

Mehrere Streifenwagen waren angekommen und standen jetzt mit zuckenden Blaulichtern auf dem Parkplatz der Schrebergartensiedlung. Auch der Leichenwagen war inzwischen eingetroffen. Polizeibeamte in Uniform spannten Absperrbänder und versuchten, die stetig wachsende Schar der Neugierigen auf Distanz zu halten. Ein paar Polizisten und Spusitechniker errichteten eine mannshohe Trennwand, um den Tatort vor den neugierigen Gaffern, die sich einfach nicht vertreiben lassen wollten, abzuschirmen. Dennoch wurden Handys hochgehalten und Fotos geschossen oder Videos gedreht. Würde sicher bald einiges davon auf Instagram, tiktok oder youtube zu sehen sein, mutmaßte Baumann und verzog angewidert das Gesicht. Sensationsgierige Drecksmeute.

Schutzpolizisten befragten alle, die sich auf dem Gelände aufhielten, ließen sich Personalausweise zeigen, notierten Adressen und sammelten Hinweise. Die Leute der Spurensicherung wuselten in ihren weißen Kunststoffoveralls herum, markierten und sicherten alles, was nicht niet- und nagelfest war, fotografierten, nahmen Fingerabdrücke vom Fahnenmast und Fußabdrücke auf den umliegenden Wegen und trampelten nebenbei Huberts Beete platt. Dem alten Hubert wird es egal sein, dachte Baumann. Denn erstens hatte er sowieso nie übertrieben an seinem Grünzeug gehangen. Und zweitens besah er sich das Ganze ohnehin nicht mehr aus luftiger Höhe, weil er mittlerweile gut abgeschirmt unter einem eilig aufgebauten Polizeipavillon ruhte.

Charlie trat zu Baumann, nahm einen kräftigen Schluck aus einer Selterswasserflasche und hielt Baumann die halbleere Pulle unter die Nase. Der schüttelte stumm den Kopf und beobachtete, wie ein weiteres Fahrzeug, ein mitternachtsblauer 5-er BMW, ankam und jemand ausstieg. Jemand, dessen Anwesenheit er so gut gebrauchen konnte wie ein zweites Loch im Arsch.

Baumann zog Charlie am Ärmel und deutete mit dem Kopf auf die beiden Neuankömmlinge.

„Supi! Das wird lustig“, freute sich Charlie.

Baumann war da weniger euphorisch. Schmickler und er waren von Beginn an wie Hund und Katze, wie Tom und Jerry, wie Popeye und Bluto gewesen.

„Hör bloß auf. Schon alleine die Tatsache, dass ich den Mord entdeckt habe, wird der mir wieder ankreiden. Obwohl ich dieses Mal umgehend die Tat gemeldet habe. Außerdem wird der mir wieder unterstellen, dass ich meine eigenen Ermittlungen anstellen und ihm ins Handwerk pfuschen werde.“

„Und? Wirst du?“

Baumann sparte sich die Antwort und grinste nur schmallippig.

„Sach ich doch. Wird lustig“, meinte Charlie.

Für alle, die Charlie noch nicht kennen: Baumanns bester Freund fand bis auf wenige Ausnahmen einfach alles lustig, das muss man einfach wissen. Dem Ernst des Lebens war er bisher mit großem Erfolg aus dem Weg gegangen. Wäre Charlie noch entspannter, könnte er sich vermutlich nicht mehr senkrecht halten.

Baumann hingegen war momentan von einem entspannten Gemütszustand so weit entfernt wie der FC vom Gewinn der Champions League. Er wusste nicht, weshalb er das beunruhigende Gefühl nicht los wurde, aber er war sich sicher, dass dieser Scheißtag, der mit Hubert Roosens Tod seinen Anfang genommen hatte und der jetzt mit der Ankunft von Schmickler seine Fortsetzung fand, nur der erste in einer langen Reihe weiterer Scheißtage sein würde.

Baumann hätte mit dem Begriff „Sich selbst erfüllende Prophezeiung“ nichts anzufangen gewusst. Esoterischer Mumpitz, hätte er - damit konfrontiert - gesagt. Hätte er auch nur im Entferntesten geahnt, dass Vorhersagen ihre Erfüllung selbst bewirken können, dass also eine Prognose über eine mögliche Zukunft einen entscheidenden Einfluss darauf haben und sogar die wesentliche Ursache dafür sein kann, dass diese Zukunft tatsächlich eintritt, dann hätte Baumann sich derart pessimistische Gedanken verkniffen.

Jetzt war es zu spät.

Jetzt würden die Dinge ihren Lauf nehmen.

6

„Guten Tag, Herr Baumann. Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen.“

Baumann fuhr herum. Schmickler stand wie aus dem Boden geschossen plötzlich neben ihm und musterte ihn eindringlich.

„Ja, war `ne gute Zeit“, antwortete Baumann verdrießlich und starrte aufsässig in Schmicklers verkniffenes Gesicht.

„Die ja mit dem heutigen Tag leider ein abruptes Ende gefunden hat. Also dann, Herr Baumann. Wo sind Sie jetzt wieder reingeraten?“

„Reingeraten?“, äffte Baumann Schmickler nach. „Ich bin nirgendwo reingeraten.“

„Nicht? Aber Sie haben doch den Mord angezeigt, oder? Und dieses mal hoffentlich unverzüglich?“

„Ja, das ist richtig. Ich habe die Leiche von Hubert als erster entdeckt und dann vorschriftsmäßig die Polizei angerufen.“

„Vorschriftsmäßig?“

„Ja. Sofort. Umgehend sozusagen.“

„Hubert?“

Meine Fresse, dachte Baumann, konnte der denn nur Fragesätze? Wahrscheinlich hatte der mal so ein tiefenpsychologisches Polizeiseminar mit dem Titel „Wie treibe ich völlig harmlose Mitmenschen mit total bescheuerten Fragen in den Wahnsinn“ besucht.

Baumann taxierte Schmickler so unauffällig, wie er konnte. Optisch hatte der Hauptkommissar sich wenig verändert seit dem Serienmörderfall im letzten Jahr, wo sie das erste Mal aneinandergeraten waren. Er kam immer noch hager und drahtig daher, war aber erkennbar energiegeladener als seinerzeit. Auch sein Haar stand immer noch raspelkurz auf seinem kantigen Schädel, die Gesichtszüge waren scharf eingekerbt. Er schien aber nicht nur besser in Form zu sein, sondern war auch besser gekleidet, trug ein weißes Hemd zu schwarzer Hose und grauem Jackett mit dezentem Muster. Verändert hatte sich auch der Ausdruck in seinen Augen, denn dort glomm nicht mehr diese unterdrückte Wut, die Müdigkeit und Frustration, die so typisch für ihn gewesen war. Trotz alledem, Baumann machte sich nichts vor. Es galt auf jeden Fall vorsichtig zu sein im Umgang mit Schmickler. Denn ganz sicher hatte der nichts von seiner Angriffslust und seiner bullterrierhaften Bissigkeit verloren.

Schmickler war Hardcore und würde es immer bleiben.

Baumann versuchte also, betont flach zu atmen und so seinen Blutdruck in medizinisch vertretbarer Höhe zu justieren.

„Ja. Hubert Roosen. Der Ermordete“, erwiderte er dann auf Schmicklers letzte knappe Frage.

„Na schön, Herr Baumann. Dann beschreiben Sie einmal ganz genau, was sie beobachtet haben.“

„Wir haben gestern hier gefeiert.“ Baumann deutete mit dem Daumen hinter sich auf Onkel Theos Gartenlaube. „Mein Onkel ist siebzig geworden und hat die Nachbarn von hier und ein paar Freunde und Verwandte eingeladen. Hubert war auch dabei und hat mitgefeiert. Wir haben gegrillt. Gegen elf waren die meisten schon gegangen und schließlich war nur noch der harte Kern da.“

„Einschließlich Hubert Roosen und Ihnen?“

Baumann nickte. „Ja, und wir haben dann noch etwas getrunken. Na ja, ziemlich viel getrunken, kann man wohl eher sagen. Ich bin dann irgendwann gegangen, auf Nowaks Grundstück draußen eingeschlafen und als ich am anderen Morgen wach wurde, hing Hubert da.“

„Wann war das genau?“

„Halb sieben. Ich habe auf die Uhr gesehen.“

Schmickler zog eine kleine Kladde aus der Jacke und machte sich Notizen.

„Wer ist Nowak?“, wollte er dann wissen.

„Der Nachbar von meinem Onkel. Ich bin wie gesagt auf seinem Rasen eingepennt.“

„Okay. Und Sie haben nichts von den Ereignissen, die zu Hubert Roosens Tod geführt haben, mitbekommen? Nichts gesehen? Keine Geräusche gehört, zum Beispiel von einem Kampf? Nichts?“

„Nein. Wie gesagt, ich hatte einiges intus. Wie alle anderen auch. Trotzdem, wenn ich was gesehen oder gehört hätte, wäre ich sicher hin und hätte nachgeschaut, was da los ist.“

Schmickler musterte Baumann scharf.

„Na schön. Wann ist Hubert Roosen gestern Abend gegangen?“

Baumann zuckte die Schultern.

„Keine Ahnung. Ich hab nicht mitgekriegt, wann Hubert weg ist. Vielleicht hab ich auch schon vor ihm den Abgang gemacht. Onkel Theo kann bestimmt mehr dazu sagen.“

„Wir werden mit allen reden, die auf der Party waren, auch mit Ihrem Onkel. Andere Frage: Was war Herr Roosen für ein Mensch?“

Eine Nervensäge, so wie du, dachte Baumann.

Dann hörte er sich zu seinem eigenen Erstaunen sagen: „War ein netter Kerl. Alle haben ihn gern gesehen.“

Von hinten jedenfalls, relativierte er in Gedanken das Gesagte.

„Er hatte also keine Feinde? Niemand, mit dem er Ärger gehabt hätte? Der einen Grund gehabt hätte, ihm das anzutun?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

„Und gestern? Gab es vielleicht Streit auf der Party?“

„Nein. Ich sagte ja schon, wir haben gefeiert.“

Schmickler verzog ärgerlich das Gesicht und warf die Hände in die Luft.

„Herrgott nochmal! Nun lassen Sie sich doch nicht alles aus der Nase ziehen! Sie wissen genau, was ich meine. Wo gefeiert wird, wird getrunken. Wo getrunken wird, wird auch schon mal etwas zu viel gesagt. Dann gibt ein Wort das andere und ehe man sich versieht, hat man den schönsten Streit. Also nochmal: Gab es gestern Streit?“

Baumann blieb bei seiner Linie. Paul Newman für Arme in Der Unbeugsame.

„Nein, da war nichts. Alles war friedlich, soweit ich das mitbekommen habe.“

„Gut. Lassen wir das“, brummte Schmickler gereizt. „Was ist denn hier in der Siedlung sonst so los, wenn nicht gerade gefeiert wird?“

„Nix.“

„Nichts?“

Baumann schwieg einen Moment, gerade so, als wolle er seinen guten Willen und seine Kooperationsbereitschaft durch intensives Nachdenken unter Beweis stellen.

„Richtig. Nix“, antwortete er dann.

„Herr Baumann, Sie müssen doch mehr wissen! Sie kennen hier alle Leute und wissen, was hier läuft.“

„Sie brauchen mich nicht zu bauchpinseln, Herr Hauptkommissar, auch wenn ich im Normalfall nicht genug davon bekommen kann. Aber ich kann Ihnen beim besten Willen nicht mehr sagen.“ Baumann deutete in die Runde. „Sie sehen es doch selbst, hier ist ein familienfreundlicher Ort. Überall Kinder und so. Es wird gespielt, gegrillt, gelacht und gefeiert. Klar gibt es auch schon mal Streitereien. Aber nichts, weswegen man jemanden umbringt. Schon mal gar nicht auf diese Art. Reicht das jetzt? Ich bräuchte nämlich dringend eine Bluttransfusion.“

Schmickler schaute Baumann von unten her an. Seine Kiefern mahlten sichtbar. Nach einem Moment verbissenen Schweigens packte er Stift und Notizblock ein und rammte die Fäuste in die Hosentaschen.

„Na schön, Herr Baumann. Aber wir sprechen uns noch.“

Dann wandte er sich brüsk ab und stapfte davon.

Baumann sah ihm hinterher.

Na schön, Herr Baumann. Aber wir sprechen uns noch.

Leck mich am Arsch, Schmickler.

7

Baumann betrat Onkel Theos Gartenlaube.

Charlie und Onkel Theo saßen an einem klapprigen Campingtisch und starrten betrübt Löcher in die Luft.

„Und? Wie war es mit der Bullerei?“, wollte Charlie wissen.

Baumann winkte ab und musterte besorgt Onkel Theo.

Seinen Lieblingsonkel, der sonst immer wie ein gutmütiger Buddha wirkte und verschmitzt lächelnd das merkwürdige Treiben dieser Welt beobachtete. Der jetzt aber mit versteinertem Gesicht und ratlosem Blick seinen Neffen anschaute und sich immer wieder fahrig über seinen schütteren Haarkranz strich. Noch nie hatte Baumann seinen Onkel in einer derartigen Verfassung gesehen. Müde und abgearbeitet war er zwar immer gewesen, kein Wunder nach fast fünfzig Jahren Maloche als Maurer auf dem Bau, jedoch zufrieden mit seinem bescheidenen Dasein und dem Frieden und der Ruhe in seinem Schrebergarten. Aber jetzt schien Onkel Theo in seinen Grundfesten erschüttert zu sein.

„Setz dich“, sagte Onkel Theo angespannt und klopfte mit der Handfläche auf den Stuhl neben sich. „Wir müssen reden. Ich will, dass du für mich ermittelst. Ich will, dass du den Mistkerl findest, der Hubert auf dem Gewissen hat.“

Baumann setzte sich gehorsam und sah seinen Onkel ernst an.

„Hör mal, Onkel Theo. Die Polizei ist doch schon dran. Die werden Huberts Mörder schon finden. Außerdem möchte ich denen nicht schon wieder in die Quere kommen.“

Baumann war fraglos bereit, den Handlungsspielraum, den Gesetze und gesellschaftliche Regeln den flexibleren Geistern durchaus offenbarten, großzügig zu interpretieren. Das musste man auch, wenn man sich als Privatdetektiv über Wasser halten wollte. Aber Schmickler nachhaltig zu verärgern, war etwas anderes. Das konnte böse ins Auge gehen.

„Die Polizei“, höhnte Onkel Theo. „Jetzt hör aber auf. Die finden doch noch nicht mal am Ostersonntag ein hartgekochtes Ei! Weißt du noch, wie sie mir vor zehn Jahren das Fahrrad geklaut haben? Das haben die bis heute nicht gefunden!“

„Aber das hier ist doch was anderes, Onkel Theo. Hier handelt es sich um Mord.“

„Richtig“, sprang Charlie Baumann bei. „Bei Mord sind die Bullen topfit!“

Onkel Theo lachte bitter auf. „So? Topfit also? Und was war mit dem Serienkiller letztes Jahr? Wenn ihr beide da nicht rechtzeitig eingegriffen und den Mörder gestoppt hättet, wäre deine Susi jetzt wahrscheinlich tot!“

„Tja, da ist auch was dran“, meinte Charlie und sah Baumann erwartungsvoll an. „Was ist denn jetzt? Ermitteln wir jetzt, oder nicht?“

Baumann schnaubte verärgert. Ein Fähnchen bei Windstärke 12 war nichts gegen Charlies Wankelmütigkeit. Wobei Charlie selbst sich eher chamäleonartige Anpassungsfähigkeit oder lebensbejahende Veränderungsbereitschaft attestiert hätte. Je nach Situation eben.

„Wir?“, griff Baumann den Ball auf. „Wir ermitteln hier gar nichts. Im besten Fall bin ich derjenige, der hier ermittelt. Und ich bin auch derjenige, der sich wieder Ärger mit Schmickler einhandelt, weil der der Meinung sein wird, dass ich mich raushalten sollte. Und mit Katja ist der Ärger auch vorprogrammiert, weil sie der gleichen Meinung sein wird.“

„Ach komm, Frank. Was soll groß passieren? Katja hat dir doch sowieso schon den Laufpass gegeben“, riskierte Charlie mit dieser schmerzhaften, wenngleich wahren Feststellung buchstäblich eine dicke Lippe.

Baumann beließ es aber dabei, ihn mit Blicken zu ermorden.

„Also gut, Onkel Theo“, resignierte er dann. „Aber sag mir wenigstens einen nachvollziehbaren Grund, warum ich mir das alles antun soll?“

„Weil Hubert mein bester Freund war.“

Baumann verzog ungläubig das Gesicht. „Dein bester Freund? Wieso das denn? Hubert war ein Kotzbrocken vor dem Herrn, den keiner leiden mochte. Seit ich zurückdenken kann, habt ihr euch doch gestritten wie die Kesselflicker.“

„Ja, schon. Aber wir waren da mehr wie ein altes Ehepaar, weißt du. Die Kabbeleien waren doch die Würze in unserer Beziehung.“

„Ehepaar? Kabbeleien? Beziehung?“, echote Baumann ungläubig.

„Nicht, was du jetzt denkst. Aber wir kannten uns schon über sechzig Jahre. Sind schon zusammen in die Schule gegangen. Im Grunde genommen war Hubert mein ältester Freund und jetzt…“

Onkel Theo schluckte und brachte kein Wort mehr heraus. Seine Augen begannen verdächtig zu glitzern. Baumann und Charlie sahen betreten zu Boden.

Dann gab sich Baumann einen Ruck und sagte: „Okay, hör zu, Onkel Theo. Das ist zwar eigentlich Sache der Polizei, aber ich schau mal, was ich rauskriegen kann, okay?“

Onkel Theo schniefte und nickte dankbar.

„Tut mir Leid, Frank. Ich habe jetzt nur an mich gedacht. Passt das denn überhaupt bei dir? Oder hast du gerade sehr viel zu tun?“

„Geht schon, Onkel Theo. Die Auftragslage ist sowieso gerade mau. Nur das Übliche: Entlaufene Hunde, untreue Ehemänner, sowas halt. Darum kann sich Katja kümmern oder ich gebe es einem Kollegen, der gerade einen schweren Stand hat. Also, mach dir keine Gedanken, Onkel Theo.“

„Ich zahle dir auch den üblichen Tagessatz.“

„Soweit kommt`s noch.“ Baumann erhob sich. „Wir sind Familie. Da ist das doch Ehrensache. Ich fahre jetzt nach Hause, dusche, esse was und dann lege ich gleich los. Onkel Theo, du schreibst in der Zwischenzeit alles auf, was dir einfällt. Mit wem hatte Hubert zu tun? Was hat er so getrieben? Wer waren seine Freunde, seine Feinde, wer hätte ein Motiv gehabt? Hatte er Probleme, Ärger? Schuldete er jemandem Geld? Hatte er Geheimnisse, vielleicht sogar Dreck am Stecken? Alles, was dir einfällt, könnte wichtig sein.“

„Geht klar. Und die Polizei? Was soll ich denen sagen?“

„Alles, was du weißt. Gib ihnen alles, was du hast. Es reicht, wenn ich Ärger mit Schmickler habe“, sagte Baumann und verließ die Gartenlaube.

8

Schmickler beobachtete mit versteinertem Gesicht die Aktivitäten am Tatort.

Dann seufzte er tief, schloss die Augen und versuchte, dem Mord nachzuspüren, der sich hier ereignet hatte, und war gleichzeitig erleichtert, dass dieses Mal die Melancholie, die früher in diesen Situationen förmlich über ihn hinweggespült war, ausblieb.

Es waren nicht nur brutale, geradezu unerhörte Taten wie diese und die damit verbundene sinnlose Gewalt, die ihn aus dem Gleichgewicht gebracht hatten. Nein, alle Aspekte seines Berufes, die Dramen, die sich beinahe täglich vor seinen Augen abspielten, hatten ihn in der Vergangenheit so manches Mal an den Rand der Verzweiflung getrieben. Das Schlimmste waren natürlich die Toten, deren erschütternde Schicksale und das ihrer Angehörigen. Eine Todesnachricht, eine derartige Todesnachricht zu überbringen, die Hinterbliebenen in tiefste Trauer zu stürzen, ihre Tränen, ihren Schmerz mitzuerleben; es kostete ihn jedes Mal aufs Neue alles an Kraft und innerer Stärke, die er aufbieten konnte. Und deshalb arbeitete er wie ein Besessener, oft bis zur äußersten mentalen und körperlichen Erschöpfung, um wenigstens den Täter zu überführen und seiner gerechten Strafe zuzuführen, und war dies endlich gelungen, fiel er in sich zusammen, dann kam die innere Leere, dann wollte er sich nur noch in seinem Bett verkriechen, um nie wieder in das grausame Gesicht seiner Welt blicken zu müssen.

Aus dieser Depression hatte ihn Gisela befreit. Sie hatte ihm wieder Lebensfreude geschenkt, wofür er ihr jeden Tag unendlich dankbar war. Seit sie bei ihm war, gelang es ihm immer besser, die Schattenseiten seines Berufs zu ertragen. Denn sie hatte ihm klar gemacht, wie wichtig seine Tätigkeit war, auch und gerade für die Angehörigen der Mordopfer, damit sie wenigstens wieder ein Stück weit den Glauben an irdische Gerechtigkeit zurückgewinnen konnten. Dieses Bewusstsein hatte ihn endgültig wieder mit seiner Arbeit versöhnt.

Was ihn aber immer noch, nach all den Jahren Ermittlungstätigkeit, zur Weißglut treiben konnte, waren die Lügen, mit denen er Tag für Tag konfrontiert wurde. Die Leute logen die ganze Zeit. Alle logen. Sie logen, weil sie keine Schwierigkeiten bekommen wollten, weil sie sich selbst oder andere nicht belasten wollten, weil sie gegenüber der Polizei ein tief verwurzeltes Misstrauen hegten oder auch, damit sie einfach in Ruhe gelassen wurden.

Wenigstens log Baumann nicht, überlegte Schmickler weiter. Davon war er überzeugt. Und doch gelang es diesem Menschen jedes Mal mit Leichtigkeit, ihn in Rage zu versetzen. Schmickler ballte unwillkürlich die Fäuste.

Dieser Baumann. Dieser verflixte, renitente Quertreiber!

Der wird auf jeden Fall wieder rumschnüffeln, davon war er absolut überzeugt. Der konnte gar nicht anders. Und obwohl Baumann seinerzeit entscheidend dazu beigetragen hatte, den Serienmörder zu stellen, sollte er ihm besser nicht wieder in die Quere kommen. Denn dieses Mal würde er den vermaledeiten Schnüffler wegsperren und den Schlüssel wegwerfen. Schmicklers Gesicht verzog sich zu einem boshaften Grinsen. Die Vorstellung, wie Baumann langsam in einem imaginären Kellerverlies verrottete, gefiel ihm.

Dann rief er sich zur Ordnung. Er hatte schließlich Gisela versprochen, sich nicht mehr so aufzuregen. Also verscheuchte er die reizvolle Utopie aus seiner Vorstellung, holte tief Luft und ging hinüber zu Dr. Heinke, dem Leiter der Forensik, der unter dem Pavillon neben der Leiche von Hubert Roosen kniete.

„Und? Hast du was für mich, Doc?“

Dr. Heinke unterbrach die Untersuchung und erhob sich.

„Er ist erwürgt worden“, antwortete er in seiner bedächtigen Art und rückte sich die Brille zurecht.

„Erwürgt? Ich dachte, er wäre erhängt worden?“

„Nein. Beim Erhängen wird die cerebrale Blutzufuhr zum Gehirn abgeschnitten. Die Folge ist eine Ischämie.“

Dr. Heinke zog Schmickler am Ärmel runter und sie gingen beide neben Hubert Roosen in die Hocke.

„Blutleere … “, fuhr Heinke fort, „ … könnte man es auch laienhaft ausdrücken. Dann wäre sein Gesicht im wahrsten Sinne des Wortes leichenblass. Aber dieser arme Kerl hier ist mit bloßen Händen erwürgt worden. Dabei entsteht eine Stauungsblutung und daher rührt auch der rote Kopf und die Einblutungen in den Augäpfeln. Meine Untersuchungen werden das bestätigen. Schau, du kannst es aber auch an einem anderen Merkmal erkennen. Hier, Zungenbein und Kehlkopf sind gebrochen.“ Dr. Heinke fasste den Toten unter das Kinn. „Man kann das fühlen. Genau hier. Versuch es selbst.“

„Nein, lass mal, Doc.“

„Jedenfalls sind die Würgemale sehr stark ausgeprägt.“ Dr. Heinke deutete auf den Hals. „Erwürgen ist eine brutale Art, jemanden zu töten. Man kommt dem Opfer sehr nahe und es dauert lange, bis der Exitus eintritt. Der Mörder muss also sehr entschlossen gewesen sein, oder sehr wütend. Und, betrachtet man die Würgemale, zudem große, kräftige Hände haben.“

„Also wohl keine Frau“, spekulierte Schmickler.

„Unwahrscheinlich. Das Opfer war zwar alt, aber in Todesangst. Da werden besondere Kräfte wach. Und obschon er sich heftig gewehrt haben muss, war er unterlegen. Ich will es noch nicht komplett ausschließen, aber nein, ich denke, es war keine Frau.“

Dr. Heinke griff nach den Händen des Toten und drehte sie um.

„Wir werden ganz sicher etwas unter den Fingernägeln oder an seiner Kleidung finden. Gewebepartikel, Fasern, irgend etwas. Vielleicht genug für einen DNA-Abgleich. Vorausgesetzt, der Täter ist in einer unserer Datenbanken registriert.“

„Okay, Doc. Kannst du schon was zum Todeszeitpunkt sagen?“

„Nicht zuverlässig. Aber die Livores…“

„Ach, komm schon, Doc. Auf deutsch.“

„Die Totenflecken oder auch Leichenflecken“, lenkte Dr. Heinke ein. „Bei dem Verstorbenen sind sie aufgrund dessen, dass er längere Zeit dort oben gehangen hat, vorwiegend an Beinen und Händen zu finden. Aber sie sind noch nicht völlig ausgeprägt, was normalerweise nach ungefähr sechs bis zwölf Stunden der Fall ist. Auch die Totenstarre ist normalerweise nach zirka sechs Stunden weitestgehend eingetreten. Dies ist hier auch noch nicht der Fall. Berücksichtigen wir noch die Körpertemperatur und dass der Tote nachts im Freien schneller auskühlt, so würde ich denken, dass der Tod vor drei bis maximal fünf Stunden eingetreten ist. Genaueres ….“

„… kannst du erst nach der Obduktion sagen. Ich weiß, Doc.“

Schmickler war klar, dass sich Dr. Heinke ohne ausreichende Belege nicht festlegen würde. Ein falsch definierter Todeszeitpunkt konnte fatale Auswirkungen auf die Ermittlungen haben, konnte im schlechtesten Fall Unschuldige belasten oder Verdächtige ausschließen.

Schmickler strich sich nachdenklich über das Kinn.