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Paul Wagner ist in der Mitte des 20. Jahrhunderts geboren. Achtzig Jahre später blickt er zurück auf ein Leben voller Wandlungen und ständigen Herausforderungen. Eine Zeit, die Geschichte und Zukunft gleichermaßen beschreibt. Fiktive und zeitgeschichtliche Ereignisse beschreiben den Zustand des größten Feindes der Erde, die menschliche Gesellschaft. Eingebettet in einem Geheimdienst- und Science-Fiction-Thriller. In fünfundzwanzig Kapitel werden geschichtliche und fiktive Ereignisse, aus der Sicht des Protagonisten geschildert. Verpackt in einem Thriller um Attentate und Terroranschläge und Menschen von einem anderen Stern. Die Erzählung hat wahrlich kein Anspruch auf Wahrheit oder gar wissenschaftliche Erkenntnis. Höchstens ein Denkanstoß, aber vor allem erzählt wird nichts weiter als eine Geschichte.
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Seitenzahl: 540
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Meiner geliebten Frau und meinen Kindern.
Diese Gedanken, die zu dem Buch führten, sind mir in den letzten Jahren mehr oder weniger oft durch den Kopf gegeistert. Manch einer wird, wenn er das liest, denken, „was für ein wirrer Kopf“? Was soll ich dazu sagen? Es ist nun mal meiner, der Kopf natürlich und ist mittlerweile weit über sechzig Jahre bei mir anhängig. Mit dem Kopf ist es so eine Sache. Dem Einen gefällt er, der Andere hadert mit ihm, seinen Kopf. Ich war viele Jahre mit den meinigen im ständigen Zwiespalt. Mal empfand ich ihn als okay, ein anderes Mal hätte ich ihn am liebsten tief in den Sand gesteckt. Mittlerweile habe ich mich in Gänze mit ihm, dem Kopf, vereint. Man könnte es Alters Milde nennen. Der bessere Ausdruck dafür scheint mir Vernunft zu sein. Deshalb, weil man in den vielen Jahren, je nach Ansicht des Kopfes, festgestellt hat, dass der ewige Zwist mit dem Kopf Gefahr läuft, diesen zu verlieren. Was beim Betrachten mancher Zeitgenossen heutzutage nicht so weit herbeigeholt scheint.
Der Akt den Menschen an sich herzustellen ist keine große Sache. Für die Meisten jedenfalls. Der wirre Kopf würde fragen, wer war zuerst da? Das Huhn oder das Ei? Die Zelle oder die Erzeuger? Das sind wissenschaftliche Erwägungen und zum Menschen werden von elementarer Bedeutung. Für das Menschsein mehr oder weniger unwichtig. Hierfür ist es wichtig, in welchen gesellschaftlichen Verhältnissen, in was für eine Umwelt, nicht die von der momentanen allgemeinen Hysterie gestritten wird, sondern der menschlichen Umgebung, in die der neugeborene Mensch, Mensch sein kann.
Die Allermeisten kommen vollkommen unschuldig auf diese Welt. Außer Jesus von Nazareth, dessen Bestimmung war sozusagen vorprogrammiert. Alle anderen sind gänzlich unbelastet und mehr oder weniger gut anzuschauen, auf diese Welt gekommen. Es wurde niemand mit Seitenscheitel, Schnurrbart und gestreckten Arm geboren. Nicht mit wirren Haarschopf und ausgestreckter Zunge. Nicht mit der Schreibfeder und nicht mit dem Hammer der Erleuchtung. Niemand mit einem Sprengstoffgürtel und dem Verlangen nach zweiundsiebzig Jungfrauen. Die Jungfrauen wären schon okay, nur die Endgültigkeit nicht. Was macht also ein unschuldiges kleines Menschlein zu einem Massenmörder, zu einem Genie der Wissenschaften, zu einem Poeten, zu einem Aufklärer oder zu einem Selbstmordattentäter? Die Naturwissenschaftler erklären es mit der Aminosäuresequenz. Dem genetischen Code, der bestimmt, welchen Charakter und Fähigkeiten wir erlangen werden. Natürlich wird das eine Rolle spielen und wer bin ich, der die Wissenschaft infrage stellt? Trotzdem glaube ich, dass in erster Linie die gesellschaftlichen Gegebenheiten, die Verhältnisse, in denen wir groß werden, bestimmen zu was ein Individuum heranwächst. Eben die haben sich in unserer relativ kurzen Geschichte, dem Vorhandensein des Menschen auf der Erde, nicht unbedingt als vorteilhaft für die Erde und dessen Bewohner, entwickelt. Wir haben zur Genüge bewiesen, dass wir alles und selbst unsere eigene Existenz der Gier nach Macht und Reichtum unterordnen. Dafür gibt es eine Vielzahl beweisbare Erkenntnisse. Je weiter wir uns entwickeln, desto perverser werden die Mittel, derer wir uns zur Erlangung von Macht und Reichtum bedienen.
Paul Wagner ist in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts geboren. Achtzig Jahre später blickt er zurück auf ein Leben voller Wandlungen. Eine Zeit, die Geschichte und Zukunft gleichermaßen beschreibt. Es wird der Zustand des größten Feindes der Erde, die menschliche Gesellschaft, betrachtet. Eingebettet in einem Thriller um Attentate und Anschläge. Es werden fiktive und geschichtliche Ereignisse aus der Sicht des Protagonisten geschildert. Die Erzählung hat keinen Anspruch auf Wahrheit oder gar wissenschaftliche Erkenntnis. Höchstens ein Denkanstoß, aber vor allem erzählt wird nichts weiter als eine Geschichte.
Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, Namen und Vorgängen sind rein zufällig und haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
Epilog
September 2034, nahe Polson, im US-Bundesstaat Montana. Der Vollmond warf sein milchiges Licht auf einen eher kleineren Mann mit weißem Haar, der auf dem weit in den See gebauten Steg saß. Er hielt ein Glas mit bernsteinfarbener Flüssigkeit in der Hand. Es war Ende September und da die Höhe fast tausend Meter über dem Meeresspiegel betrug, war es zu dieser Jahreszeit und mitten in der Nacht entsprechend frisch. Angesichts dessen war der Mann in eine Felldecke gehüllt. Es war eine klare Vollmondnacht und die Konturen des Mannes warfen gespenstische Schatten auf die Wasseroberfläche.
Der Tag war sonnig und für Ende September außerordentlich warm gewesen. Was dazu führen wird, dass sich bald eine Dunstschicht über dem Wasser bildet. Der Mann hob das Glas.
»Zum Wohl Paul Wagner. Wer hätte je gedacht, dass du einmal achtzig Jahre alt wirst? Auf euch, meine Freunde, die mich auf dem Weg ein Stück weit begleitet haben und nun nicht mehr unter uns weilen.«
Er nahm einen kräftigen Schluck von der wärmenden Flüssigkeit. Zu gut wusste er, dass es eine trügerische Wärme ist. Der Teufel Alkohol vermag solchen Irrglauben dem Gehirn einzureden, das hatte er im Leben mehrmals erfahren müssen.
Das Licht seines Hauses, das zum Teil in den Felsen über ihm gebaut war, spiegelte sich im Wasser des Sees wider. Seine Geburtstage, zumindest die der letzten Jahre, wurden in Familie gefeiert. Die Ausnahme waren zwei übrig gebliebene alte Freunde. Da diese schon weit über achtzig Jahre alt sind, wollten sie diesmal den beschwerlichen Weg in die Wildnis nicht mehr auf sich nehmen. Neue Freunde waren entweder zu weit weg oder hatten besseres vor, als mit einem alten Knacker ihre Zeit zu verschwenden.
Leise klangen das Lachen und die Stimmen seiner Kinder, Enkel und Urenkel zu ihm herunter. Für ihn war dieser Tag einer der wichtigsten in seinem Leben geworden. Nicht des Geburtstags wegen. Darauf hätte er verzichten können. Die Familie ist es, die oben alle beisammen waren. Es war das einzige Mal im Jahr und so genoss er es in vollen Zügen. Vieles in seinem Leben hätte anders sein können. Diese Menschen dort über ihn würde er um keinen Preis der Welt missen wollen. Sie waren und sind sein größter Halt in einer Welt, die kurz vor dem Abgrund gestanden hat. Sich mittlerweile ein ganzes Stück davon entfernt hatte und entsprechend lebenswerter geworden ist.
Er war an dieser Entwicklung nicht ganz unbeteiligt. Man ist lange nicht am Ziel. Viele Unwägbarkeiten wie alte Denkstrukturen, religiöse Unwissenheit, charakterliche Schwächen erschweren den Weg hin zu einer besseren, dem Menschen nahen Gesellschaft. Noch steht das Streben nach materiellen Dingen und Machtausübung an erster Stelle. Nicht mehr mit der brutalen Zielstrebigkeit wie vor Jahren, doch mit einigem Potenzial für kriminelles Handeln. Es gibt noch viele Hürden bis zum Ziel. Ein Ziel, für das es sich lohnt, weiterzukämpfen. Die Richtung stimmt und wird hoffentlich bald unumkehrbar sein. Wichtig für die Zukunft wird sein, dass immer mehr die Überzeugung wächst, gemeinsam die Herausforderungen besser zu meistern. Empathie und menschliche Empfindungen sollten denen, nach Streben um Macht und Reichtum vorangestellt werden.
Er schaut gedankenversunken weit über die nahen, schneebedeckten Gipfel der Rocky Mountains. Als ob er dort mit unsichtbaren Gestalten einen regen Gedankenaustausch führen würde. Was er auch regelmäßig getan hatte. Heute, an seinem achtzigsten Geburtstag schickt er diese Gedanken auf eine Reise weit in die Vergangenheit. In einer Zeit, welche die Menschheit mehrmals an den Rand des Untergangs gebracht hatte. In der das Böse schon fast das Gute besiegt hatte und in der er seinen Platz nach vielen Unwägbarkeiten gefunden hat.
Er dachte an den Jungen, der in einer Zeit geboren wurde, in dem die Menschheit sich von der schlimmsten Katastrophe in ihrer Geschichte langsam zu erholen schien. Kein Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der abscheulichen Tyrannei der Nazis. Die Geburt war kompliziert und dem Jungen wurden viele Gebrechen, wie man zu sagen pflegte, mit in die Wiege gelegt. Die Ärzte gaben ihm keine große Chance für ein langes Leben. Doch er besaß einen unbändigen Überlebenswillen, der ihn vieles in Zukunft ertragen ließ, woran andere eher scheiterten. Die Schule besuchte er ohne großen Fleiß. Arbeitete frühzeitig auf dem kleinen Hof seiner Eltern. Er betrieb ein paar Jahre Leistungssport. Den Sport mit mehr Erfolg als in der Schule, was er später bitter bereuen sollte. Hätte er mehr Gewicht auf seine schulischen Leistungen gelegt, wäre ihm einiges leichter gefallen. Vieles, das er durch mangelnden Fleiß in der Schule versäumte, musste er sich später hart erarbeiten. Sein Vater, der nicht einen Schuss im Krieg abgegeben hatte, kam mit siebzehn Jahren in polnischer Gefangenschaft, die er lange fünf Jahre ertragen musste. Aus den schrecklichen Erlebnissen dieser Zeit resultierte im Wesentlichen die fehlende Fähigkeit, seinem Sohn gegenüber väterlichen Gefühlen entgegenzubringen. Es gab nie Lob und Anerkennung für geleistete Arbeit. Jedoch Bestrafung und Verachtung für Fehler oder nicht erledigte Aufgaben. Dadurch waren seine Gefühle und die Achtung dem Vater gegenüber überschaubar. Seine Mutter im Gegensatz war zwar streng, aber gleichermaßen liebevoll. Sie hatte immer tröstende Worte bei allzu harter Bestrafung vom Vater für ihn übrig.
Das Land, indem er aufwuchs, wurde von den Siegern des historisch schlimmsten Krieges in zwei Teile geteilt. Der Teil, wo er lebte, war zumindest für ihn der bessere von beiden. Hier hatte angeblich das Volk die Macht. Für ihn war es der Lebenswertere und so wurde er auch erzogen. Erst später erkannte er, dass dort ebenfalls die Gier einzelner das Schicksal vieler beherrschte und das eben nicht unbedingt zum Wohle dieser Vielen. Soziale Leistungen wurden im Gegensatz zum System des Kapitalismus mehr im Vordergrund gestellt.
Familie, Beruf und Wohnen standen vor Profit und Reichtum.
Faktisch hätte das von den Menschen seiner Gesellschaft anerkannt werden müssen. Das Gegenteil war der Fall. Das Fehlen der Freiheit des Einzelnen konnte durch soziale Leistungen nicht verdeckt werden. Diese Leistungen werden erst vermisst, wenn sie nicht mehr vorhanden sind. Einschnitte in die persönliche Freiheit empfand man als wesentlich bedrückender. Als später diese im anderen System ebenfalls eingeschränkt wurde, waren die Alternativen längst verspielt.
Wenige ahnten, dass die Zukunft der meisten, im anderen System, nicht besser werden würde. Es gibt keine Mangelware im Kapitalismus. Ist man doch finanziell beschränkt, wird es noch frustrierender sich all die schönen Sachen nicht leisten zu können. Eine ungerechte Verteilung des erwirtschafteten Vermögens fällt erst dann auf, wenn der Unterschied zu groß wird und allenfalls ein geringer Teil der Menschen einer Gesellschaft Zugriff auf dessen Vermögen hat. Dieser Teil hat dann alle Freiheiten, die den Anderen verwehrt bleiben. Das sollte sich später rächen und fast das Ende der Menschheit besiegeln.
Der Erziehung seiner Eltern und des Systems war es zu verdanken, dass er ein Verfechter dieses wurde. Er war überzeugt, in der einzig richtigen Gesellschaft auf der Erde zu leben. Einer Gesellschaft, in der angeblich alle gleich sind. Aus diesem Grund und der Aussicht auf einen Studienplatz verpflichtete er sich freiwillig für länger als nötig in eine Spezialeinheit. Diese war eine militärische Einrichtung der Staatssicherheit. Bei ihm war die ständige Propaganda, die Angst vor dem Imperialismus erzeugte, auf fruchtbaren Boden gestoßen. Propaganda gab es aber auf der anderen Seite dieser beiden Systeme genauso. Dasselbe mit der umgekehrten Begründung. Gegen den furchtbaren Kommunismus, den es niemals gab und nie geben sollte. Da er zum Trotz, seinem Vater gegenüber nach außen hin distanziert dem System gegenüberstand, sein äußeres Aussehen und manche seiner Handlungen nicht unbedingt ein Musterbeispiel sozialistischer Persönlichkeit war, warb man ihn für diesen Dienst an. Man konnte sich dort nicht bewerben. Man wurde ausgesucht und das schon mindestens zwei Jahre vor der Anwerbung. Meistens wurden Sprösslinge von Funktionären der Partei oder dem Sicherheitsapparat genommen. Er nannte sie immer die Blaublütigen. Die Anwerbung, das sollte er später erfahren, war auf seine sportlichen Erfolge und die unkonventionelle Art, Probleme zu lösen, zurückzuführen.
Seinem Ehrgeiz war es zu verdanken, dass er bei speziellen Tests, den alle Anwärter für diese Art Job absolvieren mussten, mit Bestleistungen glänzte. Als Ergebnis wurde er in ein spezielles Ausbildungsprogramm versetzt. Hier wurde man dazu ausgebildet, im Hinterland des Feindes zu operieren. Man lernte dort konspiratives Verhalten, lautloses Bewegen, Nahkampf bis zu verschiedenen Methoden, um den Gegner auszuschalten. Er absolvierte als einer der Besten seiner Einheit diese Ausbildung. So bekam er später Aufgaben übertragen, von denen nicht viele seiner Kameraden überhaupt etwas ahnten. Schon in der Zeit der Ausbildung überkamen ihm Zweifel über die gesellschaftlichen Verhältnisse in seinem Land. Zwar wusste er, dass die Philosophie dessen, wofür seine Kameraden und er sich schindeten, die richtige ist. Allein wie man sie im System praktizierte, fehlerhaft war. Doch ungeachtet davon war er trotzdem zu diesem Zeitpunkt noch immer überzeugt auf der richtigen Seite der zwei herrschenden Systeme dieser Zeit zu stehen. Er hätte nicht gescheut, sein Leben dafür zu opfern. Später sollte es ihm schmerzlich bewusstwerden, dass er und viele Gleichgesinnte nicht dem Wohle des Volkes, sondern dem seiner sogenannten Repräsentanten dienten. Diese wurden von der Partei bestimmt. Einer Partei, die unbarmherzig ihre Führungsrolle ausübte. Das erklärt, warum nicht die besten fachlich geeigneten Personen die Rolle der Führung übernahmen. Die von der Partei Auserwählten hatten oft keinen fachlichen Sachverstand. Dummheit und Ignoranz, gepaart mit Gier nach Macht und Reichtum war die Motivation der meisten dieser Leute.
Der Staat hatte zwar wenig Rohstoffe, kaum natürliche Ressourcen und war durch die Sanktionspolitik des Westens in vielen Dingen gehandicapt. Doch die Macht dieser unfähigen Riege war der Hauptgrund des Scheiterns der sogenannten sozialistischen Gesellschaft. Diese Macht wurde mit Rechtsbeugung und Unterdrückung Andersdenkender verbunden. Es wurde nicht besser dadurch, dass im anderen System ähnliches praktiziert wurde. Entsprechend seinem Charakter prangerte er solches regelmäßig an. Das war für eine Karriere in diesem Apparat wenig förderlich. Andere kamen schneller weiter. Nicht weil sie besser waren, nein sie passten sich an. Einiger erfolgreicher Aktionen war es zu verdanken, dass er nicht gänzlich in der Versenkung verschwand. Wenige Befehlshaber in der Organisation wussten seine Fähigkeiten einzuschätzen. Für brisante Einsätze und sogenannten Aktionen wurde er immer wieder aktiviert. Dadurch hatte er einen größeren Einblick in das Privatleben einzelner hoher Funktionäre. Mit diesem Wissen konnte er oft Freunde und Verwandte aus heiklen Situationen heraushalten. Als Soldat wurde er dazu gedrillt, jeden Befehl zu folgen. Trotzdem hat er nie einen ausgeführt, der jemand schadete, der aus seiner Überzeugung heraus mit friedlichen Mitteln gegen das herrschende Unrecht kämpfte. Unrecht und Machtmissbrauch gab es oft genug in dieser Zeit. Nur ist das nicht systemabhängig, sie sind menschlich bedingt und nicht mit der Abschaffung von gesellschaftlichen Systemen zu beseitigen.
Eher mit der Entwicklung des Menschen, hin zu echten menschlichen Empfindungen. Leider hat diese Entwicklung den entgegen gesetzten Weg genommen. Den der Unterdrückung und Machtgier. Trotz aller gegenseitigen Behauptungen war das in sämtlichen Gesellschaftssystemen vorrangig.
Der Machtmissbrauch in dem sogenannten sozialistischen System war gegenüber dem Kapitalismus um vieles ausgeklügelter und perverser. Da ja, die Arbeiterklasse die Macht ausüben sollte. Diese hatte keinen Einfluss mehr auf die abgehobenen und ständig arroganter werdenden Funktionäre aus Partei und Wirtschaft. Um ein Aufbegehren des Volkes gegen diese Funktionäre zu verhindern, wurden die Sicherheitsdienste dazu missbraucht, eine Atmosphäre aus Angst und Duckmäusertum zu schaffen. Alles und jeder wurde überwacht. Diese Überwachungen grenzten meist schon an satirisches Theater. Denn selbst den eigenen Leuten traute man nicht und überwachte oftmals sogar sich selbst. Die Erkenntnisse dieser Überwachungen wurden größtenteils verfälscht oder nicht zur Kenntnis genommen. Die senilen alten Funktionäre waren von ihrer scheinbaren Unfehlbarkeit felsenfest überzeugt und witterten bei jeglicher Kritik sofort Konterrevolution. Er ahnte, dass die Riege der sogenannten Funktionäre keinerlei Zukunft mehr hatte. Im Gegensatz zu den meisten Gleichgesinnten dieser Zeit war er überzeugt davon, dass was dann kommen wird, für viele das tägliche Leben nicht besser, eher schlechter macht. Die Menschen, die diesem System den Rücken kehrten und die auf der Straße ihren Ruf nach Gerechtigkeit zum Ausdruck brachten, haben die Wende eingeleitet. Keinem Politiker vom anderen System oder selbst ernannten Freiheitskämpfern ist es zu verdanken, dass kein Blut geflossen ist. In erster Linie war es dem besonnenen Handeln der Demonstrierenden zu verdanken. Doch die überwiegende Zahl der Mitarbeiter in dem Machtapparat der Stasi wollte sich nicht mehr zur Unterdrückung des eigenen Volkes hergeben, was ebenfalls zur Deeskalation beitrug.
Dieses Volk war laut der geltenden Verfassung der eigentliche Souverän. Trotzdem war es reines Glück, dass die Situation nicht eskalierte. Es gab Kräfte auf beiden Seiten, die eine Konfrontation herbeiführen wollten.
Erstaunlich war, wie viele, die sich hervorragend mit dem System arrangierten und ihre Karriere dem Gewissen vorgezogen hatten, plötzlich zu Freiheitskämpfer wurden.
Einer der elegantesten Wendehälse sollte sogar später Präsident der neuen gesamten Republik werden. Der Sozialismus, sofern es ihm gegeben hat, war am Ende. Dem Umstand, dass die Sowjetunion längst vor dem Westen kapituliert hatte, war es zu verdanken, dass es zu keinem Blutbad kam. Gorbatschow hatte es nicht mehr geschafft, den Sozialismus zu reformieren. Böse Zungen behaupten, dass er dieses nie vorgehabt hat. Im Gegenteil, er hatte keinerlei Unterstützung. Die alten, senilen Betonköpfe in den eigenen Reihen verhinderten einen echten Wandel. Um sein eigenes Land zu schützen, hat er nicht allein die DDR an den Westen abgetreten. Das gesamte Lager der sogenannten sozialistischen Staaten brach in sich zusammen.
Wäre die Unterstützung der Sowjetunion noch intakt, so hätten wir ein ähnliches Massaker, wie auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking gehabt. Die Politik der sogenannten Volksvertreter hatte nie dem Wohle des gesamten Volkes gegolten. Diese Ungerechtigkeit hatte unter anderem Gorbatschow erkannt. Doch dass der Friedensnobelpreisträger danach ein Riesenvermögen besaß, hinterlässt Raum für Spekulationen.
Viele der anständigen Bürger, die mehr Gerechtigkeit wollten und dafür kämpften, hatten später das Gefühl missbraucht worden zu sein. Anderen kriminellen sogenannten Bürgerrechtler eröffnete sich ein Schlaraffenland. Man bediente sich darin, wie in einem Selbstbedienungsladen. Danach kamen die sogenannten Sieger von der anderen Seite, die dem verhassten System gänzlich den Garaus machten. Die Zeche musste wiederum das Volk zahlen und das beider Seiten. Das Vermögen eines ganzen Volkes wurde regelrecht verramscht.
Klar waren viele der Betriebe in einem desolaten Zustand. Aber nicht alle und nicht in dem Ausmaß, das von Medien und Politikern propagiert wurde. Einige Betriebszweige wären konkurrenzfähig gewesen. Hatten sie doch für den Westen begehrte, billige Güter hergestellt. Sie mussten abgewickelt werden, weil die Arbeitskräfte trotz geringer Löhne gegenüber anderen osteuropäischen und asiatischen Staaten zu hoch waren. Auf einigen wenigen Gebieten sind sie sogar echte Konkurrenz für die neuen Mitbewerber gewesen. Abwickeln wurde bei den Menschen in seinem Land zum schlimmsten Wort dieser Zeit. Wurde der Betrieb abgewickelt, wickelte man die Beschäftigten gleich mit ab. Sollte für die meisten heißen, arbeitslos und von Gnaden des Staates abhängig zu sein. Etwas, was sie nicht kannten und sich mit ihrem Ruf nach Freiheit nicht vorgestellt hatten. Es wurde sogar eine eigene Behörde zur Überführung des Volksvermögens der DDR in die BRD geschaffen. Man sagte dazu in die Privatisierung.
Die Treuhandanstalt wurde zum Sinnbild krimineller Aktivitäten, die vom Staat gefördert wurden. Für eine symbolische Mark ging Volksvermögen in Milliardenhöhe in private Hände. Höchst dubiose Elemente machten sich oft auf Kosten aller die Taschen voll. Nicht wenige waren darunter, die dieses Verschleudern politisch möglich gemacht haben. Der erste Chef der Anstalt, war ein harter Manager, der trotzdem versuchte, die betroffenen Menschen materiell und seelisch nicht unter die Räder kommen zu lassen. Er wurde kurz nach seiner Ernennung ermordet. In den Medien und offiziellen Verlautbarungen der Behörden wird das Verbrechen der Terrororganisation RAF zugeschrieben. Angeblich haben diese sich zum Attentat bekannt und es gäbe eindeutige Beweise dafür. Bis heute gibt es keine Angeklagten und die angeblichen Beweise sind selbst laut Staatsanwaltschaft äußerst dürftig. Wer sich ein wenig mit Kriminaltechnik oder geheimdienstlicher Tätigkeit auskennt weiß, wie schnell und mühelos diese angeblichen Beweise manipuliert werden können. Auf alle Fälle stand er mit seiner Einstellung einigen Hardlinern und äußerst kriminellen Elementen im Weg. Es spricht schon Bände, wenn man weiß, dass eine Bitte nach besserem Personenschutz von den zuständigen Behörden nicht entsprochen wurde.
Nach seinem Tod wurde eine Frau, Präsidentin dieser Anstalt.
Sie entstammte einer wohlhabenden Großfamilie des Hamburger „Geldadels“ mit unzähligen nützlichen Verbindungen im In- und Ausland. Im Gegensatz zum Ermordeten vertrat sie die Ansicht, dass soziale Aspekte keinerlei Einfluss auf die angebliche Sanierung der Ostbetriebe haben dürfe. Dass diese vollkommen in den Hintergrund durch ihr gedrängt wurde und der Verkauf an dubiose Kunden den Vorrang hatte, wird bis heute von den damaligen Verantwortlichen verschwiegen. Diese Frau hatte dem gesamten Volksvermögen der neuen BRD immensen Schaden zugefügt. Innerhalb kurzer Zeit war eine komplette Volkswirtschaft in einen Schuldenberg verwandelt worden und der Kahlschlag betraf eben nicht allein die vielen maroden Bereiche. Ein Schelm, der darauf Rückschlüsse auf die Ermordung des Vorgängers zieht, der eben solches verhindern wollte. Gemessen an den vielen Milliarden, die durch ihr Handeln, dem Staat verloren gegangen sind, gehörte sie ins Gefängnis. Aber nein, sie wurde mit Auszeichnungen überhäuft.
Im System des Kapitalismus war man ebenfalls auf dem Weg in eine Rezension. Da kam der Zusammenbruch des Ostens durchaus recht. Autohändler, Möbelhändler, Immobilienmakler und andere, die kurz vor dem Konkurs standen, hatten sich schnell saniert. Versicherungen und Banken hatten Konjunktur und Wachstum in gigantischer Höhe. Wieder profitierten nur wenige von diesem Aufschwung. Die Menschen im Osten, die vierzig Jahre nichts von dem neuen System kannten, wurden regelrecht überrannt. Einerseits waren sie mit dem plötzlichen Überfluss an Dingen, die sie vorher meist nie erwerben konnten, überfordert und sie gaben ihr Geld mit schnellen Händen aus. Andererseits waren Scharlatane aller Couleur unterwegs, um ihnen die kapitalistische Wirtschaftsordnung, das Streben nach persönlicher Macht und Reichtum, schnell und brutal nahezubringen. Es gab Renditen in ungeahnten Höhen. Menschen, die bisher von all den Machenschaften nichts ahnten, wurden regelrecht über den Tisch gezogen. Sie wurden von den neuen Politikern genauso verarscht wie vorher von den Funktionären. Mit dem Unterschied, dass das unter dem Deckmantel der freiheitlich, demokratischen Grundordnung geschah und soziale Marktwirtschaft genannt wurde. Beide Seiten konnten in der Masse des Volkes dabei nur verlieren. Einzelne wurden durch ihre kriminelle Energie sagenhaft reich.
Der Großteil der Menschen in Ost und West waren die Verlierer und müssen noch lange die Zeche der wenigen bezahlen. Wissentlich wird verschwiegen, dass der Osten des Landes fast die gesamten Reparationszahlungen aus dem Zweiten Weltkrieg an sein sogenanntes Bruderland, der Sowjetunion gezahlt hat. Für den Westen mit, denn als der Osten durch Abriss der noch funktionierenden Industrieanlagen fast fünfzig Prozent seiner Wirtschaftskraft verlor, bekam der Westen von den Amerikanern den Marshallplan. Ganz zu schweigen von den landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die überwiegend den Besatzern zugutekamen und den Osten weiter destabilisierten. Viele der Menschen, die für den damaligen Aufbau notwendig waren, verließen frustriert ihr neues Land und flüchteten in den Westen, der wiederum von den herrschenden Umständen im Osten profitierte. Man darf jetzt aber nicht den Schluss ziehen, diese Entwicklung dem Großteil der Menschen zum Vorwurf zu machen. Allein die blinde Gefolgschaft der damaligen Führer von Partei und Staat einem wissentlichen Diktator namens Stalin gegenüber und der eigenen Unfähigkeit zu Kompromissen war diese Entwicklung geschuldet.
Diese Fakten hätte man in der Beurteilung der Lage Ostdeutschlands in den sogenannten Verhandlungen zur Vereinigung der beiden Staaten hinzuziehen müssen. Nur waren es in Wirklichkeit gar keine richtigen Verhandlungen.
Der Osten war mit Verhandlungsführern am Werk, die nicht unbedingt die Kompetentesten waren. Sie unterschrieben regelrechte Kapitulationsbedingungen. Man hatte den Eindruck, dass diese armseligen neuen Funktionäre für kurzfristige Posten im neuen Machtapparat alles und jeden in ihrem alten Land zur Disposition stellten. Billiger hatten nicht einmal die Alliierten nach dem Sieg über Nazideutschland die Kapitulation bekommen.
Wie es meist im Leben ist, wird der Verrat vom Gegner geliebt, der Verräter nicht. Später brauchte man diese nicht mehr. Man unterstellte vielen von ihnen teils berechtigt, teils unberechtigt kriminelle Machenschaften oder Mitgliedschaften in Stasi oder nicht erwünschten Funktionärsebenen. Andere, die im Hintergrund agierten, waren plötzlich die „großen Widerstandskämpfer“, die man gerne im Westen integrierte, da sie es verstanden, sich äußerst nützlich den geänderten Bedingungen anzupassen. Sie konnten für die Meisten glaubwürdig damit argumentieren, dass das System des Kapitalismus alternativlos in der menschlichen Gesellschaft sei.
Allein dieses System garantierte angeblich die Freiheit jedes Einzelnen. Es sollte sich herausstellen, dass das genau das Gegenteil war und es fast der gesamten Menschheit die Vernichtung brachte. Die Gier nach Macht und Reichtum erlangte ungeahnte Dimensionen und ein Kollaps des ganzen Systems war vorprogrammiert. Die Reichen selbst sägten an dem Ast, auf dem sie saßen, indem sie immer abgehobener von der Masse des Volkes wurden. Ein wenig Intelligenz hätte genügt und das Beispiel der Funktionäre im verhassten Sozialismus könnte ihnen ihre Zukunft vorausgesagt haben.
Der erste entscheidende Wendepunkt in seinem bisherigen Leben war der vierzigste Jahrestag des Staates, dem er bisher gedient hatte. Das Volk, das laut der herrschenden Ideologie, die Macht ausübende Kraft war, wollte sie jetzt nicht bloß geschrieben sehen. Es wollte diese Macht endlich mitbestimmen. Die senilen Alten und die machtbesessenen jüngeren Funktionäre des Landes sahen natürlich ihre durch nichts gerechtfertigte Positionen ernsthaft gefährdet. Sie versuchten diese unter anderem mit Repressalien und physischer Machtausübung aufrechtzuerhalten. Nach der Absicherung des Rückweges der sowjetischen Delegation mit Gorbatschow zum Flughafen Schönefeld sollte er zur Verhinderung von sogenannten konterrevolutionären Demonstrationen eingesetzt werden. Diesen Befehl verweigerte er und ging einfach nach Hause. Das war zum gegebenen Zeitpunkt nicht mehr besonders mutig. Was sonst mit sofortiger Verhaftung, Militärgericht und Gefängnis geahndet wurde, war aus Mangel an personeller Durchsetzungskraft und dem herrschenden Chaos nicht mehr zu erwarten.
Wenige Tage danach befand er sich, ausgestattet mit den notwendigen Dokumenten wie zum Beispiel Diplomatenpass auf dem Weg nach Bayern zu einer bekannten Familie. Hier hatte er ein Treffen mit zwei Angehörigen des Bundesgrenzschutzes der BRD. Jedenfalls stellten sie sich als solche vor. Doch da sie in Zivil waren und militärische Gepflogenheiten vermissen ließen, war er sich schnell darüber im Klaren, wen er da vor sich hatte. Es mussten Angehörige eines Nachrichtendienstes sein. Welcher war ihm im Moment vollkommen egal. Sie würden natürlich versuchen, sein Wissen über den Geheimdienst, der einer der erfolgreichsten der Welt gewesen war, abzuschöpfen. Er wähnte sich zu diesem Zeitpunkt als ein Soldat auf der Verliererseite und aus seiner Überzeugung heraus würde er niemals als Verräter zur Verfügung stehen. Doch hatte er vor, möglichst schnell mit seiner Familie aus dem von Verfall bedrohten Land, dem er bisher gedient hatte und dessen ungewisser Entwicklung zu entfliehen. Deshalb machte er sich ihren Einfluss zunutze und ging scheinbar auf die ihm gemachten Vorschläge ein. Er konnte, für seine Familie und sich eine ungehinderte Einreise ohne den lästigen Umweg eines Auffanglagers erreichen und erklärte sich bereit für eine Bundesbehörde gewisse Aufgaben zu übernehmen. Leistete aber keinerlei schriftliche Einwilligung oder dergleichen und ging zum Schein auf das Angebot ein. Für ihn gab es ab sofort kein Vaterland mehr, dem er verpflichtet war. An erster Stelle stand die Sicherheit seiner Familie. Kein Dienstherr und keine Organisation sollten jemals wieder über ihn bestimmen können und darum stand für ihn fest, dass er dort nicht anfangen würde. Priorität hatte jetzt seine Familie und egal was kommen sollte, er persönlich stand zur Disposition, die Familie nicht.
Der jüngere der beiden stellte sich als Hauptkommissar Thomas Müller vom Bundesgrenzschutz vor. Er war eins achtzig groß, blondes Haar, hellblaue Augen, etwa fünfunddreißig Jahre alt und hatte eine sportliche Figur. Der Name allein war ein Witz. Es war der am meiste vorkommende Name in Deutschland. Allein hier zeigte sich die gefährliche Fantasielosigkeit der Nachrichtendienste in der Bundesrepublik. Kein Wunder, dass sie keinen Fuß in der Welt der Geheimdienste hineinbekommen haben. Der andere war massig, ungefähr eins neunzig groß, schwarzes Haar und stechende schwarze Augen, die alles und jeden zu beobachten schienen. Er nannte sich Frank Becker, keinen Dienstgrad und keine Dienststelle. Er sprach mit einem leichten Akzent, der mit Sicherheit kein deutscher war. Paul tippte auf den Süden der USA, vielleicht Süd Carolina oder Georgia, also höchstwahrscheinlich CIA oder DIA. Auslands- und Militärische Geheimdienste der Vereinigten Staaten.
Herr Müller leitete das Gespräch und versuchte nach Dienstvorschrift ihm etwaige Geheimnisse zu entlocken. Es war fast peinlich, welche Fehler von diesem Hauptkommissar begangen wurden. Er gab alles preis, wie weit seine Erkenntnisse reichten und noch viel wichtiger, alles das, was er nicht wusste. In arroganter Manier zeigte er, versuchte es zumindest, dass er zu den Siegern gehörte. Ein anderes Kaliber war Herr Becker, der fast ausschließlich beobachtete und nichts zum Gespräch beitrug. Zum Abschied sagte dieser Becker einen Satz, der all seine Zukunftspläne verändern sollte.
»Wir werden uns sehen Max, oh Entschuldigung Herr Wagner, wir sehen uns.«
Max war der Name, den er längst vergessen hatte und der jetzt schneller zu ihm zurückfand, als er je gedacht hätte.
Max Werner, der vor langer Zeit sein konspirativer Name war und den ausschließlich Eingeweihte kannten, war eng mit seinen besten Erfahrungen und gleichzeitig den schlimmsten Alpträumen verbunden. Im August fünfundsiebzig wurde die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in Helsinki unterzeichnet.
Gleichzeitig wurde eine geheime Vereinbarung zwischen den Sicherheitsdiensten der NATO und des Warschauer Vertrages umgesetzt. Diese besagte, dass eine gemischte sogenannte schnelle Eingreiftruppe zur Bekämpfung von terroristischen Aktivitäten aufgestellt werden sollte. Das war als vertrauensbildende Maßnahme zwischen den verfeindeten Systemen gedacht und sollte sich für eine gewisse Zeit bewähren. Im Einzelnen bedeutete diese Vereinbarung, dass fähige Kräfte aus dem West- und Ost Lager gemeinsam Terroristen und schwere kriminelle Organisationen bekämpfen sollten. Die Mittel, mit denen diese Verbrecher gejagt wurden, unterschieden sich eindeutig von polizeilichen Vorgehensweisen. Eher entsprachen sie den Aktivitäten von militärischen Sondereinheiten. Ihre Befehle erhielten sie von führenden Politikern der Mitgliedstaaten der NATO und dem Warschauer Vertrag. Einer der größten Fehler war, dass politische Motivation und nicht rein fachliche Kompetenz bestimmten, wer Terrorist oder Schwerverbrecher war. Das sollte sich für die Zukunft dieser Maßnahme als fatale Motivation herausstellen.
Diese Zeit war bis dahin die beste seines Lebens. Neben den wertvollen Erfahrungen gewann er Kameraden und Freunde, auf die er sich bei allem und überall verlassen konnte. Die Spezialausbildung wurde in Ausbildungslagern der USA und der UdSSR durchgeführt. Meistens bis zur völligen Erschöpfung aller, aber von enormer Wichtigkeit für die Aufgabenstellung. Dieser Aufgabenstellung war es zu verdanken, dass er alle Teile der Welt kennenlernte, er sich frühzeitig ein Gesamtbild von beiden herrschenden Systemen machte und für sich feststellte, dass es in beiden nicht zum Besten stand. Wie meist im Leben waren Dinge, die gutes bewirkten für einige zu gut. Aus machtpolitischen Gründen wurden Aktionen untergraben und sabotiert. Amerikanischen und sowjetischen Geheimdiensten waren die Erfolge dieser Eingreiftruppe aus mehreren Gründen ein Dorn im Auge.
Einmal wegen ihrer eigenen Daseinsberechtigung, die eine Beschneidung ihrer Mittel zur Folge hatte. Zum anderen wurden durch die Teams dieser Eingreiftruppe geheime Aktivitäten, die von den Regierungen dieser Dienste nicht genehmigt wurden und krimineller Art waren, empfindlich gestört.
Bei einer Aktion gegen angeblich verbrecherische Albaner wurde sein Team, dessen Leiter er war, in eine Falle gelockt.
Viele seiner Kameraden wurden getötet oder verletzt.
Daraufhin hat man das Programm, obwohl es bis dahin einwandfrei funktioniert hat, eingestellt. Er wurde in seinen alten Strukturen eingegliedert und hatte den Makel des sogenannten „Feindkontaktes in kameradschaftlicher Umgebung“ an sich. Wurde von einigen seiner Vorgesetzten, die dem System blind hörig waren oder persönliche Vorteile im Auge hatten, argwöhnisch beobachtet. Das bedeutete, dass seine Karriere im System des Machtapparates der Staatssicherheit auf Eis gelegt und er in einen Verwaltungsbereich versetzt wurde.
Die Erfahrungen, die er, in den insgesamt zwei Jahren machen durfte, waren trotzdem wichtig für seine persönliche Entwicklung. Im Nachhinein sollten ihn die vielen Trainingsstunden und abwechslungsreiche Aufgaben für die Zukunft von Nutzen sein. Der Verrat, der durch beide Systeme ermöglicht wurde, machte deutlich, dass ein wirklicher Entspannungswillen von den militärischen und geheimdienstlichen Führungsebenen nicht gewollt war. Heute weiß er, dass noch wesentlichere Machtspiele eine Rolle gespielt hatten. Darum konnte er in Zukunft nicht mehr Menschen, wie Politikern, Geheimdienstleuten und Funktionäre irgendeiner Partei noch mal vertrauen.
Auf der Fahrt nach Hause von Bayern Richtung der alten Heimat, wo die Familie lebte, bemerkte er, dass er seit der Abfahrt von seinen Bekannten ständig verfolgt wurde. Er hatte damit gerechnet, aber nicht mit dieser plumpen Vorgehensweise, als ob der Verfolger es darauf anlegte, dass er erkannt wurde. Um Gewissheit zu erlangen, bog er nach drei Stunden, kurz vor der innerdeutschen Grenze, in eine Raststätte ein, ging ins Restaurant, kaufte sich ein Kaffee und setzte sich ans Fenster, von wo aus er einen guten Überblick vom gesamten Areal hatte. Der Wagen des Verfolgers stand zwei Parkplätze rechts neben seinen und war ein Mercedes 300 E neueren Baujahres mit einem Westberliner Kennzeichen.
»Ich habe gedacht, sie machen überhaupt keine Pause mehr und meine Blase ist nicht mehr das, was sie mal war.«
Frank Becker stand neben seinen Tisch und er versuchte, erst gar nicht den Überraschten zu spielen.
»Habe ich mir gedacht und wollte sie ein bisschen Quälen«, sagte Paul und lud ihn mit einer Handbewegung zum Setzen ein.
»Falls sie noch zum Wasser lassen müssen keine Bange, ich warte auf sie.«
»Nein danke habe ich schon hinter den Bäumen erledigt, bis zum Rest Rom hätte ich’s nicht mehr geschafft.«
Becker ließ sich geräuschvoll auf den Stuhl ihm gegenüber nieder und winkte der Kellnerin. Als diese missmutig zum Tisch kam, bestellte er einen Kaffee und zwei Brandys, worauf die Kellnerin, eine ältere, korpulente Frau, das Gesicht verzog und ohne ein Wort den Tisch verließ.
»Ist es nicht zu früh für gleich zwei Joker? Nicht zu vergessen, dass auf der anderen Seite Null Komma null Promille die Regel im Straßenverkehr ist.«
Sagte er zu dem gut gelaunten Herrn Becker.
»Oh, die Zeit ist für einen guten Drink ist nie zu früh oder zu spät und ich dachte, sie würden ebenfalls nicht abgeneigt sein.
Was den Vopos auf der anderen Seite angeht, hat man mit diplomatischer Immunität zumindest im Straßenverkehr keine Probleme, damit kennen sie sich ebenso aus, Max oder?«
Paul Wagner, wie er im wirklichen Leben hieß, sah diesen Herrn Becker ohne ein Zeichen der Überraschung oder sonstiger Gefühlsausdrücke an und antwortete völlig gleichgültig.
»Sie müssen einer Verwechselung unterliegen und ich fürchte, dass sie ihre wertvolle Zeit vergeuden.«
Die stechenden schwarzen Augen versuchten, mit aller Macht sich in sein Gesicht festzusetzen.
»Oh, natürlich ist das nicht ihr richtiger Name Max, wir beide wissen, dass es noch viele andere gegeben hat.«
Paul hatte langsam die Nase voll vom Versteckspiel und es vergeudete nicht Becker seine, Beckers Zeit, was ihm egal war, sondern er wollte heute Abend zu Hause bei seiner Familie sein. »Also Mister Becker und ich wette, das ist nicht ihr richtiger Name, was wollen sie von mir?«
Becker sagte ohne Umschweife.
»Wir wollen, dass sie dort weitermachen, wo sie vor zwölf Jahren aufgehört haben.«
Paul überlegte lange und studierte jede Bewegung seines Gegenübers, ehe er antwortete.
»Ich weiß nicht, wer sie von der Kette gelassen hat, wenn sie der sind, was ich vermute, der sie sein müssen, dann denke ich, dass das hier für uns beide kein gutes Ende nehmen kann.«
Beckers Gesichtsfarbe wurde zusehends fahl und seine Augen versuchten, die Umgebung nach Fluchtmöglichkeiten abzuchecken.
»Sie drohen mir, obwohl wir in Feindesland sind, zumindest für sie?«
Paul konnte sich kaum ein Grinsen verkneifen.
»Mit der diplomatischen Immunität klappt es hier genauso, glauben sie mir.«
»Paul, wir wollen ausschließlich mit ihnen reden und mögliche gemeinsame Aktionen ins Auge fassen. Wenn wir ihnen ans Bein pinkeln wollten, wäre ich sicherlich nicht so blöd dem Teamleiter von Alpha allein gegenüberzutreten.«
Das war eine echte Überraschung für Paul.
»Ihr habt die Dateien gefunden und die Bürokraten Hengste haben alles schön säuberlich abgelegt? Typisch deutsche Ordnungsliebe.«
Becker atmete sichtlich durch und versuchte zu beschwichtigen.
»Keine Sorge, der KGB hat diese gesichert. Der war ja damals ebenso involviert. Na und ganz nach kapitalistischer Art und Weise, haben sie die uns dann zum Kauf angeboten.«
Paul stand langsam auf.
»Also war mir eine Ehre, sie, wer immer sie sind, kennengelernt zu haben. Ich muss jetzt weiter, um heute Abend noch in Berlin zu sein.«
»Eine Sache wäre noch zu klären.«
Becker stand jetzt ebenfalls auf und schaute Paul mit festem Blick in die Augen. In Paul fing es langsam an zu brodeln, obwohl er wusste, dass Wut jetzt nicht die optimale Eigenschaft ist.
»Ach kommt jetzt der Satz „wir kümmern uns dann um ihre Familie?“ Wenn das der Fall ist, werden sie erleben, was es bedeutet, einem ehemaligen Mitglied von Alpha zu drohen.«
»Nein, keine Drohung, wir suchen noch immer nach einem gewissen Einsatzleiter aus einer unserer Behörden, die mit dem Buchstaben ‚C’ anfängt und bestimmt nichts mit christlichen Werten gemein hat.«
Paul setzte sich.
»Warum sollte ich darüber Bescheid wissen? Sollten sie mit offenen Karten spielen, hätte ich vielleicht noch fünf Minuten.«
»Okay«, sagte Becker, setzte und überzeugte sich, dass an den Nachbartischen ihnen niemand zuhören konnte.
»Also gut, mein Name ist tatsächlich Becker, Bürger der USA und ein Mitarbeiter der DIA, dem militärischen Geheimdienst der USA, was ich ihnen nicht erläutern muss. Wir haben durch Zufall in den besagten Dateien ihren Namen und alles dazugehörige Material gefunden und haben die äquivalenten Daten bei uns ausfindig gemacht.«
Paul schwieg kurz und überlegte krampfhaft, wie er aus dieser misslichen Lage herauskommen könnte.
»Wie ist es euch gelungen gerade mich ausfindig zu machen und eure Akten frei zu bekommen, da sie, wenn ich mich recht Entsinne, mit einer vierzigjährigen Sperrfrist belegt wurden?«
Becker bestellte nochmals zwei Kaffee und wartete, bis sich die lustlose Kellnerin weit genug vom Tisch entfernt hatte.
»Einer der CIA Typen, der die besagten Dateien mit analysiert, kannte die ganze Geschichte und da ihr Name als klar Name dort genannt wurde, war es uns jetzt in dem Chaos, in dem ihr Land versinkt, ein leichtes sie ausfindig zu machen.«
»Gut, jetzt sitzen wir hier und wie soll es ihrer Meinung nach weitergehen?«
Fragte Paul und hatte die Gewissheit, dass er sich nicht einfach vom Acker machen konnte, da seine Volltrottel von ehemaligen Vorgesetzten alles und jeden dokumentieren mussten und es schlicht versäumt haben aufzuräumen. Becker überlegte kurz.
»Wir wissen, dass sie und ihr Team in den Siebzigerjahren auf dem Gebiet der Terrorbekämpfung effektiv waren und aus heutiger Sicht mehr als legendär sind.«
Paul schüttelte den Kopf.
»Das ist schmeichelhaft, doch Ärsche kriechen und Schleimen haben es bei mir noch nie zu etwas gebracht.«
»Okay«,
sagte Becker.
»Hören wir mit dem Kriechen und Schleimen auf und kommen zur Sache. Wir wollen, dass sie bei uns einsteigen und uns helfen den bösen Teufeln, die uns immer mehr an die Kehle gehen, in den Arsch zu treten.«
Paul dachte, dass er sich verhört hatte.
»Wie, soll das hier etwa eine Rekrutierung werden? Ich dachte, dass sie ein gesteigertes Interesse an dem ehemaligen sogenannten Einsatzleiter der CIA haben, der angeblich verschwunden ist.«
Becker grinste vergnügt.
»Wir wissen längst, dass sie den irgendwo im Balkan verscharrt haben und offen gesagt, wenn wir ihn bekommen hätten, wäre er sicher nicht an Altersschwäche gestorben. Nein, das ist Schnee von gestern, wir brauchen solche Typen wie sie Paul und neben der Besoldung gibt’s noch die Befriedigung den Drecksäcken der Welt eins auf die Mütze zu geben, gratis dazu.«
»Na klar und gratis den Verrat und die Falle, wenn es mal nicht mehr ins politische Konzept passt.«
Erwiderte Paul grimmig.
»Das in Albanien war eine Falle, die von dem Arschloch der CIA und dem Russen Dreckskerl eingeflochten wurde«, antwortete Becker kleinlaut.
»Ja klar«, presste Paul hervor.
»Bloß dass es den meisten Politikern in den Kram passte und gute Kameraden ihr Leben lassen mussten.«
»Paul, wir beide wissen, dass der Kommunismus erledigt ist und Gorbi nicht bloß sein Land aufgegeben hat und was dann kommt, können wir uns in den schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen. Da war der Kalte Krieg der reinste Kuraufenthalt.«
»Gut Mister Becker.«
»Nennen sie mich Frank, der stimmt ebenfalls.«
Warf Becker ein.
»Okay Frank, wie haben sie sich unsere Kooperation eigentlich vorgestellt?«
Fragte Paul wesentlich entspannter, da er merkte, dass es hier zu einer passablen Lösung kommen könnte.
»Sie würden ausschließlich für uns, der DIA Arbeiten und wären nur uns zur Rechenschaft verpflichtet.«
»Okay, man stellt diese Frage in Bewerbungsgesprächen.
nicht gleich am Anfang. Da das eher eine Werbung von ihrer Seite ist und ich gerade meinen bisherigen Arbeitgeber, nicht zuletzt euretwegen, verloren habe. Wie hoch ist die Vergütung und welchen Status erhalte ich?«
Beckers Gesicht sah aus, als ob er an starkes Sodbrennen leidet.
»Wir dachten eher an eine freie Mitarbeit und die Vergütung auf Honorarbasis.«
Paul lehnte sich zurück.
»Wie soll das laufen und was schwebt euch für eine Höhe des Honorars vor? Vielleicht mit Jeans und anderen heiß begehrten Luxusgütern, für die sich manch ein trotteliger Mitbürger von meiner Seite hat kaufen lassen und dann einige Jahre in Bautzen Urlaub machen durfte, anstatt auf Malle Bier zu schlürfen?«
Becker versuchte ein gequältes Lächeln, was ihm nicht gelang.
»Wir würden sie je Auftrag bezahlen und bei Erfolg einen ordentlichen Bonus dazutun.«
Paul sah den Mann, der ihm gegenübersaß, lange ins Gesicht und in den stechenden Augen, um ein Anzeichen von Hinterlist oder anderen ähnlichen Charakterschwächen zu erkennen.
Dieser Becker, der über zehn Jahre älter war wie er und jetzt eher schüchtern wirkte, müsste ein guter Schauspieler sein, um ihn hereinzulegen.
»Okay Frank, jetzt mal das Blatt auf den Tisch. Wir wissen beide, dass dieses Land auf der anderen Seite der Grenze da drüben nicht mehr zu retten ist und wenn es von euren verdammten Politikern niemand offen sagt, werdet ihr euch alles für den Pfennig unter den Nagel reißen. Also genauso gut könntet ihr mich dann einstellen und ein vernünftiges Gehalt zahlen und den Bonus auf alle Fälle mit dazu.«
Becker sah ihn säuerlich an und schüttelte leicht mit dem Kopf.
»Das geht leider nicht, da unsere verdammten Politiker nichts davon wissen dürfen und wir noch nicht Sehen, wohin der Hase läuft und ob der russische Bär sein Fell nicht doch wieder überzieht.«
Paul schüttelte seinerseits den Kopf.
»Das ist Bullshit und das wissen sie. Der Hase läuft hin, wo er hinsoll und der russische Bär wird für die nächsten dreißig Jahre keinen Fuß mehr auf die Erde bekommen. Nein, ihr wollt euch, wie immer die Hände in Unschuld waschen und falls ich auffliege, von nichts gewusst haben.«
Paul rief die immer noch schlecht gelaunte Kellnerin, bezahlte sein Kaffee mit wenig Trinkgeld und machte Anstalten, das Rasthaus zu verlassen. Becker beglich ebenfalls seine Rechnung mit einem großzügigen Trinkgeld und folgte ihm nach draußen zum Parkplatz.
»Können wir noch mal darüber Reden oder wollen wir warten bis die Jungs von CIA oder NSA aufkreuzen und ihnen ein Angebot machen, dass dann mit Sicherheit keine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe sein wird?«
Paul griff in die Jackentasche und holte seine neu erworbene Schachtel Peter Stuyvesant heraus, steckte sich, mit dem ebenfalls erst hier gekauften Zippo Feuerzeug, eine gute Westzigarette an und antwortete.
»Gleiche Augenhöhe gibt es in der Welt, in der wir tätig sind und das Wissen sie genauso gut wie ich, nicht. Jeder versucht den Anderen zu überfordern, um für sich das Beste herauszuholen.«
Er nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarette.
»Sollte ich mich dazu bereit erklären, dann zu meinen Bedingungen. Die da folgende sind: erstens kein Verrat meinerseits und keine Denunzierung von Kollegen und Freunden. Zweitens, ich entscheide, wie die Aufträge ausgeführt werden und wie hoch das Honorar für jeden Auftrag einzeln ausfällt. Schließlich drittens, keine Verfolgung seitens von Straforganen für vergangene und kommende Aktivitäten in Zusammenhang meiner Tätigkeit für euch. Wenn sie mir das garantieren können, dann haben wir ein Deal zur Zusammenarbeit.«
Beckers Erleichterung war ihm sofort anzusehen und nach kurzem Überlegen antwortete er.
»Okay, damit können wir leben.«
Er hielt Paul die Hand entgegen und dieser schlug mit den Worten ein.
»Wenn sie mich Verarschen und das Wissen sie, werde ich sie finden und mich erkenntlich zeigen.«
Er nickte Becker zu.
»Woher wissen sie, dass ich es nach dieser langen Zeit noch draufhabe und in welcher Art und Weise wollen wir miteinander kommunizieren?«
Becker, der sichtlich aufgeräumt aussah, sagte.
»Wir haben sie nie aus den Augen verloren und wir wissen, dass sie für die drüben viele, wie sagen sie noch mal, „Kartoffeln aus dem Feuer“ geholt haben. Was unsere Kommunikation Miteinander betrifft, werden wir geeignete Wege finden, um ihre Konspiration zu erhalten.«
Als er sich endlich auf der Heimfahrt befand und die intakte, aber lasch bewachte innerdeutsche Grenze in Thüringen passierte, wurde ihm schmerzlich bewusst, dass das Gefühl zu Hause zu sein sich nicht wie früher, wenn er außer Landes war, einstellen wollte. Er wusste und da hatte dieser Becker zweifellos recht, dass nichts mehr sein würde, wie früher und unberechenbare Zeiten angebrochen sind. Desto wichtiger war es, so schnell wie möglich eine passable Lösung für seine Familie und sich zu finden. Eins musste man dem Westen lassen, ihre Infrastruktur war um vieles besser als hier im Osten. Hier sah alles etwas trostloser aus, was nicht unbedingt an den fehlenden Werbeflächen lag. Die Prioritäten lagen hier etwas mehr auf sozialem Gebiet als auf Glimmer und Schein.
Dieser Schein, so schien es, wurde mehr von dem Volk honoriert als soziale Sicherheit. Er glaubte nicht daran, dass es allein diese Fassade war, die den Menschen in seiner Heimat die Augen verblendeten. Nein, es war das Gefühl der Gängelung und Unfreiheit, dass von vielen der sogenannten Volksvertreter real ausgeübt wurde. Schlimm für beide Seiten, dass mit Wegfall des einen Systems nicht gleichzeitig eine Verbesserung des anderen erfolgte. Im Gegenteil befürchtete er, dass durch das Fehlen einer Alternative der Kapitalismus wesentlich aggressiver und der soziale Aspekt in den Hintergrund gedrängt wird.
Zu Hause wartete seine Frau mit der kleinen Tochter auf ihn.
Die nichts über die Pläne für die Zukunft wusste und alle Einzelheiten auch in nächster Zeit nicht Erfahren wird. Berlin entwickelte sich in dieser Zeit zu einer anarchistischen Metropole. Allein der Verkehr auf den Straßen ließ das Fehlen jedweder Polizeigewalt erkennen. Überall entstanden sogenannte Bürgerkomitees. Erschaffen aus den oppositionellen Verbindungen. Nur das diese meist gut gemeinten Gruppen, sich jetzt Parteien nannten. Sie wurden immer mehr von undurchsichtigen und manchmal kriminellen „Bürgerrechtlern“ unterwandert. Die sogenannten Volksparteien der BRD vereinnahmten die alten Blockparteien.
Einzig allein die bisher führende SED wurde von allen gemieden. Es war schon erleuchtend zu sehen, wie die ehemals eng verbundenen Blockparteien plötzlich nichts mehr von dem alten Partner wissen wollten. Im Gegenteil, alle Verantwortung auf die Staatspartei abwälzten. Jedem, der sich in der politischen Szene Ostdeutschlands auskannte, war bewusst, dass viele Funktionäre dieser Blockparteien in ihrer Unterwürfigkeit oft emsiger waren als die der SED.
Als er zu seiner alten Dienststelle fuhr, um einige persönliche Sachen abzuholen und sich von anwesenden Kameraden verabschieden wollte, wurde er an der Einfahrt zum Objekt von einem sogenannten Bürgerrechtler, den er als kriminellen Schläger und Einbrecher kannte, an das Befahren des selbigen gehindert. Dieser Typ wollte doch tatsächlich sein Auto und ihn selbst durchsuchen. Innerlich vor Wut kochend, stieg er gelassen aus seinem Wagen. Er baute sich vor den fetten riesigem Typen auf und bedeutete ihm, dass er noch die Möglichkeit hatte gesund, soweit man das bei ihm sagen konnte, aus der Sache herauszukommen. Unter der Bedingung, dass er sofort verschwinden würde. Der Typ ließ sich wie schon viele andere von seiner geringen Körpergröße täuschen. Er grinste, spuckte vor ihm aus und sagte.
»Jetzt werden wir euch in den Arsch treten und bald an der nächsten Laterne aufknüpfen.«
Er hatte kaum ausgesprochen, lag er mit seinen einhundertfünfzig Kilo auf dem Betonboden und schrie, wie eine Katze, die man auf den Schwanz getreten hat. Dabei ruderte er mit den Händen wie ein Maikäfer. Drei weitere nicht vertrauensvolle mit Baseballschlägern bewaffnete „Bürgerrechtler“ kamen aus dem Gebäude gerannt. Einen von diesen Typen hatte er schon mal hinter Gittern gebracht. Er hatte ihn dabei erwischte, wie er ein minderjähriges zwölf Jahre altes Mädchen versuchte zu vergewaltigen. Paul, sein Fuß stand auf dem Hals des vor ihm liegenden Fettsack. Kurz bevor der erste der drei Loser mit seinem Schläger zu schlagen konnte, sagte er in aller Ruhe.
»Wenn ihr zuschlagt, stirbt ihr alle und der Penner hier unten zuerst.«
Dabei erhöhte er leicht den Druck auf der Kehle des Fetten, worauf dieser mit lautem Röcheln antwortete. Die drei blieben wie angewurzelt stehen und der Pädophilie schrie ihn an.
»Wir sind zu viert und bewaffnet.«
Paul grinste leicht und antwortete.
»Wenn deinem Kumpel hier unten das Genick bricht, hast du eine hundertstel Sekunde Zeit zu reagieren. Ansonsten ist das Nächste, was du hörst, das Knacken deines Genicks und so weiter.«
Dabei zeigte er mit dem Finger auf die beiden anderen Typen.
Diese waren höchstens sechzehn Jahre alt. Der unter seinem Fuß machte hektische Bewegungen und bedeutete damit, seinen Kumpels die Warnung von Paul ernst zu nehmen. Die drei ließen ihre Baseballschläger fallen und gingen einige Schritte zurück. Paul nahm den Fuß vom Fetten, der so schnell es mit seinem massiven Übergewicht ging, sich zu den anderen dreien gesellte. Heiser brachte er wütend Drohungen, wie mit Polizei holen und Ähnlichem, vor.
Seine ehemaligen Kollegen haben das aus den Fenstern ihrer Büros beobachtet. Sie begrüßten ihn dementsprechend euphorisch, umso mehr, da sie in den letzten Tagen und Wochen wenig Grund zur Freude hatten. Nicht dass jemand von ihnen auf die Idee gekommen wäre, ihm zu Hilfe zu eilen.
Es waren alles Verwaltungsmenschen und die wenigsten wussten bis dato, zu was er fähig war. Trotzdem waren die meisten in Ordnung und einige mit der Zeit richtige Freunde geworden. Mit diesen traf er sich in der Kantine zu einem Kaffee und ließ sich über die Ereignisse innerhalb der Firma der letzten Tage unterrichten. Nichts Spektakuläres, was er nicht schon wusste. Nur, dass sich die hohen Bosse meistens längst abgesetzt haben. Das überraschte ihn nicht wirklich, denn die Ratten verließen als Erste das sinkende Schiff. Die meisten hier Anwesenden haben schon immer geahnt, dass er eine andere Ausbildung hatte als sie selbst. Jetzt war ihnen klar, warum er des Öfteren auf Dienstreisen war, von dessen Zweck niemand etwas wusste, nicht einmal seine unmittelbaren Vorgesetzten und selbst die engsten Freunde nicht. Sie wussten zwar, dass er in der legendären Aufklärer Einheit des Wachregiments ausgebildet wurde. Von den sonstigen Aktivitäten, bevor er in die Verwaltung versetzt wurde, ahnte niemand etwas. Da das so bleiben sollte, beantwortete er Fragen, in dieser Richtung ausweichend oder einfach gar nicht. Die meisten hier am Tisch hatten die Illusion, dass die Firma und die Republik überleben wird und sie ihren Job behalten könnten. Paul wusste, dass das nicht so laufen würde. Er wollte aber trotzdem nicht ihre Hoffnungen zerstören und verabschiedete sich von ihnen in dem Bewusstsein, dass er die Meisten wohl nicht mehr wiedersehen wird. Da er seiner alten Heimat schnellstmöglich den Rücken kehrt.
Als er das Objekt verlassen wollte, wurde er von zwei Polizisten, die von den „Bürgerrechtlern“ zur Hilfe geholt waren, angehalten. Diese hatten von den Typen eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen ihn entgegengenommen. Die Polizisten nahmen seine Personalien auf und wollten ihn zur Polizeiwache mitnehmen. Paul, der wusste, dass die Polizei nicht immer unbedingt der Freund und Helfer für alle war und die wenigsten der Beamten die hellsten Lampen im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung sind, versuchte mit Deeskalation die Lage zu retten.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sowohl einem kriminellen Einbrecher und Schläger und einem verurteilten Kinderschänder mehr glauben als einem unbescholtenen Bürger.«
Sagte er in friedlichem Ton zu den Beamten. Der Kleinere von den beiden, der sein Einstellungsgewicht schon weit überschritten hatte und das nicht unbedingt zu seinem Vorteil, grinste hämisch und meinte, dass ihm das neu wäre, dass jemand von dem Verein, woher Paul stammte, unbescholten war. Der größere der beiden, der viel seiner Freizeit, im Fitnessstudio zu verbringen, schien und mit Steroide und Anabolika vollgestopft war, hatte schon die Hand an seiner Waffe. Einer neun Millimeter Makarow, der Standardwaffe der Volkspolizei. Paul, der das bemerkte, änderte schlagartig, im wahrsten Sinne die Taktik. Er trat blitzschnell den kleineren in seine mehr oder weniger Edlen Teile, worauf dieser sofort stöhnend in die Knie ging. Dem Großen einen gezielten kurzen Hieb an die Halsschlagader, sodass er augenblicklich lautlos nach vorn kippte und sich dabei hörbar beim Aufschlag auf den Boden sein Nasenbein gebrochen hatte. Die vier „Bürgerrechtler“ derentwegen dieser ganze Vorfall eskaliert war, hatten das alles in einem sicheren Abstand auf der anderen Straßenseite beobachtet. Jetzt, als sie erkannten, dass die uniformierten Helfer nichts ausrichteten, verließen sie fluchtartig den Ort des Geschehens. Paul fasste den noch immer sich am Boden windenden Polizisten am Kragen. Stellte ihn ohne sichtbare Kraftanstrengung auf die zitternden Beine, zwischen denen er mit seinen Händen versuchte, die Kronjuwelen wieder einzusortieren.
»Im Moment bin ich euch Arschlöchern als Oberleutnant des MfS Vorgesetzter. Ich dürfte euch auf der Stelle töten, weil ihr mich unter Einbeziehung der Schusswaffen bedroht habt und meine Gegenwehr als Notwehr gelten würde.«
»Wir haben Zeugen, dass dem nicht so war«.
Wimmerte der kleine und zeigte auf dem am Boden liegenden noch immer bewusstlosen Mister Universum.
»Meinen Genossen hast du umgelegt.«
Paul grinste ihm ins Gesicht.
»Wenn du noch einmal das Wort Genosse in den Mund nimmst, werde ich ihn dir für immer stopfen und dein Arschloch von Kumpel macht ein Nickerchen im Dienst. Na und, was die sogenannten Zeugen angeht, glaube ich, dass eure neuen Freunde doch besser das Weite gesucht haben. Nebenbei gesagt, ihr werdet die Nächsten auf der Liste der neuen Machthaber in unserem Land sein.«
Mittlerweile war der Bodybuilder wiedererwacht. Er registrierte mit sichtlichem Unverständnis, dass er am Boden lag und seine Nase einen höllischen Schmerz verbreitete. Paul ging ohne Eile zum Wagen und bevor er einstieg, nahm er die Waffen, die er den beiden in der Zwischenzeit abgenommen hatte. Er ließ die Magazine heraus schnipsen und warf sie in ein angrenzendes Gebüsch.
»Wenn ihr mir noch einmal in die Quere kommt, vergesse ich meine Manieren und befördere euch direkt zu euren Schöpfer.
Dem wird es, sicher peinlich sein, etwas wie euch Erschaffen zu haben.«
Damit stieg er in den Wagen und fuhr endlich nach Hause zu seiner Familie. Hier wurde er schon sehnsüchtig von Helen erwartet, die wissen wollte, wie es jetzt mit allem weitergehen würde und welche Pläne er für ihre Zukunft hat. Helen war seine zweite Ehefrau und erst seit zwei Jahren mit ihm verheiratet. Sie hatten ein gemeinsames und zusammen fünf Kinder aus Ersteren Ehen. Sie waren, wie man heute sagt, eine richtige Patchwork-Familie. Das machte sein Vorhaben nicht bequemer. Dementsprechend hatte er nicht die überschwänglichsten Gefühle, Helen jetzt zu sagen, dass sie schnell die Sachen packen muss, um erst einmal ihr geliebtes Berlin zu verlassen. Doch sie kannte ihn und wusste, dass er einen einmal getroffenen Entschluss in der Regel zu Ende führen würde. Doch ob sie ihn so liebte, dass sie einen Umzug besser eine Flucht in eine ungewisse Zukunft von heute auf morgen mitmachen wird, konnte er nicht voraussagen.
Die Ereignisse drohten sich zu überschlagen. Paul wusste, dass selbst die dümmsten Volkspolizisten irgendwann begannen zu ermitteln. Deshalb beschloss er, mit seiner Familie schnellstmöglich zu verschwinden. Helen war schnell überzeugt, denn sie wusste, dass die Zukunft, zumindest der nächsten Jahre nicht unbedingt in dieser Stadt des Chaos liegen würde. Sie packten das Nötigste zusammen und Paul tätigte ein paar Anrufe, die ihm ein sicheres Versteck zumindest für die nächsten Tage sicherte. Die kleine Mia erst zwei Jahre alt, hatte im Gegensatz zu den anderen erwachsenen Kindern keine echte Wahl und musste die Eltern auf der Flucht begleiten. Flucht im doppelten Sinne, da er jetzt von den Alten und den kommenden neuen Machthabern gejagt wurde. Wie diese Jagd ausgehen würde, hängt davon ab, wie schnell es ihnen gelingt, das Land zu verlassen.
Die erwachsenen Töchter entschieden sich erwartungsgemäß gegen die Flucht. Sie wollten ihre Freunde und die gewohnte Umgebung nicht verlassen. Ihnen war der grenzenlose Optimismus der Jugend zu eigen. Paul, der selbst sein Leben schon in jungen Jahren ohne Zwang seiner Eltern. Zumindest so weit wie möglich selbst bestimmt hat, akzeptierte diese Entscheidung. Helen war ohnehin immer die Verständnisvollere der Eltern gewesen. Seine beiden Töchter aus erster Ehe, von deren Trennung er sich nie richtig erholt hat und wann immer er an sie dachte, von erheblichen Gewissensbissen geplagt wurde, waren bei ihrer Mutter. Diese hatte das uneingeschränkte Sorgerecht. Sie würde niemals, das Einverständnis zur mitreise geben, da sie seit einigen Wochen aus verletzten Stolz Paul jeden Kontakt mit den Kindern untersagt hatte. Später erkannte er, dass eine konsequentere Gangart ihr gegenüber seinen Kindern einiges erspart hätte.
Ihm nebenbei etliche schlaflose Stunden. Zu dritt war eine Flucht einfacher zu bewerkstelligen als mit der kompletten Familie und man tröstete sich mit der Hoffnung, dass es bald zu einer besseren Lösung kommen würde. Wie die dann aussah, konnte zu diesem Zeitpunkt niemand vorhersagen. Für Paul war es einfacher als für Helen, da er schon mit achtzehn kein Richtiges zu Hause hatte. Solche Gefühle zu haben, war mit Verlust und Schmerz verbunden. Es gefährdete die eigentliche Aufgabe, das Überleben. Später erkannte er schmerzlich, dass Gefühle zum Leben und oft zum Überleben gehören.
Mit ihrem Skoda fuhren sie zu einer sogenannten sicheren Adresse. Diese kannte nur er und hat ihn schon öfter, als geheime Unterkunft gedient. Nicht allein vor Feinden, auch vor sogenannten Freunden. Das Objekt, ein ehemaliges Forsthaus im Südwesten des jetzigen Brandenburgs hatte er über seinem Onkel, der Förster war in seinen Namen gemietet. Nach ein paar Tagen, in dem spartanisch eingerichteten Haus bekam er über seinem Bekannten in Bayern grünes Licht zur Übersiedlung in die BRD. Nach gründlicher Observierung des Wohnsitzes seiner Schwester. Diese wohnte mit ihrer Familie in der Nähe, verabschiedete er sich von ihr und sie fuhren dann durch bis zur innerdeutschen Grenze, zwischen Thüringen und Bayern. Obwohl er immer noch seinen Diplomatenpass dabeihatte, musste er trotzdem damit rechnen, dass eine Großfahndung nach ihm stattfand und er dann wieder einmal improvisieren musste. Doch als sie zum Kontrollpunkt fuhren, wurden sie durchgewinkt, was vor wenigen Wochen undenkbar war. Da er im Vorfeld, mithilfe seines neuen Bekannten Frank Becker, Wohnung und Arbeitsstelle vorweisen konnte, hatte er keine Probleme ohne den lästigen Aufenthalt in einem sogenannten Auffanglager, in die BRD zu übersiedeln.
Es war ein Samstag und schon am Montag war er auf seiner neuen Arbeitsstelle. Auf Montage bei einer Baufirma. Es war ein Alibi Job, den er zur Integration benötigte. Nach einem halben Jahr kündigte er die Tätigkeit. Er wurde selbstständig und erhielt die ersten Aufträge der DIA. Diese waren hauptsächlich Überwachung und Observierung von verdächtigen Personen. Subjekte, die militärische Interessen der USA und der NATO bedrohten. Dazu gehörten Politiker und kriminelle Waffenhändler. Die sich meist kaum voneinander unterschieden. Sowie Terroristen aller Schattierungen. Die Aktionen fanden größtenteils in osteuropäischen Ländern statt.
Dort, wo er sich bis jetzt am besten auskannte. Nach erfolgreichen Aktionen und Isolierung von echt verbrecherischen Individuen avancierte er langsam zur Nummer eins für die DIA in diesem Geschäft. Er war so ausgebildet und hatte sich in Laufe der Jahre einiges selbst angeeignet, dass er unsichtbar für seine Kontrahenten immer eine Lösung fand. Deshalb gab man ihm den Spitznamen Ghost, der Geist. Seine Legende war Fernfahrer, die er natürlich ausübte, doch die Fahraufträge waren immer mit der DIA abgestimmt. Zu dieser Zeit bereiste er mit dem Lkw ganz Europa und in den Neunzigerjahren hauptsächlich den Balkan.
Dort, wo der Westen mit brachialer Gewalt seine Ziele durchsetzte. Im Zuge dieser völkerrechtswidrigen Einmischung musste er Gräueltaten von beiden Seiten der Kontrahenten miterleben. Wie so oft in der Geschichte der Menschheit wurden unter fadenscheinigen Gründen. Die mit Religion und Nationalität gleichermaßen verbunden waren. Menschen aufeinandergehetzt, die vorher als Familie zusammengelebt haben. Kinder wurden von ihren Eltern getrennt, zu Waisen gemacht oder mussten diesen Wahnsinn mit ihrem Leben bezahlen. Der Westen mit seinen sogenannten hohen Werten hat zugelassen, dass mitten in Europa zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts, Verbrechen an Menschen verübt wurden, die in nichts denen des Zweiten Weltkrieges nachstanden. Obwohl man angeblich von einem großen, einheitlichen und friedlichen Europa träumte, machte man aus einem großen Land sieben neue Kleine. Allein um Russland zu demütigen und westliche Einflusssphären auszubauen. Da er nicht wieder Teil einer ungerechten Sache werden und seiner Familie näher sein wollte, beschloss er einseitig die Zusammenarbeit mit der DIA aufzukündigen.
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