IN ZARTEN FINGERN - John Paddy Carstairs - E-Book

IN ZARTEN FINGERN E-Book

John Paddy Carstairs

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Ich zündete mir nachdenklich eine Gauloise an und kehrte zu Maybelle zurück. Zu meiner Verblüffung sprach einer der Männer, die mich in Mantovani's überfallen hatten, an unserem Tisch mit ihr. Diese Frechheit! Anscheinend bildete er sich ein, ich hätte Angst vor ihm. Er lächelte unbekümmert. "Ich habe Ihre charmante Begleiterin gebeten, Sie zu warnen. Mischen Sie sich nicht ein, Mr. Trenton, sonst passiert Ihrem gutaussehenden Gesicht etwas." Ich war wirklich wütend, und weil er sich einbildete, ich hätte Angst vor ihm, kam mein Angriff für ihn völlig überraschend. Ich packte seinen rechten Arm, riss ihn daran herum und drückte den Arm nach oben, so dass der Kerl einen lauten Schrei ausstieß... Der Roman IN ZARTEN FINGERN des britischen Schriftstellers, Filmregisseurs und Drehbuchautors John Paddy Carstairs (* 11. Mai 1910 in London; † 12. Dezember 1970 in Lingston; eigentlich John Keys) erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1971. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Ähnliche


 

 

 

 

JOHN PADDY CARSTAIRS

 

 

In zarten Fingern

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 182

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

IN ZARTEN FINGERN 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Ich zündete mir nachdenklich eine Gauloise an und kehrte zu Maybelle zurück.

Zu meiner Verblüffung sprach einer der Männer, die mich in Mantovani’s überfallen hatten, an unserem Tisch mit ihr. Diese Frechheit! Anscheinend bildete er sich ein, ich hätte Angst vor ihm. Er lächelte unbekümmert. »Ich habe Ihre charmante Begleiterin gebeten, Sie zu warnen. Mischen Sie sich nicht ein, Mr. Trenton, sonst passiert Ihrem gutaussehenden Gesicht etwas.«

Ich war wirklich wütend, und weil er sich einbildete, ich hätte Angst vor ihm, kam mein Angriff für ihn völlig überraschend. Ich packte seinen rechten Arm, riss ihn daran herum und drückte den Arm nach oben, so dass der Kerl einen lauten Schrei ausstieß...

 

Der Roman In zarten Fingern des britischen Schriftstellers, Filmregisseurs und Drehbuchautors John Paddy Carstairs (* 11. Mai 1910 in London; † 12. Dezember 1970 in Lingston; eigentlich John Keys) erschien erstmals im Jahr 1967; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1971.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

   IN ZARTEN FINGERN

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Bevor der Page die Tür meines Bungalow-Appartements im Hotel Majestic in Beverly Hills öffnen konnte, begann das Telefon zu klingeln. Er schloss hastig die Tür auf und trat zur Seite, um mich an den Apparat gehen zu lassen.

»Floreat Etona!«, sagte eine Männerstimme mit englischem Akzent. »Willkommen im sonnigen Kalifornien - oder um mit den unsterblichen Worten Freund Dantes zu sprechen: Lasst fahren alle Hoffnung, die ihr hier eintretet!«

»Ich bin von Ihrer Bildung beeindruckt, aber ich erkenne Ihre Stimme nicht«, antwortete ich. Als der Anrufer zögerte, fügte ich besänftigend hinzu: »Wenn Sie eine Dame wären, wüsste ich...«

»Hier ist Waldo Mandrake«, unterbrach er mich.

Diesmal zögerte ich und sah hilfesuchend zu dem Pagen in seiner blasslila Uniform hinüber. Aber er war zu sehr damit beschäftigt, das Namensschild auf meiner Schreibmaschine zu lesen, als dass er mir hätte helfen können.

»Sie wissen schon... in London... auf Te Liptons Party«, erklärte mir die Stimme.

Te ist eine Malerin, die ich immer heiraten will und die mich immer nicht heiraten will. Ich versuchte mich an Tes letzte Party zu erinnern. Hatte mich dort jemand beeindruckt? Mir fiel außer einer mandeläugigen Schönheit von der madagassischen Botschaft niemand ein.

»Ich war mit Rowena Delighte dort«, sagte der Fremde.

Jetzt erinnerte ich mich vage an den großen, platinblonden Filmstar mit dem Gesicht einer Madonna und der Intelligenz einer Zehnjährigen - und an einen kleinen, schwarzhaarigen Mann mit teigigem Gesicht und in untadeliger Kleidung, der so selbstbewusst unverschämt aufgetreten war, als habe er sich den zweiten Platz in ihrem Doppelbett für alle Zeiten gesichert.

Auf Tes Partys wurde man einander nicht vorgestellt; man machte sich selbst bekannt oder ließ es bleiben. Da Rowena Delighte mir buchstäblich das Kino verleidete, war ich ihr aus dem Weg gegangen. Ich hatte den kleinen Mann für ihren Agenten gehalten.

»Sie haben nicht lange gebraucht, um mich zu finden«, erklärte ich Waldo Mandrake. »Ich bin eben erst angekommen.«

Er lachte hohl. »Das gehört alles zum Service«, antwortete er.

Also doch ein Agent? »Vertreten Sie Rowena Delighte?«

»Großer Gott, nein!«, wehrte er heftig ab. »Ich bin Schriftsteller wie Sie, alter Junge.«

Ich konnte mich an nichts von ihm erinnern, aber ich wollte nicht unhöflich sein, deshalb fragte ich: »Für welche Filmgesellschaft schreiben Sie?«

»Ich habe zuletzt für Paramount gearbeitet«, antwortete Waldo Mandrake. »Ich rufe nur an, um Ihnen zu sagen, dass Ihr Wagen angekommen ist.«

»Oh!« Ich war mit dem Flugzeug gekommen und hatte mir Ming III, meinen Wagen, per Schiff nach Kalifornien bringen lassen. »Woher wissen Sie, dass er da ist - oder dass er mir gehört?«

Waldo Mandrake lachte wieder. »Ich habe eine Jacht in San Pedro. Ich bin jetzt dort. Und ich habe damals Ihren Schlitten vor Tes Haus gesehen: Sie haben ein dunkelgrünes Maserati-Kabriolett.«

»Stimmt«, gab ich zu.

»Wenn Sie wollen, fahre ich Sie hin, damit Sie Ihren Wagen abholen können.«

»Nun, ich...«

»San Pedro ist ziemlich weit von Beverly Hills entfernt.«

Ich fragte mich, was der Kerl von mir wollte. Der Page ließ sich viel «Zeit mit meinem Gepäck, um nachher einen halben Dollar Trinkgeld kassieren zu können. Oder erwartete er im Majestic einen ganzen Dollar?

»Gut, vielen Dank, Mr. Mandrake.«

»Waldo.« Das klang, als gestatte er mir großmütig, seinen Ring zu küssen.

»Waldo, ich muss erst ins C-K-L-Atelier.«

»Ja, ich weiß. Ich hole Sie nach der Arbeit ab. Wir unterhalten uns ein bisschen, und ich bringe Sie dann zu Ihrem Flitzer.«

Ich hatte keine Lust, seinen Vorschlag anzunehmen, aber ich sah ein, dass ich irgendwie nach San Pedro kommen musste, um meinen

Wagen abzuholen. Mir fiel im Augenblick keine passende Ausrede ein. »Nun, ich...«

»Gut, dann hole ich Sie um sechs Uhr ab«, entschied Waldo Mandrake. Er legte auf, bevor ich antworten konnte.

Ich gab dem Pagen einen Dollar, den er ohne großes Interesse einsteckte. Dann zeigt? er auf das Namensschild an meiner Schreibmaschine. »Entschuldigen Sie, Sir - aber sind Sie der Garway Trenton?«

Darüber freute ich mich. Aber ich nickte nur, als sei das nichts Besonderes.

»Ich habe erst letzten Monat ein Taschenbuch von Ihnen gelesen. Sie schreiben wirklich prima, Mr. Trenton!«

Ich dankte ihm und war in Gedanken noch immer bei Mr. Waldo Mandrake.

»Sie arbeiten für C-K-L?«, erkundigte sich der Page, dessen blaue Augen mich hinter einer Hornbrille bewundernd anstarrten. Als ich wieder nickte, fuhr er fort: »Prima. Ich habe den UCLA-Filmkurs belegt.«

»Wie bitte?«

»University of California in Los Angeles.« 

»In Los Angeles?«

»Im Gegensatz zu der University of California in Berkeley und der University of Southern California hier in der Stadt.«

»Universitäten sind hierzulande wohl keine Mangelware«, stellte ich fest.

»Allerdings nicht, Mister! An der UCLA gibt es diesen Filmkurs, und wenn ich ihn abgeschlossen habe - ich arbeite hier nur in meiner Freizeit -, kann ich hoffentlich bei der MGM oder der Twentieth-Century-Fox anfangen.«

»Wunderbar«, antwortete ich. »Nun... äh... viel Glück!«

Der Page beschloss, nun sei ein Händedruck fällig. Wir schüttelten uns die Hand.

»Ich heiße McGurk«, erklärte er mir. »Chuck McGurk.«

Ich nickte und sagte: »Wunderbar, Mr. McGurk.« Mehr fiel mir nicht ein. Ich hütete mich davor, seinen Vornamen zu gebrauchen; schließlich kannte ich den in den USA herrschenden Kastengeist gut genug.

Ich machte einen Rundgang durch das Appartement, in dem ich die nächsten Wochen verbringen würde. Ein Freund hatte mir das Hotel Majestic in Beverly Hills wegen der Bungalow-Appartements am Swimming-Pool empfohlen. Für einen an Schlaflosigkeit leidenden Mann wie mich war diese Anordnung ideal: Ich konnte nachts baden oder wie Caligula durch meinen Bungalow wandern.

Ich dachte an Waldo Mandrake, der mich mit dem Wahlspruch Etons begrüßt hatte, und überlegte, ob ich auf Tes Party eine O.-E.- Krawatte getragen hatte, was seine hellseherischen Fähigkeiten erklärt hätte. Dann klingelte wieder das Telefon. »C-K-L-Ateliers, guten Morgen!«, sagte eine auf Fröhlichkeit getrimmte Frauenstimme. »Ich habe ein Gespräch für Sie, Sir!«

Der Anrufer teilte mir mit, ein Wagen werde um Punkt halb zehn vor dem Hotel sein, um mich ins Atelier zu bringen. Die C-K-L war offenbar entschlossen, keine Zeit zu vergeuden. Ich sah auf die Uhr. Fünf nach neun. Wenn ich mich beeilte, konnte ich noch eine Runde schwimmen und danach amerikanisch frühstücken.

Als ich zum Swimming-Pool ging, in dem um diese Zeit kaum Betrieb herrschte, war ich froh, die richtigen Klamotten mitgebracht zu haben. Meine Badehose war aus Cannes, und ich hatte mir in St-Tropez ein Hawaiihemd fürs Atelier gekauft.

Ich blieb am Beckenrand stehen, genoss das Gefühl, im Gegensatz zu den meisten Männern sportlich fit zu sein, und beschloss, für die wenigen anderen Schwimmer eine Sondervorstellung zu geben, indem ich das Becken der Länge nach durchtauchte. Ich holte tief Luft, hechtete ins Wasser und schwamm eine Ewigkeit lang unter der Oberfläche. Als ich dann auftauchte, bekam ich einen gewaltigen Schlag und musste gegen jemanden ankämpfen, der mindestens eine Tonne wog und mich nicht auftauchen lassen wollte. Aber ich machte mich mit letzter Kraft frei, spurtete zum Beckenrand und kletterte aus dem Wasser. Erst dann sah ich, dass ich beim Auftauchen mit einer jungen Dame zusammengestoßen war.

Ich sah zunächst nur den schönen Kopf einer etwa Vierundzwanzigjährigen mit braunem, kurzgeschnittenem Haar, das selbst klatschnass noch gut aussah. Ihre Augen, die mich zornig anblitzten, waren braun, groß und von unglaublich dichten Wimpern beschattet. Auf der kleinen Stupsnase waren Sommersprossen verstreut, und ich sah tadellose Zähne hinter leuchtendroten Lippen, als die junge Schönheit mich anschrie.

»He, was soll der Unsinn?«, fragten wir gleichzeitig.

»Sie hätten mich fast umgebracht!«, fügte ich mit Stentorstimme hinzu.

»Ist das etwa Ihr Becken, verdammt noch mal?«, rief sie zurück. »Darf ich etwa nicht hineinspringen?«

»Warum haben Sie nicht erst die Augen aufgemacht?«, erkundigte ich mich wütend. Aber dann schmolz ich dahin wie Eiscreme in der kalifornischen Sonne, als sie aus dem Wasser stieg und sich dabei als äußerst wohlproportioniert erwies. Sie starrte mich an. Ich bildete mir ein, meine Aggressivität, meine Größe oder meine vom Rudern breiten Schultern hätten es ihr angetan.

»Sind Sie Engländer?«

Ich nickte.

»Ich kann Engländer nicht ausstehen!«, sagte sie laut und ging davon. Damit hatte sie mir mein amerikanisches Frühstück verdorben.

 

Eine halbe Stunde später dachte ich noch immer über eine passende Antwort nach, als ich das Hotel verließ, um in einen Straßenkreuzer zu steigen, den die C-K-L mir geschickt hatte. Der Chauffeur hätte eine Erfindung Raymond Chandlers sein können, aber er reagierte auf mein Hawaiihemd, als spiele er Jeeves. Er salutierte, öffnete mir die hintere Tür und runzelte die Stirn, als ich ihm erklärte, ich wolle vorn neben ihm sitzen. Diesmal hatte ich nicht an den amerikanischen Kastengeist gedacht. Die Limousine rollte den Beverly Drive entlang. Ich sah hinaus und fragte mich, weshalb ich nicht schon viel früher nach Hollywood gekommen war.

Filmateliers sehen auf der ganzen Welt gleich aus, aber die Straßenfront der C-K-L wirkte ungewöhnlich. Ich sah Blumen und Palmen und ein niedriges Verwaltungsgebäude, das bis zum Horizont zu reichen schien. An den schmiedeeisernen Toren standen Wachtposten in efeugrünen Uniformen; sie hatten gefährlich aussehende Revolver am Gürtel baumeln und standen mit verschränkten Armen vor den Toren, als warteten sie nur darauf, dass jemand versuchte, unbefugt das Ateliergelände zu betreten. Aber ich saß in einer C-K-L-Limousine, deren Chauffeur nur auf geheimnisvolle Weise zu blinken brauchte, um sofort durchgelassen zu werden. Ich wurde zu dem für Drehbuchautoren reservierten Gebäude gefahren. Mein Chauffeur öffnete mir die Tür und sagte: »Erste Tür links, Mr. Sarks Büro.«

Das Autorengebäude der C-K-L hätte ein großes Apartmenthaus im mexikanischen Stil sein können. Es war voll klimatisiert - Klimaanlagen sind in Hollywood geradezu ein Fetisch -, was jedoch bewirkte, dass einem die Außentemperatur doppelt so hoch vorkam. Mr. Sarks Vorzimmer war kühl und geräumig; Jalousien hielten das Sonnenlicht ab, und aus einem Lautsprecher klang leise Cole Porter. Mehrere sehr hübsche Stenotypistinnen schrieben Drehbücher ab. Etwas von ihnen entfernt saß an einem größeren Schreibtisch die Chefin des Vorzimmers - Mr. Sarks Sekretärin.

Bei meinem Anblick runzelte sie überrascht die Stirn. »Sind Sie etwa unser neuer englischer Autor?«

Mr. Sarks Sekretärin war eine aparte junge Frau, die eine Hornbrille und ein elegantes weißes Kleid trug, an dem die Anstecknadel einer Studentenverbindung leuchtete. Auf dem Namensschild vor ihr stand: Betty Beattie Kaufman.

»Ja... äh..., Miss Kaufman - ich bin Garway Trenton.«

Betty Beattie Kaufman betrachtete mich von Kopf bis Fuß, so wie ein Streifenpolizist einen Pennbruder ansieht. Anscheinend störte sie mein Hawaiihemd. Sie schien einen konventionell gekleideten, älteren, dicklichen Herrn erwartet zu haben. Jetzt drückte sie auf die Taste der Gegensprechanlage und sagte: »Mr. Sark, Mr. Garway Trenton ist hier.«

»Er soll hereinkommen, Betty Beattie.«

Sie erhob sich und forderte mich mit einem Nicken auf, ihr zu folgen.

Mr. Sark hatte welliges blondes Haar, das in der Mitte gescheitelt war, und einen kurzgeschnittenen Schnurrbart. Er war mittelgroß, sehr vital und trug trotz der draußen herrschenden Hitze einen Tweedanzug. Er rauchte eine Bruyere-Pfeife und hatte eine Garde-Krawatte um. Obwohl mir das seltsam vorkam, weil er keineswegs das Gardemaß besaß, war ich vernünftig genug, nicht danach zu fragen. Mr. Sark hatte offenbar eine Vorliebe für englische Kleidung. Tatsächlich mochte Mr. Sark alles, was aus England kam. Er versuchte den Eindruck zu erwecken, er sei selbst Engländer, was in Hollywood ein Plus zu sein scheint. Falls mein Aufzug Mr. Sark ebenfalls überraschte, konnte er sich besser beherrschen als Miss Kaufman.

»Freut mich, Sie bei uns zu haben«, begrüßte er mich. Er versuchte sogar, mit englischem Akzent zu sprechen. Das gelang ihm nicht einmal schlecht, aber es war eben der Akzent, der in Princeton gelehrt wird.

»Ich bin J. B. Sark - Cutty Sark, weil die Leute bei meinem Namen sofort an Whisky denken«, fuhr er fort. »Ihr Roman hat uns sehr, sehr gut gefallen. Und wir fanden den Film einfach großartig.«

Damals waren englische Filme in Amerika wieder einmal beliebt, und die Filmfassung meines Romans hatte mir den C-K-L-Vertrag eingebracht. Ich bedankte mich höflich.

»Wir haben übrigens ein Drehbuch, das Ihnen bestimmt gefallen wird. Bestimmt sehr gut. Am besten essen Sie mit Kam Kevin, dem Drehbuchautor, und Kurt Becholt, dem Produzenten, damit wir uns beim Mittagessen in der Kantine ein bisschen kennenlernen können. Bis dahin lasse ich Sie von jemandem aus der Presseabteilung durch die Ateliers führen.«

Während Cutty Sark in der Presseabteilung anrief, hatte ich Gelegenheit, mich in seinem Büro umzusehen. An der Wand hing ein echter Matisse, auf dem Kaminsims standen ein Oscar, ein Goldener Bär und irgendein anderer obskurer Festivalpreis.

Cutty hatte kaum aufgelegt, als Betty Beattie Kaufmans Stimme aus der Gegensprechanlage verkündete, jemand von der Presseabteilung sei draußen.

»Herein!«, sagte Cutty.

Eine junge Dame trat ein.

»Dies ist Nonie O’Hara«, erklärte Cutty mir. »Sie führt Sie ein bisschen herum.«

»Wir kennen uns schon!«, antwortete ich.

Cutty war sichtlich überrascht, aber Nonie brauchte es nicht zu sein. Nonie O’Hara war die junge Frau aus dem Swimming-Pool des Hotels Majestic. Sie starrte mich geradezu angewidert an.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Nonie O’Hara explodierte, sobald wir das Gebäude verlassen hatten. »Das muss ausgerechnet mir passieren!«, meinte sie wütend. »Ich soll einem neuen Autor die Ateliers zeigen - und dann sind Sie der Neue! Dazu habe ich keine Lust!«

»Auch recht«, sagte ich und machte kehrt, um in Cuttys Büro zurückzugehen.

Nonie blieb stehen. »Okay, dann kommen Sie eben mit«, forderte sie mich auf. »Ich mache die Sache kurz und knapp.«

Ich schloss mich ihr wieder an.

»Diese Engländer!« Sie spuckte die Worte förmlich aus, was eine Schande war, weil sie selbst bekleidet sehr attraktiv war.

»Warum der Hass?«, erkundigte ich mich.

»Ich heiße O’Hara«, sagte sie, als sei das Erklärung genug.

»Und?«

»Und mein Großvater hat mir von euch Engländern erzählt. Mein Großvater ist in Dublin aufgewachsen.«

»Wahrscheinlich ist O’Connell in seinen Armen gestorben?«

Nonie war überrascht. »Stimmt«, gab sie zu. »Aber woher wissen Sie das?«

»Nonie«, erwiderte ich ernsthaft, »alle Männer, in deren Armen O’Connell verschieden sein soll, ergäben ein Bataillon nicht ganz wahrheitsliebender Dubliner.«

»Quatsch!«, antwortete Nonie.

»Soll ich Ihnen...«, begann ich.

»Nein«, befahl Nonie mir. »Dort drüben ist Atelier siebzehn. Selincourt dreht einen Film. Wollen Sie Zusehen?«

»Nein, danke. Ich kenne Filmateliers.«

»Aber keine aus Hollywood!«

»Die europäischen sind auch nicht gerade klein«, stellte ich fest und fügte hinzu: »Ihre Sommersprossen gefallen mir.«

»Lassen Sie meine Sommersprossen aus dem Spiel!«

»Werden Sie oft mit ihnen aufgezogen?«

»In der Schule war es schlimmer«, gab sie zu.

»Ich finde sie Klasse«, behauptete ich.

Nonie betrachtete mich misstrauisch, war jedoch etwas weniger aggressiv, als wir Kulissen erreichten, die eine Straße darstellten. Charakteristisch waren eine Hochbahn, ein Lebensmittelgeschäft, ein Kino und mehrere düstere Apartmenthäuser.

»Lassen Sie mich raten«, bat ich Nonie. »New York?«

»Schlaukopf!«

»Spielen wir mit, damit ich Sie küssen kann?«

Nonie starrte mich erstaunt an. »Mann, Sie haben vielleicht Nerven!«, sagte sie wütend und gleichzeitig überrascht. »Wollen Sie sich das Kulissenmagazin ansehen?«

»Nein - Sie etwa?«

»Nicht sonderlich gern. Ich habe es seit letztem Herbst über zweihundert Leuten gezeigt.«

»Was gibt es außer Ihnen hier noch zu sehen?«

»Frecher Kerl!«, warf sie mir vor.

Ich nickte. »So sind wir zu Hause alle. Hat Ihr Großvater Ihnen das nicht erzählt?«

Nonie starrte ihre weißen Schuhe an, die für ein Mädchen ihrer Größe ziemlich klein waren - etwa Größe viereinhalb. Sie wusste offenbar nicht recht, ob ich mich über sie lustig machte.

»In sieben ist Rowena Delighte zu bewundern. Sie dreht eine Fernsehserie über...«

»Rowena Delighte steht mir bis hier«, unterbrach ich Nonie und deutete einen Punkt unterhalb der Augen an.

Meine Begleiterin lächelte plötzlich strahlend. »Ganz ehrlich gesagt, geht es mir genauso.«

Die Delighte hatte uns also zusammengeführt.

»Ich bin dafür, dass wir den Rundgang ausfallen lassen, Nonie. Gibt’s hier nicht irgendwo einen Drink?«

»In der Kantine werden Cola, Säfte und dergleichen verkauft.«

»Ich habe Drink gesagt!«

»Hmmm. Mantovani’s ist nicht weit von hier entfernt und in Ordnung, aber dazu müssten wir das Ateliergelände verlassen, und es ist noch etwas früh für harte Drinks, nicht wahr?«

»Können wir nicht trotzdem hingehen?«

Nonie lächelte wieder. »Da Sie ein großes Tier sind, ist wohl nichts dagegen einzuwenden.«

Wir marschierten auf eines der Tore zu. Der dort postierte Wachtposten vertrat uns den Weg. »Haben Sie einen Erlaubnisschein zum Verlassen des Geländes?«, knurrte er.

»Brauche ich denn einen, wenn ich mit der schönen Miss Nonie O’Hara zusammen bin?«, erkundigte ich mich.

Der Mann in der grünen Uniform starrte mich an.

»Schon gut, Patrick«, beruhigte Nonie ihn. »Er ist ein verrückter Ausländer, aber sonst ganz harmlos.«

Mantovani’s war ein intimer Club mit Jalousien, einer Topfpalme und moderner Innendekoration. Wir waren die einzigen Gäste. Der Barmixer sah aus, als habe er die vierzig Jahre seines Lebens schlaflos verbracht. Die Drinks wurden kalt serviert, und die Klimaanlage machte alles noch kühler.

Wir saßen auf Barhockern, was mir Gelegenheit gab, Nonies lange Beine zu bewundern. Sie trug ein schlichtes cremefarbenes Kleid, das ihre Figur bewundernswert betonte. Ich betrachtete sie von der Seite und stellte mir vor, wie es sein musste, sie zu küssen.

Nonie weckte mich aus meinen Träumen auf, indem sie mir einen Penny für meine Gedanken bot - als wüsste sie nicht genau, was mich beschäftigte!

»Gibt es hier überhaupt Pennys?«, fragte ich.

»Wie soll der Ausdruck sonst entstanden sein?«

»Er ist mit der Mayflower herübergekommen, glaube ich!«

Sie warf mir einen prüfenden Blick zu. »Mr. Sark muss über Ihr Hemd gestaunt haben«, meinte sie.

Ich nickte grinsend. »Mr. Sark ist englischer als die meisten meiner Landsleute«, erklärte ich ihr.

Wir unterhielten uns über die Filmbranche, und Nonie taute zusehends auf, bis ich den Fehler machte, sie zu fragen: »Die C-K-L zahlt bestimmt ganz gute Gehälter, aber...«

»Das müssten Sie am besten wissen!«

»...aber wie kommt es, dass Sie sich das Hotel Majestic in Beverly Hills leisten können?« .

Nonie wurde sofort zurückhaltender. »Das ist eine indiskrete Frage«, warf sie mir vor. Sie war kühler als die Klimaanlage.

Inzwischen waren zwei Männer hereingekommen. Sie trugen leichte Sommeranzüge, Panamahüte und dunkle Sonnenbrillen, sahen wie Künstleragenten aus und schienen jemanden zu suchen. Der größere der beiden Männer, die recht muskulös und durchtrainiert wirkten, nickte dem Barmixer zu; dieser war plötzlich nicht mehr müde, sondern verschwand wie ein Blitz in dem Lagerraum hinter der Bar. Ich wollte eben eine Bemerkung darüber machen, als die beiden Männer an die Bar kamen und Nonie höflich grüßten. Einer von ihnen nahm ganz freundlich ihren Arm und führte sie einige Schritte weit von der Bar fort.

»Entschuldigen Sie«, sagte er dabei. Seine Stimme klang, als gehe er über Cornflakes.

»He, was soll das?«, erkundigte Nonie sich.

Ich befand mich jetzt zwischen den beiden Männern. Der eine hielt eine zusammengefaltete Zeitung mit dem Bild eines Mannes in der Hand. Ich sah das Bild nur verkehrt herum, aber es schien mich zu zeigen.

»Sind Sie Garway Trenton?«, fragte der erste Mann freundlich.

Ich nickte wortlos. Bevor ich Marquis von Queensberry sagen konnte, versetzte er mir einen Magenhaken und ließ eine rechte Gerade folgen, die meine Kinnspitze traf. Ich fiel nach hinten in die Arme des zweiten Mannes, der mich festhielt.

»Misch dich bloß nich’ ein«, riet mir der zweite Mann. Er ließ mich zu Boden fallen, und die beiden zogen sich wortlos zurück. Als Nonie um Hilfe rief, kam der Barmixer wieder zum Vorschein und fragte erstaunt: »He, was ist hier passiert?«

Mir fiel auf, dass er ein Glas Wasser in der Hand hielt, so dass sein Erstaunen nicht ganz echt sein konnte. Ich rang nach Luft und keuchte: »Wer waren die beiden?«

»Keine Ahnung«, behauptete der Barmixer.

Ich setzte mich nicht mehr auf den Barhocker, sondern zog mir einen Stuhl heran. Nonie O’Hara beobachtete mich misstrauisch, während ich mir das Kinn rieb. »Mister, Sie sind wirklich überraschend!«, stellte sie fest.

»Misch dich bloß nich’ wo ein!«, stöhnte ich. »Wer sich so ausdrückt, kann kein neidischer einheimischer Drehbuchautor sein!«

Nonie zeigte sich so rührend besorgt um mich, dass es sich fast lohnte, verprügelt worden zu sein. Wir einigten uns darauf, es sei wohl am besten, wenn ich in mein Büro zurückkehrte. Unterwegs stellte ich weitere Vermutungen über den Grund dieses Überfalls an. Vielleicht hatten die beiden Herren mein letztes Buch gekauft und fühlten sich betrogen? Nonie war der Meinung, ich sollte den Überfall der Polizei melden - aber was hätten wir den beiden Männern nachweisen können? Wahrscheinlich handelte es sich um einen bedauerlichen Fall von Personenverwechslung...

Das mir im Autorenblock zugewiesene Büro war geräumig und behaglich. Nonie versprach mir, mich mittags abzuholen und in die Kantine zu begleiten, wo ich mit dem Produzenten und meinem Mitautor essen sollte. Bis dahin war ich arbeitslos, deshalb legte ich die Füße auf den großen Schreibtisch - ich hätte mich auch auf der Couch ausstrecken können - und döste mit geschlossenen Augen vor mich hin, bis Nonie O’Hara wieder an die Tür klopfte.

»Wie fühlen Sie sich jetzt?«, wollte sie wissen.

»Ausgezeichnet - bis auf das empfindliche Kinn«, versicherte ich ihr. »Und ich weiß, wer die beiden Kerle waren.«

Nonie runzelte erstaunt die Stirn. »Ja?«

»Zwei Spione von Warners«, behauptete ich. »Sie wollen nicht, dass die C-K-L von meinem Talent profitiert.«

»Oh, das bezweifle ich eigentlich, weil...«, begann Nonie ernsthaft. Dann sah sie mich grinsen. »Schon gut, Sie englischer Schuft, Sie!«

 

Als Mitarbeiterin der Presseabteilung kannte Nonie eine Menge Leute, von denen sie auf dem Weg zum Mittagessen gegrüßt wurde. Hallo, Nonie!, sagten einige, während der Plebs höflich mit Guten Tag, Miss O’Hara grüßte. Nonie schien sehr beliebt zu sein, was kein Wunder war. Geschminkte Schauspieler, ein Wächter in Uniform und ein junger Mann in Arbeitskleidung stimmten in diesen Chor ein, den Nonie je nach Laune mit Hallo! oder Wie geht’s? beantwortete.

Aber sie begrüßte zwei ältliche, sehr ernsthaft dreinblickende Herren, die Senatoren hätten sein können, wesentlich ehrerbietiger. »Guten Tag, CK, Sir! Wie geht’s immer, JB, Sir?« Danach murmelte sie mir zu: »Unsere verehrten Chefs.«

Ich stellte mir ihr Entsetzen vor, wenn ich zugegeben hätte, die beiden nicht einmal dem Namen nach zu kennen.

Als wir uns der Kantine näherten, erzählte mir Nonie eine Story, die wohl alle Neuankömmlinge hörten, während sie zum Essen unterwegs waren: woher es kam, dass das billigste Gericht auf der Speisekarte Cornedbeef-Eintopf war. CK war als junger Mann Zeitungsverkäufer gewesen (in Hollywood haben alle Produzenten früher einmal Zeitungen verkauft oder mit Lumpen gehandelt) und hatte sich täglich nach diesem köstlichen Gericht gesehnt, ohne es sich natürlich leisten zu können. Aber sobald er reich und Miteigentümer der C-K-L Productions geworden war, hatte er dafür gesorgt, dass es in der Kantine jeden Tag Cornedbeef-Eintopf zu einem von der Firma subventionierten Preis gab. Nonie beobachtete mich und wartete offenbar auf eine entsprechende Reaktion.

»Das lobe ich mir als nette, rücksichtsvolle, amerikanisch-demokratische Geste«, sagte ich.

»Was soll das heißen?«, fragte Nonie aggressiv.