GARDENIEN VERWELKEN SCHNELL - John Paddy Carstairs - E-Book

GARDENIEN VERWELKEN SCHNELL E-Book

John Paddy Carstairs

0,0
5,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Der Bestseller-Autor Garway Trenton will Ferien machen – und wo verbringen große Autoren ihre Ferien? An der französischen Riviera! Aber kaum ist er angekommen, da stellt man ihm schon nach. Nicht so, wie er es sich wünscht, nein – keine Verehrerinnen. Diesmal machen kaltblütige Mörder Jagd auf Mr. Trenton... Der Roman GARDENIEN VERWELKEN SCHNELL des britischen Schriftstellers, Filmregisseurs und Drehbuchautors John Paddy Carstairs (* 11. Mai 1910 in London; † 12. Dezember 1970 in Lingston; eigentlich John Keys) erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1971. Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



 

 

 

 

JOHN PADDY CARSTAIRS

 

 

Gardenien

verwelken schnell

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 68

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

GARDENIEN VERWELKEN SCHNELL 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

Einundzwanzigstes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Der Bestseller-Autor Garway Trenton will Ferien machen – und wo verbringen große Autoren ihre Ferien? An der französischen Riviera!

Aber kaum ist er angekommen, da stellt man ihm schon nach. Nicht so, wie er es sich wünscht, nein – keine Verehrerinnen. Diesmal machen kaltblütige Mörder Jagd auf Mr. Trenton...

 

Der Roman Gardenien verwelken schnell des britischen Schriftstellers, Filmregisseurs und Drehbuchautors John Paddy Carstairs (* 11. Mai 1910 in London; † 12. Dezember 1970 in Lingston; eigentlich John Keys) erschien erstmals im Jahr 1958; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1971.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

   GARDENIEN VERWELKEN SCHNELL

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Keiner meiner Bekannten und Freunde, geschweige denn ich selbst, hätte je geglaubt, dass ich mich in eine Frau wie Vanina verlieben könnte. Und doch geschah es, trotz allem verliebte ich mich Hals über Kopf in sie.

Ich war zu der Zeit gerade mit Tracey Mendip in Südfrankreich. Es hatte viel Überredungskunst erfordert, Tracey davon zu überzeugen, dass ich für sie der ideale Begleiter an die Côte d’Azur war. Abgesehen von meinen körperlichen Attributen musste ich meinen Wagen, einen Aston Martin, und meine erst kürzlich erlangten Erfolge als Schriftsteller ins Feld führen. Immerhin war es mir mit meinem neuesten Roman gelungen, in die Bestsellerliste aufzusteigen und monatelang dortzubleiben. Tracey konnte man in erster Linie mit solchen Äußerlichkeiten imponieren. Und doch verdankte ich ihre Zustimmung nur einem glücklichen Zufall. In der letzten Ausgabe von Harper’s Bazaar gab es nämlich einen Bericht über den neuesten Clou der Côte d’Azur, den kleinen Ort La Fitte mit seinen wenigen, aber exklusiven Hotels, und auf den Fotos waren die üblichen Damen und Herren der internationalen Schickeria zu erkennen. Der Ort selbst, in einer kleinen Bucht westlich von St. Tropez gelegen, sah auf den Fotos bildschön aus, und der Bericht konnte sich nicht genug tun mit der Schilderung der unzähligen Vorteile von La Fitte.

Das gab bei Tracey den Ausschlag. Sie war mindestens ebenso beeindruckt von dem herrlichen Strand wie von den Strandkostümen der Damen auf den Fotos - Damen, die ich zumeist kannte und die einem gewöhnlich mit viel sinnlosem Geschnatter schrecklich auf die Nerven fielen, aber hier, auf den Fotos, notgedrungen schweigen mussten und deshalb sicherlich einen gewissen Reiz auf den unbefangenen Betrachter ausübten.

Tracey war noch nie in La Fitte gewesen. Sie kannte das Aviz in Lissabon, das Palace in St. Moritz, das Bendinat in Palma di Mallorca und das Reid’s auf Madeira - das Cigale in La Fitte kannte sie noch nicht. Sie bat mich um einen Scheck, damit sie sich die notwendigsten Kleinigkeiten kaufen konnte, und sobald sie damit fertig war - es dauerte nur zehn Tage ließen wir uns nach Le Touquet übersetzen und brausten dann im Ming II, wie ich meinen Aston Martin Spyder getauft hatte, in Richtung Süden.

Wie so viele der besseren französischen Hotels vermittelte auch das Cigale den Eindruck, jeder Gast sei durch persönliche Beziehungen dem Besitzer ganz besonders willkommen. Wir bekamen jeder einen hübschen Bungalow, nur ein paar Meter vom Wasser und dem beigefarbenen, gepflegten Sandstreifen entfernt. Die ganze Bucht von La Fine war ziemlich abgesondert vom großen Touristenbetrieb der Côte, und der Strand gehörte praktisch nur den wenigen Hotels am Meer. Das Städtchen La Fitte liegt drei Kilometer weiter landeinwärts. Dort gibt es ein kleines Spielkasino, ein paar sehr elegante Geschäfte, die in den zwölf Wochen Saison erstaunlicherweise so viel einbringen, dass die Besitzer es sich leisten können, die übrige Zeit von dem verdienten Geld in Paris zu leben, dazu das eine oder andere Bistro und unbedeutende Hotels und Pensionen.

Natürlich war das Cigale ein Snob-Hotel, aber andererseits konnten sich Ausstattung und Bedienung international sehen lassen. Selbst die Installationen waren in Ordnung - im Gegensatz zu den meisten, selbst besseren und besten Hotels hier an der Küste, wo man in der Regel das Wasser aus dem Waschbecken nach dem Auslaufen in der Badewanne wiederfinden kann, von Schlimmerem ganz zu schweigen. Die Bungalows des Hotels waren kühl und hübsch ausgestattet, wie es immer in den Prospekten heißt, und die Betten erwiesen sich als vorzüglich, eine seltene Wohltat für Leute, die viel unterwegs sind. Im großen Zentralgebäude befanden sich nur die Empfangsräume, das Büro, ein paar Salons und eine Bar für Regentage. Die Gäste wohnten in den kleinen Bungalows, die sich im Halbkreis um das Hauptgebäude scharten, und jeder Bungalow hatte einen Patio vor der Terrasse, die weitgehend von dem Nachbargebäude abgeschirmt war. Tracey hatte den Bungalow links neben mir bezogen.

Die Mahlzeiten nahm man in einem sehr attraktiven Terrassenrestaurant ein, dessen Tische überwiegend unter freiem Himmel standen, und dem eine bildschöne Freiluftbar unter dichten Mimosenbäumen angeschlossen war. Über der Theke gab es ein kleines Dach, mit Aussparungen für die Äste der Mimosen. Die Stämme der Bäume bildeten die Seitenpfosten, an denen die Theke befestigt war. Die Bar war kühl und schattig, und die Ausstattung wiederholte das zarte Zitronengelb der Mimosen und das jungfräuliche Grün ihrer Blätter. Barkeeper war ein gutaussehender Spanier namens Jaime. Er trug stets makellose weiße Jacken und sehr enggeschnittene weiße Hosen. Die helle Kleidung bildete einen hübschen Kontrast zu seiner dunklen, glatten Haut und dem pechschwarzen Lockenkopf. Der Bursche war höchstens Ende Zwanzig und hatte mit fünfzehn in einer kleinen Pension auf Mallorca zum ersten Mal hinter einer Bar gestanden. Von da an verbesserte er sich in gerader Linie zuerst nach Palma, und weiter auf ein Linienschiff, das zwischen Palma und Barcelona verkehrte. Die nächste Station war Nizza, und zuletzt hatte er den Gipfel, das Cigale in La Fitte, erreicht. Er sah sehr gut aus, und sämtliche weiblichen Gäste des Hotels waren total verrückt nach ihm. Ich erzähle das alles im Detail, denn dieser Jaime nimmt in meiner Geschichte einen wichtigen Platz ein.

Ich vermute, es wäre alles bestens gegangen mit Tracey, wenn ich nicht Vanina getroffen hätte. Aber natürlich hätte es auch schiefgehen können, selbst wenn ich mich einzig und allein auf Tracey konzentriert hätte. Wie oft bemüht man sich um die Gunst eines attraktiven Mädchens, und kaum hat man sie erobert, da zeigt sich, dass sie eine Reihe von Angewohnheiten hat, die einem schon in den ersten Tagen schrecklich auf die Nerven fallen. Ich hatte mich einmal um ein Mädchen bemüht, das mir als das begehrenswerteste Geschöpf von ganz London erschien; kaum kannte ich sie näher, da stellte ich fest, dass sie Kettenraucherin war. Den Rest meiner Romanze mit ihr verbrachte ich überwiegend damit, dass ich volle Aschenbecher ausleerte.

Tracey war keine Kettenraucherin, zum Glück! Aber sie hatte eine andere, freilich typisch weibliche Eigenschaft. Sie verbrachte Stunden des Tages vor dem Spiegel. Und kamen wir in ein Restaurant, ein Schlafzimmer mit einem großen Spiegel, dann postierte sie sich davor und beobachtete ständig ihr Bild. Sie war dann so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie meine Anwesenheit - sei es im Restaurant oder im Schlafzimmer - gar nicht bemerkte. Ich stellte es schon am ersten Abend in der Bar fest. Hinter den Flaschen und Gläsern befand sich ein großer Spiegel, und wenn Tracey sich gelegentlich von Jaime losreißen konnte, schaute sie sich selbst an. Für mich blieb da kaum noch etwas übrig. Nachdem ich diesen narzisstischen Komplex an ihr entdeckt hatte, verlor sie weitgehend ihren Reiz für mich.

Zugegeben, zuvor hatte ich schon einen Blick auf Vanina geworfen, als sie vom Schwimmen kam. Sie trug einen sehr schick geschnittenen Bikini, und die Figur darunter - kann man bei einem Bikini überhaupt noch darunter sagen? - war exzellent. Eine Wespentaille, hohe, volle Brüste - vermutlich ihre eigenen und nicht ein Gebilde aus Fischbein und Plastik, wie es gerade in diesen Jahren sehr in Mode war - und lange, schlanke Beine. Ihr Haar war naturblond, und ihre Zähne blitzten strahlend weiß. Ihr Alter? Ich schätzte, so um die Dreißig.

 

Mein erster Streit mit Tracey begann kurz nachdem ich festgestellt hatte, dass Vanina in dem Bungalow rechts von mir wohnte. Ich habe die Angewohnheit, sehr früh am Morgen zu arbeiten, und ich finde gar nichts Besonderes daran. Weder ist es romantisch, wie sich manche das vorstellen, noch barbarisch, wie die Leute denken, die noch um elf Uhr gähnend ein Stündchen weiterschlafen wollen.

Ich saß also am zweiten Morgen nach unserer Ankunft zu dieser frühen, friedvollen Stunde im Patio meines Bungalows und hatte schon gegen sieben das vorgesehene Pensum von Worten erfüllt. Ich meine, es ist nichts dabei, wenn man sich für seine Arbeit, und sei sie noch so hochkünstlerisch, einen Fahrplan zu- rechtlegt. Wenn man schreiben will, muss man überall und zu jeder Zeit schreiben können. Francis Drake sagte einmal, es sei die Beständigkeit, die den wahren Ruhm verdiene. Ich frage mich allerdings, inwieweit Bestsellerautoren überhaupt am Ruhm teilhaben können. Außerdem ist diese - sagen wir ruhig künstlerische - Beständigkeit eine Frage von großer Bedeutung, wenn man wie ich gern maßgeschneiderte Hemden mit Monogramm trägt, Marcel Rochas’ Moustache verwendet und einen teuren Sportwagen fährt.

Plötzlich wurde ich in meinem Eifer unterbrochen, weil unerwarteterweise die Jalousien vor der Terrassentür des Bungalows rechts von mir geöffnet wurden und Vanina in einem eleganten Pyjama auf der Terrasse erschien. Sie erblickte mich und schaute erstaunt herüber, dann schenkte sie mir ein verstehendes Lächeln und verschwand wieder in ihrem Bungalow. Ich war über alle Maßen verwirrt. Was musste das für eine Frau sein, die mit einem einfachen Lächeln meinen Pulsschlag so beschleunigte?

Kein Wunder, dass ich danach beim Frühstück meinen ersten Zusammenstoß mit Tracey hatte. Wir frühstückten wie gewöhnlich Croissants und Kaffee, und ich hatte unterwegs auf der Fahrt in den Süden ein großes Glas Honig besorgt. Natürlich lockte das die Wespen an. Nun weiß ich, dass sich die meisten Menschen beim Anblick einer Wespe wie Verrückte benehmen. Tracey bildete da keine Ausnahme. Sie gab die üblichen, spitzen Schreie von sich und schlug nach den Wespen mit ihrem honigbeschmierten Messer. Ich versuchte ihr zu erklären, dass man niemals von Wespen gestochen werde, es sei denn, man greife sie an und sie fühlen sich bedroht. Ich schilderte ihr, dass diese Insekten mit einem hervorragenden Geruchssinn ausgestattet und ganz verrückt nach Zucker und Süßigkeiten seien. Ich füllte ein Schälchen mit Honig und stellte es abseits, damit sich die Wespen dort vollfressen und nach einer Weile zufrieden und satt weiterschwirren konnten, wie sie das meiner Erfahrung nach tun. Aber Tracey war völlig hysterisch. Ich wollte ihr die Harmlosigkeit der Wespen demonstrieren und ließ eine über meinen Handrücken krabbeln. Tracey schrie wie am Spieß und erklärte mich für verrückt und lebensmüde.

Aus Verzweiflung nahm ich das hübsch gedeckte Frühstückstischchen und trug es hinein in den Bungalow. Als ich noch einmal hinausging und die beiden Stühle hereinholte, erhaschte ich einen weiteren Blick von Vanina. Tatsächlich, sie beobachtete mich schon eine ganze Weile! Ich hatte das Gefühl, Vanina verehrte starke, männliche Männer. Ich fühlte mich sehr stark und männlich. Und ich war froh, dass ich mich noch nicht rasiert hatte.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

La Fitte lag, wie schon gesagt, in einer kleinen Bucht nicht weit von St. Tropez. Auf der linken Seite streckte sich das Land etwas weiter ins Meer hinaus, und auf dieser Landzunge, Cap La Fitte genannt, standen ein paar sehr schöne Villen inmitten eines dichten Eukalyptuswaldes. Aber während der Strand vor dem Cigale sich eines zehn Meter breiten Sandstreifens rühmen konnte, fiel das Ufer draußen beim Cap La Fitte steil von den Felsen ab ins Meer. Auf der rechten Seite, in Richtung Toulon, war die Landzunge kürzer, und auch hier standen einige schöne Villen zwischen Gruppen von Bäumen, überwiegend Palmen. Vor den Felsen gab es noch einen schmalen Sandstrand.

Das Meer, mitunter türkis, häufig himmelblau, war in dieser Bucht recht ruhig und bestens zum Schwimmen und Tauchen geeignet. Der Sand schimmerte hell, war nur ganz draußen, wo er von den Wellen berührt wurde von lichtem Kaffeebraun. Ein wunderschöner Ferienort, ruhig, erholsam, teuer und noch unentdeckt vom Massentourismus.

Unter der Zahl von reichen Engländern, die im Cigale wohnten, gab es natürlich den unvermeidlichen, glatzköpfigen Pfundmillionär in marineblauen Shorts, die ihm bis an die Knie gingen, mit ansehnlichem Bauch und einem Panamahut mit buntem, etwas ausgebleichtem Band auf dem Kopf. Er hieß Mr. Durrington Stocktone - Verzeihung: natürlich Durrington Stocktone, Esquire! Wenn er nicht hinausstarrte aufs Meer und auf die Pedalos, als wolle er sich für den Abend eines der darin munter strampelnden kleinen Frauchen, wie er sie nannte, reservieren, dann saß er völlig versunken hinter der Times, die extra seinetwegen täglich von Cannes herübergebracht wurde. Hier gab es nämlich normalerweise nur die Zeitungen vom Vortag. Selbstverständlich war Durrington Stocktone längst verheiratet. Das kleine Frauchen, das ihn - sicherlich schon vor vielen Jahren - gekapert hatte, war gar nicht so klein, ziemlich grobknochig und dürr, trug nur weiße Kleider und schaute so triumphierend auf die übrigen Mitmenschen, als habe sie gerade das große Los gezogen. Nach beinahe jedem Satz von Durrington Stocktone, Esq., fragte sie mit lauter Stimme: »Was hast du gesagt?«, so dass der Millionär alles zweimal sagen musste. Ich bin sicher, das war keineswegs die Folge einer fortgeschrittenen Schwerhörigkeit, sondern gehörte zu den Manierismen einer gewissen Schicht sehr reicher und unbedeutender Menschen.

Es gab bronzebraune junge Amerikaner ohne Hüften und ohne Gesprächsthemen, aber mit schreienden Hawaiihemden. Es gab eine bildhübsche, blutjunge Spanierin, die mit fünfundzwanzig fett und abstoßend sein würde - der Anflug eines Schnurrbartes auf ihrer Oberlippe und ein schwellendes Bäuchlein waren sichere Anzeichen dafür. Und es gab ein paar nette Burschen aus London, die immer ganz formell angezogen waren, abends grundsätzlich nur mit schneeweißen Hemden und Krawatten mittelmäßiger Internate beim Essen im Freien saßen. Nicht zu vergessen die belgische Familie, die Bontemps, mit einer unübersehbaren Zahl quiekender und plärrender Kinder, einer wenn möglich noch lauter plärrenden Mama, die gelegentlich die erholsame Atmosphäre mit schrillen Schreien wie Pussy! Jackie! Nicole! Viens-ici! zerstörte, und einem Papa, der sie im Notfall beim Schreien noch unterstützte. Die Bontemps hatten sich geradezu verschworen, diese Demonstration ihres abwechslungsreichen Familienlebens ausgerechnet in die Stunden zu verlegen, wo die Elite sich vor dem Tee zu einer kleinen Siesta zurückzog. Man fragte sich, wieso die Bontemps ausgerechnet hier im Cigale wohnen mussten. Jedenfalls konnte man nicht behaupten, dass sie besonders beliebt waren.

Tracey stellte mit Zufriedenheit fest, dass die in dem Artikel in Harper’s Bazaar gezeigten Damen und Herren des Jet Sets tatsächlich reichlich im Cigale vertreten waren, und freute sich vor allem darüber, dass selbst Evadne Monturon hier war, die erst in dieser Frühjahrssaison in London groß herausgekommen war. Sie hatte die Sandwiches bei ihrem Mai-Ball in Cambridge mit dünnem Ziegenleder statt mit Schinken belegen lassen, ging mit ihren Freunden und Freundinnen nach einem ausgiebigen Sekt- und Kaviarfrühstück im Four Hundred in aller Öffentlichkeit, nämlich im Brunnen des Trafalgar Square, baden, war in Spanien wegen Nacktbadens verhaftet worden, führte  den guten alten Rock and Roll im Café de Paris wieder ein, war auf einer Kreuzfahrt nach Ostende von der Jacht ins Meer gesprungen und verbrachte eine ganze Nacht auf der Gendarmerie von La Touquet, weil sie in Männerkleidern und mit minderjährigen Freunden und Freundinnen ins Spielkasino eingedrungen war. Kurz: Sie versuchte, auf jede nur denkbare Weise in die Gesellschaftsspalten der Boulevardpresse zu gelangen und einen Exhibitionismus an den Tag zu legen, der sie als Mitglied der oberen Fünfhundert kennzeichnete.

Unter den amerikanischen Gästen gab es eigentlich nur einen, der erwähnenswert war: den Senator Benjamin Ellwanger. Er gehörte zu der Sorte der sehr großen, dürren Amerikaner, die sich die Hose mit bunten Hosenträgern an den konturenlosen Leib hängen müssen, deren Stimme überall und deren Charme nirgends durchdringen. Der Senator war häufig der Mittelpunkt einer kleinen Gruppe von Kulturenthusiasten, und die Bücher, die er las oder zu lesen vorgab, waren tatsächlich Traktate höchst gelehrter Natur. In seiner Gesellschaft tat sich in erster Linie eine typische, wohlhabende Kleinstädterin namens Betty-Lou Inkerman hervor, die mangels anderer Reize freigiebig in Sachen Kultur war. Sie und andere ältere Amerikanerinnen lauschten den sonoren Tönen des Senators mit Hingabe und erwarteten seine täglichen Bildungsberichte stets mit größter Spannung.

In einem der anderen Bungalows nicht weit vom Strand wohnte ein Franzose namens Max Daudet mit einer jungen Dame, die seine Tochter hätte sein können. Er war der typische Franzose, wie ihn sich der Engländer vorstellt und der Amerikaner in Hollywoodfilmen darstellt, vom genießerischen Schmatzen anlässlich der vorzüglichen Küche des Cigale bis zu seinen bewundernden Blicken, die er sämtlichen anwesenden Damen in gleichem Maße zukommen ließ. Seine Gespräche drehten sich ausschließlich um erotische Abenteuer. Man hatte den Eindruck, er lebte das ganze Jahr über in Frustration und wollte das Versäumte in zwei Wochen Ferien nachholen.

Unter den am ehesten für Tracey in Frage kommenden jungen Männern gab es einen blonden, gutaussehenden Engländer namens Anthony Pughe-Hastings, der Zoll für Zoll den britischen Berufsoffizier par excellence darstellte. Man hatte das Gefühl, er musste als Wachsoldat im Regiment Ihrer Majestät seine Karriere begonnen haben. Alles, was er tat, geschah wohlüberlegt und bedächtig, wie bei einem Londoner Bobby, und mit seinem männlichen, aber ein wenig albernen Grinsen, seinen wasserblauen, ausdruckslosen Augen und seiner rosigen Gesichtshaut gelang es ihm, die meisten Leute hinters Licht zu führen. Man dachte, er sei die Harmlosigkeit in Person, aber wie ich später erfuhr, hatte er sich seine Sporen im harten Einsatz im Korea-Krieg verdient. Wenn er sich in Tracey verliebte, dann gab es für meine Begleiterin nichts zu lachen.

 

Vanina war einen Tag nach uns gekommen. Das schien mir zu diesem Zeitpunkt keineswegs irgendwie seltsam oder verdächtig, stellte mir aber sogleich das Problem, Tracey auf möglichst elegante Weise loszuwerden. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass meine Begleiterin attraktiv genug war und sich das Problem deshalb ohne mein Zutun spielend lösen würde. Auf jeden Fall musste ich den Eindruck vermeiden, ich wolle sie loswerden. Daher auch meine Entscheidung, das Frühstück gegen meine Gewohnheit und meine Absicht im Zimmer und nicht auf der Terrasse einzunehmen. So war der Friede wenigstens auf Zeit wiederhergestellt. Später ging ich schwimmen, während Tracey für den großen Augenblick ihres Auftrittes am Strand zwei Stunden lang Vorbereitungen traf und vor dem Spiegel stand. Als sie damit fertig war, konnte ich nicht leugnen, dass sie großartig aussah, und es war keine Frage: Die Herren würden begeistert sein von ihr, und die Damen verärgert über sie.

Danach kam sie mit mir auf den Strand, in die Nähe der Bar, drapierte sich herausfordernd unter einem Sonnenschirm und wollte einen Cocktail haben. Ich blickte zu Jaime hinüber und versuchte ihn durch Schnippen mit den Fingern auf uns aufmerksam zu machen. Aber Jaime verzog keine Miene. Wir waren im Zeitalter der gesellschaftlichen Gleichberechtigung, und wenn die Saison vorbei war, fuhr Jaime nach Paris und wohnte dort in einem besseren Hotel als ich noch bis vor kurzem.

»Barkeeper«, rief ich und rückte die Verhältnisse versuchsweise wieder zurecht, »zwei Champagnercocktails!« Er warf mir einen sehr schrägen Blick zu, bewunderte dann Traceys Aufmachung und überlegte sich wohl, ob es sich lohnte, sie zu erobern, dann ging er tatsächlich daran, die Cocktails zu mixen.

»Ein toller Bursche!«, murmelte Tracey mehr zu sich als zu mir.

»Wenn du unverschämte Männer magst...«

»Natürlich mag ich sie, sonst wäre ich nicht mit dir beisammen«, gab mir Tracey zur Antwort.

Ich lächelte verschmitzt und schaute zur Strafe mit offensichtlichem Interesse zu Vanina hinüber, die in diesem Augenblick am Strand auftauchte. Sie setzte sich in einiger Entfernung von uns in den Sand, aber zum Glück wenigstens in einem Winkel, dass ich so tun konnte, als betrachte ich Tracey, während meine Blicke über ihr linkes Ohr hinweg zu der schönen Vanina schweiften, die sich nun doch einen Liegestuhl besorgt hatte und sich von Kopf bis Fuß mit Sonnenöl einschmierte.

Jaime brachte unsere Cocktails, und ich dachte nicht daran, mich zu bedanken, was mir herbe Vorwürfe bezüglich meines Benehmens von Seiten Traceys einbrachte. Einen Augenblick dachte ich an die Möglichkeit, Tracey an diesen Jaime loszuwerden, aber dann sagte ich mir, dass Tracey wohl doch etwas dezenter Vorgehen würde. Ich konnte also nur hoffen, dass bald ein geeigneter Partner auftauchte, denn ich hatte keine Ahnung, wie lange Vanina bleiben wollte.

Ich hatte kaum meinen Champagnercocktail ausgetrunken, als auf der Szene ein großer, blonder, arroganter Deutscher in einer auffallenden Badehose aus Leopardenfell erschien. Seine Figur war die eines Bodybuilders, sein Blick so anmaßend wie der eines Chauffeurs im Rolls Royce, sein Betragen das eines typischen Neureichen.

»Weil wir gerade von unverschämten Leuten sprechen«, begann ich und zeigte auf den Deutschen, der in herausforderndem Ton, aber fließendem Französisch dem riesigen Strandwächter Jean-Pierre Anweisungen gab und dabei mehrmals auf ein Motorboot deutete, das dicht vor dem Ufer an einer Boje festgemacht war. Das Motorboot gehörte offensichtlich dem Deutschen, der seit seinem Auftritt die gesamte Szene beherrschte.

Tracey nahm die Sonnenbrille ab, um den nordischen Apoll zu bestaunen.

»Pas mal!«, konstatierte sie dann mit Bewunderung in der Stimme.

Das schöne, blonde Tier wurde von Jean-Pierre in dem Ruderboot des Hotels Cigale hinausbefördert zu seinem Boot an der Boje. Dann enthüllte er am Heck des Schiffes eine schwarzrotgoldene Flagge und ließ gleich darauf den Außenbordmotor auf heulen.

Ich schaute an Traceys Ohr vorbei und fragte mich, ob auch Vanina wie die anderen weiblichen Wesen dem blonden Hünen ihr Interesse zollte. Aber sie hatte sich ganz ostentativ und allgemein der Männerwelt abgewandt, was leider auch mich einschloss.

»Jetzt wird Jung-Siegfried sicherlich mit seinem Knatterboot eine halbe Stunde lang vor dem Hotel auf und ab fahren«, sagte ich voraus, »und zwar möglichst dicht am Ufer, damit man ihn auch ja nicht übersieht.«

»Durch deine Schriftstellerei bist du ziemlich zynisch geworden«, antwortete Tracey in rebellischem Ton.

»Du wirst schon sehen!«, erklärte ich rechthaberisch.

Während Siegfried, wie ich ihn getauft hatte, genau das tat, was ich von ihm erwartete, entschloss ich mich zum Schwimmen, ein Gedanke, der Tracey entsetzte. Ich kenne kein Mädchen, das mehr Badeanzüge besaß, aber auch keines, das wasserscheuer gewesen wäre als sie. Auf meinem Weg zum Wasser kam ich ganz wie zufällig an Vanina vorbei. Ein schwacher Duft von Carons Poivre stieg mir in die Nase, ein Parfüm, das eigentlich besser zu einer Brünetten als zu einer Blondine passte - aber welche Frau benützt schon das Parfüm, das ihrem Typ entspricht?

Ich schwamm also, und das mit der Art von Demonstration, die mir am besten lag. Ich kann recht gut tauchen und halte es eine ganze Weile unter Wasser aus. Als ich wieder einmal auftauchte und hinüberschaute zum Strand, war Tracey offensichtlich schon ziemlich nervös geworden und hatte wohl gefürchtet, ich sei ertrunken. Wenn Vanina wirklich zu mir hersah, so wandte sie zumindest immer dann die Blicke wieder von mir, wenn ich auftauchte. Dafür zeigten ein paar andere Damen lebhaftes Interesse an mir und meinen Kunststücken, sei es auch nur, um Tracey zu verärgern, und deshalb war sie sehr erfreut, als ein Idiot in einem Pedalo plötzlich ohne Warnung rückwärts trampelte und gegen meinen Kopf stieß, dass das Blech des Tretbootes schepperte.

Ganz benommen entstieg ich den Fluten und kam wieder auf meinem Weg zu Tracey an Vanina vorbei. Hatte sie absichtlich ihre Sonnenbrille in den Sand geworfen? Ich weiß es nicht. Aber auf jeden Fall belohnte sie mich mit einem zuvorkommenden Lächeln, als ich die Brille aufhob und sie ihr reichte.

»Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen«, sagte Tracey aggressiv, nachdem ich an ihren Platz gekommen war.

»Wie meinst du das?«

»Na, du hast ja noch eine viel albernere Schau abgezogen als der junge Deutsche«, behauptete sie angriffslustig. »Dein Unterwasserballett war zum Schreien!«

»Ja, weißt du«, entgegnete ich ihr, »ich bin weder so jung noch schön oder reich wie Jung-Siegfried. Ich muss um den Erfolg hart kämpfen.«

»Ach komm, Garway! Meines Wissens verkaufst du deine Romane gar nicht schlecht.«

»Reine Vermutungen, mein Kind, reine Vermutungen. Jedenfalls habe ich weder ein eigenes Motorboot am Strand des Cigale vertäut noch einen dicken Mercedes am Parkplatz oder eine Badehose aus Leopardenfell...«

»Sondern einen noch viel teureren Aston Martin und eine Wohnung in Chelsea, ein Landhaus in Bucks, einen ständig reservierten Tisch im Four Hundred, eine Box in Ascot und einen Tennistrainer in Wimbledon. Du hast...«

Ich musste Tracey unterbrechen.

»Mein Gott, was du alles aufzählst! Eines steht fest: Wir haben wohl beide unser Konto ganz hübsch überzogen, dieser Siegfried und ich. Und wenn man nach dir geht, haben wir noch eines gemeinsam: Ich bin unverschämt, wie du vor einer halben Stunde zu bemerken geruhtest, und er ist arrogant. Wäre das nicht eine nette Aufgabe für dich: den Burschen auf die Knie zu zwingen, wie du mich auf die Knie gezwungen hast?«

»Unsinn, Gar - besorge mir noch einen Champagnercocktail, und reden wir von anderen Dingen.«

Aber hier im Ausland war es gar nicht so einfach, Stoff für eine Konversation mit Tracey zu finden. Ihr Leben bestand aus Theaterpremieren und Galavorstellungen. Wenn die fehlten, haperte es prompt an Gesprächsstoff.

 

Über Mittag blieb Vanina ohne Gesellschaft. Jaime brachte ihr einen Aperitif hinüber, und später bemühte sich Tux, der maitre d’hotel, persönlich, und servierte ihr eine halbe Flasche Chambertin zum Steak Diane. Die Frau hatte Geschmack!