Im Zirkel der Zwölf: Gesamtausgabe - M.B. Reese - E-Book
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Im Zirkel der Zwölf: Gesamtausgabe E-Book

M.B. Reese

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Beschreibung

Amanda wächst in einer Höhle auf, tief unter dem Ozean abseits der Zivilisation. Als Fürstin Liliana ohne eine geeignete Nachfolgerin ermordet wird, darf Amanda die Höhle verlassen und soll Lilianas Platz einnehmen: Als Fürstin des Wasserreichs, als oberster Krebs und als Vierte im Kreis der Zwölf. Aber warum wurde sie so lange versteckt? Was verheimlicht ihre Schwester Cassandra? Und wer hat Liliana getötet? Ausgerechnet die Regenten des verfeindeten Feuerreichs scheinen einige der Antworten zu haben. Doch kann man ihnen trauen?

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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M.B. Reese

Im Zirkel der Zwölf

Gesamtausgabe

 

Teil 1 – Vom Wasser gezeichnet

»Die Sterne sagen dir, was du sein sollst, aber was macht dich aus? Nicht dein Sternzeichen, nicht die Haarfarbe, nicht deine Gene. Es sind die Entscheidungen, die du triffst. Es ist der Weg, den du gehst.«

 

Weitere Erklärungen sowie ein Personenverzeichnis befinden sich am Ende des Buches unter dem Kapitel Erläuterungen.

 

Kapitel 1

 

»Aus Wasser bist du entstanden und zu Wasser wirst du zurückkehren.« Tief verneigte sich Cassy vor dem leblosen Körper unserer Tante und schloss dabei die Augen. Als sie die letzten Worte aussprach, umgab uns eine Totenstille. Es fühlte sich an, als nähmen uns die Sterne all die Laute, die wir sonst um uns herum wahrnahmen. Als würden sie sogar das Geräusch der Wellen verschlucken, die über unsere Füße schwappten und sich langsam wieder zurückzogen. Eine Gänsehaut breitete sich auf mir aus und ich fröstelte leicht, was ich angestrengt zu verbergen versuchte. Ich wagte es kaum, zu atmen, da sonst erkennbar wäre, wie sehr mein Atem zitterte. Auf keinen Fall wollte ich riskieren, dass man mir die Unsicherheit ansah, die sich langsam in mir ausbreitete. Ruhig bleiben, Amanda, ermahnte ich mich selbst. Mach keine Bewegung, gib keinen Ton von dir. Cassy darf nicht erfahren, wie es in dir aussieht.

In ihren weißen Roben standen die Geschworenen im Halbkreis um uns herum und schlossen die Augen. Ich war die Einzige, die sich vorsichtig umsah. Die Gelehrten ließen die Köpfe sinken und begannen unverständliche Sätze zu murmeln. Worte der Sterne. Worte aus einer vergangenen Welt. Worte des Friedens und des Glaubens, in einer Sprache, die wir nicht verstanden. Worte, die meine Tante auf dem Weg in die Unendlichkeit begleiten würden.

»Und nun ...« Cassys Stimme wurde derart laut, dass ich zusammenzuckte. »... gehe zurück zum Ursprung. Sei das, was du sein sollst, werde zu dem, was du immer sein musstest ...« Ich blickte zu meiner Schwester auf, während die Geschworenen weiterhin ein Summen von sich gaben, das mich erschaudern ließ. Cassys Blick richtete sich auf das Totenbett. Ihre Augen funkelten im Licht der Sterne, im Glitzern der Meere und im Schein des Mondes auf. Es sah aus, als tanzten Hunderte von grünen Diamanten zwischen ihnen. »... dein Ende ist ein neuer Anfang. Für dich, Tante, genau wie für uns.« Bei den letzten Worten sah Cassy mich an. »Für Amanda.« Ihre Augen leuchteten heller auf als die Sterne am Himmel. »Überreiche ihr die Güte und die Weisheit, die du in dir trugst, beschenke sie mit deinem Wissen und mit der Macht, damit sie eine würdige Nachfolgerin wird.«

Noch immer fröstelte ich, mein ganzer Körper begann zu zittern. War es die Sorge, einen Fehler zu begehen? Die Unsicherheit vor der neuen Aufgabe? Die Trauer um meine Tante? Oder war es dieser Abend? Die Anwesenheit der Geschworenen und die von Cassy? Ich wusste es nicht. Das Einzige, das ich mit Sicherheit sagen konnte, war, dass ich mich unvorbereitet fühlte. Ich war nicht vorbereitet auf das, was man von mir erwartete, und nicht gewappnet für das Leben, das auf mich zukam. Ich war nicht bereit für meine Bestimmung.

Erneut zuckte ich zusammen, als ich eine starke Berührung verspürte. Cassy legte mir die Hand auf den Rücken und schob mich nach vorn, auf den Körper unserer Tante zu, der schon bald in den riesigen Ozeanen dieser Welt untergehen sollte. »Los, Amanda, es ist Zeit«, flüsterte meine Schwester.

Ich wagte es, da ich keine andere Wahl hatte. Einen Schritt nach dem nächsten ging ich vorwärts über den Sand hinweg und durch das seichte Wasser, das meine Zehen umspielte. Es kitzelte, wenn die Wellen mir den feinen Sand in die Sandalen schoben und ihn wieder forttrugen. Langsam watete ich auf das Boot zu, in dem Tante Lilianas Körper lag – nicht wissend, was auf mich zukommen würde. Ich wusste lediglich, dass ich ihre Hand nehmen musste, wodurch ihre Seele in der Lage war, mir die Kraft zu übergeben, mit der ich in ihre Fußstapfen treten konnte – damit ich endlich das war, zu dem ich geboren wurde. Der Krebs unter all den anderen Krebsen. Die oberste Wächterin dieses Sternzeichens. Die Vierte im Kreis der Zwölf.

Tante Liliana lag in einem bescheidenen Holzboot, das man schon bald auf den Ozean hinausschieben würde. In ein schlichtes Nachtgewand gekleidet, sah sie aus, als schliefe sie friedlich. Ihr Haar war mit Algen und Muscheln geschmückt. Obwohl sie tot war, sah sie hinreißend aus. Wie eh und je. Sobald die Wellen das Boot verschluckten und ihren Körper für immer von uns nahmen, gäbe es kein Zurück. Die Machtübertragung musste jetzt stattfinden. In diesem Moment, der mein Leben verändern sollte.

Vor meiner geliebten Tante kniete ich nieder, nahm ihre leblose Hand und küsste die Fingerknöchel. Ein letztes Mal wollte ich sie mir genau ansehen: Das lange blonde Haar, das mich an meine Mutter erinnerte und die vollen Lippen, die Cassys so ähnlich waren. »Ich werde dich vermissen, Tante«, sagte ich in der Hoffnung, sie könnte mich hören, und in dem Glauben, ihre Seele weilte noch unter uns. »Ich war nicht bei dir, als du von uns gingst, aber ich wünschte, ich wäre es gewesen. Ich hätte dich beschützt.« So leise ich konnte, sprach ich die Worte, die mir auf der Seele lagen, obwohl ich genau wusste, dass ich still sein sollte. »Ich habe dich sehr lieb, Tante.«

Endlich gelang es mir, die Augen zu schließen, und ich wartete auf das, was kommen sollte. Auf die Macht, die sie mir übergeben musste. Auf ein Zeichen, auf ein Gefühl, auf irgendwas. Nichts. Ein wenig fester drückte ich ihre Hand an meine Brust, genau so, wie Cassy es mir erklärt hatte. Noch immer nichts. Langsam wurde ich ungeduldig und gleichermaßen besorgt. Du wirst es spüren, fühlen, schmecken. Es wird durch dich hindurchgeleitet wie ein Impuls, den du kontrollieren musst, hatte Cassy mir erklärt. Die Macht, die in dir schlummert, wird erweckt, sobald du sie erhältst.

Aber da war nichts! Keine Macht, kein Impuls, kein Geschmack. Mein Herz begann zu rasen. Hatte ich es falsch gemacht? Noch einmal drückte ich die Hand an mich, so fest ich eben konnte, und presste die Augenlider zusammen. Bitte, Tante, bat ich in Gedanken. Lass mich nicht im Stich, übergib mir die Kraft, von der alle sprechen. Weigerte sie sich? War ich ihr nicht gut genug? Warum spürte ich nichts?

»Amanda?«, ertönte Cassys Stimme dicht hinter mir. Wie immer hörte sie sich streng und unbeugsam an.

Jeder Muskel in meinem Körper versteifte sich. Was sollte ich sagen? Was verlangte sie von mir? Was musste ich tun, um es ihr recht zu machen?

»Amanda?« Cassy wurde lauter.

Ich legte Tante Lilianas Hand zurück ins Boot, stand auf und drehte mich herum. Dabei starrte ich auf den Boden, auf den unteren Teil des langen schwarzen Kleides meiner Schwester und auf die Spitzen ihrer Schuhe, die sich leicht in den Sand hineindrückten.

»Sieh mich an!«, forderte sie eisern.

Mein Blick glitt höher an ihr herauf, aber in ihre Augen wollte ich nicht sehen. Nicht jetzt. Nicht, nachdem ich sie enttäuscht hatte.

»In meine Augen, Amanda!«

»Sie hat es nicht!«, ertönte eine Stimme. Ich blickte zur Seite, von wo aus einer der Geschworenen auf uns zukam. »Sie ist es nicht, Regentin.«

Cassy sah ihn nicht an, stattdessen richtete sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf mich. »Sie ist es! Nicht wahr, Amanda?« Ihre Stimme wurde lauter, fordernder.

»Ja«, hauchte ich. Das war es doch, was sie hören wollte, oder?

»Sieh mich an!«

Mein Blick glitt nach oben in ihre grünen Augen. Forschend huschten ihre Pupillen hin und her, als suchte sie etwas in den meinen und als wollte sie sich versichern, dass sie recht hatte. Denn das war es, was sie stets wollte: im Recht sein.

»Du hast es gespürt, Amanda, nicht wahr?« Auffordernd reckte sie das Kinn. Stolz und unbeugsam, wie ich sie kannte, stand sie vor mir. Wenn sie derart entschlossen aussah, war es schwer, ihr zu widersprechen.

»Ja, das habe ich.« Es war ein Flüstern, das aus meiner Kehle gekrochen kam – ganz von allein. Eine Lüge.

»Sehr schön.« Zufrieden nickte sie und schmunzelte den jungen Geschworenen an. »Habe ich es nicht gesagt? Sie ist es! Wer soll es sonst sein?«

Der junge Mann blickte mich eindringlich an. Seine grün-braunen Augen taxierten mich beinahe genauso intensiv, wie die meiner Schwester. »Habt Ihr denn ...«

»Die Fürstin muss sich ausruhen!«, ging Cassy dazwischen und legte den Arm um meine Schultern, um mich von dem neugierigen Blick des Mannes wegzudrehen. »Sie ist sicherlich müde nach der ganzen Anstrengung.«

»Entschuldigt bitte, Regentin«, murmelte der Geschworene leise und, wie ich glaubte, etwas verstimmt.

Ein letztes Mal blickte ich über die Schulter hinweg zu ihm. Er war kaum älter als ich. Der junge Mann hielt den Kopf gesenkt und starrte zu Boden, dabei entging mir nicht, dass er mit den Zähnen knirschte. Jedoch schwieg er von nun an. Er würde es nicht wagen, etwas zu erwidern. Meine Schwester verstand es, jeden um sich herum einzuschüchtern – vor allem die Männer. Eine Gabe, die ich niemals erlernt hatte. Aber ich war ja auch nur ein Krebs. Cassandra war ein Skorpion. Der Skorpion.

»Bereitet nun die Seebestattung vor«, befahl sie. »Es wird Zeit, dass die Seele meiner Tante zu den Sternen reist. Ihre letzte Aufgabe ist hiermit erfüllt. Amanda wird ihre Nachfolgerin, und von nun an wird sie bei mir leben, damit ich sie in allem unterweisen kann.«

Ihre letzte Aufgabe ist hiermit erfüllt, wiederholten meine Gedanken ihre Worte. Nein, Cassy, wollte ich schreien, nein, ist sie nicht ... Aber ich bekam keinen Laut heraus. Ich riss mich von ihr los und blickte noch einmal auf den Körper meiner Tante, in dem ihr Geist noch wachte und ihre Seele noch verharrte. Sie wartete, oder? Aber auf wen? Wenn ich es nicht war, wer dann? Wem musste sie ihre Macht übergeben, bevor sie uns verließ? Jetzt konnte ich noch die Wahrheit sagen und auf Gnade hoffen. Auf Vergebung für die Lüge, die ich eigentlich nicht aussprechen wollte ... Jetzt ... war es noch nicht zu spät! »Cassy ...?«

»Amanda!« Streng nahm sie mich an der Hand und zerrte mich zurück ans Ufer. Ihre Finger umschlangen die meinen fest und grob, sodass ihr Siegelring sich in meine Haut drückte. Am liebsten hätte ich die Hand aus ihrer gerissen, jedoch wollte ich sie nicht verärgern. »Du bist durcheinander!«, behauptete sie. »Das war ich ebenfalls nach der Taufe.«

»Nein, das ist es nicht, Cass...«

»Sei still!«, ermahnte sie flüsternd und doch unbeugsam. »Von nun an bist du eine von uns. Eine der Zwölf, und ich erwarte, dass du dich zusammennimmst.«

Was sprach sie da nur? Verunsichert sah ich sie an und riss mich endlich von ihr los.

»Ich weiß, es ist schwer, vor allem für dich ...« Sie blieb stehen und stellte sich vor mich. Ihr Blick schweifte fast schon angewidert über mich, sodass ich mich gezwungen fühlte, die Arme um meinen Körper zu schlingen. »Doch ab jetzt wirst du mir gehorchen und deinen eigensinnigen Kopf für wichtige Dinge nutzen.«

Ihr gehorchen? Das war es, was ich die letzten Jahrhunderte getan hatte! Aber anscheinend war ihr das nicht bewusst. »Ja, Cassy ...«, murmelte ich und schnaubte leise.

»Du musst lernen, dich zu fügen. Deine ganze Welt verändert sich in diesem Moment. Deine Aufgaben, deine Lebensumstände. Ich werde dafür Sorge tragen, dir die kindliche und naive Art auszutreiben, die in den letzten Jahrtausenden dein Leben bestimmte und ich werde dich zu dem machen, zu dem du geboren wurdest: die Fürstin von Aquata, die Wächterin deines Sternzeichens und die Vierte im Kreis der Zwölf.«

Bevor ich etwas erwidern konnte, stellte Cassy sich aufrecht vor die Geschworenen und sprach die letzten Worte, die meine Tante verabschiedeten. Die Worte, die sie gehen ließen. Die, die sie von uns nahmen und ihr ein neues Leben in den Sternen bescherten.

Wir ließen sie frei. Dem Glauben nach ins Universum zu ihrem Zeichen, dem Krebs. Von nun an würde sie zu einem der Sterne werden, der das Symbol komplettierte, einer, der über uns leuchtete und wachte. Jedoch besagte der Glaube ebenfalls, dass sie das erst konnte, sobald sie ihre Macht weitergab. Hatte sie das? Besaß ich sie? Warum fühlte ich es nicht? Es tut mir leid, Tante. Bitte verzeih mir. Ich wünschte, du könntest freikommen. Ich wünsche mir, dass Cassy recht hat und ich die Macht besitze.

Auf einem Boot fuhren wir nach Hause. Zuhause ... ein Wort, das ich nicht fühlte. Es war mir fremd und meine Brust zog sich zusammen, wenn ich daran dachte, nie wieder ich selbst sein zu können. Cassy brachte mich in den Palast, in dem sie lebte und in dem auch ich ab heute leben würde. Die Vorstellung, dort zu wohnen, mit ihr, verursachte mir Bauchschmerzen. Was kam auf mich zu? Was erwartete meine Schwester von mir? Könnte ich dem gerecht werden?

Cassy schwieg die Fahrt über. Sie starrte auf die Wellen des Ozeans, die fast schwarz aussahen, wenn sich Wolken vor den Mond schoben. Sobald sie weiterzogen, tauchte das Mondlicht das Wasser in einen Silberton. Ich wagte es nicht, etwas zu sagen, zu fragen, oder auch nur, einen Laut von mir zu geben. Eine Lüge ... ging es mir durch den Kopf. Wieso nur hatte ich gelogen? Ich hasste Lügen mehr als alles andere und nun war ich selbst eine verdammte Heuchlerin! Cassy würde es herausfinden und dann ... dann würde sie mich verstoßen, und was noch schlimmer war, meine Tante konnte meinetwegen nicht zu den Sternen reisen. Mir wurde ganz übel.

Um mich von den Gedanken abzulenken, die mir die Luft abschnürten, sah ich mich um. Noch nie zuvor hatte ich an Deck eines Bootes gesessen. Warum auch? Die Strecke, die wir zurücklegten, wäre ich lieber geschwommen. Stattdessen saßen wir an Deck der langen Gondel, die von acht Ruderern angestrengt über die Wellen hinweg bewegt wurde. Fische. Diese acht Männer gehörten den Fischen an. Das dritte und letzte Sternzeichen unseres Reichs.

Ich streckte die Hand aus, lehnte mich leicht über Bord und tauchte die Fingerspitzen ins Wasser. Ja, verdammt, schwimmen. Das war es, was ich wollte – schon seit ich ein kleines Mädchen war. Nicht in einem hübschen Kleid auf dem Boot sitzen und mich herumkutschieren lassen. Nicht Cassys strengen Blicken ausgesetzt sein. Nicht ... in einem Palast leben.

»Lehne dich nicht zu weit über den Rand!«, verlangte Cassy. Ich blickte zu ihr auf und erkannte, dass sie die Augen verdrehte. »Du fällst noch ins Wasser!«, nörgelte sie.

Na und?, hätte ich fast gefragt. Stattdessen starrte ich sie einfach an. Bleib ruhig, Amanda, Cassy hasst es, wenn man ihr Widerworte gibt!

»Ab jetzt hast du einen Ruf zu wahren«, fuhr sie fort.

Ich nickte, dabei knirschte ich mit den Zähnen, um mich selbst zu ermahnen, keine unbedachten Worte von mir zu geben. Normalerweise war ich nicht still, nicht ruhig, nicht so leicht zu dominieren. Es war Cassy, die mich dazu brachte. Sie war es, die mich einschüchterte. Bisher hatte es mich nicht gestört, immerhin war sie meine große Schwester und ich liebte sie – auf eine seltsame Weise. Aber bislang hatte ich auch nicht bei ihr gelebt, musste sie nicht täglich ertragen und nicht ständig machen, was sie verlangte. Diese Gedanken beunruhigten mich. Was, wenn ich nicht lange still sein konnte? Was, wenn ich ihr widersprechen würde? Sie war Aquatas Regentin, meine Regentin. Ich hatte ihr zu folgen!

»Ich werde dir eine Garde zur Verfügung stellen, die dich von nun an beim Schwimmen begleitet«, sprach sie weiter, ohne mich anzusehen.

»Ich brauche keine ...«

»Du, Amanda ...« Sie ließ mich nicht aussprechen. »... du bist nun eine der Zwölf, vergiss das nicht.«

Wie sollte ich es vergessen, wenn sie das ununterbrochen betonte?

»Nach dem, was mit Tante Liliana geschehen ist, will ich keine Gefährdung eingehen. Wir haben mächtige Feinde, vielleicht sogar in unseren eigenen Reihen. Wenn ich dir sage, dich begleitet eine Garde, dann gehorchst du!«

»Ja, Cassy.«

Weit beugte sie sich zu mir herüber und fügte leise hinzu: »Nenne mich nicht Cassy, wenn man uns sprechen hört.«

»Ja, Cassandra.«

Als kleines Mädchen war ich mehrmals im Palast gewesen, doch das war dreitausend Jahre her. Ich staunte, denn ich konnte mich kaum daran erinnern. Er stand mitten auf dem Wasser und glich einer Festung, die von Hunderten Kampfschiffen abgeschottet wurde. Unser kleines Boot fuhr zwischen den monströsen Frachtern hindurch auf ein Tor zu, das sich vor uns öffnete. Im Inneren erstreckte sich ein langer Kanal, in dem das Meerwasser ruhig wurde wie ein friedlicher See. Rechts und links verliefen Stege, auf denen man das Wasser verlassen konnte. Dahinter türmten hohe Säulen auf und zwischen ihnen befanden sich Türen und Tore, die zu anderen Teilen des Palastes führten. Hoch oben, unter der gewölbten Decke, ließen riesige Fenster das Mondlicht hineinscheinen und alles in dem Kanal mystisch aussehen.

An einem der Stege, auf den unser Boot zusteuerte, warteten bereits ein Dutzend sterbliche Krebs- und Fischdamen. »Das sind deine Bediensteten, Amanda, sie werden dich in dein neues Zuhause führen. Du bekommst eines der prächtigsten Gemächer des Palastes.«

Gerne hätte ich etwas erwidert, ihr gedankt oder mich verabschiedet, doch der ganze Ort ließ mich erneut erschaudern. Er war gigantisch.

Zwei Männer halfen mir, aus dem Boot herauszusteigen, als wäre ich selbst nicht dazu in der Lage. Vier Damen warteten am Rand und begleiteten mich durch die langen, breiten Flure. Es ging ein paar Stufen hinauf und weitere Korridore entlang. Ich wusste jetzt schon, dass ich mich mehr als einmal in diesem Palast verlaufen würde.

Dunkelheit störte uns Aquati nicht, dennoch hingen zahlreiche Kronleuchter von den Decken, die flackerndes Licht auf die Gemälde an den Wänden warfen. Es handelte sich um Abbildungen von ehemaligen Regentinnen, Fürstinnen und Ladys sowie ihren Familien. Vor dem Porträt meiner verstorbenen Tante blieb ich stehen. Der Künstler, der es angefertigt hatte, musste ein Genie sein. Er hatte sie bis ins kleinste Detail perfekt dargestellt. Ihre dunkelblauen Augen, das liebliche Lächeln, das sommerlich blonde Haar ... Es schien, als blickte sie mich an. Als würde sie mir, durch das Bild hinweg, direkt in die Seele blicken. Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus.

»Fürstin?«, flüsterte eine der Frauen leise, als hätte sie Sorge, mich zu verärgern. »Es ist spät.«

Darauf antwortete ich nicht, da es ohnehin keine Frage war. Dennoch sah sie mich an, als wäre es eine gewesen.

»Ich soll Euch das Gemach zeigen«, fuhr sie fort, vorsichtig, als besäße sie Angst, mich zu verärgern.

»Ja«, hauchte ich und wollte weitergehen, doch Lilianas Blick schien mich beinahe zu verfolgen. Erneut blieb ich stehen. »Wie war sie?«, fragte ich leise, ohne die Augen von dem Gemälde zu nehmen.

»Fürstin Liliana?«, fragte die Frau.

Ich nickte.

»Ihr kanntet sie länger, Fürstin.«

»Ich habe sie nur selten gesehen. Wie war sie als Herrscherin?«

»Sie war ein Krebs, Fürstin, genau wie Ihr. Manchmal konnte sie launisch sein, jedoch behielt sie das Herz stets am rechten Fleck.«

»Sie war gut zu euch?«

»Ja, sehr. Sie war fürsorglich und kümmerte sich um jeden, der Hilfe benötigte. Scherzhaft nannten die Angestellten sie, die gute Seele des Hauses.«

»Ich nehme an, dann ist meine Schwester die böse Seele des Hauses?«, fragte ich scherzhaft und konnte endlich den Blick von diesem Bild lösen.

»Nein!« Heftig schüttelte sie den Kopf. »Verzeihung, wenn es danach klang, Fürstin.« Die junge Frau wurde bleich.

»Ich habe einen Scherz gemacht«, erklärte ich.

Verwirrt starrte sie mich an. Ich konnte jede Silbe in ihren Augen ablesen: Ihr habt einen seltsamen Sinn für Humor. Allerdings würde sie es niemals aussprechen.

»Ich kenne meine Schwester«, beruhigte ich sie. »Sie kann anstrengend sein.«

»Regentin Cassandra ist eine gute Herrin.«

Ja ... ich war sicher, das musste sie behaupten. »Du bist ein Krebs?«, fragte ich und musterte sie.

»Ja, Fürstin.«

»Bringe mich auf mein Zimmer, bitte.«

»Sehr gerne.«

 

Der Krebs

Das vierte Tierkreiszeichen.

 

22. Juni – 23. Juli

 

Element: Wasser

 

Himmelskörper: der Mond

Der Krebs gilt als sehr gefühlvoll, einfühlsam und gütig, aber auch ängstlich und launisch.

Er neigt dazu, überempfindlich zu reagieren und sich viele Sorgen zu machen. Vor allem die Menschen, die ihm am Herzen liegen, will er vor Gefahren beschützen und schlägt dabei manchmal über die Stränge.

Der Krebs ist ein Romantiker, der von der großen Liebe träumt. Innigkeit, Ehrlichkeit und Treue sind für ihn das Wichtigste in einer Beziehung.

 

Kapitel 2

 

Die Bestattung war einen Tag her und ich hatte kaum geschlafen. Ununterbrochen hatte ich versucht, die Macht heraufzubeschwören, die man mir nachsagte. Die Kraft, die ich besitzen sollte. Die Energie, die meinen Körper durchfluten musste. Doch da war nichts, egal, was ich versuchte. Nicht einmal in den Träumen gelang es mir.

Zum ersten Mal sollte ich in einem Himmelbett schlafen. Goldene Stangen umrahmten es, grüne feine Stoffe fielen leicht darüber und wehten im Wind des offenen Fensters. Es sollte sich magisch anfühlen, doch für mich war es befremdlich. Anstatt ins Bett zu gehen, hatte ich mich in die Badewanne gelegt. Eine Zofe hatte es am Abend mit warmem Wasser gefüllt. Nun, Stunden später, wurde es kalt. Das Zimmer im Palast, das Cassy mir zukommen ließ, war riesig. Alle Möbel waren hell und kunstvoll verziert. Es war hübsch. Mehr als das, es war extravagant – und doch fühlte ich mich unwohl. Jahrhundertelang war ich in einer Grotte aufgewachsen, tief unter dem Ozean. Wie sollte ich auf einmal dieses Leben annehmen?

Bevor ich aus der Wanne aufstand, schloss ich noch einmal die Augen und dachte an mein altes Zuhause. Tief in einem Berg, weit unter der Meeresoberfläche, gefangen und doch frei ... Mit Aaron.

Es klopfte an der Tür. »Amanda, Eure Schwester wünscht, Euch zu sehen.«

»Komm herein!«, rief ich, ohne zu wissen, wen ich gerade dazu einlud, mich vollkommen nackt in der Wanne vorzufinden. Ich vermutete eine Zofe.

Eine junge Frau öffnete die Tür und riss die Augen auf, als sie mich in der Wanne antraf. Ihr Blick huschte hin und her, und sie rümpfte die Nase, als sie das unangetastete Bett erblickte. »Hat das Zimmermädchen Euer Bett nicht sauber hergerichtet?«

»Doch, aber ich bevorzuge es weniger elegant.«

»Ja ...«, sie stemmte die Hände in die Hüften, »... das sehe ich.« Auch sie besaß diesen strengen Ton, den ich von meiner Schwester kannte. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie ebenfalls ein Skorpion war. Ich erkannte es sofort an den grünen Augen und dem unbeugsamen Blick, doch im Gegensatz zu Cassy war sie eine Sterbliche. Jedoch hinderte es sie nicht daran, mich von oben herab anzusehen, als könnte ich ihr nicht das Wasser reichen.

»Seit wann sind Skorpione Angestellte?«, fragte ich.

Die Frau hob die Augenbrauen und musterte mich eingehend. »Ich bin nicht Euer Zimmermädchen, Fürstin. Ich wurde damit beauftragt, Euch zu lehren.«

»Mich zu lehren? Oder mich zu belehren?«

»Macht das einen Unterschied? Ich bin Eure Gouvernante.«

»Ich nehme an, du sollst mich zu einer feinen Dame erziehen?«

»Meine Aufgabe ist es, aus Euch das zu machen, zu dem Ihr geboren wurdet.«

»Wie ist dein Name?«

»Aliah Skorn.«

»Skorn ...«, murmelte ich. »Ein alter Familienname ...«

»Meine Familie dient seit vielen Generationen dem Palast, und ich trete mit Ehrfurcht in diese Fußstapfen.«

Noch einmal musterte ich sie. Das lange braune Haar, die grünen Augen. »Ich kannte früher eine Rita Skorn.«

»Das war meine Ururgroßmutter«, erklärte Aliah.

»Wir waren befreundet«, dachte ich laut nach. »Eine Zeit lang kam sie öfter in die Höhle, in der ich aufwuchs, um mir Cassys Briefe zu übergeben. Sie war ein liebes Mädchen.«

Aliah antwortete nicht, aber an ihrem Gesichtsausdruck erkannte ich die Neugier.

»Sie war ein wohlerzogenes Kind«, sagte ich deswegen. »Das bist du sicherlich auch.«

Aliah reckte das Kinn, wie es meine Schwester stets tat, und schmunzelte leicht. »Steigt endlich aus der Wanne heraus! Zieht Euch etwas Feines an und ich lasse ein Mädchen kommen, das Euch das Haar zurechtmacht. Die Regentin wird Euch nicht so ...«, mit dem Finger kreiste sie vor mir herum, »... empfangen wollen.«

Schon nach kurzer Zeit hatte Aliah mir ein blaues Kleid ausgesucht und ein Mädchen damit beauftragt, mir das Haar hochzustecken. Anscheinend hatte ich kein Mitspracherecht, was meine Kleiderwahl anging. Es war mir ohnehin egal. Wie mir auffiel, war Aliah nicht zufriedenzustellen. Ununterbrochen scheuchte sie die Angestellte herum und forderte sie ganze drei Mal auf, mein Haar neu zu frisieren, dabei fand ich jede Version meiner Frisur wunderschön und prächtig. Das Mädchen flocht mir kleine Muscheln zwischen die Strähnen, die im Licht der hereinscheinenden Sonne funkelten. »Mehr Muscheln!«, forderte Aliah streng. »Ihr Haar hat eine merkwürdige Farbe, das Silber der Muscheln muss herausstechen!«

Das junge Mädchen nickte eifrig und tat alles, was Aliah von ihr verlangte.

Eine merkwürdige Farbe? Ich schaute in den Spiegel. Obwohl mein Haar dunkelblond war, besaß es, wie das aller Aquati, einen bläulichen Schimmer, der je nach Lichteinfall unterschiedlich zur Geltung kam. Besonders im Mondschein reflektierte er stark. Aber im Gegensatz zu den anderen Wasserbewohnern ließ die Mittagssonne mein Haar rötlich wirken anstatt blau. Wahrscheinlich hatte Aliah das gemeint, als sie mein Haar als komisch beschrieb. Ich sagte nichts dazu und atmete einmal tief durch. Auf unterschwellige Beleidigungen nicht einzugehen, sollte ich mir angewöhnen, vor allem von den Skorpionen musste ich lernen, einiges zu ertragen. Das war wohl von nun an mein Leben.Vor dem Spiegel drehte ich mich und sah Aliah unzufrieden den Kopf schütteln. »Der kleine Fisch ist neu im Palast«, schnaubte sie, als ich ihr durch den Spiegel hinweg in die Augen sah. Jedoch schweifte mein Blick wieder an ihr vorbei. Aliah stand direkt vor dem Fenster, das die Sicht auf die Weiten des Ozeans freimachte. Sehnsucht überkam mich. Anstatt in diesem Zimmer zu stehen und zuzusehen, wie man mich zu einem Püppchen machte, wünschte ich mir zu baden. Ich wollte tief hinabtauchen, den Grund des Meeres erkunden, zwischen Delfinen und Walen schwimmen und die Freiheit genießen. Freiheit, die man mir, wie es aussah, heute nicht gönnte. »Eure Schwester wird nicht gänzlich unzufrieden sein«, hörte ich Aliah sagen, doch alles, was ich wahrnahm, war das Blau und das Grün des Wassers, das mich leise zu sich rief, die Wellen, die gegen die Mauern des Palastes schlugen, der Wind, der am Gebäude vorbeipfiff, sowie die Möwen, die kreischend am Fenster vorbeiflogen. »Du! Kleiner Fisch ...«, ertönte Aliahs Stimme strenger und lauter, sodass meine Aufmerksamkeit wieder auf sie gelenkt wurde. »... gehe und lasse der Regentin ausrichten, dass die Fürstin bereit ist.«

Kleiner Fisch ... Ich sah das Mädchen an, das schüchtern nickte und eilig zur Tür rannte. »Wie heißt du?«, rief ich ihr hinterher.

Erschrocken drehte sie sich um. »Mel.«

»Mel, ein schöner Name«, lächelte ich. »Arbeitest du schon lange hier?«

Unsicher blickte sie zwischen Aliah und mir hin und her, als bräuchte sie die Erlaubnis der Gouvernante, um mir zu antworten.

»Beantworte die Frage der Fürstin!«, befahl Aliah.

Schließlich starrte Mel auf den Boden. »Seit einem Jahr, Fürstin Amanda«, flüsterte sie, ohne mir in die Augen zu sehen. Die Sonne, die durch das Fenster hereinschien, schimmerte auf der Haut des Mädchens, als besäße sie winzige, fast unerkennbare Schuppen, die in allen Farben aufleuchteten. Die Fische empfand ich als die Schönsten unserer Art. Das lange bläuliche Haar des Mädchens harmonierte mit ihren eisblauen Augen, als sie für eine Sekunde aufsah. Ich suchte ihren Blick, doch sie wich mir erneut aus.

»Und jetzt mach, was ich dir gesagt habe«, forderte Aliah.

»Du wolltest mich sehen, Cass...andra.«

Gerade als ich zur Tür hereintrat, zog ein junger Kerl die Hose hoch und grinste mich verstohlen an. Cassy saß auf der Fensterbank und nippte an einem Glas Wein, während sie hinausstarrte. Sie trug lediglich einen dunklen Morgenmantel, der ihr kaum über die Schenkel reichte, und sie hatte die Beine angewinkelt. Der junge Mann knöpfte hastig die Knöpfe seines Hemdes zu und huschte wortlos an mir vorbei.

Ich sagte nichts, sondern wartete, bis er die Tür hinter sich schloss.

Mit einem leeren Blick drehte Cassy den Kopf zu mir herum und musterte mich. Schließlich nickte sie zufrieden.

»Man sagte mir, du möchtest mich sehen. Ich wusste nicht, dass du in Gesellschaft warst ...« Das Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen.

Cassy verdrehte die Augen und stand auf. Den Mantel ließ sie vorn offen. »Heute möchte ich dir etwas Besonderes zeigen, Amanda«, sagte sie und stellte den Wein ab.

»Wer ist der Mann?«, hakte ich nach. Denn obwohl ich mich zügeln sollte, war meine Neugier stärker als der Drang, Cassy nicht zu verärgern. Mit einem Kopfnicken deutete ich zur Tür, durch die eben der hübsche Kerl verschwunden war. »Dein Liebhaber?«

»Schon in zwei Tagen findet die monatliche Sitzung statt und du musst vorbereitet sein«, überging sie meine Frage.

»Cassy ...« Ich wackelte mit den Augenbrauen. »Sag schon, ist es ernst?«

Laut begann sie zu lachen und zuckte mit den Schultern. »Ernst?« Sofort fiel mir auf, dass das Lachen nicht ihre Augen erreichte. »Er ist ein Sterblicher, hast du das nicht erkannt?«

»Doch schon, aber ...«

»Nichts aber!« Offensichtlich genervt ging sie an den Schrank und suchte sich ein Kleid heraus. »Wir treffen heute den obersten Geschworenen, der sich mit dir unterhalten möchte. Du warst noch nie in der Bastei, stimmts?«

»Nein.«

»Du wirst beeindruckt sein. Es ist das schönste und prächtigste Gebäude des Reiches.«

»Prächtiger als dieser Palast?«

»Eines musst du wissen, Amanda«, überging sie erneut meine Frage. »Der junge Geschworene wird dort sein, der bei der Bestattung zu viele Erkundigungen über dich einholen wollte. Du wirst nicht ...« Streng betrachtete sie mich, während sie schwarze Seidenunterwäsche anzog. »... unter keinen Umständen, wirst du eine seiner Fragen beantworten!«

»Wieso?«

»Weil ich es sage!«

»Was hat das alles zu bedeuten?« Mein Bauch begann zu schmerzen. Wusste dieser Mann, dass ich bei der Machtübergabe nichts gespürt hatte? Konnte ein Geschworener meine Lügen erahnen?

»Er ist der Meinung, du hättest gelogen, Amanda.«

Habe ich auch. Meine Stimme wurde ungewollt leiser: »Wie kommt er darauf?«

»Weil ...« Cassy nagte auf ihren vollen Lippen herum, die ein natürliches, dunkles Rot besaßen, sodass sie niemals Lippenstift auftragen musste. »Er ist noch jung und will sich beweisen. Er glaubt, ich will meine Macht festigen, indem ich meine eigene Schwester in den Kreis der Zwölf hole.«

»Ist das so, Cassy?«

»Denkst du, ich würde das Universum übergehen?« Ernst betrachtete sie mich. »Denkst du, ich würde eine Lüge in die Welt setzen? Denkst du, ich würde ...«

»Ist schon gut, Cassy, ich denke nichts von all dem.«

»Ich sagte dir, Schwester, wir haben mächtige Feinde und nach der Ermordung unserer Tante, will ich nur das Beste für das Reich. Ich lasse nicht zu, dass ein kleiner Geschworener die Tradition zunichtemacht, weil er etwas beweisen muss.«

»Und wenn er recht hat?«, entfuhr es mir. »Was, wenn ich nicht das bin, was alle von mir erwarten?«

»Amanda ...«, ungewohnt sanft sprach sie meinen Namen aus. »Du bist dreitausendundzwanzig Jahre alt. Was sollst du sein, wenn nicht die Vierte im Kreis? Was könntest du sein, wenn nicht eine von uns? Ein Krebs, eine Langlebige! Du bist es!«

»Ich weiß nicht, Cassy ...«

»Würdest du ein normales Wesen sein, wärst du längst tot, genau wie unsere Eltern, und all unsere Geschwister. Du bist der Krebs. Ich weiß es!«

»Cassy, ich ...« Wie sollte ich es beichten? »Ich ...«

»Du hast nichts gespürt, habe ich recht?«

Leicht schüttelte ich den Kopf.

»Denkst du, das wüsste ich nicht?«

»Du wusstest das?« Erleichtert atmete ich aus.

»Es kann noch kommen. Tante Liliana hat dir die Macht gegeben. Nur weil du sie nicht sofort gespürt hast, bedeutet das nicht, dass du sie nicht besitzt.«

Ein Stein fiel mir vom Herzen.

»Weißt du, Amanda, es ist komplizierter, als du glaubst ...« Cassy schlüpfte in ihr schwarzes Kleid und drehte mir den Rücken zu. Mit der Hand schob sie das lange braune Haar zur Seite, damit ich die Knöpfe zumachen konnte. »Alles hat einen Plan. Das ganze Universum steckt voller Überraschungen. Vielleicht musst du dich mehr anstrengen.«

»Was soll das bedeuten?«

»Du willst nicht der oberste Krebs sein, Amanda, das spüre ich. Du möchtest lieber in den Meeren herumspringen und mit deinen Freunden schwimmen. Du verweigerst deine Bestimmung. Vielleicht ist das der Grund, weswegen du nichts fühlst.«

»Ging es dir ebenfalls so?« Ich knöpfte den letzten Knopf ihres Kleides zu.

»Nein.« Schwungvoll drehte sie sich wieder zu mir herum und warf das Haar zurück, wobei es aufwehte und mir fast ins Gesicht peitschte. Obwohl es dunkelbraun war, besaß es den typischen blauen Schimmer der Aquati. »Als man mir die Macht übergab, war ich bereit. Ich verstand, dass ich dazu geboren wurde, dieses Reich zu regieren. Ich wusste, was ich bin und was ich sein muss. Eine Regentin! Und du musst das ebenfalls begreifen. Du wirst zur Fürstin, Amanda, und du stehst, gleich nach mir, an zweiter Stelle.«

»Warum wurdest du darauf vorbereitet und ich nicht, Cassy? Wieso hast du mich drei Jahrtausende lang in dieser Höhle versteckt?«

Mit einem Seufzer trat sie ans Fenster und blickte hinaus. Lange schwieg sie, aber schließlich sagte sie leise: »Ich wollte dich behüten, Amanda. Du bist alles, was ich habe. Es tut mir leid, dass du in dieser entsetzlichen Höhle leben musstest ...«

»Nein, Cassy!« Schnell ging ich auf sie zu und schlang von hinten die Arme um sie. Fest drückte ich mich an sie, auch wenn sie sich wehrte. »Es war ein schönes Leben, ich bereue nichts. Ich liebe diese Höhle und den Ozean, in dem ich täglich schwimmen durfte. Ich liebe die Freunde, die ich dort hatte, auch wenn sie alle längst verstorben sind. Niemals werde ich sie vergessen, niemals werde ich aufhören, an sie zu denken. Niemals werde ich aufhören ...« Eine Träne lief meine Wange herab und fiel auf Cassys Schulter. »Niemals werde ich ...«

Ich konnte es nicht aussprechen, doch meine Schwester drehte sich zu mir herum und nickte wissend: »Du wirst ihn niemals vergessen, das weiß ich.«

»Ja ...«

»Das alles ist vorbei, Amanda. Nun bist du hier, bei mir, und ich werde dich jederzeit beschützen.«

»Denkst du, man könnte mir etwas anhaben wollen? Glaubst du, jemand will mich töten, wie Tante Liliana getötet wurde?«

»Ich weiß es nicht«, seufzte Cassy. »Ich will nur, dass es dir gut geht.«

Es war selten, dass ich meine Schwester derart gefühlvoll erlebte, und es hielt auch nicht lange an. Abrupt drehte sie sich herum und reckte das Kinn. »Und nun lass uns gehen, Amanda. Du wirst heute die Bastei sehen.«

 

Der Skorpion

Das achte Tierkreiszeichen.

 

24. Oktober – 22. November

 

Element: Wasser

 

Himmelskörper: Pluto und Mars

Der Skorpion ist ein Meister der Selbstbeherrschung, er gilt als kraftvoll und leidenschaftlich, stolz und oft eigenwillig. Er lässt sich nicht gern in die Karten schauen und ist ein großer Taktiker.

Er ist immer mit Herzblut bei der Sache und erwartet das ebenso von anderen, was oft hohe Erwartungen weckt, denen man erst einmal gerecht werden muss.

Fremde werden vom Skorpion auf Herz und Nieren geprüft. Wenn jemand sich über Jahre hinweg als loyal zeigt, hält der Skorpion aber auch bedingungslos zu ihm und erwartet natürlich im Gegenzug dasselbe.

 

Kapitel 3

 

Aliah führte mich an Bord des Ruderbootes und setzte sich neben mich. Auch Venta reiste mit uns zur Bastei. Sie war der oberste Fisch, die Lady, die zwölfte im Kreis und eine Schönheit wie alle ihre Artgenossen. Das lange bläuliche Haar strahlte im Licht der Sonne fast silbern und ihre Haut schimmerte in allen nur erdenklichen Farben. Neben ihr saß Derees, ein junges Mädchen, das Cassy im Palast aufgenommen hatte. Ihr Schützling. Es war das erste Mal, dass ich sie sah. Ein kleiner, langlebiger Skorpion, der eines Tages in Cassys Fußstapfen treten würde. Die zukünftige Regentin.

»Wie alt bist du?«, fragte ich das Mädchen.

»Fünfhundertsiebenundzwanzig Jahre«, antwortete sie, während sie auf den Ozean starrte.

»Und woher kommst du?«

»Luft.«

»Derees kam vor über fünfhundert Jahren zu mir«, erklärte Cassy. »Mit der Auslese wurde sie mir zugeordnet. Es war offensichtlich, dass sie mein Schützling ist.« Liebevoll betrachtete meine Schwester das Mädchen und strich ihr eine lange Haarsträhne hinters Ohr. Mir wurde ganz schwer ums Herz. Cassy sah den jungen Skorpion an, wie ich von ihr angesehen werden wollte. Voller Stolz.

»Wieso ist sie hier?«, entfuhr es mir.

»Weil sie zu mir gehört, Amanda!«

»Ich meine ... ich wurde Jahrtausende lang versteckt, warum nicht sie?«

Wütend blinzelte Cassy und warf mir eindeutige Blicke zu. »Das ist etwas anderes.«

»Wieso?«

»Deine kindische Eifersucht ist nicht angebracht, Amanda.«

»Das ist keine Eifersucht, ich will es nur verstehen.«

»Ich muss Derees ausbilden, damit sie eines Tages in meine Fußstapfen treten kann, falls mir etwas geschieht.«

»Wieso wurde ich nicht vorbereitet? Warum hat Tante mich nie ausgebildet?«, fiel ich ihr ins Wort.

Cassy schnaubte und ihre Augen sprühten grün schimmernde Funken. »Das ist nicht der Zeitpunkt, um zu diskutieren, Amanda!«

Einen Moment sammelte ich meine Gefühle. Es machte mich wütend, dass Cassy mir keine richtigen Antworten gab. Ich versuchte, gelassen zu bleiben, auch wenn es mir schwerfiel. »Schwimmst du gerne?«, ersuchte ich ein Gespräch mit Derees, um mir die Unzufriedenheit nicht anmerken zu lassen.

Sie reckte das Kinn, wie Cassy es stets tat, und sah mich merkwürdig an. »Ja.«

»Möglicherweise könnten wir morgen zusammen tauchen gehen ...«, schlug ich vor, damit meine Schwester nicht glaubte, ich sei eifersüchtig.

»Amanda!«, seufzte Cassy.

»Was denn?«

Cassy sah zu Aliah: »Sieht der Stundenplan für meine Schwester stundenlanges Schwimmen vor?«

»Nein, Regentin«, antwortete Aliah ernst.

»Ein Stundenplan?« Ich runzelte die Stirn.

»Du wirst zur Fürstin ausgebildet, zu einer Herrscherin, Amanda«, sagte Cassy scharf. »Es wird kaum Zeit geben, herumzupaddeln wie ein verirrter Seelöwe. Weder für dich noch für Derees.« Mit dem Kinn deutete sie auf das Mädchen. »Sieh dir meinen Schützling an, sie hat einen strengen Tagesplan, den sie brav einhält.«

»Hat sie ebenfalls eine Gouvernante?«, wollte ich wissen.

»Nein, sie hat mich.«

Von Weitem erkannte man bereits einen hohen Felsen, auf dem eine Festung stand, die von Mauern umrahmt wurde. Viele Türme reichten weit in den blauen Himmel hinein, mit Balkonen, die sich spiralförmig darum drehten, auf denen Wachmänner standen. Es schien, als wäre die Festung in stufenförmige Ebenen unterteilt, die man nur über breite Treppen erreichen konnte. An jedem Rand dieser Plateaus befanden sich kleine Bäche und Wasserfälle, die herunterplätscherten.

An einem Hafen sprangen die ersten Ruderer von Bord und zerrten unser Boot ans Ufer, wo sie es festbanden. Ein breiter Steg verlief weit ins Wasser hinein und wurde niedriger, bis er die Wasseroberfläche berührte. Er führte in eine winzige Stadt unterhalb der Festung.

Andere Boote wackelten auf den Wellen, die ebenfalls an Seilen befestigt wurden. Laute Rufe von Hafenarbeitern waren zu hören, und überall lag der Geruch von Salz und Fisch in der Luft. Die Sonne schien warm auf uns herab, als wir aus dem Boot stiegen und den Steg entlanggingen.

Cassy ließ einen unzufriedenen Blick über mich schweifen und wandte sich an meine Gouvernante: »Amandas Frisur gefällt mir in diesem Licht überhaupt nicht! Besorge ihr an einem der Marktstände ein Tuch, mit dem wir ihr Haar verdecken können.«

Spinnt sie jetzt? Schockiert starrte ich sie an. Diese Frisur war die prächtigste und schönste, die ich jemals getragen hatte. Normalerweise ließ ich das Haar offen und es wurde vom Salzwasser und von Algen verfilzt. Mit diesen hochgesteckten, und seidig weich gekämmten Haaren sowie in dem hellblauen Kleid fühlte ich mich zum ersten Mal wie etwas Besonderes.

Während Aliah losrannte, um Cassys Wunsch Folge zu leisten, gingen wir eine kleine Gasse entlang, an der rechts und links Waren auf Holzdroschken und langen Tischen angeboten wurden. Von frischem Fisch über Meeresfrüchte bis hin zu Hummer war alles dabei und ich spürte, wie mir das Wasser im Mund zusammenlief. Aber auch Stoffe und Schmuck wurden angeboten, Waffen, und Haushaltsartikel wie Schüsseln, Teller oder Besteck.

Derees quiekte neben mir auf wie ein junger Seehund, sodass ich mich erschrocken zu ihr herumdrehte. Für einen Moment hatte ich geglaubt, jemand hätte ihr ein Messer in den Rücken gerammt, so entsetzlich laut hatte sie aufgejapst. An einem Marktstand klatschte sie entzückt in die Hände, während ihre Augen aufleuchteten wie der Ozean bei Sonnenaufgang. Mit dem Zeigefinger deutete sie auf ein Armband aus türkisfarbenen Saphiren, die an einer goldenen Kette befestigt waren. »Das ist ja hübsch!« Mit riesigen Augen drehte sie sich zu meiner Schwester herum. »Darf ich es haben?«

Cassy legte ein breites, ungewohntes Lächeln auf und nickte: »Aber natürlich, mein Liebes. Die Edelsteine harmonieren mit deinen Augen, es wird dir ausgezeichnet stehen.«

Damit sie nicht sehen konnten, wie ich mit den Augen rollte, drehte ich mich von ihnen weg. Einer der Wachmänner, die uns begleiteten, hatte es gesehen und schmunzelte mir belustigt zu. Leise gluckste er, während er mir zuzwinkerte.

»Danke, Cassy!«, quiekte Derees auf und im Augenwinkel erkannte ich, wie sie meiner Schwester um den Hals fiel.

Danke, Cassy, äffte ich sie in Gedanken nach. Warum durfte sie Cassy sagen, obwohl fünf Wachen sowie Venta danebenstanden? Und mir hatte man befohlen, sie Cassandra zu nennen!

»Hier ist ein hübsches Tuch!«, rief Aliah von Weitem. In der Hand hielt sie ein hellblaues Seidentuch, das im Wind wehte, während sie geradewegs auf mich zu steuerte. Bevor ich etwas erwidern konnte, stellte sie sich vor mich und legte es über mein Haar. »Viel besser«, erklärte sie dabei. Ja ... viel besser ... Ich werde versteckt wie ein hässliches Wesen, für das sich alle schämen.

Langsam wurde es schwer, meine Gedanken nicht auszusprechen, dabei befand ich mich erst seit zwei Tagen in diesem neuen Leben. Oje ... wie sollte ich das nur Jahrtausende lang aushalten? Stets brav lächeln und niemals sagen, was mir durch den Kopf ging? Keine ironischen Kommentare abgeben, jeden Tag herausgeputzt werden wie ein Püppchen, auf stundenlange Tauchgänge verzichten? Plötzlich verspürte ich Einsamkeit und bekam Heimweh nach meiner Höhle. Es fühlte sich an wie ein Stein, der auf meiner Brust lag, auf meinem Herzen. Er wurde zunehmend schwerer und begann, mir die Luft abzuschnüren.

»Amanda! Kommst du endlich?«, rief Cassy, die mit den anderen bereits weitergegangen war.

Ich schlenderte ihnen hinterher und verdrängte das dumpfe Gefühl in der Magengegend, so gut ich konnte. Sehnsüchtig starrte ich dabei auf den Ozean, den ich so sehr vermisste. »Ist alles in Ordnung, Fürstin?«, fragte der junge Wachmann, der hinter mir lief und mich bewachen sollte.

»Alles bestens«, murmelte ich und trottete weiter auf dem Weg zur Festung.

»Ihr seht bekümmert aus.«

Nun blieb ich stehen und drehte mich zu ihm herum. Es war der Kerl, der sehen konnte, wie ich die Augen verdreht hatte. Ein Krebs, wie mir sofort auffiel. Ein hübscher, großer und muskulöser Krebs-Mann. Liebevoll lächelte er mich an. Ein Sterblicher ... »Mir geht es hervorragend!«, sagte ich gespielt fröhlich.

»Das freut mich.« Sein Grinsen wurde breiter und seine blauen Augen leuchteten auf.

Flirtete er mit mir? Ich befürchtete, dass meine Wangen rot wurden. Er ist ein Sterblicher, Amanda, hämmerte ich mir ins Bewusstsein. Nur ein Sterblicher ... Auf einmal wurde mein Herz noch schwerer und meine Brust zog sich zusammen. Nett lächelnd drehte ich mich wieder nach vorn und ging weiter. Mit aller Gewalt versuchte ich, mich abzulenken. Mein Schritt wurde schneller, bis ich zu den anderen aufholte.

Cassy und Venta unterhielten sich über die Bastei und Derees lief neben ihnen her, während sie den Arm im Licht der Sonne hin- und herdrehte und ihr neues Schmuckstück bewunderte.

Aliah wurde etwas langsamer, bis sie neben mir herging und musterte mich eingehend. »Bleibt stehen, Fürstin«, wies sie mich an.

Mit einem Schnauben tat ich, was sie wollte, und sah dabei zu, wie sie mit den Fingern an meinem Kopf herumfummelte. Sie rückte das Tuch zurecht und nahm eine Spange aus ihrem eigenen Haar, mit der sie den Stoff an meinem Schopf befestigte. »Ich möchte nicht, dass es herabrutscht.«

»Ich auch nicht«, murmelte ich sarkastisch. »Es wäre schrecklich, wenn jemand die wahre Amanda sieht.«

»Dann sind wir uns ja einig!«

Innerlich lachte ich auf, doch äußerlich gab ich mich ruhig. Aliah ging weiter, ich blieb noch einen Moment stehen und schnaufte durch. »Ich finde Euer Haar wundervoll«, ertönte eine Stimme hinter mir.»Es hat eine ganz besondere Farbe, fast rötlich in diesem Licht.«

Mit einem Lächeln, und höchstwahrscheinlich knallroten Wangen, drehte ich mich zu ihm herum. »Danke. Aber es ist sicherlich nicht deine Aufgabe, mir Komplimente zu machen.«

Ein süßes Grinsen legte sich auf seine Lippen. »Ich sage nur die Wahrheit.«

Ich war nicht gut darin, mich mit Männern zu unterhalten. Es war viel zu lange her, seit ich einem Mann nähergekommen war oder auch nur mit einem geflirtet hatte. Deswegen drehte ich mich einfach um und ging weiter. Ab und zu schaute ich nach hinten zu ihm.

»Bin ich zu weit gegangen?«, riss er mich aus meinen Gedanken?

»Wie bitte?«

Er lächelte, das hörte ich in seiner Stimme, selbst wenn ich ihn nicht ansah. »Ich meine, habe ich Euch verärgert?«

»Nein, nein!«, sagte ich und beschleunigte den Schritt.

Es ging eine lange Treppe hinauf, bis wir endlich an einem Tor standen, das durch die Mauern hindurch in den Hof der Festung führte.

»Herzlich willkommen, Regentin!«, rief eine laute und eindrucksvolle Stimme. Einer der Geschworenen, der auch bei Tante Lilianas Bestattung anwesend gewesen war, lief den Hof entlang auf uns zu. Er war sehr alt, der graue Bart wuchs ihm bis zur Brust. Er trug einen langen weißen Kaftan, der bis auf den Boden reichte, und seine grauen Augen musterten mich: »Fürstin Amanda ...« Den Kopf neigend faltete er die Hände vor der Brust. »Schön, Euch offiziell kennenzulernen.«

»Das ist unser Astrologus, Gerald, aber du wirst ihn nur mit Oberster ansprechen«, erklärte Cassy. »Er ist das Oberhaupt der Bastei.«

»Und was genau bedeutet das?«, wollte ich wissen.

Der Oberste lächelte. »Die Geschworenen stehen unter meiner Leitung.«

»Ich meinte das andere Wort. Astrologus?«

»Es ist die letzte Ausbildung eines Geschworenen«, erklärte meine Schwester. »Es bedeutet, der Oberste hat das Ziel seines Daseins erreicht.«

»Das verstehe ich nicht. Muss er nun sterben?«

Derees lachte mich aus, während Venta leise gluckste.

»Nein, Amanda.« An Cassys Stimme erkannte ich, dass sie genervt war von meiner Fragerei, deswegen fragte ich nicht weiter.

Der Oberste schmunzelte und wandte sich an Venta. »Lady ...« Die stille Fischdame nickte schüchtern und erwiderte nur kurz seinen Blick. »Und der kleine Skorpion ist ebenfalls dabei«, rief er entzückt und betrachtete Derees. »Sie hat sich gemacht, Cassandra. Derees wird eines Tages eine große Regentin werden.«

Ich versuchte mich wirklich zusammenzureißen – ja wirklich! – und nicht die Augen zu verdrehen, doch plötzlich machte Derees einen Knicks vor dem Mann und es wurde schwer, mir ein Lachen zu verkneifen.

»Ein reizender und perfekter kleiner Schützling«, sprach der Alte weiter.

Ja ... sie ist ja so perfekt ...

»Nun, Oberster«, begann Cassy. »Ich bin hier, um meiner Schwester die Bastei zu zeigen.«

»Das freut mich«, sprach der oberste Geschworene und musterte missmutig mein Kopfgewand.

»Amanda verträgt die Sonne nicht sehr gut«, behauptete Cassy rasch, als sie seine Blicke bemerkte. »Sie bekommt leicht einen Sonnenstich.«

»So, so ...«, murmelte er und zwirbelte mit den Fingern an dem langen Bart herum, während seine Augen tief in die meinen starrten. »Merkwürdig ...«

»Bald steht das monatliche Treffen an und die jährliche Auslese«, sprach Cassy weiter. »Meine Schwester muss auf alles vorbereitet werden, und was eignet sich besser als ein Ausflug zur Bastei?« Sie klatschte in die Hände. »Lasst uns keine Zeit verschwenden!«

Auf der Stelle rannten Angestellte der Festung umher, Wachmänner machten uns Platz und der Oberste nickte eifrig, verbeugte sich nochmals und deutete auf den Weg zu einem Nebengebäude. Cassy ging voraus, über den Hof hinweg, als wäre sie bereits Hunderte Male hier gewesen. Dabei steuerte sie auf eine goldene Tür zu, die von zwei kräftigen Männern aufgeschoben wurde.

Selbst wenn Cassy schnellen Schrittes lief, bewegte sie sich elegant und graziös. Leicht wie eine Feder, die vom Wind über den Boden getragen wurde. Meine Schwester faszinierte mich, das hatte sie schon immer getan. Egal ob sie Befehle erteilte, mit den Geschworenen diskutierte oder lediglich über einen Hof marschierte, sie hinterließ Eindruck, zog alle Blicke auf sich und fand Bewunderung. Sie war die perfekte Regentin. Eine starke und unabhängige Frau, eine eindrucksvolle Herrscherin. Schmunzelnd betrachtete ich Derees, die hinter Cassy herlief und ebenfalls versuchte, elegant zu wirken. Mir entging nicht, dass sie alles nachmachte, was Cassy tat.

Jedoch wurden diese Gedanken schnell abgelenkt. Plötzlich fühlte ich mich beobachtet, und wie ich bereits wusste, täuschte mich meine Intuition selten. Rasch drehte ich den Kopf hin und her, und erkannte schließlich jemanden in der Ecke des Innenhofs stehen: der neugierige Geschworene, vor dem Cassy mich gewarnt hatte! Er stand etwas abseits und lehnte sich lässig an eine Wand. Während jeder andere Mann meiner Schwester hinterhersah, ließ dieser Kerl düstere Blicke über mich schweifen. Ein seltsames Gefühl überkam mich. Angst war es nicht. Eher Unsicherheit oder Argwohn. Ja, das musste es sein!

Schnell schüttelte ich dieses Gefühl ab und ging hinter meiner Schwester her. Als wir vor der riesigen Tür stehen blieben, kam der Oberste ebenfalls nach und stellte sich neben uns. »Jaxon!«, rief er und winkte jemanden mit der Hand zu uns.

Jaxon? Ich sah nach rechts. Der junge Mann stieß sich von der Wand ab und kam gelassen auf uns zu. Noch immer sah er mich an. Wieso machte er mich misstrauisch? Weil Cassy mich vor ihm gewarnt hatte? Sie behauptete, er wollte sich beweisen. Aber was hatte das mit mir zu tun?

Cassy drehte, ebenfalls argwöhnisch, den Kopf zum Obersten. »Was macht der hier?«

»Er ist mein Protegé«, erklärte der Oberste.

»Er?« Sie machte keine Anstalten, ihre Abneigung gegen ihn zu verbergen. »Dieser Junge?«

»Ich bin kein Junge«, knurrte er leise, was Cassys Unzufriedenheit nur bestärkte. Niemand widersprach ihr!

Der Oberste hob beschwichtigend die Hand. »Er ist der jüngste Geschworene, den wir jemals hatten, und ich bilde ihn persönlich aus. Seine Leistungen sind vielversprechend, Regentin.«

»Dass er zu jung ist, weiß ich ebenfalls!«, zischte Cassy. »Habt Ihr ihn nicht bestraft für die Frechheiten, die er bei der Bestattung von sich gab?«

»Seht es ihm nach«, lächelte der Oberste. »Ich bilde ihn noch aus.«

Mit einem zuckersüßen Lächeln, das eindeutig gespielt war, sagte sie: »Nun gut, lasst uns hineingehen.«

Es ist das prächtigste Gebäude in unserem Reich, hatte Cassy gesagt. Was man von außen nicht erkannte, wurde allerdings im Inneren bestätigt. »Heilige Fischkacke!«, entfuhr es mir, als sich die Tür zur Festung öffnete.

»Amanda!«, fuhr Cassy mich sofort an.

»Entschuldigung ...«, murmelte ich, während Venta sich ein Lachen verkniff und auch Derees belustigt gluckste.

»Diese geschmacklose Art, zu sprechen, wird Amanda als Erstes ausgetrieben«, wandte Cassy sich schnippisch an Aliah.

»Ja, Regentin.«

»Die Sterblichen müssen draußen bleiben!«, wies der Oberste an und deutete auf unsere Garde.

»Selbstverständlich!«, sagte Cassy und nickte Aliah wissend zu, die einen Schritt zurücktrat.

Es ging eine Stufe hinab, in seichtes Wasser hinein, das mir bis zu den Knöcheln reichte. Tausende kleine, bunte und leuchtende Fische schwammen umher und sprangen über die Wasseroberfläche. Ähnlich wie im Palast, befanden sich auch hier zahlreiche Säulen, die die Festung stützten. Alles schimmerte in einem Blauton, obwohl kaum Fenster vorhanden waren. An den Wänden, weit von mir entfernt, stürzten tosende Wasserfälle hinab in eine tiefe Schlucht.

Ich stand schon im Wasser, mein bodenlanges Kleid sog sich allmählich damit voll und meine Zehen genossen das kühle Frisch, als Cassy plötzlich eine Handbewegung machte und das Wasser zu beiden Seiten teilte. Erst als es sicher vor dem anscheinend hochgiftigen Element war, nahm auch Cassy die Stufe nach unten und ging an mir vorbei. Meine Schwester benahm sich, als sei Wasser etwas, das man meiden müsse. Doch das war es nicht, es war schließlich unser Element! Dennoch sagte ich nichts, auch wenn es mir schwerfiel. Stattdessen sah ich mich erstaunt um. Alles glich einem Palast, einem Mysterium. Wo kam das Licht her? Wohin führte das Wasser, das von den Wänden hinabstürzte? Warum leuchteten die Fische wie kleine, bunte Sterne?

»Hier entlang, Amanda!«, ertönte die strenge Stimme meiner Schwester, die bereits am hinten Ende des Eingangsbereichs stand. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!« Sie öffnete eine weitere Tür und wartete ungeduldig. »Möchtest du hier übernachten?«

»Nein ...« Schnell ging ich auf sie zu und wir durchquerten einen langen Flur, von dem aus rechts und links weitere Türen abgingen. Einige standen offen und ich schielte während des Vorbeigehens hinein. In fast jedem Raum befanden sich Regale mit Büchern. An einem großen Tor standen weitere Geschworene, die uns den Eingang öffneten.

Keine Sterblichen, hatte der Oberste ausdrücklich gesagt. Nicht einmal sterbliche Wachen befanden sich hier. Lediglich Venta, Derees, Cassy und ich sowie die Geschworenen waren befugt, diese Räume zu betreten.

»Hier entlang, Amanda«, wies Venta mich an und ich folgte ihr den langen Flur hinweg auf eine Tür zu. Auch vor dieser standen zwei langlebige Männer. »Öffnet der Regentin die Tür!«, wies der Oberste an.

Sie zogen an den schweren Flügeltüren, die mit einem lauten Quietschen aufgingen. Cassy setzte als Erstes einen Fuß hinein. Derees wollte ebenfalls eintreten, doch Venta hielt sie zurück. »Du nicht.«

»Aber wieso?« Mit großen Augen sah sie uns an.

»Heute wirst du nicht dabei sein«, ertönte Cassys Stimme aus dem Inneren des Raumes.

Trotzig schnaubte Derees, jedoch so leise, dass nur ich es hörte, da ich genau neben ihr stand.

»Du wartest hier, Derees!«, befahl Venta ihr, ging hinein und winkte mich zu sich.

Ich folgte. Dicht hinter mir traten auch der Oberste und sein Protegé ein, der die Tür nach uns abschloss und sich daran anlehnte.

Ein paar Schritte ging ich weiter, bis Cassy und Venta stehen blieben. Ich starrte auf einen langen Altar. Der Raum war hell, obwohl es kein einziges Fenster gab. Der Oberste stand neben mir, während Cassy auf mich zuging und sich mir gegenüberstellte. Ernst sah sie in meine Augen, die Hände legte sie mir auf die Schultern. »Sieh nah oben, Amanda.«

Mein Blick glitt hinauf zu den hohen gewölbten Decken und ich keuchte erstaunt auf. Heilige Fischkacke! Diesmal sprach ich es nicht aus. Kleine Lichter sammelten sich unterhalb der Wölbungen und leuchteten wie der Sternenhimmel. Ein Zeichen. Der Skorpion. Das erste Sternbild unseres Reiches. Es war eindrucksvoll, genau wie Cassy. Mein Blick wanderte wieder hinab, in ihre grünen Augen. »Unglaublich ...«, hauchte ich.

Sie lächelte und mein Herz ging auf. »Und jetzt du, Amanda.«

»Ich? Was?«

»Ja. Du.« Selbstsicher nickte sie mir zu. »Du kannst das, bringe den Krebs hinauf an die Decke.«

»Aber wie ...«

»Psst ...«, machte sie und schloss die Augen. Ihre Hände fuhren meine Schultern hinab, bis zu meinen Fingern, welche die ihren fest umschlossen. »Konzentriere dich.« Ganz leicht spürte ich Cassys Wärme, die von ihren Fingerspitzen in meinen gesamten Körper fuhr und mich durchflutete. »Denke an den Ozean, an die Wassertiere, an deine Liebe zum Meeresgrund. Denke an alles, was dich glücklich macht.«

Ich schloss die Augen und stellte mir den Grund des Meeres vor, über den ich so gern schwamm. Ich hörte den Gesang der Buckelwale in meinen Gedanken, dachte an den Schwarm Delfine, den ich täglich an der Wasseroberfläche beobachtet hatte, und ich sah die farbenfrohen Korallenriffe vor mir, um die zahlreiche kleine Fischschwärme flitzten.

»Und nun denke an Tante Liliana, an ihre Kraft, die sie dir gab, an deine Bestimmung«, flüsterte Cassy und drückte ihre Stirn an meine. Noch immer hielt ich die Augen geschlossen und ich fühlte mich geborgen. Bei meiner Schwester, aber auch in meinen Gedanken, in meinem Ozean.

Tante Lilianas Bild erschien vor mir, so, wie ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Stolz und liebevoll lächelte sie mir zu. Trauer überkam mich. Und Wut! Ich spürte eine Träne über meine Wange fließen, doch ich überging den Drang, sie fortzuwischen, denn dafür hätte ich Cassys Hände loslassen müssen und es war selten, dass wir uns so nah waren. »Bringe den Krebs an den Himmel, Amanda«, flüsterte Cassy erneut. »Du kannst es, ich weiß es. Ich glaube an dich.«

Ich hatte keine Ahnung, was ich dafür tun musste, was sie wollte, oder wie ich das bewerkstelligen sollte, aber Cassy vertraute mir, deswegen musste es gelingen! Angestrengt stellte ich mir mein Sternzeichen vor. Vor meinem inneren Auge erschienen kleine Lichtpole, Sterne, die ich angespannt versuchte, hin- und herzuschieben, bis sie an der richtigen Position lagen, doch andauernd verschwammen sie.

»Amanda, du schaffst das«, hörte ich Cassy leise im Hintergrund sagen und spürte, wie sich ihre Finger fester um meine schlangen.

Venta trat dicht hinter mich und legte ihre Hände auf meine Schultern. Ich musste sie nicht sehen, um zu wissen, dass sie es war. Den unvergesslichen Geruch der Fische, erkannte ich sofort, die zarte Haut ihrer Hände und ihre Stimme an meinem Ohr: »Lass all deine Gefühle hineinfließen.«

Eine weitere Träne lief mir über die Wange. Venta war mir zu nah. Man sollte meinen, Fische wie sie rochen nach den Tieren, deren Namen sie trugen, doch so war es nicht. Sie dufteten nach fruchtigen Gewürzen, vermischt mit dem salzigen Meeresduft und einem Hauch Sommerregen. Ohne dass ich es wollte, stellte ich mir ihn vor. Er war ebenfalls ein Fisch gewesen. Er war ...

»Amanda! Konzentriere dich!«, wurde Cassy lauter, als ob sie meine Gedankengänge fühlte.

»Ist schon gut ...«, beschwichtigte Venta. Ich konnte ihre Nähe kaum ertragen. Es war zu viel. »Jede Art von Gefühlen gehört dazu, die positiven sowie die negativen.«

Abrupt ließ Cassy mich los und ich sackte zu Boden. Weinend kauerte ich mich hin, während Venta sich neben mich kniete und mich in den Arm nahm. Obwohl ich ihre Nähe kaum ertrug, ließ ich es zu. Es war bekannt – und grausam zugleich.

Als ich die Lider öffnete und zu Cassy aufsah, funkelten ihre Augen wütend. Leicht deutete sie mit dem Kopf nach oben. Der Skorpion ragte weiterhin über uns auf. Kein Krebs ... Ich hatte versagt.

»Ich weiß nicht, wie das geht«, schniefte ich und stand auf. »Wie soll ich das machen?«

»Venta ...« Cassy starrte die Lady an. »Zeig ihr, was ich meine.«

Venta stand ebenfalls auf, nickte und schloss die Augen. Es dauerte keine drei Sekunden, bis der ganze Raum zu flimmern begann. Die Lichter unter der Decke schoben sich hin und her, der Skorpion verschwand und ein anderes Symbol erstrahlte über uns. Die Fische. Das dritte und letzte Zeichen unseres Reiches. Ventas Sternbild, dessen Wächterin sie war.

»Genau so, hättest du das machen sollen, Schwester!«

»Ich weiß doch nicht, wie das geht ...«, begann ich leise.

»Das solltet Ihr nicht wissen müssen«, sprach nun der junge Geschworene und ich drehte kurz den Kopf nach hinten, um ihn anzusehen. Wie bereits zuvor lehnte er sich an die Tür. »Ihr müsstet es im Blut haben, in Eurer Macht, Ihr solltet es ohne Probleme bewerkstelligen können.«

Hilfe suchend sah ich zu meiner Schwester. Sie wurde ungewöhnlich bleich. »Amanda muss noch üben!«

»Das sollte sie nicht müssen«, behauptete der Protegé, Jaxon, mehr als selbstsicher.

»Sie braucht noch Zeit!« Cassys Stimme wurde lauter.

»Regentin ... ich befürchte, wir haben ein Problem, wenn Amanda nicht der Krebs ist«, sprach nun der Oberste das aus, was jeder dachte.

Cassys bleiche Wangen wurden feuerrot. »Sie ist es!«

»Aber, Cassy, was, wenn nicht?«, flüsterte ich.

»Sei still, Amanda!«, fuhr sie mich an. »Was sollst du sonst sein? Du bist keine Sterbliche!«

»Regentin, ich sage es ungern, aber vielleicht ...«, begann der junge Protegé.

»Nein!« Cassy duldete es nicht, wenn ihr jemand widersprach und erst recht kein Geschworener, der kaum älter als viertausend Jahre aussah.

»Was bin ich?«, wandte ich mich Hilfe suchend an den Obersten. »Was denkt Ihr?«

Von oben bis unten betrachtete er mich, anschließend blickte er zu meiner Schwester.

»Sagt es mir«, bat ich.

»Eure Schwester hat recht«, antwortete er schließlich. »Ihr müsst noch üben.«

»Vielleicht eine von uns«, sagte Jaxon laut und ich hörte seine Schritte, die langsam auf mich zukamen.

»Das ist Unsinn«, lachte Cassy auf. »Geschworene sind seit Anbeginn der Zeit männlich!«

»Für alles gibt es ein erstes Mal, Regentin.« Vor mir blieb Jaxon stehen und starrte auf mich herab. Er war einen halben Kopf größer als ich, doch die Art, wie er dastand, ließ mich kleiner wirken. Dieser Mann strahlte ein unglaubliches Selbstbewusstsein aus. Allein die Tatsache, dass er Cassy die Stirn bot, war ein Zeichen dafür.

»Das ist unmöglich, Oberster«, wandte Cassy sich nun an den alten Mann. »Amanda ist