In jedem Traum bist Du bei mir - Emma Darcy - E-Book

In jedem Traum bist Du bei mir E-Book

Emma Darcy

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Beschreibung

Für Gina war Martin, der nach Australien zurückkehrte, um eine andere zu heiraten, die Liebe ihres Lebens. Noch einmal so bedingungslos zu lieben, kann sie sich nicht vorstellen, bis sie Christian trifft. Er sieht Martin täuschend ähnlich - seine Küsse entflammen genau wie damals ihr Begehren. Wer ist Christian?

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Seitenzahl: 190

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IMPRESSUM

In jedem Traum bist Du bei mir erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© by Emma Darcy Originaltitel: „Always Love“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 820 - 1989 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Umschlagsmotive: Vasyl Dolmatov / GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733757236

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Gina hatte sich etwas zu essen bestellt, doch der Appetit war ihr längst vergangen. Ihre Spannung wuchs mit jeder Minute. Je näher das Treffen mit Matthew rückte, desto größer wurde ihre Unruhe. Schließlich verließ sie den Speisesaal des Hotels und kehrte in ihr Zimmer zurück, wo sie aufgeregt auf und ab ging.

Sie zweifelte nicht daran, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Ihre Absicht stand fest, und sie wollte sich nicht von ihrem Vorsatz abbringen lassen, ganz gleich, was Matthew sagen würde. Es galt, Klarheit über Martin zu gewinnen, und Matthew war der einzige, der ihr dabei helfen konnte. Sicher würde er nicht gutheißen, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte, doch das machte nichts. Sie musste die Wahrheit über Martin unbedingt erfahren. Es war unerträglich geworden, nicht zu wissen, was wirklich geschehen war.

Martin hatte sie geliebt. Ihre Beziehung war zu innig gewesen, als dass Gina an dieser Liebe hätte zweifeln können. Sie hatten sechs Wochen miteinander verbracht – zauberhafte Tage, die sie nie vergessen würde. Ein romantischer Traum war damals für sie wahr geworden.

An einem strahlenden Frühlingsmorgen war Martin in ihre Buchhandlung in St. Ives gekommen. Ein Fremder, groß, gut aussehend, sonnengebräunt. Er war Australier, wie Gina bald herausfand, und geschäftlich in England unterwegs. Er hatte einige Tage Ferien angehängt, weil ihn das malerische Fischerdorf St. Ives faszinierte, und – er gab es offen zu – umso mehr, seit er Ginas Buchladen betreten hatte. Sie hatten sich angesehen, und es hatte sofort zwischen ihnen gefunkt. Martin war den ganzen Tag im Laden geblieben und hatte mit Gina geplaudert. Er war nicht wieder abgereist, sondern verlängerte seine Ferien immer wieder, bis plötzlich jener Anruf von zu Hause kam. Martin musste umgehend die Koffer packen, weil seine Schwester sehr krank geworden war und ihn unbedingt sehen wollte. Noch am selben Tag reiste Martin ab, und einen Monat später kam sein Brief.

Bis heute hatte Gina den Schock nicht überwunden. Immer wieder hatte sie Martins Zeilen gelesen, sodass sie sich ihr unauslöschlich eingeprägt hatten.

„Meine geliebte Gina,

ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll. Ich weiß nur, dass ich dir – ganz gleich, was ich schreibe – Schmerz zufügen werde, und ich wünschte von ganzem Herzen, dass mir diese Entscheidung erspart geblieben wäre. Aber ich kann mich den Verpflichtungen, die ich meiner Familie gegenüber habe, nicht entziehen. Ich könnte selbst nicht glücklich werden, noch könnte ich dich glücklich machen, wenn ich mich ihrer Bitte widersetzte. Ich kann dich nicht heiraten, wie wir es geplant haben, und bitte dich, nicht auf mich zu warten. Ich muss eine Verpflichtung eingehen und werde zu ihr stehen, so lange es nötig ist. Wenn du diesen Brief erhältst, werde ich verheiratet sein. Wir sollten zu vergessen versuchen, was hätte gewesen sein können. Es wird für uns beide das Beste sein. Leb wohl, mein Liebes.“

Der Schmerz, den Gina empfunden hatte, war unerträglich gewesen. Den geliebten Mann an eine andere Frau zu verlieren, war schlimm genug. Gina aber hatte gerade erfahren, dass sie ein Kind von Martin erwartete, und das steigerte ihre Verzweiflung.

Sie hatte den Brief mehrmals gelesen in der Hoffnung, zwischen den Zeilen einen anderen Sinn zu entdecken. Er musste zu dieser Heirat gezwungen worden sein, und Gina hatte sich damals eingeredet, er würde zu ihr zurückkommen, wenn sie nur geduldig auf ihn wartete.

Doch Martin war weder zurückgekehrt, noch hatte er je von sich hören lassen.

Nun war für Gina die Zeit gekommen, sich endgültige Gewissheit zu verschaffen. Wenn Martin immer noch verheiratet war, dann wollte er es auch sein, und sie, Gina, hatte sich dann trügerischen Illusionen hingegeben.

Gina blickte in den Spiegel, der im Badezimmer hing. Wenn Martin heute zu ihr zurückkehrte, würde er sie noch hübsch finden? Sie hatte sich in der Zwischenzeit verändert. Als alleinerziehende Mutter hatte sie es nicht leicht gehabt, und die Schwierigkeiten, mit denen sie konfrontiert worden war, hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen, ihren Realitätssinn geschärft. Ihre Figur war nicht mehr gertenschlank wie einst, die Brüste waren etwas voller geworden, doch immer noch fest und wohl geformt. Das schwarze Haar trug sie wie damals in der Mitte gescheitelt. Es fiel ihr noch immer auf die Schultern herab. Martin hatte es so gemocht. Es umrahmte ihr ovales Gesicht und betonte ihren schlanken Hals. Die dunkelblauen Augen blickten ernst, und ihre feinen Gesichtszüge verrieten etwas von dem Schmerz, der sie seit Tagen quälte.

Martin – sie hatte ihn so lange nicht mehr gesehen, und doch beherrschte er noch immer ihre Gedanken. Heute wollte sie einen Schlussstrich ziehen, eine Entscheidung herbeiführen, indem sie Matthew bat, die Wahrheit herauszufinden Das würde ihr vielleicht auch helfen, unbelasteter diesem amerikanischen Verleger, Christian Nemo, zu begegnen.

Warum nur hatte sie sich mit ihm ausgerechnet im Dorchester zum Tee verabredet? Dort, wo sie mit Martin den letzten Nachmittag verbracht hatte. Es war höchste Zeit, endlich etwas Neues, Positives zu beginnen und nicht länger auf einen Mann zu warten, der wohl niemals zu ihr zurückkehren würde.

Gina erschrak, als das Telefon klingelte. Nervös griff sie zum Hörer.

„Miss Drummond?“

„Ja, bitte.“

„Hier ist der Empfang. Mr. Hastings Wagen ist vorgefahren.“

Gina bedankte sich und legte auf.

Sie schaute auf die Uhr, während sie nach ihrer Handtasche griff. Es war gerade zwanzig nach eins. Matthew war zehn Minuten zu früh. Eigentlich hatte sie im Foyer auf ihn warten wollen. Schließlich tat er ihr den Gefallen, trotz seines übervollen Terminkalenders noch Zeit für sie zu finden.

Gina war sehr aufgeregt, als sie die Treppe hinunterhastete. Der weiße Rolls-Royce parkte am Bordstein, und der Chauffeur hatte den Schlag schon geöffnet. Flink setzte sich Gina neben Matthew.

Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. „Ich habe Sie nicht so früh erwartet.“

Matthew war der Typ des vom Erfolg verwöhnten Star-Anwalts. Sein weißer Haarschopf verlieh ihm überdies das Aussehen eines Patriarchen. Sein verwittertes, strenges Gesicht verriet Charakterstärke und Selbstdisziplin.

Er schüttelte ungeduldig den Kopf. „Gina, warum beharren Sie darauf, in einem Hotel in Bloomsbury zu wohnen, wenn Sie nach London kommen? Dafür besteht doch keine Notwendigkeit.“

„Es passt zu mir“, antwortete sie hastig. Sie kannte Matthews Bemühungen, sie dazu zu bewegen, das Geld aus der Erbschaft zu verwenden, die er für sie verwaltete.

Er seufzte. „Sie können sich Besseres leisten, Gina. Es ist absolut lächerlich.“

Ungeduldig widersprach sie ihm. „Ich habe es Ihnen doch erklärt, Matthew. Ich spare das Geld für Johnny. Er hat ein Recht darauf. Ich werde darauf zurückgreifen, sobald es nötig ist. Doch ich komme ohne das Geld gut aus. Mein Buchladen wirft so viel ab, dass ich vernünftig leben kann. Außerdem treffe ich heute noch einen Verleger, um mit ihm über einen Buchauftrag zu verhandeln.“

„Das ist großartig“, freute sich Matthew. „Trotzdem – die beiden Reiseführer, die Sie geschrieben haben, brachten doch nur ein paar Hundert Pfund ein, und auch der Buchladen deckt gerade etwas mehr als das Existenzminimum. Der wichtigste Punkt ist jedoch, dass Sie die Nutznießerin der Anna-Christie-Erbschaft sind, nicht Ihr Sohn.“

Gina sah es nicht so. Sie wollte nicht wahrhaben, dass ihr das Geld gehörte, obwohl Matthew ihr von Anfang an versicherte hatte, dass es ihr rechtmäßig zustand. Sie konnte damit tun, was sie wollte. Damals hätte sie es sogar gebraucht, nötiger denn je.

Martin hatte sie verlassen, und sie erwartete sein Kind. Ihr Vater hinterließ ihr zwar die Buchhandlung, aber die war mit Schulden belastet. Es war eine harte Zeit für sie, bis sie alle Rechnungen beglichen hatte. Da war Johnny schon auf der Welt. Nun erst begann sie über die Erbschaft, über diesen Anna-Christie-Fonds nachzudenken. Wie kam sie zu dieser Erbschaft? Wer war Anna Christie? Jahrelang beschäftigten Gina diese Fragen, ließen ihr keine Ruhe, so wie die Gedanken an Martin sie quälten. Es war höchste Zeit, dass sie über all das endlich Klarheit bekam.

„Matthew, das ist die eine Sache, um deren Erledigung ich Sie bitten möchte.“ Gina sagte es heftiger als gewollt, sodass Matthew sie erstaunt ansah.

„Ich möchte, dass Sie alles über Anna Christie herausfinden“, fuhr sie leiser fort.

Matthew Hastings schien dieser Auftrag gar nicht zu gefallen. „Ich habe alles erzählt, was ich weiß. Sie war Kanadierin“, entgegnete er.

„Fanden Sie diese Sache mit der Erbschaft damals nicht seltsam?“ Gina wartete seine Antwort nicht ab. „Sie wissen, in welchen Umständen ich mich zu jener Zeit befand. Im dritten Monat schwanger mit Johnny, vom Bankrott bedroht. Niemand war da, mir zu helfen. Sicher ist, dass ich so oder so überlebt hätte, aber ich war auf dem Tiefpunkt meines Lebens. Und plötzlich tauchte die Anna-Christie-Erbschaft auf.“

„Der liebe Gott lässt seine Engel nicht im Stich“, scherzte Matthew, wurde jedoch rasch wieder ernst. „Was wollen Sie glauben? Dass auf der anderen Seite des Ozeans eine Frau Ihnen zu Gefallen gestorben ist? In dem Testament wurde nicht einmal Ihr Name erwähnt, Gina. Der Nutznießer war zunächst nur Ihr Vater. Wenn Sie ihn nicht überlebt hätten, wäre das Geld in die Kassen des Internationalen Roten Kreuz geflossen.“

„Warum hat diese Frau, von der ich nie etwas gehört habe, das Geld meinem Vater vermacht? Das kann ich mir einfach nicht erklären.“

Matthew seufzte und verschränkte die Hände über seiner Nadelstreifen-Weste. Mit dieser Geste schien er die Weisheit seiner sechzig Jahre unterstreichen zu wollen. Doch Gina argwöhnte, dass er ihr bewusst etwas verschwieg. Darum ließ sie nicht locker, sondern sah ihn Antwort heischend an.

„Es kann sein, dass sie Ihren Vater geliebt hat. Möglich, dass er ihr das Leben gerettet hat. Wer weiß? Offensichtlich war da eine Verbindung zwischen den beiden, möglicherweise schon, bevor Sie geboren wurden. Es ist ohne Bedeutung.“

„Es hat Bedeutung für mich“, erwiderte Gina eigensinnig. „Ich möchte es wissen, Matthew. Zu lange habe ich mit der Qual der Ungewissheit gelebt. Ich habe mir vorgenommen, alles zu erfahren.“

Nachdenklich betrachtete Matthew Hastings Gina. „Also gut. Ich werde mit der kanadischen Anwaltskanzlei, die den Erbvertrag für Anna Christie aufgesetzt hat, Kontakt aufnehmen. Wenn sie uns die Information, die Sie brauchen, nicht liefern kann, dann müssen wir eine Untersuchung einleiten.“

„Danke.“ Gina war erleichtert, dass Matthew so verständnisvoll reagierte. Sie wusste, dass ihr Anliegen bei ihm in guten Händen war. Hoffentlich verhielt er sich auch bei ihrer nächsten Bitte so. Die Klärung dieser Fragen war noch sehr viel wichtiger für sie.

Der Rolls-Royce hielt vor Matthews Kanzlei, die wie die Büros anderer bedeutender Anwälte im traditionsreichen Gray’s Inn lag.

Matthew schloss die Tür hinter Gina, bat sie, Platz zu nehmen, und setzte sich dann hinter einen riesigen Mahagonischreibtisch in einen Ledersessel.

Der Anna-Christie-Ordner stand vor ihm auf dem Tisch. Die Erbschaft war stets der einzige Anlass, der Gina in Matthews Büro führte, und ohne Zweifel hatte seine Sekretärin den Ordner deswegen auch dort deponiert. Matthew öffnete ihn, notierte etwas, schloss ihn wieder und lächelte Gina aufmunternd an.

„Setzen Sie sich doch“, sagte er zu Gina, die noch immer stand. „Sie können mir jetzt sagen, was Sie wirklich auf dem Herzen haben.“

Gina folgte der Aufforderung nicht, ihre Nerven waren zu angespannt. Sie drohte in Panik zu geraten. Wollte sie wirklich alles wissen? Sie wich Matthews prüfendem Blick aus, kramte nervös in ihrer Handtasche und zog dann eine Karte hervor, auf die sie Martins Namen und die Adresse geschrieben hatte, die er ihr damals gab. Sie legte die Karte auf den Tisch.

„Es gibt einen Mann, über den ich alles wissen muss. Er heißt Stanford, Martin Stanford, ist Australier, Ingenieur, dreiunddreißig Jahre alt. Er lebte in New South Wales in der Nähe von Sydney, als ich das letzte Mal von ihm hörte. Die Adresse, die ich auf die Karte geschrieben habe, ist vier Jahre alt. Es mag sein, dass er nicht mehr dort wohnt. Er hat vor einiger Zeit geheiratet.“

Gina hatte große Mühe, die Fassung zu bewahren. Es war ihr unangenehm, Martin nachzuspionieren, doch sie musste endlich wissen, was geschehen war, ob er je die Absicht besaß, zu ihr zurückzukehren. Energisch hob sie den Kopf und blickte den Anwalt fest an.

„Ich möchte wissen, ob er noch verheiratet ist. Können Sie das für mich erledigen, Matthew?“

Matthew Hastings blickte lange vor sich hin. Gina fürchtete schon, dass er nach einer Ausrede suchte, um ihr Ansinnen abzulehnen. Doch dann sagte er etwas ganz anderes. „Ich nehme an, dass Martin Stanford Johnnys Vater ist.“

Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.

„Ja“, antwortete Gina. Es hatte keinen Zweck, das zu verheimlichen. Matthew Hastings musste die Wahrheit wissen, damit er ihre Interessen richtig vertreten konnte. Außerdem hätte er es sowieso nicht geglaubt, wenn ich das abgestritten hätte, dachte Gina. Mir wäre wohl auch kaum eine vernünftige Begründung für mein Begehren eingefallen.

Matthew nickte. Er schaute Gina aufmerksam an und sagte dann mit einem leicht ironischen Zug um den Mund: „Ich weiß, dass Sie den Rat nicht hören wollen, den ich Ihnen jetzt gebe. Doch ich würde Ihnen einen schlechten Dienst erweisen, wenn ich es nicht täte.“ Er schwieg sekundenlang, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. „Vergessen Sie die Vergangenheit. Schließen Sie endlich damit ab. Sie sind erst fünfundzwanzig Jahre alt und hübsch genug, noch vielen Männern zu gefallen. Schauen Sie nicht zurück, Gina, schauen Sie vorwärts. Öffnen Sie sich für das, was sein kann, Ihretwegen, aber auch Johnny zuliebe.“

Warum versteht er mich nicht? dachte Gina unglücklich. Er hat Martin nicht gekannt, er weiß nicht, wie groß unsere Liebe war, sonst würde er anders denken und reden.

„Ich kann nicht, Matthew, noch nicht. Vielleicht, wenn ich über alles Bescheid weiß. Vorher nicht.“

„Gina, er hat Sie verlassen, um eine andere Frau zu heiraten“, redete Matthew auf sie ein. „Er hat Sie verlassen, als Sie sein Kind trugen …“

Sie fiel ihm heftig ins Wort. „Martin wusste das nicht.“ Dann fuhr sie ruhiger fort. „Ich habe auch nicht vor, es ihm zu erzählen. Es ist nicht meine Absicht, mich in sein Leben einzumischen, Matthew, und er soll auch nichts von meinen Nachforschungen erfahren. Ich will nur wissen, ob er noch verheiratet ist. Ich muss das wissen. Das ist alles.“

„Es wird Ihnen nur Kummer bringen.“

„Nicht mehr, als ich in den letzten vier Jahren gehabt habe“, erwiderte Gina. „Kummer ist nicht neu für mich.“

Matthew Hastings sah ein, dass Ginas Absicht unverrückbar feststand. Sein Blick fiel auf die Karte, die sie auf den Tisch gelegt hatte. Fast widerwillig griff er danach. Obwohl er Ginas Anliegen noch immer missbilligte, war er bereit, ihr zu helfen.

„Ich kenne persönlich keine privaten Auskunfteien in Australien, aber ich weiß, wo ich mich beraten lassen kann. Ich informiere Sie, sobald ich die gewünschten Informationen habe. Selbstverständlich werde ich darauf bestehen, dass alle Untersuchungen mit einem Höchstmaß an Diskretion vorgenommen werden.“

Gina war erleichtert. „Danke, Matthew“, sagte sie, froh, sich durchgesetzt zu haben.

Matthew sah sie streng an. „Ich hoffe, damit wird alles beendet sein, Gina.“

Nein, dachte sie, es wird niemals beendet sein. Laut sagte sie: „Wenigstens weiß ich dann Bescheid.“

Darauf setzte Gina in der Tat große Hoffnung. Gewissheit, egal, wie sie ausfällt, ist immer noch besser als diese Ahnungslosigkeit, mit der ich mich schon so lange herumschlage, dachte sie. Vielleicht schaffe ich dann endlich den Schritt zu einem neuen Anfang. Zumindest kann ich mich dann nicht mehr in Illusionen und Träume retten.

2. KAPITEL

Matthew bestand darauf, dass Gina mit seinem Wagen zu ihrem Treffen mit Christian Nemo fuhr. Sie bat den Chauffeur, sie zum Eingang des Hyde Park zu fahren, denn ihr blieb noch eine halbe Stunde Zeit bis zu ihrer Verabredung im Dorchester. Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich entspannt in die weichen Sitze des Rolls-Royce.

Noch einmal wiederholte sie in Gedanken das Gespräch mit Matthew Hastings über Martin. Natürlich war es ein Risiko, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Das ging bestimmt nicht ohne schmerzhafte Erfahrungen ab. Aber Matthew hatte am Ende dann wohl verstanden, dass ihre Zweifel und das Warten auf Martins Rückkehr endlich ein Ende haben mussten.

„Hyde Park, Madam.“

Gina schrak aus ihren Gedanken hoch. Der Wagen stand, und der Fahrer hatte bereits die Tür für sie geöffnet. Sie stieg aus, dankte ihm und ging rasch in den Park.

Es war ein schöner und sonniger Tag. Das satte Grün der Bäume, die Rosen kurz vor der Blüte, die weite Rasenfläche lud zum Schlendern ein – genauso hatte es hier an jenem letzten Tag mit Martin ausgesehen.

Gina sah alles wieder vor sich: Sie bummelten über den Rasen, sahen den Freizeit-Fußballern zu, fütterten am Teich die Schwäne und amüsierten sich über die Kunststücke der Amateur-Kanuten. Sie sprachen und lachten miteinander und waren unendlich verliebt.

Als Gina jetzt dieselben Wege entlangging, da war ihr, als würden Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen. Sie hatte auf einmal das gleiche Gefühl wie an jenem letzten gemeinsamen Nachmittag vor vier Jahren, als Martin sie zum Tee ins Dorchester einlud.

Solchen Luxus hatte sich Gina bis dahin noch nie geleistet, doch Martin wollte sie an einen besonderen Ort führen. Und das Dorchester Hotel war ein solcher Ort. Es war Londoner Tradition, dort den Nachmittagstee einzunehmen, allerdings traf dies mehr auf Leute mit Geld zu.

Das war Martin ziemlich egal. Er wollte mit Gina Tee trinken, und dafür war ihm das vornehmste Hotel Londons gerade gut genug. Ginas Protest, dass sie nicht richtig angezogen seien, tat er als belanglos ab.

Sie erinnerte sich noch an dieses fast ehrfürchtige Gefühl, das sie beschlich, als sie am Eingang zum Teesalon warteten, bis ein Ober im Frack sie zu einem Tisch führte. Bis ins letzte Detail war ihr dieser Nachmittag in Erinnerung geblieben – die braun gemaserten Marmorsäulen, die goldverzierte Decke. Kerzen vor den Spiegelwänden, die Gemälde, die dem Raum eine einzigartige Stimmung verliehen. In der Mitte stand ein Mahagoniflügel, auf dem ein Pianist für die Gäste bekannte Melodien spielte.

Gina hatte sich schüchtern an Martins Arm geklammert, als der Kellner sie durch den Raum führte, vorbei an den aufwendig mit rot-gold gestreiftem Samt gepolsterten Sofas und Stühlen. Gina konnte sich sogar noch an die roten, grünen und beigefarbenen Teppiche auf dem Marmorboden erinnern, denn sie hatte aufpassen müssen, um nicht über sie zu stolpern.

So aufwendig und elegant der Raum eingerichtet war, so erlesen war auch das Teeservice. Es bestand aus silbernen Teetassen, Zuckerschale und Sahnekännchen. Auf einem silbernen Tablett standen Marmeladetöpfchen und Schalen mit Butterflocken, Kuchen, Keksen und einer Auswahl appetitlicher Sandwichs.

Ebenso fasziniert war Gina von den Gästen gewesen – elegant gekleidete Amerikaner, daneben Angehörige der besseren britischen Gesellschaftsschichten, zu erkennen an ihrer unnachahmlichen lässigen Überheblichkeit, und viele Orientalen. Das Auftreten eines Scheichs mit Gefolge hatte Gina so beeindruckt, dass sie ihm lange hinterher schaute.

Über die Ehrfurcht, mit der sie alles registrierte, hatte sich Martin lustig gemacht. Als Australier gab er nichts auf Klassenunterschiede. Der fabelhafte Service war für ihn nichts als eine selbstverständliche Dienstleistung, für die er ja bezahlte.

Und es machte ihm Spaß, über die Leute an den anderen Tischen zu lästern. Der Besuch dort war für Gina ein Erlebnis gewesen, an das sie sich ihr ganzes Leben lang erinnern würde.

Gina stand auf dem Bürgersteig, dem Dorchester genau gegenüber. Sie wartete auf eine Lücke im Verkehrsstrom. Als sie sah, wie der Portier des Hotels dienstbeflissen den Schlag eines Silver Cloud Rolls-Royce öffnete, musste sie lächeln. So etwas konnte sie nicht mehr beeindrucken. Ihre vieljährige freundschaftliche Beziehung zu Matthew Hastings hatte sie dazu gebracht, vor Luxusautos und Orten wie diesem keine Ehrfurcht mehr zu empfinden.

Es kam Gina eigenartig vor, dass gerade das Dorchester von einem Verleger als Treffpunkt vorgeschlagen worden war. Doch Mr. Nemo war Amerikaner. Sicher wollte er seinen Aufenthalt in London auch dazu nutzen, beste englische Tradition zu genießen.

Es kam gerade kein Auto, sodass Gina die Straße überqueren konnte. Als sie das Hotelfoyer betrat, war es genau drei Uhr. Sie bewunderte die beiden riesigen Schalen mit blühenden Hortensien, die links und rechts vom Eingang standen. Gerade wollte sie weiter in die Halle hineingehen, als eine Hotelangestellte fragte, ob sie etwas für sie tun könnte.

„Ich bin mit Mr. Christian Nemo verabredet“, erklärte Gina und schaute sich suchend um. „Ich glaube, er hat …“

Gina sprach den Satz nicht zu Ende. Der Mann, der dort hinter dem Konzertflügel am Ende des großen Raums stand, das war doch Martin. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, doch obwohl der Mann ihr den Rücken zukehrte, gab es für sie keinen Zweifel. Er musste es sein. Die Größe stimmte, die Kopfform, die breiten Schultern, das schwarze Haar, das bis in den Nacken reichte.

Gina stand für Sekunden regungslos da und wagte kaum zu atmen. Dann begann ihr Herz wie wild zu klopfen. Es konnte kein Irrtum sein, dass dieser Mann, der wenige Meter von ihr entfernt war, ihr Martin war. Gina hatte das Gefühl, als würde sich alles um sie herum drehen. Nur nicht ohnmächtig werden, dachte sie. Dann verpasse ich Martin noch.

Sanft schob sie die Hotelangestellte zur Seite und ging zaghaft vorwärts.

„Martin“, rief sie. Krampfhaft nahm sie sich zusammen, um nicht loszulaufen. Der Mann drehte sich nicht um, sondern ging zu dem Tisch, an dem Martin und sie vor vier Jahren gesessen hatten. Er blieb an dem Stuhl stehen, auf dem Martin damals Platz genommen hatte.

Gina ging nun doch schneller und war bei ihm, bevor er sich setzte. Sie legte eine Hand auf seinen Arm.

„Martin“, rief sie aufgeregt.

Langsam drehte sich der Mann zu ihr um, und Ginas Hochgefühl brach zusammen. Dieses Gesicht hatte sie noch nie zuvor gesehen.

Es war von den Spuren eines schrecklichen Unfalls gezeichnet, der allerdings schon einige Zeit zurückliegen musste. Feine, verblasste Linien auf der Haut ließen auf viele chirurgische Eingriffe schließen. Am auffallendsten war jedoch eine schwarze Augenklappe. Darüber war eine Narbe zu erkennen, die sich durch eine Augenbraue zog. Das Kinn wirkte weniger kantig als das von Martin, und auch die Nase hatte eine andere Form.