Immer sind die Männer Schuld - Stefan Heym - E-Book

Immer sind die Männer Schuld E-Book

Stefan Heym

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Beschreibung

»Ein rührendes Hohelied auf die Liebe.« Hellmuth Karasek

Über weiblichen Instinkt, männliche Schuldgefühle und das Wunder einer Liebe, die im Alter jung geblieben ist – Stefan Heyms letzter Erzählband ist eine Liebeserklärung an seine Frau und an das Leben. Selbstironisch, heiter und voller Zärtlichkeit schreibt Heym über die Ehe und das Altern.

Stefan Heyms letzter heiter-selbstironischer Erzählband, bei C.Bertelsmann erstmals erschienen 2002, endlich wieder lieferbar in der digitalen Werkausgabe.

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Zum Buch:

Über weiblichen Instinkt, männliche Schuldgefühle und das Wunder einer Liebe, die im Alter jung geblieben ist – Stefan Heyms letzter Erzählband ist eine Liebeserklärung an seine Frau und an das Leben. Selbstironisch, heiter und voller Zärtlichkeit schreibt Heym über die Ehe und das Altern.

Stefan Heyms letzter heiter-selbstironischer Erzählband, bei C.Bertelsmann erstmals erschienen 2002, endlich wieder lieferbar in der digitalen Werkausgabe.

»Ein rührendes Hohelied auf die Liebe!« Hellmut Karasek

»Heitere Szenen einer Ehe, in der im Lauf der Jahrzehnte Zank und Zetern zur spezifischen Form der Zärtlichkeit herangereift ist.« Frankfurter Allgemeiner Zeitung

»Witz, Selbstironie und Weisheit sind in diesem Erzählband eng verbunden.« Rheinischer Merkur

Zum Autor:

Stefan Heym, 1913 in Chemnitz geboren, emigrierte, als Hitler an die Macht kam. In seiner Exilheimat New York schrieb er seine ersten Romane. In der McCarthy-Ära kehrte er nach Europa zurück und fand 1952 Zuflucht, aber auch neue Schwierigkeiten in der DDR. Als Romancier und streitbarer Publizist wurde er vielfach ausgezeichnet und international bekannt. Er gilt als Symbolfigur des aufrechten Gangs und ist einer der maßgeblichen Autoren der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Er starb 2001 in Israel.

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Stefan Heym

Immer sind die Männer schuld

Erzählungen

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Die Originalausgabe erschien 2002 bei C. Bertelsmann, München.

E-Book-Ausgabe 2021

Copyright © 2002 by Inge Heym

Copyright © 2002 by C. Bertelsmann Verlag in der Penguin Randomhouse Verlagsgruppe GmbH, München

Copyright © dieser Ausgabe 2021 by C. Bertelsmann Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlagkonzeption und -gestaltung: Sabine Kwauka, München nach einem Entwurf von Hafen Werbeagentur, Hamburg

Umschlagmotiv: © Everett Collection / Shutterstock.com

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN978-3-641-27835-9V002

www.cbertelsmann.de

Für Inge

Immer sind die Männer schuld

Ich erinner mich noch. Da war eine Zeit, wo ich ein heiterer Mensch war und herumgelaufen bin mit leichtem Herzen oder zumindest ausgeglichen in meinem Geist; aber jetzt denk ich immer sofort, was hab ich schon wieder gemacht, der Fleck auf dem Hemd, wo kommt der Fleck her, es hängen doch genug saubere Hemden im Schrank, und die alte zerbeulte Hose, immer läufst du herum wie ein Schlump, besonders wenn wir wollen ausgehen, kannst du nicht selber auf dich achten; und in mir fängt etwas an zu wuchern, ich weiß nicht was, aber wenn ich erzähl davon meinem Freund, dem Professor Mendel, dem bekannten Seelenauseinandernehmer, sagt der, Das ist dein Schuldbewußtsein; wenn alles immer schiefgeht und sich verhakelt, muß einer doch daran schuld haben, und wer kann das sein nach Lage der Dinge? – Nur du. Und sowieso sind immer die Männer schuld.

Und ich spür wie mein Schuldbewußtsein immer mehr wuchert in meinem Innern, und ich sag mir, ich muss nachdenken wie ich’s nur fertigbringen möcht daß mir nicht immer alles danebengeht und die Menschheit mich liebt und respektiert, und besonders mein Weib. Und ich frag sie, was soll ich nur machen, Liebste, daß ich nicht völlig verkomm, ich bin doch früher ein richtig was man nennt ein patenter Mensch gewesen und hab dir ein Glück gegeben schon am frühen Morgen so daß deine Augen haben geleuchtet, aber jetzt ist das erste wenn du aufwachst dass du mir klagst über was ich wieder hab falsch gemacht die Heizung hab ich nicht abgedreht und die Milch nicht weggestellt in den Kühlschrank, aber immer wiesle ich rum in der Küche und tu wer weiß wie eifrig und stör dich nur.

Und ich versprech ihr, ich werd mich bemühen, wahrhaftig und bei Gott, und sie wird sehen, es wird alles besser, aber sie soll mir nicht immer die Schuld geben an allem, das halt ich nicht aus, lieber bring ich mich um.

Umbringen! ruft sie. Wenn einer sich umbringt in dieser Familie, dann sie, und wer wird schuld daran sein? – ich: keine Frau, Ost oder West, hält das aus, einen Mann, der nichts einsieht und seine Frau alles machen läßt und alles bedenken, und dann tut er noch nicht mal was sie ihm sagt sondern vollführt seinen eigenen Kokolores, und wer muß es ausbügeln? – sie.

Dabei lieb ich sie doch, das ist das Komische: Sie hat so etwas an sich, nur einen Blick manchmal oder eine Bewegung mit zwei Fingern über eine Stelle auf meinem Gesicht, ganz zart, und das Herz schmilzt mir über meinem Sonnengeflecht, und ich denk, sie ist doch die einzige welche eine Bedeutung hat für mich, und warum sag ich nur immer was ihr gegen den Strich geht, wenn ich nur wüßte wo der Strich verläuft bei ihr, damit ich mich verhalten könnt auf die richtige Art. Und ich denk, vielleicht fehlt mir was, ein Instinkt, oder ein Nerv, oder eine Chemie, welche mich könnten auf Kurs halten auf den Wogen des Lebens, damit ich nicht auf eine Klippe gerate und festsitz mit meinen guten Absichten, oder welche mir weisen den richtigen Weg von meinem Frühstück früh bis nach den Nachrichten abends, damit ich nicht irgendwohin stolper wo es nicht weitergeht zwischen meinen Problemen.

Mit dem Frühstück fängt es schon an. Wenn ich meine Semmel zerschneid fängt es schon an zu krümeln, bei mir aber nicht bei meinem Weib, und wenn ich reinbeiß in die Semmel, krümelt es noch mehr, und ich seh, wie sie wieder kuckt nach unten auf den Teppich, und ich bück mich sofort und fang an die Krümel aufzupicken mit meinen Fingern, und sie sagt, laß das, es bleiben doch welche liegen, und warum kann sie essen, sagt sie, ohne zu krümeln, ich müßt vielleicht meinen Kopf halten über meinen Teller oder meinen Teller unter meinen Kopf, so klug wären andere Männer doch auch, sagt sie, und schon versink ich wieder in meiner Schuld und dank dem lieben Gott, daß nicht ein Stückchen von der Seite von meiner Semmel mit dem Aprikosenjam drauf auf dem Teppich gelandet ist sondern nur ein Krümel von der gebackenen Seite, haben Sie mal versucht Aprikosenjam abzukratzen von dem Gewebe von einem orientalischen Teppich? Aber das sieht mein Weib nicht, daß ich noch Glück gehabt hab in meinem Unglück, sie sieht nur daß sie muß gehen gleich nach dem Frühstück und ihren Staubsauger holen, ich könnt ja den Staubsauger selber holen, sag ich, und anfangen aufzusaugen die Krümelei, aber das will sie auch wieder nicht, ein Mann wie ich kann höchstens den Staubsauger kaputtmachen, und außerdem ist es besser, wenn ich ruhig dasitz, glaubt sie, und nicht anricht ein neues Malheur.

Und nach dem Frühstück, wie ich schon gehen will an meinen Computer und weitermachen mit dem, was ich gerade schreib, spür ich plötzlich, wie alles so still ist um mich herum, und ich denke, um Gottes willen, du kannst sie doch nicht so allein lassen nachdem sie dir hingestellt hat solch ein Frühstück mit Ei und mit Käse und allem; geh hinauf zu ihr, denk ich, und frag sie, ob sie was braucht und du ihr kannst helfen vielleicht. Und da liegt sie auf dem Bett, und ich weiß, sie ist traurig, ich hab ein Gefühl für menschliche Stimmungen, und ich weiß, ich müßt sie in meinen Arm nehmen und festhalten, aber sie sagt ich soll sie in Ruh lassen, gefälligst, immer geh ich ihr hinterher, sie zu kontrollieren, sagt sie, aber sie möchte auch mal ihre Ruhe haben vor mir. Und ich seh daß was ich gemacht hab ist schon wieder falsch, ich hätt mich zurückhalten sollen und warten bis sie mich ruft, oder ich hätt ihr was erzählen sollen, was Interessantes, damit sie auf andre Gedanken kommt, aber was soll ich ihr erzählen was sie nicht schon weiß, ich erzähl ihr schon alles, außer wenn ich was vergeß, nicht daß ich Alzheimer hätte, aber im Alter vergißt man eben manchmal wenn einer angerufen hat, ihre Freundin Anne zum Beispiel, und wieder wächst mein Schuldbewußtsein.

Also will ich ihr was erzählen, damit sie schon auf was anderes kommt wie auf meine ewige Schuld, und ich leg mich zu ihr aufs Bett, sie rechts, ich links, und ich sag wie ich hab gesehen auf dem Fernseher arme Meeresvögel aus der Nordsee, welche sind ganz beschmiert gewesen mit Öl und erstickt und wie es mich angefüllt hat mit Trauer, weil ich doch ein empfindsamer Mensch bin mit einem Herz für die Kreaturen, aber die Herren Schiffsreeder und ihre Kapitäne, weil sie so vergiert sind auf noch mehr Profite, lassen ihr altes verdrecktes Öl direkt laufen ins Wasser von der Nordsee, und die Ölpumpen von den Engländern, welche ihr Öl aus dem Boden von der Nordsee herauspumpen, die Engländer sind auch zu geizig um dichtzuhalten ihre Rohre und ihre Ventile und ohne Löcher drin, so daß schon das frischgepumpte Öl nach oben steigt und den Vögeln in die Federn und den Fischen in die Kiemen, und ich lieg und erwart, daß sie was Mitleidiges sagt wie, Die armen Tiere! – aber was sagt sie und kuckt mich dabei an als wär ich ein Monster, sie sagt, du bist schuld wenn die Vögel werden angeschwemmt auf den Strand mit ihrem Gefieder verölt und verklebt und schon halb oder ganz tot.

Und mir verschlägt es die Stimme in meiner Kehle, und ich krächz, wieso ich, wo hab ich ein Schiff, daß ich schütten könnt altes Öl in die Nordsee und ersticken die halbe Vogelwelt ich lieg hier friedlich im Bett neben dir wie du hast gewünscht und erzähl dir von den Übeln in der Welt es sollt dich bringen auf andre Gedanken, aber sie antwortet, du bist auch so ein Typ wie die Schiffsreeder und die Kapitäne, nimmst du vielleicht Rücksicht auf mich und die Umwelt, du trampelst auf die Stiefmütterchen in unserm Garten welche ich hab erst kürzlich gepflanzt, und bevor ich erwidern kann, aber doch aus Versehen, sagt sie, red nicht, du nimmst keine Rücksicht und bist mit schuld an dem Tod von den armen Vögeln, und ich denk, vielleicht bin ich doch ein bissel mit schuld, zuerst bei den Stiefmütterchen, und dann mit dem Öl; das gibt es ja vor Gericht: Schuld durch Assoziation, und sowieso sind die Männer immer schuld.

Und im letzten Herbst hat unsre Frau Doktor gesagt, ob wir nicht möchten uns impfen lassen gegen die Grippe, alle Leute lassen sich impfen gegen die Grippe und lassen sich unter die Haut spritzen tote Grippeviren damit der Körper Widerstandskräfte entwickeln kann gegen lebendige Viren welche werden eventuell auftreten und wir können gesund durch die schlechte Jahreszeit kommen und unbehelligt; aber was tut Gott, kaum ist sie geimpft, kriegt mein Weib eine Grippe von den Viren welche unsre Frau Doktor hat ihr gespritzt unter die Haut, vielleicht daß diese noch nicht so tot waren wie sie hätten gewesen sein sollen, oder der weiße Leib von meinem Weib hat eine spezielle Neigung zu Viren welche tot sind und freut sich mit solchen als wären sie gesund und prall und lebendig und entwickelt daraus eine richtige Infektion, jedenfalls sagt sie wieder, ich wär daran schuld wenn die Impferei sie krankmacht, denn wenn nämlich mich die Impferei auch krankmachen täte hätt ich nicht dagesessen in der Praxis von der Frau Doktor und kühl gelächelt wie diese ihre Nadel gesteckt hat meiner eigenen Frau unter die Haut, und hätte nicht dazu noch gesagt, sei tapfer Liebste, da mußt du durch.

Jawohl, immer sind die Männer schuld; ich weiß das, und Sie wissen es auch, Verehrter. Zum Beispiel Sie erwarten einen Gast, einen wichtigen, und Ihr Weib stellt Kaffee hin und Kuchen, welchen sie hat extra gebacken, und Obst welches sie hat selber geerntet im Garten, aber der Gast kommt nicht. Der Gast hat sich verspätet, und wir sitzen am Tisch und warten, mein Weib und ich, und mein Weib sagt, Weißt du, sagt sie, wie oft ich schon einen Tisch mit Kaffee und mit Kuchen und mit Zutaten gerichtet hab für deine Gäste und für dich? Und dann hab ich noch die Konversation gemacht mit deinen Gästen, sagt sie, und hab gescherzt mit ihnen und meinen Charme entfaltet, und hab eine Beziehung hergestellt, eine menschliche, zu ihnen – und was hast du gemacht, bitte? Du hast nur gesessen am Tisch und hast den Kuchen in dich hineingestopft und den Kaffee geschlürft, laut, und hast ausgesehen wie du wärst zu Tod gelangweilt. Wie oft, also?

Und ich frag sie zurück, So schlimm bin ich?

Und sie sagt, so schlimm bist du.

Und ich überleg mir was sie gesagt hat und denk es könnt vielleicht was dran sein und daß ich tatsächlich nicht immer so glänz wo ich glänzen möcht, und auch nicht so geistreich bin und so charmant, aber ich kann nichts dafür, ich hab gehabt solch ein Leben und hab keinen Glanz entwickeln können und keinen Charme, mich haben ganz andere Sorgen bedrängt, und darum verlaß ich mich lieber auf mein Weib jetzt wenn Gäste kommen zu uns oder wir gehen in eine Gesellschaft für einen Empfang oder ein Dinner, weil mein Weib hat so ein Talent für Herzlichkeit und für Beziehungen von Mensch zu Mensch, und fast denk ich sie hat recht mit ihrer Kritik an meiner Person, aber dann ist unser Gast endlich gekommen und mein Weib hat entfaltet ihren ganzen Charme, und ich hab wieder nur gesessen am Tisch mit meinem Schuldbewußtsein und hab ausgesehen wie ich wär zu Tod gelangweilt.

Oder Sie müssen hin zu einem Kongreß. Ein Kongreß wird gemacht für ein Jubiläum oder so, damit die Menschheit sich gedenkt was vor hundert Jahren oder auch mehr ist gewesen, und wie weit wir gekommen sind seitdem, und die Veranstalter von dem Kongreß suchen sich einen Ort dafür aus, einen hübschen, mit Gebirgen ringsherum und ein bissel Wasser vielleicht und Landschaft, und ein nobles Hotel, und dafür werden Sie halten einen Vortrag, und dazu noch müssen Sie geben Interviews, und müssen Ihr Gesicht, Ihr markantes, in den Fernseher stecken, den örtlichen, und all das wird bezahlt für Sie und für Ihre Begleitung von den Veranstaltern von dem Kongreß, die Reise-Tickets für Ihre Transportation und die Mahlzeiten und die Drinks für Sie und für Ihr Weib, und Sie denken sich, Sie haben gehabt dies Jahr keine richtigen Ferien, also werden Sie fahren zu dem Kongreß, aber nicht mit einem Aeroplan, weil mit einem Aeroplan ist immer gleich das viele Gerenn und Gemach an den Ticket-Schaltern und den Gates und in dem Zollfrei, sondern Sie werden fahren zu Ihrem Ziel per Dampfer von einem Seehafen aus und in einer Kabine und spazieren auf dem Deck von dem Schiff hin und her für Ihre Bewegung und dinieren am Tisch von dem Kapitän vielleicht noch, weil Sie doch fahren zu einem Kongreß wie ein Ehrengast, und alles ist arrangiert okay mit der Anreise und mit allem.

Und dann gehen Sie an Bord in dem Hafen und ein Boy bringt Ihr Reisegepäck in die Kabine und Ihr Weib tritt auch herein in die Kabine und gleich sagt sie, was willst du, daß ich soll kriegen einen Kollaps von meiner Klaustrophobie, du weißt daß ich leide an Klaustrophobie, und auch noch fängt die Kabine an zu zittern in dem Moment von der Maschine unten im Schiff, und meinem Weib wird das Herz in ihrer Brust ganz schwach davon, sagt sie; und wenn sie dann umfällt und vielleicht auch noch stirbt mitten auf See, sagt sie, sie will testamentarisch daß sie eingenäht wird in ein Segel und geschüttet wird über Bord, und ich sag zu ihr, du möchtest daß dich fressen die Fisch? – Und sie sagt, sollen mich fressen die Fisch, und ich sag so schlimm wird’s nicht kommen hoff ich, doch, sagt sie, so schlimm wird’s kommen mit mir, genau, und wer wird schuld sein an meinem frühen Tod auf See von Klaustrophobie und von dem Geruck und dem Gezitter von der Maschine unten im Schiff in der engen Kabine?

Und sie zeigt auf mich wie ein Ankläger ein öffentlicher mit spitzen Fingern, und ich sag: Wer wird schon schuld sein? – ich.

Nur ist mein Weib nicht gestorben diesmal, Gott sei bedankt, und nicht zu Futter geworden für die Fisch, aber die Angst, welche ich verspürt hab, und meine Besorgnis wünsch ich auch meinem schlimmsten Feind nicht.

Oder wie ich bin gewesen im Hospital wegen meinem Gedärm. Also ich hab gelitten für ein paar Monate schon an meinem Bauch, und am Ende sagt die Frau Doktor, welche ist die Hausärztin von meinem Weib und von mir, die Frau Doktor sagt sie möchte daß ich mir bekucken lasse das Innere von meinem Gedärm und es spiegeln, und sie schickt mich zu einem Herrn Professor in ein großes Hospital, und der Herr Professor erklärt mir die Länge und die Breite was sie werden tun mit mir, und welche Pillen sie mir werden geben von vorne und welche Zäpfchen von hinten, und wie ich werd Wässer trinken müssen und andere Flüssigkeiten um gänzlich auszuspülen mein Inneres so sie können hineinschieben in mein Gedärm eine Sonde, eine lange, welche sich biegt, mit einer Linse vorn dran zum Durchkucken und zum Photographieren in meinem Gedärm, und was sie mir werden einspritzen damit ich nichts merk davon und keinen Schmerz, kurz, ich krieg’s mit der Furcht und ich sag, aber bitte nicht was man nennt ambulant, und der Professor sagt, gut, bleiben Sie bei uns eben auf ein paar Tag, und darum bin ich gewesen in dem Hospital.

Und mein Weib ist gekommen jeden Nachmittag in das Hospital mich zu besuchen, in der Art nämlich ist sie sehr lieb und sorglich, und bringt mir auch schöne Blumen und was ich so brauch, mein Aftershave und ein Bürstchen für mein Zahnersatz, und dann, wie ich ihr erzähl daß der Professor schon nach dem Ultraschall was gesagt hat von Bauchspeicheldrüse und daß vielleicht was nicht stimmen möcht mit der meinigen, sagt sie sofort, sie hätt mich ja immer gewarnt vor meiner Bauchspeicheldrüse und hätt gleich gewußt daß was nicht stimmen möcht damit, aber ich hätt ja nicht gehört auf sie und hätt nicht getrunken die zweieinhalb Liter Flüssigkeiten, Tee oder Mineralwasser oder Saft, welche ich müßt trinken am Tage zusätzlich im Alter sonst trocken ich aus und krieg eine Komplikation mit der Bauchspeicheldrüse und dazu noch eine Insuffizienz von der Niere und sterb ihr weg, und wer wird dran schuld sein?

Nu, wer, sag ich – und ich spür wie ich ganz klein werd und ganz häßlich, und duck mich in mein Hospitalbett mit meinem Schuldbewußtsein, und mein Weib stellt die schönen Blumen welche sie gebracht hat in eine Vase ganz lieb und sorglich; und ich sag, wenn ich ihr wegsterb, sag ich, werd ich reden mit den Engeln oben und werd ihnen sagen daß ich selber schuld bin wenn ich ihnen zur Last fall vor meiner Zeit, und daß mein Weib wär gleichfalls ein Engel wie die da oben in fast jeder Hinsicht, und mein Weib sagt, du wirst reden mit den Engeln? Woher weißt du, du wirst haben eine solche Gelegenheit, vielleicht wirst du gar nicht sein da oben sondern ganz woanders weil du nicht hast hören wollen auf mich.

Oder die Sache mit meiner Frierigkeit. Immer schon bin ich gewesen ein frieriger Mensch: wenn andere schon haben geschwitzt in dem bissel Sonne welches wir haben in diesem Land und sich die Stirne gewischt mit ihrem Taschentuch, hab ich gesagt ich mag die Wärme und die Temperatur, könnt ruhig sein noch ein bissel wärmer, und wenn es kühler ist gewesen schon, im Herbst oder zeitigen Frühjahr und andre haben sich getummelt im Freien und sind herumgejoggt und dann ins Haus getreten mit roten Bäckchen hab ich gefroren sogar neben der Heizung in meinem Zimmer und hab den Einsteller an der Wand nach oben gestellt bis mein Weib ist gekommen und hat gefragt, Bist du verrückt? Soll ich ersticken vielleicht? Wenn du frierst, zieh dir an lange Unterhosen und deinen dicken blauen Pullover welchen ich dir hab geschenkt gegen deine Frierigkeit, aber laß deine Finger, deine blöden, von dem Einsteller an der Wand von der Heizung.

Und ich sag, ich haß lange Unterhosen, immer bleibt eine Lücke übrig zwischen dem untern Ende von dem Unterhosenbein und dem obern Ende von den Socken, und dann willst du auch nicht, sag ich zu ihr, daß ich soll tragen den dicken blauen Pullover gestopft in meine Hose hinein und die Hosenträger oben drüber. Und mein Weib erwidert, mußt du denn tragen deine Hosenträger, bei deinem Bauch hält deine Hose auch so, und ich sag, nein, sie rutscht, und ich will daß meine Hose festsitzt untenrum, und mein Weib sagt, bist selber schuld wenn deine Hose rutscht, was stopfst du dir soviel immer in die Taschen, dein Etui mit dem Hördings und dein Taschenmesser und die Pillenschachtel und dein Portemonnaie und deinen Schlüsselbund und dein was noch, jede Hose muß da rutschen, und ich sag, ich hab nur in den Taschen was ich brauch so am Tag, und ich möcht es trotzdem warm haben in meinem Zimmer wenn ich vielleicht darf, ich bin frierig. Und ich weiß, wieder bin ich schuld an dem Ganzen, und was ich auch immer red und ihr zu erklären versuch, meine Schuld bleibt hängen an mir.