Im Weihnachtswunderland - Gisela Sachs - E-Book

Im Weihnachtswunderland E-Book

Gisela Sachs

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Beschreibung

Weihnachtszeit ist Märchenzeit und wer glaubt, dass Märchen nur etwas für Kleinkinder sind, der irrt. Denn die fantastischen Geschichten der preisgekrönten Kinder- und Jugendbuchautorin Gisela Sachs behandeln Themen aus grundliegenden menschlichen Lebenserfahrungen. Sie erzählen vom Licht der Liebe. Inklusive der Kurzgeschichte »Königin Esterelle und der weiße Wal« prämiert im Rahmen der Bonner Buchmesse im Haus der Geschichte der Bundesrepublick Deutschland.

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Im Weihnachtswunderland
Impressum
Die Eisprinzessin Gloria
Die Zwillingsgespensterkinder Minkie und Pinkie
Im Weihnachtswunderwald
Königin Esterelle und der weiße Wal
Die Ente Nora und der Weihnachtsmann
Schneewurzelkristallküsse
Weihnachten bei Familie Wurm
Ich hab’ das Christkind geseh’n
Der Holzschneemann
Über die Autorin

Gisela Sachs

Im Weihnachtswunderland

Weihnachtsmärchen

XOXO-Verlag

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

http://www.d-nb.de abrufbar.

Print-ISBN: 978-3-96752-108-5

E-Book-ISBN: 978-3-96752-608-0

Copyright (2020) XOXO Verlag

Umschlaggestaltung & Buchsatz: XOXO Verlag

Unter Verwendung von Bildmaterialien von Unsplash

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

XOXO Verlag

ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149

28237 Bremen

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Seid wie die Kinder, frei wie der Wind.

Hört auf euer Herz und vertraut eurem Gefühl.

Kommt all und hört das Lied, das nie verklingt, in alle Ewigkeit.

Das Lied vom Frieden auf der Welt.

Als Hoffnung, Ende war, im dunklen Weltenlauf,

da ging im Stall zu Bethlehem, das Licht der Liebe auf.

Die Hirten sah’n am Firmament, den hohen hellen Stern.

Da war der Tag der Herrlichkeit, auf Erden nicht mehr fern.

Hört es klingt vom Himmelszelt, das Lied der Christenheit,

das allen Menschen Freuden bringt, denn es ist Weihnachtszeit.

Das Kind, das in der Krippe schlief, lag da im hellen Schein

und leise rief der Engelschor, die Hirten all herein.

Die heiligen drei Könige, von weither kamen sie,

als sie das zarte Kindlein sah’n, da beugten sie die Knie.

Hört es klingt vom Himmelszelt, das Lied der Christenheit,

das allen Menschen Freuden bringt, denn es ist Weihnachtszeit.

Kommt all und hört das Lied, das nie verklingt,

in alle Ewigkeit.

Das Lied vom Frieden auf der Welt, denn es ist Weihnachtszeit.

— Songtext Mary’s Boy Child

Ich habe eine Schneeflocke gesehen, Sie tanzte vom Himmel,

Da kam schon eine zweite, Dann eine dritte,

Eine vierte, Eine fünfte, Eine sechste.

Die Schneeflocken drehten sich in den Lüften, Und sie tanzten und tanzten und tanzten ...

Die Eisprinzessin Gloria

Es war einmal ein kleines Mädchen, das war so zartgliedrig wie eine Puppe, hatte eine Haut wie Samt und Seide und ebensolche Haare. Sie fielen wie Wasserwellen bis auf ihre Schultern herab und rotgoldene Lockenkringel umrahmten das liebliche Gesicht mit der kleinen Stupsnase und den großen blauen Augen. Auf der Nase hatten sich lustige Sommersprossen niedergelassen, obwohl das Mädchen noch nie die Sonne gesehen hatte. Sie hieß Gloria, war knappe acht Jahre alt und wohnte im Eiskristallwunderschloss Nummer eins im Eiskristallwunderland, im Stadtteil Sternstaubglitzerhausen. Und im Eiskristallwunderland scheint niemals die Sonne. Im Eiskristallwunderland ist immer Sternenglitzerzeit. Da funkeln und glitzern die Sterne vom frühen Morgen bis in den späten Abend. Und unter den funkelnden Sternen und leuchtendem Mondlicht wachsen die außergewöhnlichsten Blumen: Eiskristallglitzersterntulpen, Eiswunderschneeglöckchen, Schneemännerblütenzauberhütchen, Winterhalbmondglockenblumen Christkindkristalleisrosen und viele andere Blumenarten, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Sie blühen das ganze Jahr über in Hülle und Fülle rund um das Eiskristallwunderschloss. Das Eiskristallwunderland ist ein wahres Blumenwunderland. Ihre Königliche Hoheit Königin Alina kümmert sich höchstpersönlich um die Pflanzen.

In Sternstaubglitzerhausen gibt es nicht nur die seltensten Pflanzen, sondern auch die seltensten Tiere: Schneezapfenhasen, Eiskristallschneeflockenameisen, Eismondlichtschattenesel, Flockentanzschnaken und viele andere Tierarten, die es sonst nirgendwo gibt.

Gloria schaute sehr gerne den Flockentanzschnaken beim Spielen zu, sie stellte sich vor, wie es aussehen würde, wenn sie, den Schnaken gleich, in der Luft auf- und abtanzen würde, und Summtöne von sich geben würde. Sie musste darüber sehr lachen. Die immer fröhliche Eiskristallprinzessin flüsterte auf die bockigen Eismondlichtschattenesel ein, streichelte und striegelte den Schneeschimmeln die Mähnen und Schweife, neckte die Pferde und erzählte ihnen Geschichten. Gloria hatte große Freude an allen Tieren. Sie versorgte sie mit grenzenloser Hingabe, sprach in einer Sprache mit ihnen, die außer ihr und den Tieren niemand verstand. Sie war sehr glücklich im Eiskristallwunderschloss in Sternstaubglitzerhausen.

Gloria war das einzige Kind ihrer Eltern, aber es lebten noch viele andere Kinder im Eiskristallwunderschloss, Geschwisterkinder der Eltern und von anderen Verwandten. So hatte die kleine Eiskristallprinzessin immer jemanden zum Spielen. Es gab auch noch Kinder von den Bediensteten, aber sie waren nur zu Festtagen im Schloss. Sie wohnten in einem Haus aus Holz, am anderen Ende des riesigen Parks, hatten dort eine eigene kleine Kapelle und eine eigene kleine Schule. Gloria war noch nie in diesem Teil des Gartens mit den verwunschenen Bäumen und Sträuchern gewesen. Man erzählte sich, es würden Drachen dort leben, Geister und böse Hexen. Und Gloria hatte große Angst vor Geistern, Drachen und Hexen. Aber das ist eine andere Geschichte, die erzähle ich ein anderes Mal.

Glorias Mutter, Königin Alina, war schon lange des Amtes müde. Sie wollte endlich mehr Zeit für ihre zahlreichen Hobbys haben, wollte musizieren, tanzen, schwimmen, reiten, noch mehr seltene Blumen züchten. Und Gloria, die Eiskristallkronprinzessin, sollte deshalb am achtzehnten Geburtstag zur Eiskristallkönigin gekrönt werden. Die Mutter höchstpersönlich bereitete sie auf diese große Aufgabe vor. Und die Kronprinzessin in Königinnenausbildung nahm ihre Aufgaben sehr ernst. Der Name Gloria bedeutet Ruhm und Ehre. Und die pflichtbewusste Prinzessin wollte dem Namen Ruhm und Ehre machen. Der Vater im Himmel sollte stolz auf seine einzige Tochter sein.

Dass der Papa die Tochter bei der großen Aufgabe beschützen würde, das war für Gloria keine Frage. Der Vater hatte oft mit ihr darüber gesprochen, wie es sein wird, wenn er auf einer Wolke sitzt und Harfe spielt. Gloria erzählte dem Vater alles, was sie bewegte. Sie erzählte ihm von geheimen Wünschen, Träumen, auch von Ängsten, fragte ihn um Rat, wenn sie Kummer hatte und nicht mehr weiter wusste. Auch dann, als er schon auf der Wolke saß und die Heeresschar der Engel mit seiner Harfenmusik beglückte. Ihr Papa war ihr allerbester Freund.

Glorias Vater war lange krank gewesen, er hatte aber keine Angst vor dem Tod. Der Tod gehöre zum Leben dazu wie das täglich Brot, meinte er. Der gleichen Meinung war auch die Mutter. Und die Familie legte weiterhin das Leben froh in Gottes Hand.

Gloria liebte die unzähligen Eiskristallprinzessinnennichten und Eiskristallprinzenneffen sehr. Sie trafen sich jeden Abend zum Gebet in der Sternstaubeiskristallglitzerkapelle am Weihnachtssee. Und manchmal machten die Prinzessinnen Streiche. Leider war die Zeit zum Spielen viel zu kurz bemessen, die Eiskristallkronprinzessin musste noch sehr viel lernen für das zukünftige Amt, zum Beispiel: die korrekte Führung der Angestellten, die Hauswirtschaft, die Kassenverwaltung und vor allem voran musste sie die bestehenden Kontakte zu den anderen Königshäusern pflegen.

Gloria beherrschte zehn Sprachen fließend, in Wort und Schrift. Sie lernte aber auch Betten zu machen, kochen, nähen und flicken. Man müsse alles können, meinte die Eiskristallkönigin Alina. Und folgsam lernte Gloria kochen, backen, nähen, flicken, putzen. Obwohl sie das in ihrem späteren Leben nie mehr tun sollte. Aber das konnte man damals noch nicht wissen.

Gloria machte ihre Sache gut. Sie war fröhlich bei jeder Art von Arbeit, sang aus vollem Herzen dabei und fand für alle Schlossbewohner gutherzige Worte. Übung mache den Meister, meinte die Königin und so musste die Kronprinzessin auch dafür sorgen, dass die Fenster und Fußböden im Eiskristallschloss ordentlich geputzt waren. Sie musste dafür sorgen, dass die Vorräte im Keller nie ausgingen, die Tisch- und Bettwäsche in Ordnung war und sogar die Ställe ausmisten. Man müsse alles einmal gemacht haben, um Herrin sein zu können, meinte Königin Alina. Und man müsse immer wissen, wovon man spricht. »Arbeit schändet nicht.«

Gloria meisterte auch diese Aufgaben mit Fröhlichkeit, obwohl sie es überhaupt nicht mochte, Fußböden zu schrubben und Ställe auszumisten. Trällernd befreite sie die Räumlichkeiten des Schlosses vom Staub, schrubbte auf Knien die Fußböden und mistete die Ställe so aus, wie sie es bei den Bediensteten in den Eiskristallwunderschlossställen gesehen hatte. Sie lernte von den Angestellten aber viel mehr als das Schloss staubfrei und die Böden sauber zu halten. Sie erfuhr von einem Leben außerhalb der Schlossmauern, von einem Leben, das fremd für sie war und aufregend, aber ihr auch Angst machte.

Gloria wollte sich mit dem Leben außerhalb des Schlosses vertraut machen, später, wenn sie nicht mehr so sehr mit den Weihnachtsvorbereitungen beschäftigt war. Im Dezember war es nämlich ihre wichtigste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass alle Eiskristallwunderschlossbewohner an Weihnachten glücklich sind. Noch glücklicher als an gewöhnlichen Tagen. Weil Weihnachten das wichtigste Fest im Jahr ist, nicht nur im Eiskristallwunderland.

Das Weihnachtsfest zu organisieren war eine herausfordernde Angelegenheit für Gloria. So musste sie zum Beispiel dafür sorgen, dass exakt 3003 Eiskristallsterne die 1001 Fenster des Schlosses schmückten. Sie war auch zuständig dafür, dass acht schneeweiße Rentiere den großen Holzschlitten zur Kirche ziehen, auch dafür, dass es Weihnachtsgeschenke für alle Kinder im Schloss gibt. Jedem Kind im Eiskristallwunderschloss sollte sein Herzenswunsch erfüllt werden. Da hieß es Geschenke auswählen, Geschenke verpacken. Aber Gloria hatte viel Freude an der Arbeit. Sie machte sehr gerne Geschenke. Und sie wusste alle geheimen Wünsche der Kinderschar im Schloss.

Gloria musste auch das Weihnachtsmenü zusammenstellen, die Einkaufslisten schreiben, die Tischdekorationen aussuchen und dafür sorgen, dass Schneeflocken vom Himmel fallen, genau dann, wenn die Glocken um Mitternacht zur Weihnachtsmesse rufen. Das war sehr, sehr schwierig, aber Gloria schaffte es immer. Fast immer, um genau zu sein. Einmal nämlich ging etwas total schief. Das war, als Frau Holle für ein paar Tage zu Gast im Schloss war und unbedingt das Schneegestöber mitgestalten wollte. Frau Holle ist eine dickköpfige Person, aber das ist eine andere Geschichte, die werde ich ein anderes Mal erzählen, nächstes Jahr an Weihnachten vielleicht.

Gloria war eine sehr begabte Schlittschuhtänzerin. Und wenn sie über den weihnachtlich geschmückten See schwebte und Pirouetten drehte, verzauberte sie ihre Zuschauer jedes Jahr von Neuem. Sie war nicht nur eine begnadete Eistänzerin, sie war auch sehr musikalisch. Noch keine zehn Jahre alt, konnte sie schon die Harfe spielen und das so wunderschön, wie es keine anderen Harfenspielerinnen und Harfenspieler auf der ganzen Welt vermochten.

Mit glockenreiner Stimme trug sie ihre selbst komponierten Lieder vor, war selbst ihre perfekteste Begleitung. Und wenn Glorias feingliedrige Hände zärtlich die Harfe zupfte und die Prinzessin zum Himmel hoch schaute, hielt selbst der Wind die Luft an, kein einziger Laut war im Eiskristallwunderschloss Nummer eins mehr zu hören, alles lauschte, selbst die Schneeflocken hielten im Tanz inne.

Gloria konnte auch hervorragend Geige spielen, Bratsche, Cello und Kontrabass. Mit vierzehn Jahren schon war sie die Leiterin vom Eiskristallprinzessinnenkinderchor, auch gab sie den kleinen Eiskristallprinzessinnen, von den Eiskristallwunderschlössern in der nahen Umgebung, Kurse über gutes Eiskristallprinzessinnenbenehmen.

Gloria war ein gern gesehener Gast bei den Eiskristallprinzessinneneltern. Auch die großen und kleinen Eiskristallprinzen mochten sie sehr. So manch ein Prinz brachte auf heimlichen Wegen einen Strauß mit Eisblumenwunderschneeglöckchen ins Eiskristallwunderschloss. Sie hofften auf eine Einladung zum Tee. Aber keiner der Prinzen, die um sie warben, gefiel Gloria. Sie wollte einen Mann haben wie Papa. Groß und kräftig sollte er sein, humorvoll und mit warmem Gemüt. Er sollte kühn sein, die unbändigen Schneeschimmel reiten und mit den bockigen Eismondlichteseln umgehen können. Er sollte saftigen Schneegänsebraten in Eiskristallcremesoße zubereiten können, schlau sein, modebewusst. Und was ganz wichtig war, sie sollte mit ihm über alles reden können. Gloria nahm die Eiswunderschneeglöckchen ihrer Bewunderer an, Eiswunderschneeglöckchen waren ihre absoluten Lieblingsblumen. Sie versteckte das Gesicht in den zarten, kalten Blüten. Und sie schickte die Eiskristallprinzen wieder nach Hause.

Gloria legte die Blumen in die Zuchthalle zu den anderen Eiswunderschneeglöckchensträußen. Sie sollten Wurzeln ziehen. Eiswunderschneeglöckchen ziehen nur Wurzeln im Eiskristallwunderland, aber nicht immer, nur manchmal. Und nur dann, wenn sie vom richtigen Prinzen geschenkt werden.

Gloria hatte die Namen der Prinzen auf eine Karte geschrieben, sie auf einen kleinen Stock gespießt und sie zu den Blumen in den Topf gesteckt. Sie schaute einmal pro Woche nach, ob Wurzeln sprießen. Aber keines der Blümchen machte Anstalten, Würzelchen zu bilden.

Natürlich konnte die Eiskristallkronprinzessin die viele Arbeit in der Weihnachtszeit nicht alleine bewältigen, sie hatte unzählige Helfer in der Familie, fleißige kleine Eiskristallprinzen und Eiskristallprinzessinnen, die liebend gerne beim Geschenke verpacken, halfen. Sogar mit einigen Zauberern arbeitete sie in der Weihnachtszeit zusammen. Die Einkaufsmöglichkeiten im Eiskristallwunderland waren begrenzt, damals. Und es gab auch nur sechs Rentiere im ganzen Land. Und die waren braun. Und so mussten die Zauberer zaubern und zaubern und zaubern.

Glorias Lieblingszauberer hieß David. David war ein hübscher, junger Zauberer, der mit einem unbekannten Flugobjekt aus Deutschland angereist kam. Es weilten noch Zauberer aus Rumänien, Russland, England, Schweden, Amerika, Australien und Frankreich im Schloss. Ihre Hubschrauber standen rund um den weihnachtlich geschmückten See. Die arabischen Zauberer waren auf fliegenden Teppichen angereist, die chinesischen auf Reisstrohmatten. Das war sehr lustig anzusehen und Gloria und die kleinen Eiskristallprinzessinnen und Eiskristallprinzen mussten darüber sehr lachen.

Die Eiskristallprinzessinnen und Eiskristallprinzen arbeiteten in Freude und Frieden zusammen. Sie sangen bei der Arbeit Weihnachtslieder, lachten und scherzten miteinander. Die Weihnachtszeit war die fröhlichste Zeit im Eiskristallwunderschloss. Da duftete es nach Lebkuchen, Glühwein, Zimt, Nelken, Piment, Anis, Mandarinen, Bratäpfeln, Vanille und Tannengrün.

Und zum Fest der Feste reisten alle Verwandte, Freunde und Bekannte aus allen Ländern der Welt an. Und die Zauberer aus aller Welt zauberten die feinsten Speisen aus aller Welt. Königliche Speisen. Vornehme Speisen. Speisen, von welchen die Bewohner im Eiskristallwunderland bis zu diesem Zeitpunkt noch nie zuvor gehört hatten. Zum Beispiel: geschmorte Entenkeule an Mangosoße mit Kartoffelklößen in Tannenzapfenform und buntem Blümchensalat oder Rinderfilet in Glühwein-PfefferMandelsoße mit schwedischen Fächerkartoffeln und mexikanischem Gemüse, gebratenes Karpfenfilet auf chinesische Art im Knuspermantel und Glasnudeln, Gänsebraten in Orange-BeifußSoße mit Kürbissen und Bratäpfeln, gebratene Wachteln mit Pfifferlingen auf Belugalinsensalat in Honigund Moosbeersoße. Und vorneweg gab es viele feine Süppchen: Rotweinsuppe mit Zimtäpfeln und weißer Schokolade, Maronensuppe mit gebratenen Toastzimtsternen als Einlage. Ganssuppe mit Kirschlikör. Champagnercremesuppe, mit orangefarbenen Brunnenkresseblüten verziert. Steinpilzbrühe mit Gemüse in Sternform usw. Und zu den Speisen gab es die erlesensten Getränke aus aller Welt. Und zum Nachtisch wurden an drei Tischen allerlei Süßes und Kuchen angeboten. Eine Reise durch die Backstuben der Welt. Es gab Honigkuchentürmchen, Kürbiskernkipferl, Maronitaler, Linzersterne, Datteln in Mürbeteig, Ingwerplätzchen, Christbrötchen, Rübensirupsterntalerplätzchen, Schokoladecookies und Unmengen andere Kekse. Vielfalt müsse sein, meinte die noch amtierende Eiskristallkönigin Alina. Es wäre immer gut, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Und alle Menschen im Schloss gaben der Königin recht. Es gab aber auch einfachere Gerichte wie gebratene Hühnchen, Spanferkel, Ochs am Spieß, Bratwürste, Kartoffelsalat, Nudeln, Eierspeisen und Süßspeisen. Und zu allen Speisen gab es Brot. Die Bewohner des Eiskristallwunderschlosses liebten es, Brot zu essen. Die Bäcker backten jeden Freitag Unmengen von Laiben im eigenen Backhaus. Sie nannten das Brot ‚gesegnetes Himmelsbrot’. Und um den Schutz für das Lebensbrot zu erflehen, ritzte Königin Alina eigenhändig mit einem Messer ein Kreuz in jeden Laib und bat: »Gott segne dieses Brot.«

Alle Zauberer benutzten die gleichen Zauberstäbe wie Harry Potter. Und alle hatten dieselbe schwarze Nickelbrille wie Harry Potter auf der Nase. Nur David nicht. Der hatte sich so richtig schön gemacht. Er trug eine Jacke aus dreierlei Stoff. Die hochgeschlagenen Ärmel waren mit Seide verziert. Er trug eine goldene Hose und ein goldfarbenes Hemd. Um den Hals hatte er eine cremefarbene Schleife gebunden. Cremefarben war auch sein Einstecktuch, seine Stiefel, seine Handschuhe. David sah nicht nur aus wie ein Prinz, er war auch einer. Ein Kronprinz, der zaubern konnte. Aber das wusste Gloria damals noch nicht.

Wie immer saß David nach getaner Arbeit auf dem Boden und spielte traumverloren auf seiner Gitarre. Er sang Weihnachtslieder: O du Fröhliche. Jingle Bells. Leise rieselt der Schnee. Alle Jahre wieder. Kommet ihr Hirten. Schneeflöckchen, Weißröckchen. Heidschi, Bumbeidschi. Und vergaß dabei Zeit und Raum. Immer wieder schielte Gloria nach David. Er bemerkte es aber nicht.

Gloria gefiel die Art, wie David die Gitarre spielte. Wie er traumverloren sang. Sie mochte seine samtweiche Stimme, seine stattliche Figur, seinen Humor, die Art, wie er lachte, wie er aß, sich bewegte. Sie mochte einfach alles an ihm. Sogar sein Name gefiel ihr außerordentlich gut. Es war ein Name, der zur damaligen Zeit sehr selten vorkam, Gloria kannte ihn aber von der Bibel her. Dort steht der Name David tausendundein Mal geschrieben. Er ist der dritthäufigste Name in der Bibel, weiß die gottesfürchtige Eiskristallprinzessin.

»Wenn das kein Zeichen ist«, flüsterte sie vor sich hin. »Er weiß mit den Schneeschimmeln und Eismondlichtschatteneseln umzugehen, kann köstlich zarten Schneegänsebraten in Eiskristallcremesahnesoße zubereiten, ist schlau, immer gut angezogen. Und ich kann mit ihm über alles reden.«

Nach der Christmesse liefen die Eiskristallprinzessinnen durch die weihnachtlich dekorierten Kellerräume des Schlosses. Dort sollten sie ihre Weihnachtsgeschenke bekommen. Die kleinen Prinzessinnen hatten wunderschöne weiße Kleidchen an, die mit goldenen Glitzersternchen übersät waren. Gloria hatte die Leinenkleidchen für die Eisprinzessinnen selbst genäht, die Sternchen in exakt tausendundeiner Minute darauf gestickt. Die Eiskristallprinzessinnen hielten goldene Täschchen in den Händen, ebenfalls Kunststücke aus Glorias Nähstübchen. Und in diese goldenen Täschchen sollten sie ihre Weihnachtsgeschenke verstauen.

Gloria trug ein bodenlanges Kleid aus elfenbeinfarbiger Seide. Der Rock war weit geschnitten und sah wie eine offene Blume aus. Sie trug die Haare mit einem goldenen Kamm hochgesteckt, hatte einen elfenbeinfarbigen Spitzenschleier um den Kopf drapiert. Eine flauschige Pelzstola lag um ihre Schultern und ihre zierlichen Füßchen steckten in warmen, weißen Pelzstiefelchen.

Die Mädchenschar lief einträchtig bis zum hinteren Ausgang der Kellerräume. Dort gab es einen Weihnachtswunschraum. Und in diesem Weihnachtswunschraum standen viele Regale, in denen genau 1001 Geschenke untergebracht waren. Und von diesen 1001 Geschenken durften die Mädchen sich jeweils drei Päckchen aussuchen. Sie liefen in Zweiergruppen die Gänge entlang, tuschelten miteinander und kicherten. Sie waren aufgeregt und voller Vorfreude. Was die Päckchen wohl dieses Jahr verbargen? Geheime Botschaften vielleicht, so wie im Jahr zuvor?

Und dann standen die Eiskristallprinzessinnen sprachlos vor den Geschenken. Alle Päckchen waren wunderschön verpackt, sehr kunstvoll mit goldenen Schleifen, weißem Engelshaar und unzähligen Glitzersteinchen verziert. Sie funkelten und glitzerten im Schein der Deckenbeleuchtung um die Wette. Die Prinzessinnen liefen aufgeregt von einem Regal zum Anderen. Sie riefen staunend »aaah« und »oooh«, konnten sich wegen der Fülle an Geschenken aber für nichts entscheiden. Die Mädchen schüttelten und rüttelten die Päckchen, wogen sie in den Händen und versuchten zu erraten, was darin sein könnte. »Diamanten? Edelsteine? Kronjuwelen, Goldtaler vielleicht?«, riefen sie wild durcheinander.

Die Tür zum zweiten Raum war mit einem riesigen Riegel verziert. Er war mindestens zwei Meter dick und zehn Meter lang und das Messing funkelte und blitzte wie die Schneekristallblumen im Vollmondlicht. Die Prinzessinnen lauschten. Sie hörten Gesänge, wussten aber nicht, woher die Gesänge kamen.

Gloria schob den mit Brillanten besetzten Riegel zurück und die Prinzessinnen waren sehr erstaunt, als sie eintraten. Auch in diesem Raum waren Geschenke aufgebaut. Sie waren alle in goldfarbener und königsblauer Glitzerfolie, mit silbernen und goldenen Schleifen verziert. An jedem der Päckchen hing ein Namensschild. Die Geschenke waren nicht für die kleinen Eiskristallprinzen bestimmt, sie sollten sie weitergeben: an die Knaben der Bediensteten. Ihre Bescherung sollte später stattfinden. Der Zauberer David hatte diese Idee.

Die kleinen Prinzen saßen im Kreis, David in der Mitte. Er spielte die Gitarre und sang dazu. Wie gebannt hingen die Augen der kleinen Prinzen an den Lippen des großen Zauberers. Die Prinzen trugen Festtagskleidung: königsblaue Anzüge, weiße Hemden, weiße Strümpfe, schwarze Lackschuhe mit Schnallen. David sang gerade das Lied ‚Heidschi, Bumbeidschi’.

»Aber Heidschi, Bumbeidschi, wirst sehen, wie schnell alle Sorgen vergehen. Und bist du auch traurig und bist so allein, bald schauen die Engel zum Fenster herein.«

Und in dem Augenblick, in dem er ‚zum Fenster herein’ sang, kam ein gewaltiger Schneesturm auf. Der Kronleuchter mit den 1001 Glühbirnen schlug aus, es gab einen fürchterlichen Knall, und in einem ungeheuerlichen Sternenfunkenglitzerflug stand das Christkind höchstpersönlich vor den erschrockenen Eiskristallprinzessinnen und Eiskristallprinzen.

»Fürchtet euch nicht«, sagte es lächelnd, »die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen.«

Das Christkind war bezaubernd anzusehen. Es trug ein schneeweißes Kleid, darüber einen Umhang aus dickem schwarzem Samt. Der Saum des bodenlangen Kleides war mit goldenen Spitzen besetzt. Auch die Halskrause und das Ende der Ärmel. Das Christkind trug schneeweiße Handschuhe, schneeweiße Pelzstiefelchen, eine schneeweiße Mütze und einen schneeweißen Schal. Auf dem Schal war ein goldenes Kreuz eingestickt. Und auf der weißen Pelzmütze trug es ein winziges goldenes Krönchen mit blutroten Diamanten. Die kleinen Eiskristallprinzessinnen und Eiskristallprinzen staunten nicht schlecht. Sie sperrten die Münder auf, riefen »aaah« und »oooh.«

Und dann erschien der Himmelengelkinderchor. 1001 kleine, blond gelockte Engelchen standen plötzlich um das Christkind herum. Sie alle trugen weiße Kleidchen mit goldenen Sternen darauf, weiße Stiefelchen, schneeweiße Mützchen und schneeweiße Schals. Sie hielten Harfen in den Händen und sangen

‚Großer Gott, wir loben Dich.’

Und die kleinen Eiskristallprinzessinnen und Eiskristallprinzen rissen die Augen noch mehr auf, sagten wiederum nur »aaah« und »oooh.«

David stimmte das Lied ‚Stille Nacht, Heilige Nacht’ an. Erst stimmte das Christkind in den Gesang mit ein, dann der Himmelengelkinderchor, dann die kleinen Eiskristallprinzessinnen und kleinen Eiskristallprinzen und, zum Schluss, Gloria. Sie sangen voller Freude und Inbrunst »Stille Nacht, Heilige Nacht. Hirten erst kund gemacht durch der Engel Halleluja, tönt es laut von fern und nah. Christ der Retter ist da! Christ der Retter ist da!«

Es war ein Jubeln und ein Jauchzen in den Weihnachtswunschräumen, wie man es sich nicht vorstellen kann. Und David sang das schönste aller Weihnachtslieder in 142 Sprachen. Er sang es auf: englisch, französisch, spanisch, italienisch, japanisch, arabisch, chinesisch …

Glorias Augen funkelten, sie lachte, raffte den Rock und rannte zu den Gewächshäusern. Sie stieß die Glastür des Blumenzuchthauses für Eiswunderschneeglöckchen auf, lief die Reihe mit den Stecklingen entlang. Sie wusste genau, wo die Vase mit den Blumen des Zauberers aus Deutschland stand. Ihr Herz klopfte wild, als sie Davids Eiswunderschneeglöckchen betrachtete. Sie hatten unzählige Wurzeln gebildet, starke, gesunde Wurzeln.

Gloria lachte wiederum laut auf vor Freude und Glück. Dann lief sie so schnell sie konnte zum weihnachtlich geschmückten See. Sie streckte die Hände zum Himmel hoch und rief: »Er ist der Richtige, Papa!« Und kurze Zeit später erklang das zarte Spiel einer Harfe. Der Vater winkte der Tochter von der Wolke aus zu. Und Gloria winkte freudig zurück.

Gloria wurde an ihrem 18. Geburtstag nicht nur zur Königin gekrönt, sie wurde auch Ehefrau. Ihre Königliche Hoheit, Königin Alina vom Eiskristallwunderland, übergab das hohe Amt ihrer Tochter. Sie nahm die feierlichen Zeremonien der Krönung und Trauung höchstpersönlich vor. Es war das rauschendste Fest, das man je im Eiskristallwunderland gefeiert hatte. Und die Menschen von dort erzählen bis zum heutigen Tage davon. Die Kronprinzessin trug bei der Amtseinführung ein elegantes mondscheingelbes Abendkleid, die gleichfarbenen Schuhe dazu. Sternengelbe Diamantenohrringe waren der einzige Schmuck, den sie trug. Nach der Amtseinführung zog sie sich rasch für die Trauung um.

Ihre Königliche Hoheit, Königin Gloria vom Eiskristallwunderland, war allerliebst anzusehen. Sie trug ein atemberaubendes schulterfreies Kleid. Der schneeweiße Stoff war mit Pailletten in Eiskristallform bestickt, ebenso die Schuhe, das Handtäschchen und das Cape. In der rotgoldblonden Haarpracht steckte das Sternendiadem, das ihr Vater der Mutter zur Hochzeit geschenkt hatte. Um den Hals schmiegte sich das Hochzeitsgeschenk ihres Gemahls, Prinz David. Das Geschmeide war aus tausendundeinem Diamanten in der Form von Eiswunderschneeglöckchen angefertigt worden. Ein hauchzarter Schleier bedeckte das liebliche Gesicht. Die überglückliche Königin hielt einen Strauß mit Eiswunderschneeglöckchen in den Händen. Die Eiswunderschneeglöckchen des Brautstraußes waren weißer und kräftiger als die Eiswunderschneeglöckchen, die rund um Sternstaubglitzerhausen wuchsen. Es waren die Blumen von David, die Wurzeln gezogen hatten. Glorias Augen funkelten, ihr Mund lachte. Und Prinz David konnte sich an seiner bezaubernden Braut nicht sattsehen. Er schob den Schleier vom Gesicht seiner Braut und küsste sie.

Prinz David trug eine Jacke aus dreierlei Stoff. Die hochgeschlagenen Ärmel waren mit schwarzem Samt verziert. Er trug eine königsblaue Hose und ein mondscheinfarbenes Hemd. Um den Hals hatte er eine weiße Schleife gebunden. Weiß waren auch sein Einstecktuch, seine Schuhe und Handschuhe. Er trug einen mondscheinfarbenen Orden mit Glitzersternen quer über der Brust, den Hausorden der königlichen Familie vom Eiskristallwunderland.

Tausende von Menschen säumten den Weg in Sternstaubglitzerhausen, als die schneeweiße Kutsche, gezogen von acht Schneeschimmeln, den Weg zur Kirche einschlug. Kinder und Erwachsene schwenkten unter Hurra Rufen gelbweiße Fähnchen. Auch die Kutsche war mit Blumen in der Landesfarbe mondscheingelbweiß geschmückt. Viele kleine Eiskristallprinzessinnennichten und Eiskristallprinzenneffen streuten Blumen aus goldenen Körbchen, als das Brautpaar den Weg in die Kirche schritt. Die Prinzessinnen hatten bodenlange weiße Kleidchen an, weißgelbe Blütenkränze schmückten die gelockten Haare. Die Prinzen trugen dreiviertellange weiße Hosen, weiße Hemden mit Rüschen, weiße Strümpfe, schwarze Schnallenschuhe und Mondscheingelbe Anzugsjacken.

Und als der Brautzug das Kirchenportal erreichte, tat sich der Himmel auf und ein liebliches Harfenspiel erklang. Es war so lieblich, so leicht, so zart wie nie zuvor. So, dass selbst der Wind die Luft anhielt, kein einziger Laut war mehr zu hören, alles lauschte, selbst die Schneeflocken hielten im Tanz inne. Der Vater winkte der Tochter von der Wolke aus zu. Und Gloria winkte freudig zurück. Da zauberte Prinz David kurzerhand seine Gitarre her und fing zu singen an: »Lass’ uns Kinder sein all die Tage. So froh und frei ohne Klage. All die Träume bündeln sich in einem Satz: Ich liebe dich! Ich liebe dich! Ich liebe dich!«

David sang das Liebeslied in 142 Sprachen: in englischer Sprache, in französischer, spanischer, italienischer, japanischer, arabischer, chinesischer, russischer, schwedischer, kroatischer usw.

Ein Jubeln und Jauchzen ging durch die Menge. Glorias Augen funkelten, sie lachte, als sie an der Hand ihres Herzenskönigs zur Trauung schritt. Und das Lachen der jungen Königin und Ehefrau klang heller noch als die Kirchenglocken.

Und die Geschichte der Eltern wiederholte sich. Das Leben wiederholt sich immer. Es ist Weihnachtszeit im Eiskristallwunderschloss Nummer eins, im Eiskristallwunderland, im Stadtteil Sternstaubglitzerhausen. David und Gloria stehen vor der Wiege ihres ersten Kindes. Die kleine Eiskristallprinzessin ist zartgliedrig wie eine Puppe, hat eine Haut wie Samt und Seide und ebensolche Haare. Die Locken fallen wie Wasserwellen bis auf ihre Schultern herab und rotgoldene Lockenkringel umrahmen das liebliche Gesicht mit der kleinen Stupsnase und den übergroßen blauen Augen. Das Mädchen hat lustige Sommersprossen auf der Nase, obwohl sie noch nie die Sonne gesehen hat. Die kleine Eiskristallprinzessin trägt den Namen Tirza. Tirza, die Schöne, das Wunschkind, ist das erste Kind des Königspaares. Die kleine Familie wohnt im Eiskristallwunderschloss Nummer eins im Eiskristallwunderland, im Stadtteil Sternstaubglitzerhausen. Und die Weihnachtszeit ist die schönste Zeit im Eiskristallwunderland. Da laufen die Weihnachtsvorbereitungen auf Hochtouren. Es riecht nach Lebkuchen, Glühwein, Zimt, Nelken, Piment, Anis, Mandarinen, Bratäpfeln, Vanille, Tannenzweigen …

Zauberer reisen an. In Hubschraubern. Auf fliegenden Teppichen, auf Reismatten, in unbekannten Flugobjekten. Und zum Fest der Feste werden Verwandte, Freunde und Bekannte aus allen Ländern der Welt anreisen, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. In Sternstaubglitzerhausen ist das Glück zuhause.

Kerzenschein und Plätzchenduft, Weihnachtsfreude liegt in der Luft.

Die Zwillingsgespensterkinder Minkie und Pinkie

Es war einmal ein bezauberndes, schönes, junges Gespensterehepaar, das wünschte sich von Herzen ein Kind ...

Minka und Jakob Geist wohnten in einem kleinen Holzhaus inmitten eines wunderbaren Mischwaldes. Die Luft war klar und rein und es wuchsen dort viele kräftige, gesunde Ahorn-, Birken-, Buchen-, Erlen-, Linden-, Tannen-, Eiben-, Eichen-, Kiefern-, Lindenund Kastanienbäume. Und von jedem der Bäume wurde mindestens ein Ast zum Bau des Hauses verwendet. Der Rest wurde aus dem Holz der 1001-jährigen Eiche gezimmert, der Königin der Bäume. Das würde Glück bringen, meinte der Bauherr, der gleichzeitig auch der Architekt und Baumeister des kleinen Holzhauses war. Und Jakob Geist sollte recht bekommen.

Der Wald war umgeben von Streuobstwiesen, Feldern und Weinbergen und es gab sogar einen See. Um den See herum standen 22 uralte Pappeln, die waren mindestens 303 Meter hoch, vielleicht sogar noch höher. Sie wiegten sich des Abends leise im Wind und das Rauschen hörte sich wie das Flüstern von Feen an. Aber es gab auch noch viele andere Bäume und Sträucher dort, immergrüne und Laub abwerfende, manche waren schon viele Hunderte Jahre alt, man konnte das Alter an den Jahresringen ablesen. Auf dem See drehten unzählige Enten mit grün schillerndem Gefieder, schneeweiße Schwäne und ein schwarz-braunweiß gefiedertes Wildgänsepaar zogen Bahnen, zwischen knallgelben Dotterblumen, sonnengelben und tiefblauen Wasserlilien und weißen, roten und gelben Seerosen. Das Wildgänsepaar hatte sieben Junge. Und in der untergehenden Abendsonne leuchtete deren Gefieder auf wie flüssiges Gold. Man konnte das Aufblitzen von Fischschwänzen sehen, kurz nur, dann waren die schuppigen Leiber auch schon wieder untergetaucht. Man hörte zärtlichen Schwanengesang, so leise wie das liebliche Singen von Engeln. Die Waldbewohner nannten den See Engelstimmensee.

Und mitten in diesem Paradies stand eine Bank aus Eichenholz. Und auf dieser Holzbank saß der große, schlanke Jakob mit den schwarz gelockten Haaren und den rehbraunen Augen jeden Abend zum Sonnenuntergang, mit seiner großen Liebe Minka, gleich neben den duftenden Holunderbüschen. Sie schauten den Tieren beim Spielen zu, sahen zu, wie diese sich neckten, wie sie Wettschwimmen miteinander veranstalteten, sich mit den Schnäbeln liebkosten, aber auch lautstark ums Essen stritten. Minka und Jakob waren erstaunt darüber, wie schnell die Federtiere sich vom Wasser aus in die Luft erheben können, über den schnellen, kräftigen Flügelschlag. Und das Paar bewunderte ausgiebig die Schönheit der schneeweißen Schwäne, die mit lang ausgestreckten Hälsen der nahe gelegenen Stadt entgegenflogen, eine Wendung machten und ebenso schnell wieder zurückflogen und auf dem Teich landeten.

Jakob und Minka erfreuten sich an der üppigen Pflanzenwelt rings herum. Die Geschwister waren sehr dankbar dafür, dass sie im gesegneten Gespensterwald leben durften. Jakob küsste und herzte seine Frau ausgiebig: auf die Stirn, auf die Nasenspitze, hinter die Ohren, auf den Hals und auf den Mund. Dann schnitzte er mit seinem Taschenmesser ein großes Herz in die Lehne der Bank, verewigte darin die Namen ‚Minka und Jakob’. Danach fragte er seine große Liebe »willst du mich heiraten, Minka?« Und Minka sagte freudestrahlend »ja.«

»In diesem Paradies sollen unsere Kinder aufwachsen«, flüsterte er der zierlichen, blauäugigen Minka mit den langen, blonden Haaren ins Ohr. Er wünschte sich Kinder. Viele. Am liebsten eine ganze Fußballmannschaft. Und alle sollten aussehen wie seine geliebte Braut Minka. Aber es sollte noch lange dauern, bis es endlich soweit war. Die Gebete des Paares wurden erst zweiundzwanzig Jahre nach der Hochzeit erhört. Dann, völlig unerwartet, ging der sehnliche Wunsch in Erfüllung. Am Heiligen Abend, gerade als die Familie das Lied ‚Ihr Kinderlein kommet’, angestimmt hatte, kam urplötzlich Minkie zur Welt. Es war 22:22 Uhr.

Die Eltern und die Großeltern betrachteten voll Staunen und in großer Ehrfurcht das winzige Geschöpf unter dem geschmückten Tannenbaum, seine kleinen Fingerchen, die kleinen Zehen, den zarten, flauschigen, goldenen Flaum auf dem kleinen Köpfchen. Sie bewunderten die himmelblauen Äugelein des zartgliedrigen Mädchens, das kleine Näschen, die kräftige Stimme. Sie dankten Gott von Herzen für dieses große Weihnachtsgeschenk. Und als neun Minuten später der Knabe Pinkie das Licht der Welt erblickte, weinte die Familie Sturzbäche vor Freude. So viel Glück auf einen Schlag konnte die Familie kaum fassen. Sie legten Pinkie zu Minkie unter den Weihnachtsbaum und die Kinder sollten von diesem Augenblick an unzertrennlich sein.

»Und das am Geburtstag von Jesus«, flüsterte die Großmutter ergriffen. Sie wischte sich die Tränen mit dem Handrücken von den Wangen und stimmte das Lied ‚Großer Gott wir loben Dich’ an.

Das überglückliche Elternpaar und der stolze Großvater stimmten in das Lied mit ein. Sie sangen aus übervollen Herzen und vollem Hals ‚Großer Gott wir loben Dich’. Danach gab es Tee und Plätzchen. Die Großmutter hatte Lebkuchen und Butterkekse gebacken. Heimlich. Immer dann, wenn Minka und Jakob unterwegs waren. Lebkuchen und Butterkekse waren nämlich die Lieblingsleckereien der Tochter und des Ehemanns. Und Oma Lea wollte Jakob und Minka mit dem Lieblingsgebäck überraschen, versteckte die verbeulte, moosgrüne Blechdose ganz weit unter dem Ehebett, in der äußersten Ecke, gleich neben dem mit alten Stofflappen zugestopften Mauseloch. Oma Lea freute sich über den Streich. »Sie werden die Dose nicht finden«, flüsterte sie verschmitzt lächelnd vor sich hin.

Und auch an die Tiere des Waldes hatte Großmutter Lea gedacht: an die Hasen, Rehe, Füchse, Dachse, Schweine, Eulen, Falken, Kaninchen, Eichhörnchen und die vielen anderen Tiere. Für sie legte sie ein großes Paket mit ‚Woodys Weihnachtsknochen’ vor die Tür des Holzhauses.

Die gebackenen Knochen mit geraspelten Karotten und Ingwer für die Tiere hat uralte Tradition bei der Familie Gespenstermann. Leas Eltern hatten das schon so gemacht und Lea hatte das Rezept von der Mutter übernommen. Ihre Tochter Minka wird es gleichtun. Für Großmutter Lea sind Traditionen sehr wichtig. Für die kleineren Tiere, wie die Vögel, Mäuse, Käfer, Ameisen und andere Krabbeltiere, zerbröselte sie die Plätzchen mit den Händen und streute sie mit einem Segensspruch im Wald aus.

Minkie und Pinkie waren das größte Glück der Eltern und Großeltern. Und die vielen Verwandten und Freunde, die auch im Gespensterwald wohnten, erfreuten sich an dem Zwillingspärchen, das so unterschiedlich in Aussehen und Charakter war, wie es nicht unterschiedlicher hätte sein können.