Im Tal des Todes - Karl May - E-Book

Im Tal des Todes E-Book

Karl May

4,7

Beschreibung

Das berühmte "Kleeblatt" kommt einer deutschen Auswandererfamilie zu Hilfe, und bald greifen auch Old Firehand und sein Freund Winnetou ein. Im "Tal des Todes", einem Ort des Grauens, laufen schließlich die Schicksalsfäden derer zusammen, von denen im Band "Der Derwisch" die Rede war. Die vorliegende Erzählung spielt in der ersten Hälfte der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts. Bearbeitung des 1885/1886 geschriebenen Kolportageromans "Deutsche Herzen - Deutsche Helden". "Im Tal des Todes" ist der zweite Teil einer Trilogie. Weitere Bände sind: Teil 1: "Der Derwisch" (Band 61) Teil 3: "Zobeljäger und Kosak" (Band 63)

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 62

IM TAL DES TODES

Zweiter Band der Bearbeitung von

Deutsche Herzen, deutsche Helden

ROMAN

VON

KARL MAY

Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid

© 1951 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1562-8

1. Eine seltsame Prärie-Post

Einsam und bedächtig ritt ein Mann einem kleinen Bach entgegen, der von einer fernen Höhe kam. Diese Höhe schien das Ziel des Reiters zu sein, denn er hob bisweilen den Kopf und suchte sie mit den Blicken.

Der Mann war nicht mehr jung und hatte jedenfalls die fünfzig hinter sich. Sein Gesicht war wetterbraun und die Augen blickten hell in die Ferne.

Doch nicht bloß in die Ferne – sie suchten auch rechts und links die Büsche zu durchdringen. Zuweilen neigte er den Kopf zur Seite, um auf irgendein Geräusch zu lauschen. In solchen Augenblicken hielt er das Gewehr schussfertig in der Hand.

So ritt er langsam weiter. Sein mageres Pferd war ermattet und auch er selber schien ermüdet. Eben kam er an einem kleinen Gebüsch vorüber und es war ihm, als hätte er darin ein leises Rascheln vernommen. Er hielt das Pferd an und lauschte – vergeblich. Eine Täuschung nur. Gleich darauf aber fuhr er erschrocken zusammen, denn das Gebüsch bewegte sich und ein Mann trat heraus, bei dessen Anblick der Gaul sich hoch aufbäumte, sodass der Reiter Mühe hatte, das Tier zu zügeln. Der Anblick des Fremden war aber auch seltsam genug.

Unter der wehmütig herabhängenden Krempe eines vorsintflutlichen Filzhutes blickte zwischen einem Wald von verworrenen Barthaaren eine Nase von erschreckenden Ausmaßen hervor. Von den übrigen Gesichtsteilen waren nur die zwei beweglichen, klugen Äuglein zu bemerken, die mit einem Ausdruck von List auf dem Reiter ruhten. Der übrige Körper steckte in einem alten, bockledernen Jagdrock, der augenscheinlich für eine weit größere Person angefertigt worden war und dem kleinen Mann das Aussehen eines Kindes gab, das sich zum Vergnügen einmal in den Schlafrock des Großvaters gesteckt hat. Aus dieser mehr als zulänglichen Umhüllung guckten zwei dürre, sichelkrumme Beine hervor, die in einem Paar riesiger Indianerstiefel beinahe verschwanden. In der Hand trug er eine Flinte, die einem Knüppel viel ähnlicher sah als einem Gewehr.

„Good day!“, grüßte das Männchen lachend.

„Good day!“

„Nun, seid Ihr fertig mit Eurer Verwunderung? Ihr sperrt ja den Schnabel auf wie ein Storch, der den Frosch mit Hörnern, Haut und Haaren verschlingen will!“

„Danke für die Belehrung. Wusste nicht, dass ein Frosch Hörner und Haare hat. Außerdem seht Ihr nicht so appetitlich aus, dass ich anbeißen möchte.“

Der Kleine musterte den Reiter mit scharfen Blicken und schüttelte den Kopf.

„Wo habt Ihr denn Euren Wagen?“

Der andere machte eine Bewegung des Schreckens und betrachtete den Frager mit einem Blick, worin sich das deutlichste Misstrauen aussprach.

„Wie kommt Ihr auf den Gedanken, mich nach einem Wagen zu fragen?“

„Weil Ihr einen habt, wenn ich mich nicht irre.“

„Verdammt! Habt Ihr etwa mit den Halunken gesprochen?“

„Nein.“

„Hört, Mann, Ihr kommt mir verdächtig vor! Ihr habt mich nach meinem Wagen gefragt und das fällt mir auf. Ihr leugnet, die Halunken gesehen zu haben, und ich verlange aufrichtige Antwort, sonst werde ich Euch zwingen. Ihr dürft nicht denken, dass ein Westmann nur zu seinem Spaß fragt!“

Der Kleine lachte lustig auf.

„Ihr ein Westmann? Pshaw! Das macht Ihr mir nicht vor! Wisst Ihr, wie Ihr mir in diesem Augenblick vorkommt?“

„Nun?“

„Wie ein ehrsamer, deutscher Förster, der einen Holzdieb ertappt hat und ihn nun nach Pflicht und Gewissen ins Gebet nimmt.“

„Eure Augen sind wirklich nicht übel, Männchen!“

„Könnt Euer Männchen beiseite lassen, wenn ich mich nicht irre. In diesem Punkt verstehe ich keinen Spaß, Sir!“

„Wollte Euch nicht beleidigen. Verzeiht! Aber Euer Vergleich mit einem deutschen Förster – sagt, was wisst Ihr von Deutschland?“

„Wohl mehr als Ihr. Oder solltet Ihr – hm, Euer Englisch schmeckt stark nach Holzasche. Es wäre wahrhaftig möglich, dass Ihr da drüben am Rhein oder an der Elbe Euern ersten Zulp zerbissen hättet.“

„Das habe ich auch.“

„Also doch! So seid Ihr ein Deutscher?“

„Yes.“

„Haltet den Schnabel mit Euerm dummen ‚yes‘! Wenn ein Deutscher Deutsch reden will, so schreit er doch nicht ‚yes‘ oder ‚oui‘! Auch ich bin von drüben“, fuhr er in deutscher Sprache fort. „Sind also sozusagen Landsleute! Hier meine Patsche – willkommen!“

Der Reiter aber zögerte und schlug nicht sofort in die dargereichte Hand. Er musterte den Mann noch einmal von dem vorsintflutlichen Filzhut bis zu den gewaltigen Indianerstiefeln.

„So schnell geht das nicht“, meinte er nun ebenfalls auf Deutsch. „Erst muss ich gewiss sein, dass Sie nicht zu den Schuften gehören, die mich bestohlen haben.“

„Habe Schufte genug kennengelernt in meinem Leben; aber ich lasse mich fressen, wenn ich Ihnen nicht sagen kann, welcher von ihnen allen grad Sie bemaust hat. Wann ist es denn geschehen?“

„Vor vier Tagen.“

„Und wo?“

„In einer Gegend, die ganz aus Felsen besteht, glatt wie eine Tischplatte.“

„Hm! Eine solche Gegend kenne ich; aber sie liegt nicht vier, sondern nur eine knappe Tagereise weit von hier.“

„Dann ist sie es. Wir kamen nur langsam vorwärts und mussten oft rasten. Wir sind vier Personen, haben aber nur ein Pferd, nämlich dieses hier.“

„Da kommt auf die Person nur ein Pferdebein, wenn ich mich nicht irre. Aber da sitzen Sie auf dem armen Gaul und fallen selber fast vor Müdigkeit aus dem Sattel. Steigen Sie doch ab und gönnen Sie dem Tier die Ruhe und ein paar grüne Halme! Zwei Landsleute, die sich im Felsengebirge treffen, können schon eine Viertelstunde miteinander plaudern.“

„Ich weiß nicht, ob ich Ihnen trauen kann.“

„Hört, Freund, einem anderen hätte ich dafür meine Faust zwischen die Zähne gesetzt. Kommt da so was auf einem lahmen Klepper und weiß nicht, ob er Sam Hawkens trauen darf! Gewiss, man darf hier niemand trauen, nicht einmal einem Landsmann. Aber bei mir können Sie ruhig eine Ausnahme machen. Ich fresse Sie nicht, hihihihi!“

„Sam Hawkens? Sie sind Sam Hawkens? Von dem habe ich schon viel gehört! Hier ist meine Hand!“

„Na also! Steigen Sie in Gottes Namen ab!“

„Aber ich versäume dabei meine Zeit! Ich will jagen, und wenn ich nichts schieße, so haben meine Leute heute Abend nichts zu essen.“

„Wenn es nur das ist, so machen Sie sich keine Sorge! Ich habe genug Proviant für Sie und Ihre drei.“

Der Reiter stieg jetzt vom Pferd, ließ es weiden und setzte sich neben Sam ins Gras.

„Wer sind denn die drei anderen Personen, die sich bei Ihnen befinden?“

„Meine Frau, mein Sohn und meine Schwägerin. Ich will aufrichtig sein und Ihnen alles sagen. Sie haben mich für einen Förster gehalten und ich bin auch wirklich einer. Mein Name ist Rothe. Die Besitzung, auf der ich diente, kam in fremde Hände. Es gab Reibereien mit dem neuen Herrn. Ich hatte Recht und bestand darauf. Er vergaß sich im Zorn und griff nach der Reitpeitsche. Das ging mir doch zu weit, ich wehrte mich und schlug ihn nieder. Natürlich wurde ich abgedankt. Bei der Überfüllung in meinem Beruf wollte es mir nicht glücken, eine neue Anstellung zu finden. Ich wartete, ich gab mir Mühe – vergebens. Da lief mir die Galle über. Mein Sohn wollte schon längst nach Amerika. Ich entschloss mich kurz. Wir packten ein und fort ging’s. Aber ich hatte mir alles viel leichter gedacht. Wir wollten quer durch das Land nach Kalifornien. Wir kauften einige Wagen, Pferde und Zugochsen, luden auf, was wir hatten, und gelangten nach Santa Fe. Dort trafen wir auf eine Gesellschaft, die auch nach Kalifornien wollte. Wir schlossen uns an. Vor vier Tagen erreichten wir die Felsenplatte, von der ich vorhin sprach. Da stellte es sich heraus, dass ich ein ganzes Paket Decken vom Wagen verloren hatte. Ich ritt zurück und fand sie nach mehreren Stunden; doch war es indes Abend geworden. Als ich an den Lagerplatz zurückkam, war die Karawane nicht mehr dort, aber meine Frau, der Sohn und die Schwägerin lagen gefesselt am Boden. Man hatte sie kurz nach meinem Fortgehen überfallen und gebunden. Gleich darauf waren die Strolche aufgebrochen. Meine Wagen hatten sie mitgenommen.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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