In den Armen des Edelmanns - Rexanne Becnel - E-Book
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In den Armen des Edelmanns E-Book

Rexanne Becnel

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Beschreibung

Er will nicht sie, sondern ihr Erbe … bis er ihr zum ersten Mal begegnet: „In den Armen des Edelmanns“ von Rexanne Becnel als eBook bei venusbooks. England, 1209: Schon seit Jahren lebt die junge Lady Joanna im Orden der Gilbertinerinnen. Nun will sie endlich den Schleier nehmen. Ausgerechnet jetzt taucht ein Fremder im Kloster auf und teilt ihr mit, dass ihr verhasster Vater gestorben und sie die Erbin des imposanten Oxwich Castle ist. Plötzlich wird sie zum Spielball politischer Intrigen, die in ihrer Entführung gipfeln: Sir Rylan, Lord von Blaecston, verschleppt sie aus dem Kloster, um sie vor den finsteren Plänen des Königs zu retten. Obwohl Lady Joanna sich erbittert zur Wehr setzt, fühlt sie sich wider Willen zu dem attraktiven Schurken hingezogen. Doch bald ahnt sie, dass Sir Rylan noch andere Pläne hat … »Eine wundervolle Erzählerin mit einer starken, einzigartigen Stimme.« Romantic Times Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Romance-Bestseller „In den Armen des Edelmanns“ von der Erfolgsautorin historischer Liebesromane, Rexanne Becnel. Lesen ist sexy: venusbooks – der erotische eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 607

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Über dieses Buch:

England, 1209: Schon seit Jahren lebt die junge Lady Joanna im Orden der Gilbertinerinnen. Nun will sie endlich den Schleier nehmen. Ausgerechnet jetzt taucht ein Fremder im Kloster auf und teilt ihr mit, dass ihr verhasster Vater gestorben und sie die Erbin des imposanten Oxwich Castle ist. Plötzlich wird sie zum Spielball politischer Intrigen, die in ihrer Entführung gipfeln: Sir Rylan, Lord von Blaecston, verschleppt sie aus dem Kloster, um sie vor den finsteren Plänen des Königs zu retten. Obwohl Lady Joanna sich erbittert zur Wehr setzt, fühlt sie sich wider Willen zu dem attraktiven Schurken hingezogen. Doch bald ahnt sie, dass Sir Rylan noch andere Pläne hat …

»Eine wundervolle Erzählerin mit einer starken, einzigartigen Stimme.« Romantic Times

Über die Autorin:

Rexanne Becnel ist gefeierte Autorin zahlreicher historischer Liebesromane. Während mehrerer Aufenthalte in Deutschland und England in ihrer Jugend begeisterte sie sich so sehr für mittelalterliche Geschichte, dass sie Architektur studierte und sich für den Denkmalschutz mittelalterlicher Gebäude einsetzt. In ihren Bestseller-Romanen haucht sie der Geschichte auf ganz andere Art neues Leben ein. Sie lebt glücklich verheiratet in New Orleans.

Bei venusbooks erscheinen auch:

Das Herz des Lords

Das Verlangen des Ritters

Der Pirat und die Lady

Das wilde Herz des Ritters

Die Sehnsucht des Lords

Ein ungezähmter Gentleman

Rosecliff – Die Braut

Rosecliff – Der Ritter

Rosecliff – Die Herrin

***

eBook-Neuausgabe Oktober 2017

Ein eBook des venusbooks Verlags. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Dieses Buch erschien bereits 1996 unter dem Titel Der Falke und die Taube bei Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 1993 by Rexanne Becnel

Die amerikanische Originalausgabe erschien 1993 unter dem Titel A Dove at Midnight bei Del Publishing.

Copyright © der deutschen Ausgabe 1996 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Copyright © der Lizenzausgabe 2017 venusbooks GmbH, München

Copyright © der aktuellen eBook-Neuausgabe 2020 venusbooks Verlag. venusbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, München.

Published by Arrangement with Rexanne Becnel

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: HildenDesign unter Verwendung mehrerer Motive von Shutterstock.com; Motiv oben: hotdamnstock; Motiv unten: shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (sh)

ISBN 978-3-95885-600-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des venusbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »In den Armen des Edelmanns« an: [email protected] (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

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Rexanne Becnel

In den Armen des Edelmanns

Roman

Aus dem Amerikanischen von Angelika Naujokat

venusbooks

Für Dot und Al,die mich so liebevollin ihre Familie aufgenommen haben

Bestürzt der Sperling, der Rabe entsetzt So der Sonne Licht verlöscht; Die Amsel verschwunden, der Falke entfloh'n Wenn spät der Mond sich zeigt. Die Nacht senkt sich aufs Land So still und ohne Licht. Doch in der dunkelsten Stunde kommt Eine Taube zu mir um Mitternacht.

– Anonym

Prolog

Oxwich Castle, England, A.D. 1201

Heute abend würde es nicht friedlich sein auf Oxwich, das spürte Joanna instinktiv. Die angestrengten Gesichtszüge ihrer Mutter, das unterdrückte Gemurmel und die düsteren Mienen der Hausmädchen, die in den Gemächern der Frauen dienten, waren untrügliche Vorboten.

Gemeinhin verlief das Leben in Oxwich Castle sehr friedlich. Aber alle paar Wochen einmal wurde ihre Mutter von einer seltsamen Spannung erfaßt, die sich über die ganze Burg ausdehnte, und Joanna, jung, wie sie war, wußte dann, was bevorstand. Am Abend würde ihre Mutter, Lady Harriet, alle aus dem großen Saal schicken, um ihren Mann allein zu empfangen. Joanna hatte keine Ahnung, worüber gesprochen wurde, aber hinterher floh ihre Mutter regelmäßig in Tränen aufgelöst auf ihr Zimmer, während der Vater sich in Rage trank, davonstürmte und verschwand. Anschließend war er tagelang schlecht gelaunt, und ihre Mutter blieb im Bett. Alle anderen huschten in dieser trostlosen Zeit auf Zehenspitzen umher, ängstlich darauf bedacht, ihren Herrn, Sir Aslin, nicht zu verärgern. Und was Joanna betraf, so vermied sie es an solchen Tagen, ihrem Vater überhaupt in die Quere zu kommen, denn er schien dann bereits ihren bloßen Anblick zu hassen.

Obwohl sie erst neun Jahre alt war, wußte Joanna, daß sie ihrem Vater wegen seines unwirschen Verhaltens nicht böse sein durfte. Der Priester hatte sie sehr gescholten, als sie ihm einmal ihre kindlichen Gefühle beichtete. Doch so sehr sie sich auch bemühte, ihren Vater zu lieben und zu respektieren, so fiel es ihr doch unendlich schwer, ein Gefühl der Zuneigung zu ihm zu entwickeln, besonders nun, da alles wieder von vorne begann.

Ein besorgter Ausdruck verdüsterte Joannas unschuldiges Gesicht, als sie ihr neues Kätzchen umklammerte und sich von ihrem Spiel erhob. »Mama«, rief sie zögernd, als ihre Mutter an ihr vorüberrauschte. »Mama«, wiederholte sie mit einem ängstlichen Zittern in der Stimme.

Aber Lady Harriet war beschäftigt und hörte die Rufe ihres einzigen Kindes nicht. Sie schritt anmutig in der Halle umher, schickte die Dienstboten fort und wedelte dabei nervös mit den Händen, ohne jedoch ihre sanfte Stimme je zu einem lauten Wort zu erheben. Sie ist wie ein wunderschöner Schwan, dachte das kleine Mädchen versonnen. Wunderschön und voller Würde und doch in gewisser Weise in sich gekehrt.

Aber Schwäne weinten nicht, und heute nacht würde ihre Mutter sicherlich wieder weinen. Es war dieses Wissen, das Joanna nicht aufgeben ließ. »Mama«, wiederholte sie beharrlich und zupfte an dem perlengrauen Leinenkleid ihrer Mutter. »Habt Ihr bitte einen Augenblick Zeit, um mit mir zu reden?«

Als sie sich schließlich zu ihrem Kind umwandte, war Lady Harriets Gesicht blaß, und die feinen Linien um ihren Mund herum stärker ausgeprägt als gewöhnlich. »Vielleicht später, Liebes«, erwiderte sie und strich ihrer Tochter geistesabwesend über den Kopf. »Vielleicht später. Jetzt muß ich alles für deinen Vater vorbereiten.« Ihre Stimme zitterte kaum merklich. »Spiel weiter.« Dann schritt sie davon, und Joannas Herz wurde von einem eiskalten Finger der Furcht durchbohrt. Das Kätzchen in ihren Armen wand sich, als das Kind unbewußt seinen Griff verstärkte. Aber Joanna schenkte ihrem geliebten Haustier keine Aufmerksamkeit. Sie konnte nur an ihre wunderschöne, traurige Mutter denken. Warum um alles in der Welt mußte es so sein? Warum? Selbst ihr kindlicher Zorn war nicht imstande, die bedrückende Furcht, die sie verspürte, zu überwinden.

Ihre Panik wuchs. Sie wirbelte herum und rannte die schmalen Steinstufen hinauf, die zu den Gemächern der Frauen führten. Sie beabsichtigte, zum Zimmer ihrer Mutter zu laufen, um dort auf sie zu warten. Irgendwann mußte sie ja schließlich dort hinkommen. Wenn ihre Eltern mit ihrer mysteriösen Unterhaltung fertig waren, würde ihre Mutter in ihr Zimmer zurückkehren, und vielleicht wäre diesmal sogar alles in Ordnung.

Joannas wallende Locken ergossen sich über ihren Rücken, während sie die große geschwungene Treppe hinaufhastete. Ihre grünen Augen waren dunkel vor Sorge und Angst, und als sie das Zimmer ihrer Mutter erreicht hatte, gesellten sich noch Zweifel hinzu. Ich sollte eigentlich nicht hier sein, sagte sie sich und versuchte, tapfer zu sein. Es wäre besser, ihre eigene Kammer nahe der Mauer aufzusuchen, wie sie es für gewöhnlich tat. Aber bevor sie eine endgültige Entscheidung getroffen hatte, wand sich das Kätzchen endgültig aus ihrem Griff, miaute anklagend und verschwand unter Lady Harriets hohem Bett.

»Komm her, Lady Minnou«, rief Joanna erschrocken. Sie ließ sich auf ihre Knie fallen, um unter das Bett zu schauen.

»Komm her«, wiederholte sie mit bittender Stimme, die wegen ihrer unterdrückten Gefühle zu zittern begann. Als das Kätzchen sich jedoch lediglich die Pfote leckte und sie verstimmt ansah, kroch Joanna langsam unter das Bett. Erst nachdem sie vollkommen unter den aus Holz und Stricken gefertigten Bettrahmen gerutscht war, konnte sie das Tierchen erreichen. Sie packte es mit beiden Händen, kam aber nicht sofort wieder unter dem Bett hervor, sondern kuschelte sich mit angezogenen Beinen um die Katze und schuf so ein warmes, dunkles Nest, in dem sie sich beide zumindest für eine Weile verstecken konnten.

»Es ist ja alles wieder gut, meine Kleine. Schlaf nur ein«, flüsterte das kleine Mädchen mit erschöpfter Stimme, während sie ihren Kopf auf den einen Arm sinken ließ und den anderen schützend über ihre kleine Freundin hielt. Dann begann sie, mit süßer, zitternder Stimme zu singen.

»Sei nicht ›A‹ zu affektiert, ›B‹ zu brüsk, ›C‹ zu couragiert, noch ›D‹ zu dreist. Sei nicht ›E‹ zu engherzig, ›F‹ zu fad, ›G‹ zu gefühllos, noch ›H‹ zu hitzig. Sei nicht ...«

Ihre Stimme wurde leise und stieg dann wieder an, um in dem beruhigenden Rhythmus des Kinderreimes fortzufahren. Aber es dauerte nicht allzu lange, bis sie erneut leiser wurde, um dann gänzlich zu verstummen. Joanna war vor der bedrückenden Wirklichkeit in einen tröstlichen Schlaf gesunken. Dann war nichts mehr zu hören außer dem leisen Schnurren des Kätzchens und dem leichten, gleichmäßigen Atem des schlafenden Kindes.

Das Licht im Zimmer war bereits sehr gedämpft, als Joanna von einem quietschenden Geräusch geweckt wurde. Das Kätzchen schlief immer noch in ihrem Arm. Aber es war ein anderes Geräusch, so als ob jemand weinte. In einem einzigen, unglücklichen Moment wurde ihr Kopf klar, und sie dachte besorgt an ihre Mutter. Sie begann, aus ihrem warmen Versteck zu kriechen, aber das laute Dröhnen schwerer Fußtritte und der Knall der Kammertür ließen sie vor Angst verharren. Über ihr stöhnte das Bett, als ihre Mutter sich setzte.

»Hier versteckt Ihr Euch also.«

Joanna zuckte zusammen, als sie den grausamen und gleichzeitig so vertrauten Ton in der Stimme ihres Vaters vernahm, und jeglicher Vorsatz, ihre Anwesenheit zu offenbaren, verschwand sofort.

»Wie passend, daß Ihr Euch in Euer Bett flüchtet, wo doch gerade dort Euer Versagen ruht! Beim Blute Christi! Warum bin ich mit einer unfruchtbaren Frau gestraft? Unbrauchbar seid Ihr, nichts weiter!«

»Ich bitte Euch, als mein Ehemann«, ertönte die sanfte, versagende Stimme ihrer Mutter. »Es wird einen nächsten Monat geben und dann einen weiteren. Wenn meine Blutung vorüber ist –«

»Und wie viele Monate lang erzählt Ihr mir schon dieselbe Geschichte?« schrie er wütend. »Wie viele Jahre sind bereits vergangen, seitdem Euer Mädchen geboren wurde, ohne daß weitere Kinder folgten? Ihr werdet schon bald zu alt sein – wenn Ihr es nicht jetzt schon seid. Soll ich ohne den Sohn bleiben, dem ich meinen Namen und meine Güter vermachen kann? Bei Gott, das werde ich nicht zulassen!«

»Joanna ist auch Euer Kind«, flüsterte Lady Harriet. »Wäre es so schrecklich, wenn ...«

»Ist sie das wirklich?« fragte er mit beißender Stimme. »Ja, das möchtet Ihr mir gerne glauben machen. Erst setzt Ihr mir Hörner auf und dann wollt Ihr mir Rogets Brut als die meine unterschieben. Selbst jetzt hofft Ihr wieder, daß Ihr ihn sehen werdet, wenn wir nach London gehen. Aber dieses Mal wird er nicht dort sein.« Er lachte, aber es war ein kaltes, dunkles Lachen, ohne jede Spur von echter Heiterkeit. »Er hat in Gaillard seinen Meister gefunden. Die Klinge irgendeines Franzosen hat ihn zum Teufel geschickt! Nun, meine süße, herumhurende Frau, werdet Ihr nur noch für mich die Hure spielen!«

Joanna vernahm den gequälten Schrei ihrer Mutter, und dann begannen die Stricke und die Matratze zu quietschen, als sich ihr Vater auf das Bett warf. Entsetzt rollte sich das Kind zu einer kleinen Kugel zusammen und preßte das Kätzchen an sich. Das überraschte Tier begann sich zu wehren, um freizukommen, aber Joanna ließ es trotz der Kratzer, die sie erlitt, nicht los. Das jämmerliche Miauen der Katze wurde noch von den unglücklichen Lauten oben überdeckt.

»Aslin! Nicht! Bitte nicht!«

»Seid still und tut, was ich Euch sage, Frau!«

»Aber ich bin nicht rein ... ich bin jetzt nicht rein«, wimmerte Lady Harriet, als das Bett rhythmisch zu zittern begann.

»Dann werde ich eben einen Teufel zeugen! Egal wie, ich werde einen Sohn bekommen!«

Danach wurden keine Worte mehr gewechselt, nur das unheilverkündende, dumpfe Knarren des Bettes war zu hören, das Joanna nur noch mehr ängstigte. Sie hielt das Kätzchen so eng umklammert, daß sie es beinahe erdrückte und preßte ihre Lider zusammen, um das häßliche Knarren, das endlose Knarren auszulöschen. Tränen drangen unter ihren Wimpern hervor, und ihr kleiner Körper zitterte in kindlicher Furcht. Ihre Mutter ... ihre Mutter ...

Dann hörte die Bewegung des Bettes abrupt auf, und sie vernahm nur noch den lauten Atem ihres Vaters und das herzzerreißende Weinen ihrer Mutter.

»Jede Nacht, Harriet. Jeden Tag und jede Nacht, Harriet, wenn das nötig ist, um meinen Erben zu bekommen.«

Dann verließ er den Raum und knallte heftig die Tür hinter sich zu.

Eine lange Zeit war kein Geräusch zu hören. Ihre Mutter lag still über ihr im Bett. Selbst ihr Weinen hatte aufgehört. Und dennoch konnte Joanna nicht aus ihrem dunklen Versteck entkommen. Wie sie ihren Vater in diesem Moment haßte – er war so kalt zu ihr und so grausam zu ihrer Mutter! Warum mußte er sie immer zum Weinen bringen?

Dann erhob sich die Mutter vom Bett und bewegte sich beinahe lautlos im Zimmer.

Joanna wischte sich mit der Hand über das tränenüberströmte Gesicht, und in dem Moment entkam das Kätzchen endlich ihrem festen Griff. Es lief unter dem Bett hervor, miaute kläglich und rieb sich an Lady Helens Röcken.

»Oh, mein Liebling ... Es ist zu schwer für mich«, flüsterte die Frau mit leiser Stimme; als spreche sie mit der kleinen Katze. »Ich kann es nicht mehr ertragen, wenn du fort bist ...« Sie verstummte, aber die Mutlosigkeit ihrer Stimme jagte Joanna mehr Angst ein, als die Worte selbst. Von Panik erfaßt, zog sie sich unter dem Bett hervor.

»Mutter«, rief sie, sobald sie ihr enges Versteck verlassen hatte. »Mutter!« Sie schluchzte und würgte das Wort hervor. Aber als sie sich erhob, war ihre Mutter nicht mehr da.

Die Katze saß auf dem Mauervorsprung vor dem geöffneten Fenster, starrte hinaus und verharrte so bewegungslos in dieser Pose, daß sie einer Statue glich. Joanna bemühte sich, die letzten Tränen von ihren Wangen zu wischen, aber neue drängten bereits vor Angst durch ihre Wimpern.

»Mutter, wo seid Ihr?« Eine Vorahnung erfaßte sie, als ihre Blicke suchend durchs Zimmer irrten, und sie begann zu zittern. »Wo seid ihr?«

Sie eilte zum Fenster. Die Katze sprang erschreckt davon. Draußen, vor der schmalen Öffnung, trug der Himmel ein helles Malvenblau, das von hohen, dahinfließenden Wolken eingefaßt war. Ein Schwarm von Seetauchern flog, getragen vom Wind, zum Moor hinüber. Und dennoch lag über dieser friedlichen Szenerie des Spätnachmittages etwas Morbides und Bedrohliches.

Joanna blickte aus dem Fenster nach unten und spürte, wie sie innerlich erstarb.

Dort unten im trockenen Burggraben sah sie ihre Mutter. Sie lag in einer eigenartig verrenkten Haltung auf der Erde. Sie bewegte sich nicht, nur ihr Kleid bauschte sich im leichten Wind. Aber es war kein Frieden in dieser Bewegungslosigkeit.

Joanna sprang entsetzt vom Fenster zurück. »Mutter!« Ihr verzweifelter Schrei durchschnitt die Luft. »Mutter!«

Aber sie erhielt keine Antwort. Und trotz ihrer bitteren Tränen wußte sie, daß sie niemals wieder eine erhalten würde.

1

Castle Manning, England, Sommer, A.D. 1209

Sir Rylan Kempe, Lord von Blaecston, spazierte unangemeldet in den großen Saal von Castle Manning, aber sein Eintreffen blieb nicht unbemerkt. Sir Evan Thorndyke, Lord von Manning, war ein wenig überrascht. Rylan nutzte jede Gelegenheit, sich in aller Öffentlichkeit gegen König John und die ungerechte Behandlung seiner Untergebenen auszusprechen. Insbesondere die überhöhten Steuern und sein an Besessenheit grenzendes Bemühen, seine Freiherren auf Schritt und Tritt zu kontrollieren, fand Rylans Kritik. Dennoch war er in letzter Zeit vorsichtiger geworden, wenn es um Besuche bei seinen Freunden ging, ganz besonders bei solchen, denen es gelang, eine freundschaftliche Beziehung zum König aufrechtzuerhalten.

Mehrere der Lords, die sich nun, da die Mahlzeit beendet war, dem Würfelspiel widmeten, hoben ihre Augenbrauen, als Kempe eintrat. Seine politischen Ansichten waren nur zu bekannt, und obwohl es die meisten von ihnen vorzogen, ihm am königlichen Hof mißbilligende Blicke zuzuwerfen, so bewunderten sie doch insgeheim seinen Mut und sein Ehrgefühl.

Auch die Damen bemerkten sein Eintreffen, denn Sir Rylan war ein beeindruckender Mann. Großgewachsen und von kräftiger, schlanker Statur, hatte er seine Reputation sowohl auf den Turnierplätzen wie auch in den Kämpfen um die Normandie erworben. Er war als verwegener, unerschrockener Kämpfer bekannt, und man sagte ihm nach, daß sein Unmut über den König aus Johns verabscheuungswürdigem Verhalten als Anführer resultierte, welches dafür verantwortlich war, daß England die Normandie vollkommen an König Philip von Frankreich verloren hatte. Hinter seinem Rücken flüsterte man sich außerdem zu, daß die Verletzungen, die er in Valognes erlitten hatte, und an denen er beinahe gestorben wäre, einen weiteren Grund für seine nachhaltige Ablehnung des Königs darstellten. Aber bisher hatte es niemand gewagt, Ryan Kempe gegenüber diese Vermutung offen zu erwähnen.

Doch aus welchem Grunde er sich auch gegen König John stellen mochte, allein die Tatsache, daß er seine Opposition so offen zur Schau trug, erhöhte nur noch seinen Ruf als Mann von unerschütterlichem Heldenmut. Er war jemand, den es zu fürchten und zu respektieren galt.

Sein Haar, das entgegen der herrschenden Mode sehr lang war, trug zu diesem Bild bei, denn es verlieh seiner ohnehin schon düsteren Miene einen gefährlichen Ausdruck. Mehr als einem Mann hatte es schon die Sprache verschlagen, wenn Rylan Kempe seinen durchdringenden Blick auf ihn richtete. Und die Damen am Hof und anderswo führten lange Diskussionen darüber, warum seine arrogante Mißachtung der Mode dennoch seine Anziehungskraft erhöhte. Aber wie ihre Meinung auch lautete, Sir Rylan schien sich nicht im geringsten darum zu scheren. Wenn es um Frauen ging, konnte er unglaublich galant oder aber von skrupelloser Entschlossenheit sein. Und obwohl er einen gefürchteten Ruf als Herzensbrecher hatte, schien das seine Attraktivität nicht im geringsten zu mildern. Er war unverheiratet und sehr reich. Selbst wenn er also so häßlich wie die Sünde gewesen wäre, hätte man ihn immer noch als hervorragende Partie angesehen. Allerdings machte er nicht den Eindruck, als habe er es eilig, sich eine Braut zu suchen.

Nach einer kurzen Unterbrechung erhob sich das Gesumme der Unterhaltung im Saal wieder. Sir Rylan nahm ein mit Rotwein gefülltes Kelchglas von einem der Knappen in Empfang, die die Gäste bedienten, nickte höflich dem einen oder anderen Bekannten zu und schritt auf direktem Wege zu der Stelle hinüber, wo Sir Evan an seinem erhöhten Tisch saß. Mit einem einzigen Blick veranlaßte er den Mann, der gerade das Wort an Evan richtete, sich zurückzuziehen. Dann zog er sich ohne große Umstände einen Stuhl heran und nahm Platz.

»Wenn ich gewußt hätte, daß du heute Gäste bewirtest«, sagte Rylan, »wäre ich gar nicht erst vorbeigekommen.«

»Ich muß zugeben, daß ich mehr als erstaunt bin, dich hier zu sehen. Stimmt etwas nicht? Nein, antworte nicht, ich kann sehen, daß etwas nicht in Ordnung ist. Sollen wir unsere Unterhaltung in eine privatere Umgebung verlegen?«

»Nichts wäre mir lieber, aber es gilt schließlich, deinen guten Ruf als Unterstützer unseres Lehnsherren zu erhalten«, erwiderte Rylan mit sarkastischem Unterton.

»Ja, das ist wohl richtig«, entgegnete Evan mit einem traurigen Lächeln. »Allerdings unterstützen immer weniger Freiherren den Mann, was nicht zuletzt auch dir zu verdanken ist – aber das dürfte dir ja ohne Zweifel bekannt sein. Der König wäre sicherlich nicht außergewöhnlich beunruhigt, wenn er wüßte, daß ich von einem seiner Feinde Besuch erhalten habe, schließlich hat er ja so viele. Du könntest zweifellos sogar all das, was dir derzeit auf der Seele brennt, in dieser Runde diskutieren, ohne befürchten zu müssen, daß es John Lackland jemals zu Ohren kommt.«

Rylan warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Wir werden sehen, ob du noch zu diesen Worten stehst, wenn du die Neuigkeiten gehört hast, die ich dir bringe.«

Als sie zusammen den Saal verließen – der eine Mann dunkel und bedrohlich in seinem Auftreten, der andere rothaarig und von freundlichem Wesen –, begann das Flüstern erneut, aber keiner der beiden zeigte sich darüber auch nur im geringsten besorgt. Klatsch war unter den Adligen üblich, und gerade in diesen unsicheren Zeiten unter König John mehr als verbreitet. Unsicherheit gebar Unbehagen, und in den letzten Jahren hatte man niemandem trauen können. Erst jetzt, wo Johns Politik ohne Ausnahme alle zugrunde richtete, begannen sich die Freiherren zusammenzuschließen. Der König wußte dies, und als Konsequenz war seine Politik sogar noch härter geworden. Aber es konnte nicht immer so weitergehen, wußte Rylan. Immer häufiger wurde der König abschätzig als John ›Weichschwert‹ bespöttelt, und das nicht nur wegen seiner armseligen militärischen Führung. Der Mann war in jeder Hinsicht nutzlos. England würde schon bald in Schutt und Asche liegen, wenn ihn niemand dazu zwingen konnte, sich zu ändern.

»Nun, was hast du auf dem Herzen?« erkundigte sich Evan, sobald sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. »Nachdem du meine Einladung zum Fest der Sommersonnenwende ausgeschlagen hattest, erscheinst du plötzlich doch, mit gerunzelten Brauen und Donner in deinem Blick. Nur ein Dummkopf würde nicht ahnen, daß unser guter König für deine düstere Stimmung verantwortlich ist.«

»Aye, du kennst unseren Lehnsherren nur allzu gut. Diesmal hat er allerdings noch keine Unannehmlichkeiten verursacht, was man ihm nicht zu hoch anrechnen sollte, denn ich bin sicher, der Grund ist lediglich der, daß er die Neuigkeiten noch nicht vernommen hat. Oder falls sie ihm doch zu Gehör gekommen sein sollten, so hat er bisher noch keinen Weg gefunden, sie sich zu seinem eigenen Vorteil zunutze zu machen.« Er rieb sich unruhig über die Stirn. »Möglicherweise weiß er aber auch noch nichts über sie.«

»Sie?« Evan warf Rylan einen ungeduldigen Blick zu. »Nun sag schon, wer ist ›sie‹? Und was genau soll das ganze Gerede?«

»Läute nach einem Ale, und ich werde beginnen. Wir haben eine lange Nacht vor uns, Evan. Eine lange Nacht.«

Nachdem sie mit einem Ale, einem Stück Käse und einem Laib Brot versorgt waren, setzte sich Evan zurück. Rylan trank und lief dann eine Weile unruhig auf und ab, ehe auch er sich hinsetzte.

»Aslin ist tot. Ebenso wie seine Frau und sein Sohn.«

»Preston? Aslin Preston, Lord von Oxwich? Verdammt, das ist aber eine Überraschung. Wie konnte das geschehen?«

»Ein Fieber, sagt man. Mindestens ein Dutzend seiner Leute ist auch daran gestorben.«

»Nun, das tut mir leid. Nicht, daß er zu meinen Freunden zählte, aber er hat mir auch nicht geschadet. Doch nun, da er tot ist – ebenso wie sein einziger Erbe – gilt es, über Oxwich nachzudenken. Wer wird es erben? Wer ist der nächste in der Erbfolge?«

»Das ist es ja gerade, was mich so bedrückt! Kein Mann in der Familie ist nahe genug in der Linie, um einen Anspruch geltend zu machen. Das heißt, John kann nach Gutdünken irgendeinen seiner Lakaien in Oxwich plazieren, mitten im Herzen Yorkshires! Beim Blute Christi, das werde ich nicht zulassen! Es würde meine ganzen Bemühungen, die Lords dieser Gegend zu vereinen, über den Haufen werfen. Schlimm genug, daß ganz England in Aufruhr ist, aber wir in Yorkshire beginnen langsam, uns zusammenzufinden. Wir haben eine Versammlung der Lords abgehalten, um diesen ganzen unnötigen Verdächtigungen und Anschuldigungen ein Ende zu setzen. Aber John betrachtet jeglichen Versuch, der zum Ziel hat, Frieden zu schaffen, und der ohne seine Anwesenheit vonstatten geht, als Angriff auf die Krone. Bei Gott, er wird irgendeinen Narren nach Oxwich senden und auf diese Weise die ganze Gegend zugrunde richten!«

Rylan hatte sich während seines Ausbruchs aufs neue erhoben und begann wieder, auf und ab zu laufen. Evan betrachtete ihn nachdenklich. »Du hast einen Plan, vermute ich. Du bist nicht zu mir gekommen, um meinen Rat zu erbitten, sondern um dir meine Zustimmung zu sichern. Habe ich recht?«

Diese aufmerksame Beobachtung zauberte endlich ein Lächeln auf Rylans düstere Züge. »Ich bin in den Besitz einer nützlichen Information gelangt, von der ich hoffe, daß sie der König nicht besitzt. Zumindest noch nicht. Aber in absehbarer Zeit wird er es natürlich herausfinden. Daher ist mir auch daran gelegen, schnell zu handeln.«

»Verdammt, wirst du nun endlich damit herausrücken?«

»Aslin Preston hat einen weiteren Erben.«

»Einen weiteren Erben? Einen Bastard, nehme ich an. Und einen Säugling.«

»Nein, eine Tochter, älter als sein Sohn. Aus seiner ersten Ehe. Seine Frau starb damals unter etwas mysteriösen Umständen. Und es handelt sich um ihre Tochter, die allerdings schon viele Jahre nicht mehr in Oxwich gewesen ist.«

»Ist sie verheiratet?«

»Nein.«

Das war eine klare Antwort und eine, auf die Evan gehofft hatte. Dennoch ließ ihn etwas in Rylans Stimme aufhorchen. »Es gibt da wohl noch mehr, was du mir bisher nicht gesagt hast.«

Ein weiteres Mal erschien ein Lächeln auf Rylans Gesicht, das seine rauhen und bedrohlich wirkenden Züge erhellte. »Das ist genau der Grund, warum ich deine Gesellschaft so schätze, Evan. Ich muß nur die Hälfte von dem aussprechen, was ich denke – den Rest erahnst du von selbst.«

»Erzähl schon weiter. Wo liegen die Schwierigkeiten bei dem Mädchen? Ist sie mißgebildet oder verblödet, so daß sie keiner haben will?«

Rylan seufzte. »Wenn es doch nur so einfach wäre. Unglücklicherweise ist sie eine Nonne. Das heißt, sie wird ihr Ewiges Gelübde ablegen, sobald sie alt genug ist. Da ihr Vater es abgelehnt hat, sie mit einer Mitgift auszustatten, hat kein Orden außer den Gilbertinerinnen Sie aufnehmen wollen.«

»Ein glücklicher Umstand, nicht wahr?«

»Vielleicht. Aber im Falle von Aslin Preston handelte es sich bestimmt eher um Knauserigkeit als um Voraussicht.«

»Wie auch immer, bist du sicher, daß sie ihr Gelübde noch nicht abgelegt hat? Einen Nonnenorden zu verlassen wird mit harten Strafen belegt, insbesondere bei den Gilbertinerinnen.«

»Hast du das päpstliche Interdikt schon so schnell vergessen? Selbst wenn sie bereits ihr Gelübde abgelegt haben sollte, so wird es die Kirche erst dann anerkennen, wenn Papst Innozenz und John sich geeinigt haben.«

»Du hast also vor, sie ausfindig zu machen, sie zu ihrer Burg zurückzutragen und sie irgendwie zu überreden, daß deine Wahl eines Ehemannes nur zu ihrem Besten sein wird. Wen hast du denn eigentlich für sie vorgesehen?«

Rylan zuckte die Schultern. »Irgendein schneidiger Kerl wird sich schon finden – vorausgesetzt, sie bietet keinen allzu schrecklichen Anblick. Wie wäre es denn mit dir?« Er grinste. »Oxwich ist eine hübsche, kleine Burg mit ertragreichen Feldern und einem ansehnlichen Dorf, das eine recht große Einwohnerzahl hat.«

»Vielleicht solltest du sie für dich selbst in Erwägung ziehen«, erwiderte Evan mit einem finsteren Blick.

»Ich habe ein anderes Weib im Auge, vielen Dank. Mit weitaus wichtigeren Besitztümern als Oxwich.« Rylan nahm einen langen Zug von seinem Ale und knallte den Zinnkrug dann auf den Tisch. »Und Lady Marylin ist zumindest eine bekannte Größe. Anders, als Aslins kleine Nonne.«

»Lady Marylin?« Evan beugte sich vor. »Egbert Crosleys Tochter?«

»Aye, dieselbe«, gab Rylan zu, während er seinen Krug erneut füllte. »Aber spar dir deine Glückwünsche noch eine Weile auf. Meine Übereinkunft mit ihrem Vater ist noch nicht offiziell, und sie istim Moment auch nicht Thema dieser Unterhaltung.«

»Da hast du recht«, stimmte Evan widerstrebend zu. »Der König wird allerdings einem Schlaganfall nahe sein, wenn er davon erfährt, denn er hat sich so überaus eifrig bemüht, Egberts Besitztümer denen seiner eigenen Anhänger hinzuzufügen. Wenn er herausbekommt, daß du und Crosley euch verschworen habt, seine Autorität zu umgehen ...« Evan zuckte mit den Schultern. »Nun ja, hat Prestons Tochter denn einen Namen?«

»Joanna. Lady Joanna Preston, gegenwärtig noch Novizin im Kloster St. Theresa, aber bald schon Herrin von Oxwich. Ich habe keinerlei Zweifel, daß sie sich freuen wird, wieder eine Erbin zu sein.«

Evan schwieg einen Augenblick. »Wenn du Lady Marilyn heiratest, dann wirst du genug Güter besitzen, so daß John dich nicht länger ignorieren kann. Und wenn dein Plan gelingt, und du einen Ehemann für Lady Joanna findest, wird ganz Yorkshire eine feste Front gegen ihn bilden. Was natürlich nur dann passiert, wenn die Dame mitspielt.«

»Das wird sie schon. Ganz offensichtlich hat ihr Vater sie ins Kloster geschickt, nachdem er seinen Sohn bekam. Nun wird sie doch alles erben. Warum sollte sie nicht mitspielen?«

»John wird nicht tatenlos zusehen, weißt du. Er wird dich um ihretwillen bekämpfen, ganz besonders, wenn er erst einmal erfährt, daß er Lady Marilyn an dich verloren hat. Er wird diese Lady Joanna mit einem Mann seiner eigenen Wahl vermählen wollen. Immerhin ist sie vor dem Gesetz ein Mündel des Hofes. Es ist Sache des Königs, eine Partie für sie auszuwählen, nicht deine.«

»Das mag sein, aber wenn die Angelegenheit erst einmal erledigt ist, wenn sie es sich mit einem Baby im Bauch in Oxwich Castle bequem gemacht hat und ihr ein Ehemann zur Seite steht, der den Besitz verteidigt, dann wird John nur noch wüten und toben können, denn für alles andere ist es zu spät. Ich werde schon morgen nach St. Theresa reiten, um das Mädchen zu holen, und ich werde sie auf Blaecston unterbringen, bis die Heirat vollzogen ist. John wird es nicht wagen, mich in meiner eigenen Burg anzugreifen. Er hat keine Verbündeten in Yorkshire, die ihn unterstützen und das weiß er.«

»Sind deine Verbündeten in deine Pläne eingeweiht?«

Rylan lachte laut heraus. Ganz offensichtlich genoß er dieses Spiel, dessen Initiator er war. »Sie stimmen alle darin überein, daß wir einen von unseren Leuten in Oxwich haben müssen. Sie werden sich wohl kaum über meine Mittel mokieren, wenn das Mädchen erst einmal in meinen Händen ist.«

Evan gab einen tiefen Seufzer von sich. »In Ordnung, Rylan. Es sieht ganz so aus, als hättest du alles sorgfältig geplant, wahrscheinlich bis auf die genaue Stunde, zu der diese Hochzeit stattfinden soll. Was willst du also von mir?«

»Nichts weiter als das Übliche, mein Freund. Hör dich um, was sich bei Hofe abspielt. Sie werden bald nach Ely ziehen, nicht einmal sieben Wegstunden von hier entfernt. Es wäre nur angemessen, wenn du dem König deine Aufwartung machen würdest. Achte auf jegliches Gerücht. Beschwichtige ihn, so gut du eben kannst. Aber wenn der Vogel erst einmal frei ist – und irgendwann muß er einfach von der Sache erfahren – dann laß mir umgehend eine Nachricht zukommen.«

»Du wirst also auf Blaecston sein?«

»Wenn erst einmal alles in die Wege geleitet ist, werde ich mich auf Blaecston aufhalten und mich um meine Schafe und meine Felder kümmern.«

»Und Ränke gegen John schmieden.«

Rylan hob seinen Krug. »Und Ränke gegen John schmieden.«

König John bedachte den Bischof von Ely mit einem ausgesprochenen gebieterischen Blick. »Solange sie noch nicht ihr Ewiges Gelübde abgelegt hat, wird sich die Kirche nicht einmischen? Können wir von dieser Annahme ausgehen oder nicht?«

Der Bischof nickte so überaus eifrig, daß seine fetten Hängebacken auf widerliche Art und Weise zitterten. »Natürlich, Eure Majestät. Natürlich. Die guten Schwestern von St. Theresa sind immer äußerst bestrebt, sich dem königlichen Willen zu beugen. Wenn dieses Mädchen noch nicht das Ewige Gelübde abgelegt hat ...« Er verstummte, als der Blick des Königs kälter wurde und richtete seine Augen hilfesuchend auf die Königin.

Mit einer kleinen, katzenartigen Bewegung bedachte Isabel ihn mit einem strahlenden Lächeln, wandte sich dann ihrem Ehemann zu und legte die Hand auf seinen Arm.

»Wenn sie das Ewige Gelübde bereits abgelegt hat, können wir ihre Ländereien durch einen königlichen Erlaß beanspruchen.«

König John runzelte die Stirn. »Das verkompliziert die Sache nur. Es wird viel einfacher sein, wenn wir sie mit einem Mann meiner Wahl vermählen.«

»Das ist wohl wahr.« Ihre Stimme kam einem Schnurren gleich. »Aber immerhin haben wir zumindest noch andere Möglichkeiten.«

»Kempe wird mich zur Rede stellen, wenn ich das Land beanspruche.«

Isabel seufzte und strich ihm beruhigend über den Arm. Obwohl der Bischof hätte schwören können, daß sie mit einem Gefühl der Ungeduld gekämpft hatte.

»Statt endlos über diese Angelegenheit zu debattieren, solltet Ihr einfach jemanden schicken, um sie zu holen. Und das auf schnellstem Wege«, fügte sie hinzu.

Der König nickte. »In Ordnung. So sei es. Sieh zu, daß es erledigt wird«, fuhr er den Mann an, der ihm überallhin folgte und bemüht war, ihm den kleinsten Wunsch von den Augen abzulesen. Nachdem der Mann davongeeilt war, erhob sich der König und begann, unruhig aufund ab zu laufen.

»Wie lange wird es wohl dauern?« erkundigte er sich mit seiner wie üblich gereizten Stimme.

»Wenn das Wetter sich hält, nicht länger als eine Woche«, erwiderte Isabel. »Kommt schon, John«, fügte sie hinzu. »Durch Euer Herumgelaufe wird es auch nicht besser.«

Der König drehte sich mit schnellen Schritten um, und der wütende Ausdruck auf seinem Gesicht ließ den Bischof furchtsam zurückweichen.

Aber Isabels gelassene Haltung änderte sich in keiner Weise. Wie schon so oft bewunderte der Bischof ihr selbstbewußtes Auftreten.

»Kempe wird ebenfalls hinter ihr her sein«, fluchte John. »Er ist ein solch gerissener Kerl, daß er sie bestimmt aus dem Kloster holt und gegen meinen Willen mit irgendeinem Kerl verheiraten wird. Man kann ihm nicht trauen!«

Isabel winkte dem Bischof zum Abschied, und er verließ das königliche Paar nur allzu gern. In der Königin sah er eine großartige Verbündete, der König allerdings war unberechenbar. Ihm konnte er kein Vertrauen entgegenbringen.

Gott möge Mitleid mit Rylan Kempe haben, wenn er dem König bei dieser Angelegenheit in die Quere kam, dachte er.

Was Prestons Tochter betraf, so verschwendete der beleibte Bischof nicht einen einzigen Gedanken an sie. Sie würde tun, was ihr die Pflicht gebot. Wenn nicht die Pflicht gegenüber Gott, dann die Pflicht gegenüber ihrem König.

2

Joanna kniete auf dem kalten Granit. In ihrer Haltung spiegelte sich Demut. Ihr Kopf war unterwürfig gebeugt, und ihre Hände waren so fest ineinander verschlungen, daß die Finger beinahe schmerzten. Nach außen hatte es den Anschein, als sei sie in tiefem Gebet versunken, wie es einer Novizin des Ordens der Gilbertinerinnen entsprach. Selbst die Äbtissin nickte anerkennend, als sie die sonst so widerspenstige Joanna bei ihrem Gebet beobachtete.

Aber in Wahrheit rang Joanna tief in ihrem Inneren mit sich. Mehr als alles andere war sie wieder einmal auf der Suche nach innerem Frieden, nach einer Ruhe, aus der sie Kraft schöpfen konnte, wenn eine ihrer Stimmungen sie überfiel. Aber sie fand in ihren Gebeten keinen Trost. Ihre Seele wehrte sich, als habe sich der Teufel in ihrer Brust breitgemacht. Die Gebete, die sie auswendig kannte, verwirrten sich in ihrem Kopf, und wenn sie nach eigenen Worten suchte, wollten sie nicht kommen.

Du hast kein Recht, deine Oberen zu kritisieren, ermahnte sie sich im Stillen. Genausowenig wie die, die auf gleicher Stufe mit dir stehen.

Wie gerne hätte sie sich bewegt. In ihrem linken Bein spürte sie einen Krampf, und dennoch verharrte sie hartnäckig in derselben Haltung. Wer bist du, daß du deine Sünden als geringer erachtest, als die ihren? schalt sie sich. Du, die du so stolz bist? Und doch blieb es eine Tatsache, daß sie eine der Novizinnen dabei erwischt hatte, als sie sich im Wald in der Nähe des kleinen Teiches mit einem Mann getroffen hatte. Und daß sie sofort zu einem Urteil über die Frau gekommen war.

Joanna hat gerade an den feuchten Stellen hinter dem Teich Pfeilwurzeln gesucht, als sie Winna und den Vogelfänger entdeckte, und sie hatte ihren Blick nicht von ihnen abwenden können. Wie sie sich aneinander klammerten – ihre Körper zusammengepreßt, ihre Münder miteinander verschmolzen. Wie vertraut ihre Berührungen gewesen waren, bevor sie in die dichten Farne sanken und Joanna sie nicht mehr sehen konnte!

Sie hatte auch nichts mehr sehen wollen. Der ganze Vorfall hatte sie abgestoßen und erschreckt, und sie war nicht einen Augenblick länger an diesem Ort geblieben. Aber während ihrer hastigen Rückkehr zum Kloster hatte sie immer und immer wieder die Szene vor Augen gehabt. Winna war eine schamlose Dirne! Und doch war Joanna sich bewußt, daß es ihr nicht zustand, andere zu verurteilen.

Dies lag allein in den Händen des himmlischen Vaters. Er würde Winna durch die Äbtissin strafen lassen. Joanna sollte sich lieber mit einer Strafe für ihren eigenen Hochmut, andere zu verurteilen, befassen. Sie wußte doch genau, daß ihr das nicht zukam!

Allerdings beschränkte sich die Sünde nicht allein auf ihren Stolz. Etwas lastete noch viel schwerer auf ihrem Gewissen. Als sie Winna mit diesem Mann gesehen hatte, war sie unerklärlicherweise wütend geworden. Sie hatte versucht, sich einzureden, daß es eine angemessene Wut war, da Winna die Gilbertinerinnen und die Novizinnen verriet, indem sie sich mit einem Mann traf. Wie konnte sie! Aber gleichzeitig hatte Joanna das beunruhigende Verlangen verspürt, mehr zu erfahren. Was hatten sie in dem tiefen Farnenhain getan? Warum war Winna diesem Mann so willig gefolgt?

Eine längst vergessen geglaubte Erinnerung an ihre weinende Mutter und die grausame, anklagende Stimme ihres Vaters drängte an die Oberfläche ihrer Emotionen und schürte ihren rechtschaffenen Zorn. Männer taten Frauen weh. Winna wußte dies vielleicht noch nicht, aber mit der Zeit würde sie es herausfinden. Möglicherweise wäre dies Gottes Strafe für ihre Sünde.

So beschrieb Joanna mit ihrer Hand ein andächtiges Kreuzzeichen als Buße dafür, daß sie es gewagt hatte, ihr eigenes, menschliches Verlangen nach Gerechtigkeit auf eine Sache zu übertragen, die ausschließlich zwischen Winna und dem Herrn abgemacht werden mußte.

Danach verharrte sie solange in derselben Haltung auf dem alten Steinfußboden, bis die Glocken zum nachmittäglichen Gebet riefen. Aber selbst nachdem sie sich mit den anderen Novizinnen in der Kapelle versammelt und sich einen Platz in den Reihen gesucht hatte, blieb ein Gefühl der Furcht zurück, daß ihre Gebete nicht ausreichen könnten, um sie von ihren sündigen Gedanken zu reinigen.

Zwar verspürte sie keinen Zorn mehr auf Winna. Ein solches Gefühl war unangebracht. Und sie verurteilte die Frau auch nicht länger wegen ihrer Schwäche. Schließlich hatte sie selbst ihre eigenen Schwächen, die sich offenbar jedwedem Angriff widersetzten: ihr Temperament, ihre vorwitzige Zunge, ihre Neigung, andere zu verurteilen. Doch wie sehr sie sich auch bemühte, Joanna konnte sich einfach nicht von ihrer ungehörigen Neugierde befreien. Was hatten Winna und der Vogelfänger im Wald getan? Und wann würden sie es wieder tun?

Als sich alle auf das Zeichen der Äbtissin hin niederknieten, protestierten Joannas Knie angesichts des neuerlichen Mißbrauchs, und der Schmerz ließ sie leise aufstöhnen. »Schhhh« ertönte es sofort, und ausgerechnet von Winna! Joanna blickte mit gerunzelter Stirn auf ihre zum Gebet gefalteten Hände hinunter und bemühte sich sehr, ihre neuerliche Wut zu unterdrücken.

»... und erbitten deine Vergebung für unsere Sünden – für die uns wohlbekannten, sowie auch für die vielen unbekannten. Bemitleidenswerte Kreaturen sind wir, und es ist allein die Liebe Gottes, die uns Würde zuteil werden läßt«, sagte die Äbtissin mit ihrer vertrauten, leise murmelnden Stimme.

Wieder einmal verspürte Joanna eine tiefe Schuld und schwor sich – wie sie es nun scheinbar dauernd tat –, ihre lästigen Gedanken unter Kontrolle zu halten. Sie würde nicht mehr stolz sein. Sie würde keine Widerworte mehr geben. Sie würde andere nicht verurteilen. Und dennoch, als sie ihre Gebete sprachen und die Messe zelebrierten – wenn auch unvollständig, da die Sakramente nun in England verboten waren –, fühlte Joanna eine zunehmende Verzweiflung. Sie fürchtete, daß sie selbst nach fünf Jahren im Kloster niemals eine gute Nonne sein könnte – bescheiden und demütig, zufrieden mit stillen Tagen, ausgefüllt durch Gebete und endlose Strickarbeiten. Es war zwar genau das, was sie wollte, aber ...

Ihre Gedanken wanderten unfreiwillig wieder zu der kleinen Szene im Wald zurück, und sie seufzte untröstlich. Die Mutter Oberin hatte recht, sie war in der Tat eine bemitleidenswerte Kreatur.

Im Kloster von St. Theresa waren Besucher selten. Joanna führte dies vor allem auf die einsame Lage des Klosters zurück. Es lag auf einem hohen Felsvorsprung, der in die Deutsche Bucht hineinragte. Und auch die spartanische Einrichtung, die allen Häusern der Gilbertinerinnen zu eigen war, mochte ein Grund dafür sein. Dies war kein reiches Kloster. In St. Theresa hatten sich die Ausgestoßenen der Gesellschaft versammelt: Frauen, die in Not geraten waren und nirgendwo sonst unterkommen konnten, bekehrte Prostituierte aus Durham und York und Lincoln, gelegentlich auch eine Witwe, deren Lehnsherr sich weigerte, sie erneut zu verheiraten. Und auch andere, die, wie sie selbst, Töchter von Lords niederen Standes waren. Sie alle verband eins: die Abwesenheit von Mitteln. Und dies war der Grund für die unheilvolle Lage, in der sich das Kloster befand. Aber so hatte es der Gründer, Gilbert von Semringham, festgelegt, und so kam es, daß sich bei den Gilbertinerinnen solche Frauen einfanden, die die Zisterzienser, die Cluniazenser und die Weißen Frauen nicht in ihre heiligen Orden aufgenommen hatten.

Daher arbeiteten die Novizinnen und die Schwestern von St. Theresa lang und hart, um ihr Kloster und damit sich selbst zu erhalten. Ihre Stickarbeiten bedeuteten für sie Brot und Auskommen, und zweimal wöchentlich machte sich ein Karren mit ihren Waren in Richtung York auf den Weg. Beten, sticken und die Gartenarbeit, die für die Küche notwendig war, bestimmten das Leben im Kloster, und im großen und ganzen waren die Frauen zufrieden mit ihrem Schicksal. Die Zukunft, die ihnen außerhalb der Klostermauern gedroht hätte, war grausam.

Gerade wegen ihres abgeschiedenen Lebens waren Besucher eine seltene, aber willkommene Überraschung und boten Anlaß zu großer Aufregung. Daher kam es, daß alle vor Neugierde zu platzen drohten, als die Äbtissin während eines Morgengebets von einem Boten unterbrochen wurde. Die Predigt wurde eiligst zu Ende gebracht, und anschließend verkündete Schwester Edithe der neugierigen Versammlung, daß sich eine Gruppe von Reisenden über den steinigen Pfad nähere, der zu St. Theresa führte.

Nachdem sie eine nach der anderen aus der Kapelle gehastet waren, erfaßte alle Angehörigen von St. Theresa eine ungewöhnliche Lebendigkeit. Rasch machte man sich daran, das Kloster für die Besucher vorzubereiten. Die Steinstufen wurden von den jüngeren Mädchen gefegt, Tische für ein frühes Mittagessen nach draußen geschleppt, während die Köchinnen in die Küche eilten. Vom Turm über der Kapelle aus berichtete eine der Nonnen über das Vorankommen der Gruppe auf dem schmalen Weg.

Joanna war – wie die anderen – voller Erwartung und ebenso eifrig darauf bedacht, einen Blick auf ein unbekanntes Gesicht zu werfen, eine andere Stimme zu hören, Neuigkeiten von draußen zu erfahren. Für den Augenblick vergaß sie ihre entschlossene Ablehnung der Welt vor den Mauern. Jetzt bot sich die Gelegenheit, das langweilige und eintönige Leben von St. Theresia für eine kleine Weile zu vergessen.

Die Männer, die in den unbefestigten Hof des Klosters geritten kamen, lösten Erstaunen aus. Obwohl sie weder Rüstung noch Panzer trugen und lediglich ein Wimpel über ihren Köpfen wehte – ein weißer Kreis auf schwarzem Grund, in dem ein blutroter Adler zu erkennen war – handelte es sich dennoch ohne Zweifel um eine Kriegsschar. Diese Männer waren von einer gewissen Aura umgeben, die Stärke und Mut und sogar Bedrohung – sollte es eine Situation erfordern – in sich vereinte.

Joanna, die mit den anderen neugierigen Zuschauerinnen den Aufmarsch betrachtete, ließ ihre Augen zu dem Mann wandern, der die Gruppe anführte. Ein Gefühl der Angst breitete sich in ihr aus.

Obwohl alle Männer einen imposanten Anblick boten, insbesondere für Frauen, die es nicht gewohnt waren, einer solchen Kriegsschar zu begegnen, war der Anführer der furchteinflößendste von allen. Es lag nicht an seiner Größe oder an der Breite seiner Schultern – der blonde Hüne, der an seiner rechten Seite ritt, übertraf ihn sowohl beim einen wie beim anderen –, sondern mehr an seiner Haltung, die so aufrecht und gelassen erschien, als besitze er eine Macht, eine Autorität, die niemand anzugreifen wagte.

Die typische Arroganz eines Edelmannes, dachte Joanna, allerdings zehnmal soviel davon. Und obwohl sie ihn vom ersten Augenblick an nicht leiden konnte, brachte sie es doch nicht über sich, ihren Blick von ihm zu wenden.

Er saß aufrecht und mühelos im Sattel, war eins mit dem stolzen Streitroß, das er ritt. Seine Kleidung war einfach und dunkel; eine kurze Ledertunika über dunkelgrünen Hosen und hohen, grauen Stiefeln. Sein Umhang war über eine Schulter zurückgeschlagen, gehalten von einer dunklen, glitzernden Brosche. Sein einziges Zugeständnis an den ritterlich galanten Stil war ein kostbarer Gürtel, den er um seine Taille geschlungen hatte. Er war aus Leder, Gold und Silber gearbeitet und trug Juwelen, die im blassen Sonnenlicht funkelten.

Er war durch und durch ein Lord des Königreiches, aber je länger ihn Joanna betrachtete, desto mehr erinnerte er sie an einen plündernden Dänen als an einen Ritter von König Johns Hof. Er war zu wachsam, saß zu still auf seinem Pferd. Dann war da noch sein ungewöhnlich langes Haar, das ihm weit über die Schultern reichte, wie bei einem Vandalen. Ja, genau daran erinnerte er sie, und sie begann zu zittern, von einer düsteren Vorahnung erfaßt.

Er ließ seine Augen langsam über den Hof hinwegschweifen, als sei er auf der Suche nach irgendetwas, und Joanna war sich sicher, daß seinem forschenden Blick nichts entging. Als seine Augen bei der kleinen Gruppe hängenblieben, in der sie stand, wich sie, plötzlich ängstlich geworden, zurück. Dies alles hat nichts Gutes zu bedeuten, dachte sie, und wurde von Panik ergriffen. Sie bedauerte ihr dummes Verlangen nach einer Unterbrechung des monotonen Klosterlebens. Schick ihn fort, betete sie im stillen, als er vor Schwester Edithe abstieg und sich höflich verbeugte. Oh, bitte, geliebte Jungfrau Maria, schick ihn von hier fort.

»Ich hoffe, sie bringen Neuigkeiten aus York«, hörte sie, wie eine der Frauen hinter ihr flüsterte.

»Wenn sie aus London gekommen sind, wissen sie vielleicht, wie es um Scunthorpe bestellt ist. Ich habe schon so lange nichts mehr von meiner Mutter gehört ...«

»Ganz bestimmt kommen sie nicht vom Bischof.«

Das Geplapper wurde immer lauter, während Schwester Edithe den Mann in den großen Saal führte, und die beiden Packpferde, die nur leicht beladen waren, wurden zu dem Pferch geführt, der eine schäbige Unterkunft für solch prächtige Tiere bot. Aber St. Theresa besaß nun einmal nur wenige Pferde, denn es gab außer Zugpferden für den Karren keinen weiteren Bedarf. Doch es war nicht die Unterbringung der Tiere, die Joanna Sorgen bereitete, als sich die Frauen langsam zu zerstreuen begannen. Dieser Mann war aus einem bestimmten Grund bierhergekommen. Da war sie sicher. Das Kloster lag zu abgeschieden, als daß es hätte anders sein können. Er machte nicht den Eindruck eines Boten des Ordens. Es mußte also einen anderen Grund für seine Anwesenheit geben.

»Welch eine feine Gruppe von Männern! Der bloße Anblick läßt einen die Scherereien vergessen, die ein Mann einer Frau bereiten kann«, bemerkte eine hitzige Stimme. Als Joanna Winna als Sprecherin ausfindig machte, die immer noch hinter den Männern herstarrte, während diese ihrem Lord in den Saal folgten, runzelte sie die Stirn.

»Es ist ratsam, Besucher zu meiden und dadurch die Versuchungen der Welt zu umgehen«, erwiderte Joanna schnippisch. Sie zitierte aus einer Predigt, die sie kürzlich gehört hatten.

»Hast du denn Angst, in Versuchung zu geraten?« erkundigte sich Winna in bewußt provozierendem Ton. »Denn dann sei gewarnt. Männer gehören zu den Versuchungen, die sich nicht so leicht ablegen lassen.«

»Und du hast dich ganz offensichtlich immer noch nicht von dieser Versuchung trennen können«, schnappte Joanna gereizt zurück.

»Und mir will scheinen, daß du ein wenig zu neugierig bist, was das betrifft«, entgegnete Winna in einem gedehnten Tonfall. »Ich frage mich, welchen Grund es wohl dafür geben mag?«

Joannas aufbrausendes Temperament regte sich, aber sie unterdrückte schnell die scharfe Erwiderung, die ihr bereits auf der Zunge lag. Winna beurteilte alle mit dem Maßstab ihrer eigenen, losen Moralvorstellungen. Einen Augenblick lang hatte sie Bedenken, daß Winna sie möglicherweise doch dabei gesehen haben könnte, als sie sie im Wald beobachtet hatte. Aber sie tat diesen Gedanken als unwahrscheinlich ab. Ihre eigentliche Sorge sollte viel eher sein, ob sie tatsächlich zu neugierig war, was diese Männer – oder Männer im allgemeinen – anging. Sie brachte ihre Gefühle unter Kontrolle und umgab sich mit eisiger Gelassenheit.

»Du machst dich mit derart unziemlichen Bemerkungen zum Gespött – und diesen ganzen Ort dazu.«

»Ich bin hier, weil ich hier sein muß. Frömmelei überlasse ich denen, die besser dafür geeignet sind. Solchen wie du«, fügte Winna schelmisch hinzu. »Aber wenn ich es recht besehe, dann liegt dir trotz deines steifen Benehmens eine solche Frömmelei auch nicht unbedingt. Ich habe mich schon immer gefragt, Joanna, warum du eigentlich hier an diesem Ort bist. Welchen Grund hast du, dich zu verstecken, wo du doch ein Heim und einen Titel hast? Warum verzichtest du auf Annehmlichkeiten, die dir von Geburt aus zustehen?«

Joanna wußte darauf keine Antwort, und als sie verärgert davoneilte, Winnas spöttisches Lachen im Ohr, war sie zwischen schrecklicher Wut und plötzlicher Niedergeschlagenheit hin und her gerissen. Ihr Aufenthalt in St. Theresa ging niemand anderen etwas an, sagte sie sich, vor Wut schäumend. Niemanden! Aber Winnas grausamer Hohn hatte Erinnerungen in ihr wachgerufen, die, einmal an die Oberfläche gezerrt, sich nur schwer wieder beiseite drängen ließen.

Das Kloster von St. Theresa war ihr Zuhause, seit sie im zarten Alter von zwölf Jahren hier angekommen war. Ganz gewiß war dies eher ihr Heim als die Burg, in der sie geboren war. Drei lange Jahre – von dem Zeitpunkt an, als ihre Mutter gestorben war, bis zu dem Moment, wo die zweite Frau ihres Vaters ihm stolz einen Erben präsentierte – hatte ihr Vater sie vollkommen ignoriert, kaum einmal überhaupt ihre Gegenwart zur Kenntnis genommen. Joanna hatte immer häufiger darum gebeten, in eine Klosterschule geschickt zu werden. Alles war ihr recht, wenn es sie nur von Oxwich wegführte. Aber ihr Vater war standhaft geblieben und hatte ihr diesen Wunsch verweigert. Nur die Geburt des ersehnten Erben hatte seine Haltung geändert. Möglicherweise war es auch Lady Mertices Ungeduld mit ihrer schwierigen Stieftochter gewesen, die seine Entscheidung erleichtert hatte. Was auch immer der Grund gewesen sein mochte, Joanna war frohen Mutes nach St. Theresa gekommen, in der Hoffnung, hier Trost zu finden und den bitteren Erinnerungen an Oxwich entfliehen zu können. Aber das war ihr nicht gelungen. Nicht wirklich. Und nun brachte ihr der heutige Besucher aus irgendwelchen Gründen diese Tatsache deutlicher als je zuvor zu Bewußtsein.

Joanna hielt sich während des Essens vom großen Saal fern. Sie wollte von den Fremden, die mit ihnen aßen, nichts mitbekommen – ganz besonders nichts von dem Mann mit dem langen, dunklen Haar. Statt dessen bat sie die Köchin um eine Schüssel Kohlsuppe und ein Stück dunkles Brot und mußte ihr dafür versprechen, nach dem Mahl beim Saubermachen zu helfen.

Sie war gerade dabei, die eingesammelten Löffel und die Holzschalen in warmem Wasser zu waschen, als sie zur Mutter Oberin zitiert wurde.

»Sch-schwester Edithe wünscht mich zu sehen?« stammelte sie erschrocken.

»Aye. Du sollst dich anständig herrichten und dann sofort zu ihr kommen«, erwiderte die ältere Nonne in dem gedämpften Tonfall, der allen Schwestern der Gilbertinerinnen eigen war.

»Anständig herrichten?« Während Joanna ihre Hände trocknete und die Ärmel hinabrollte, überschlugen sich ihre Gedanken. Die Äbtissin ließ selten eine der Novizinnen in ihre Privaträume rufen, es sei denn, es ging um eine Verletzung der Hausordnung. Eine ernsthafte Verletzung. Doch so sehr sie sich auch anstrengte, Joanna konnte sich nicht daran erinnern, in letzter Zeit ein Verhalten an den Tag gelegt zu haben, das eine solche Aufforderung gerechtfertigt hätte.

Sie hatte Winna und den Vogelfänger beobachtet, das mußte sie zugeben. Und sie hatte diese Beobachtung nicht, wie erforderlich, weitergegeben. Aber wie hatte Schwester Edithe nur davon erfahren können? Weder der Vogelfänger noch Winna hatten sie bemerkt, da war sie ganz sicher.

Äußerst beunruhigt strich sie sich mehrere der mahagonifarbenen Locken aus dem Gesicht, die sich an den Schläfen gelöst hatten, und steckte sie unter ihr weißes couvrechef, das den Rest ihres widerspenstigen Haares verbarg. Ihr Kleid war verknittert und abgenutzt, aber den meisten Frauen in St. Theresa ging es nicht anders. Die graue Wolle war schlicht und praktisch, und sie fühlte sich darin recht wohl. Es gab nur sehr wenig, was sie tun konnte, um sich anständig herzurichten, außer, den geflochtenen Gürtel um ihre Taille enger zu ziehen und die zahlreichen Kräusel des Stoffes etwas gleichmäßiger zu verteilen. Zum guten Schluß spritzte sie sich noch ein wenig kaltes Wasser auf die Wangen, um ihr rosiges Glühen abzukühlen. Dann machte sie sich schweigend und mit gesenktem Kopf, wie es sich für eine Novizin des Ordens der Gilbertinerinnen geziemte, auf den Weg zu Schwester Edithes Zimmer.

Sie war schon seit mehreren Monaten nicht mehr im Arbeitszimmer der Mutter Oberin gewesen – nicht mehr, seit sie dabei erwischt worden war, wie sie verloren in die Ferne gestarrt hatte, statt sich ihrer Arbeit an einer der grünen Altardecken aus Damast zu widmen, die für Bischof Milford von St. John's angefertigt wurden. Alle Schwestern und Novizinnen von St. Theresa hatten damals mit vereinten Kräften gearbeitet, um diesen Auftrag pünktlich zu erledigen. Die Mutter Oberin hatte Joanna wegen ihrer allzu häufigen Träumerei gescholten. Es sei selbstsüchtig von ihr, so gedankenverloren dazusitzen, während alle anderen hart arbeiteten, um die schwierigen Altardecken fertigzustellen, hatte sie ihr zu verstehen gegeben. Bischof Milford war ein wichtiger Mann, seine Kirche eines der schönsten Gotteshäuser überhaupt, und sie solle sich geehrt fühlen, einen kleinen Teil zu einem solch großartigen Vorhaben beitragen zu dürfen.

Joanna war gebührend bestraft worden und hatte angemessene Reue gezeigt. Und sie hatte sich dem grünen Damast mit allergrößter Sorgfalt gewidmet – bemüht, keinen allzu großen Stolz über ihre Arbeit zu empfinden. Wenn die Stickerei fein und ebenmäßig war und all das, was sie bisher angefertigt hatte, übertraf, war dies Gottes Verdienst und nicht ihr eigener.

Nun allerdings wußte Joanna nicht, was sie falsch gemacht hatte. Ihr zögerliches Klopfen wurde umgehend beantwortet, und nachdem die leise Aufforderung zum Eintreten erfolgt war, stieß sie die Tür auf. Eine Katze schlüpfte an ihr vorbei und ließ Joanna für einen Moment zusammenzucken, bevor sie auf leisen Pfoten verschwand. Joanna konnte nicht verhindern, daß sie ein Schauer starken Widerwillens überfiel. Eine Vorliebe für Katzen war die einzige Schwäche, die Schwester Edithe besaß. Aber Joanna war außerstande, diese Vorliebe zu teilen. Das Gegenteil war der Fall. Katzen erinnerten sie an Oxwich und diese eine, schreckliche Nacht.

»Joanna«, sagte Schwester Edithe und neigte kaum merklich ihren Kopf. Ihre ernste Miene enthüllte nichts. »Du hast nicht am Essen teilgenommen.«

»Nein ... nein. Ich war in der Küche.«

»Bist du heute an der Reihe, in der Küche zu helfen?« Aber sobald sie die Frage ausgesprochen hatte, winkte die Äbtissin sie auch schon mit einer für sie ungewöhnlichen Geste der Zerstreutheit beiseite. »Nun, wie es auch sei. Das soll uns jetzt nicht beschäftigen. Es gibt Neuigkeiten für dich.«

»Neuigkeiten?« Joanna wurde von einem übermächtigen Gefühl der Angst gepackt. Die letzte Neuigkeit, die sie erhalten hatte, lag nun bereits drei Jahre zurück. Damals hatte ihr Vater auf ihr Gesuch hin rundheraus verweigert, ihr eine Mitgift zur Verfügung zu stellen, was Joanna die Möglichkeit gegeben hätte, schneller das Ewige Gelübde abzulegen. Sie hatte eine Zeitlang schreckliche Angst gehabt, daß er sie verheiraten wollte, aber als die Jahre vergingen, war diese Angst abgeklungen. Seither hatte es keinen weiteren Kontakt mehr zwischen ihnen gegeben, also, was sollte ...

»Lord Blaecston hat sich ungewöhnlichen Mühen unterzogen, um mit dir zu reden«, fuhr die Äbtissin, offensichtlich ein wenig aufgeregt, fort. »Er besteht darauf, ein Gespräch unter vier Augen mit dir führen zu dürfen.«

Joanna war zu verwirrt, um zu antworten. Lord Blaecston? Er mußte der Mann sein, der die Besucher hierhergeführt hatte. Der Mann, der sie so erschreckt hatte.

»Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich auf einen Spaziergang begleiten würdet, Lady Joanna, ich bringe Neuigkeiten aus Oxwich.«

Joanna wirbelte herum, als sie die unerwartete Stimme vernahm. Gelassen und tief war sie, mit einer dunklen Färbung. Sie paßte zu ihm, dachte sie, als sie zu der Fensternische hinüberblickte. Dort stand er, hinter ihm die letzten Strahlen der Sonne, die durch die schmale Fensteröffnung hineindrangen, und verströmte jene Selbstsicherheit, die das ansonsten geräumige Zimmer scheinbar schrumpfen ließ.

»Werdet Ihr mich begleiten?« wiederholte er und bot ihr seinen Arm an.

Joanna war wie gelähmt. Sie hatte recht gehabt! Dieser Gedanke war alles, was in ihrem Kopf widerhallte. Sie hatte recht gehabt, daß seine Anwesenheit nichts Gutes für sie bedeuten würde.

Schwester Edithe unterbrach die sich immer länger dahinziehende Stille. »Wie ich Euch bereits sagte, Mylord, gibt es keine Neuigkeit auch noch so privater Natur, die unsere jungen Frauen nicht nach der Art der Gilbertinerinnen mit ihren Schwestern teilen.« Die Äbtissin erhob sich von ihrem Stuhl, aber dieses Mal hatte sich ihr Auftreten vollkommen gewandelt. »Was auch immer Ihr zu sagen habt, tragt es hier und jetzt vor. Es gibt keine Geheimnisse in St. Theresa, sondern nur unseren guten Willen unter der Führung unseres Bischofs und, natürlich, unseres himmlischen Vaters.«

Lord Blaecston ließ die milde Zurechtweisung der guten Schwester scheinbar unberührt. Sein beunruhigender Blick ruhte weiterhin auf Joanna, als versuche er, ihren Willen allein durch seine Augen zu beeinflussen.

Was für dunkle Augen er doch hatte, bemerkte Joanna unwillkürlich, als sich ihre Blicke trafen – das Mitternachtsblau des Nachthimmels. Und unwiderstehlich. Während er sie gründlich musterte, schien er ihr förmlich seinen Willen aufzuzwingen. Sein Blick glitt ein wenig nach unten, wanderte kurz, beinahe abschätzend, über ihr Äußeres, bevor sich seine Augen wieder mit den ihren trafen, und sie ein Gefühl der Wärme in sich aufsteigen fühlte, das sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete. Noch nie zuvor hatte ihr ein Mann einen derart abschätzenden Blick zugeworfen. Noch nie. Und dennoch erkannte sie instinktiv seine Bedeutung. Dieser Blick hatte Joanna, der Frau gegolten. Wäre sie nicht unsicher gewesen, wie seine Botschaft lautete, und hätte Blaecston nicht so aufreizend ruhig dagestanden, während er sie betrachtete, dann wäre sie angesichts seiner ungehobelten Arroganz aufgebraust. Die Mutter Oberin hatte recht, wenn sie über sein Verlangen nach einer privaten Unterhaltung mit ihr verärgert war.

Aber da lag noch etwas anderes in seinem Blick. Etwas, das sie beunruhigte. Sie spürte, ohne genau zu verstehen, warum, daß sie sich zumindest für den Augenblick seinem schweigenden Befehl fügen mußte.

Sie schaute also entschuldigend zu Schwester Edithe hinüber und wandte sich dann erneut dem Mann zu. »Wir können in den Garten gehen. Dort werde ich mir anhören, was Ihr für Neuigkeiten bringt.« Aus Angst, daß sich die Äbtissin erneut einmischen könnte, verließ sie schnell das Zimmer.

»Ihr seid doch Lady Joanna – Joanna Preston von Oxwich?« erkundigte er sich, während er ihr die schmalen Steinstufen hinunter folgte. In dem düsteren Treppenhaus, das lediglich indirekt durch ein hoch oben liegendes Fenster erhellt wurde, klang seine Stimme wie ein kaltes Echo. Die Worte dieser geisterhaften Stimme regneten von oben auf sie herab.

»Ich war einmal Lady Joanna von Oxwich«, korrigierte sie ihn scharf und verbarg ihre Angst hinter einer zur Schau getragenen Wut. »Nun bin ich nur noch Joanna.«

»Nicht Schwester Joanna?«

Sie wandte sich zu ihm um, als sie den Hauptsaal erreicht hatten. »Hätte ich eine Mitgift als Empfehlung gehabt, wäre ich in der Tat inzwischen Schwester Joanna. Aber ich bemühe mich, die Verzögerung bis zu meinem zwanzigsten Geburtstag so gut wie eben möglich zu ertragen. Dann werde ich das Ewige Gelübde ablegen und meinen Platz im Orden der Gilbertinerinnen einnehmen.«

Obwohl er keine Antwort gab und ihr lediglich erneut seinen Arm anbot, verspürte Joanna ein unbehagliches Frösteln. Er wußte etwas, das alles verändern konnte. Sie erkannte es an der Art und Weise, wie er sie musterte. Wenn er Neuigkeiten aus Oxwich brachte, war er ein Bote ihres Vaters, und daraus folgerte sie, daß es für sie in jedem Fall unangenehm sein konnte.

Die alte Angst überfiel sie aufs Neue, und ihre grünen Augen weiteten sich. Vielleicht befahl ihr der Vater dieses Mal wirklich, nach Oxwich zurückzukehren! Möglicherweise hatte er jetzt eine Heirat für sie arrangiert – die natürlich ausschließlich ihm zum Vorteil gereichen würde. Sie ignorierte den dargebotenen Arm des Mannes abermals, beschleunigte ihre Schritte und eilte zum Garten hinaus, ihre zunehmende Panik unter Kontrolle zu bekommen. Zuerst sollte sie sich die Botschaft anhören, sagte sie sich, denn vielleicht lag sie ja mit ihren Vermutungen doch völlig falsch. Zuerst die Nachricht, dann würde sie entscheiden, was zu tun war. Aber lieber würde sie sterben, als einer Ehe mit einem Mann zuzustimmen, den ihr Vater für sie ausgesucht hatte!