Initiation - Frank Krause - E-Book

Initiation E-Book

Frank Krause

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Beschreibung

Wir setzen heute gemäß unserer Kultur ganz auf Wissen und bilden Menschen kopflastig aus. Sie brauchen kein Erwachen, keine Reife und Integrität mehr, keine heilige Erfahrung, sondern gute Noten und ein reibungsloses Standardleben von der Stange. Kaum mehr wird nach Begriffen wie Identität und der dafür notwendigen Initiation gefragt. Deshalb haben wir heute jede Menge Leute, die nie in die Geheimnisse des Ewigen und Göttlichen, die Dimension der Erleuchtung oder ihre Bestimmung eingetreten sind. Sie wissen nur etwas darüber, sind es jedoch nicht geworden. Das ist der feine aber alles entscheidende Unterschied: Wissen oder Werden Christus ist den ganzen Weg gegangen: von ganz oben nach ganz unten – bis ans Kreuz und hinab in die Hölle – und wieder zurück bis über alle Himmel (Phil 2,5-11). Auf diesen Weg nimmt er uns mit und offenbart uns seine Herrlichkeit, die davon gekennzeichnet ist, dass sie nicht das eine gegen das andere ausspielt, sondern „alles vermag“. An der Seite des Auferstandenen erfahren wir die Tiefe und die Höhe, Erniedrigung und Erhöhung, die ganze Spanne zwischen Tal und Berg, Licht und Finsternis, Leben und Tod. Und an seiner Hand verlieren wir die Angst davor, diesen Weg zu gehen und wagen den Aufbruch … Dieses Buch über den anderen Weg geht den göttlichen und menschlichen, himmlischen und irdischen Geheimnissen nach sowie der Frage, wie wir damit in Berührung kommen und was uns dazu befähigt, all das, wovon etwa Paulus spricht, selbst zu erleben und damit zu Zeugen des echten bzw. originalen Evangeliums zu werden, das in seinem Anfang so überaus wirkungsvoll war.

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Frank Krause

Initiation

Der andere Weg

GloryWorld-Medien

 

 

 

 

 

1. Auflage 2021

© 2021 Frank Krause

© 2021 GloryWorld-Medien, Xanten, Germany, www.gloryworld.de

Alle Rechte vorbehalten

Bibelzitate sind, falls nicht anders gekennzeichnet, der Elberfelder Bibel, Revidierte Fassung von 1985, entnommen. In Klammern gesetzte Ergänzungen stammen vom Autor. Weitere Bibelübersetzung: Lutherbibel, Revidierte Fassung von 2017 (LUT).

Das Buch folgt den Regeln der Deutschen Rechtschreibreform. Die Bibelzitate wurden diesen Rechtschreibregeln angepasst.

Anmerkung zu Zitaten: Die vom Autor benutzten Zitate dienen ausschließlich der Erläuterung, Bereicherung und Untermauerung des eigenen Textes. Sie sollen zum Nachdenken anregen, inspirieren, Gedankengänge zusammenfassen und, je nachdem, den Text auflockern und den Leser zum Schmunzeln bringen. Er weist ausdrücklich darauf hin, dass er weder alle Werke der von ihm zitierten Autoren kennt noch zwingend deren Weltanschauungen oder sonstigen Ansichten teilt.

Lektorat: Brigitte KrauseSatz: Manfred MayerUmschlaggestaltung: Markus AmolschFoto: carolyn-v-537271-unsplash.jpg

ISBN (epub): 978-3-95578-491-1

ISBN (Druck): 978-3-95578-391-4

 

 

Inhalt

Einführung

1 Identitäten

2 Auf dem Berg

3 In Christus

4 Wirklichkeit

5 Der Ruf

6 Katharsis

7 Alles neu!

8 Wie ein schlaffer Bogen

9 Die erfüllte Zeit

10 Ecce homo!

11 Heldenreise

12 Der wunderbare Weg

Nachwort

Über den Autor

Einführung

Sowohl erniedrigt zu sein, weiß ich,als auch Überfluss zu haben, weiß ich;in jedes und in alles bin ich eingeweiht,sowohl satt zu sein als auch zu hungern,sowohl Überfluss zu haben als auch Mangel zu leiden.Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt.

Philipper 4,12-13

Christus ist den ganzen Weg gegangen: von ganz oben nach ganz unten – bis ans Kreuz und hinab in die Hölle – und wieder zurück bis über alle Himmel (Phil 2,5-11). Auf diesen Weg nimmt er uns mit und offenbart uns seine Herrlichkeit, die davon gekennzeichnet ist, dass sie nicht das eine gegen das andere ausspielt, sondern „alles vermag“. An der Seite des Auferstandenen erfahren wir die Tiefe und die Höhe, Erniedrigung und Erhöhung, die ganze Spanne zwischen Tal und Berg, Licht und Finsternis, Leben und Tod. Und an seiner Hand verlieren wir die Angst davor, diesen Weg zu gehen und wagen den Aufbruch …

Der Apostel Paulus war in der Lage, diesen menschlich gesehen ganz unmöglichen Weg mit Jesus zu gehen. Er sagt: „Ich bin eingeweiht – in jedes und alles.“ Was für eine Aussage! Das griechische Wort an dieser Stelle meint die Einweihung in ein Mysterium.

Die Fußnote der Elberfelder Übersetzung merkt dazu an: „Der Ausdruck wurde bei den Griechen im Blick auf die religiösen Mysterienkulte gebraucht, die nur Eingeweihten zugänglich waren.“ Mehr zu diesem Begriff siehe in der Fußnote1 unten. Sie ist etwas umfangreicher, weil es ein komplexes Thema ist, das spirituelle Menschen, Religionen und Kulturen zu allen Zeiten interessiert und ihre Bewegungen maßgeblich motiviert und begründet hat.

Wir mögen uns wundern, wieso Paulus ausgerechnet diese Sprache verwendet. Ist das denn nicht esoterisch und okkult? Muss man nicht alles, was mit Mystik und Mysterien zu tun hat, entschieden meiden? Wir sind doch heute aufgeklärte Christen! Was sollen wir mit Weihen und Geheimnissen?

Nun, Paulus verstand und verkündete das Evangelium ganz anders als wir heute. Eine persönliche Erscheinung des auferstandenen Jesus hatte ihn seinerzeit auf dem Weg nach Damaskus vom Pferd geworfen und bekehrt. Seine umfassende theologische Kenntnis erhielt er nicht von Menschen, sondern „durch Offenbarung von Jesus Christus“ und erklärt sie als „nicht von menschlicher Art“ (Gal 1,11-12). Um sie zu verstehen, reicht menschliche Weisheit mitnichten aus. Man muss dafür den Geist Gottes empfangen und Christi Sinn haben (vgl. 1 Kor 2,12.16), sonst kann man von den göttlichen Geheimnissen nichts begreifen oder aber versteht alles falsch.

Das Evangelium verkündete Paulus in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit der Glaube der Hörer nicht auf menschlicher Weisheit, sondern auf Gottes Kraft beruht. „Denn das Reich Gottes besteht nicht in Worten, sondern in Kraft“ (1 Kor 2,4; 4,20).

Zeichen und Wunder, Visionen und Führungen, Engel und Himmelserfahrungen, dies und vieles mehr war für Paulus der ganz normale Ausdruck des Evangeliums. Für ihn entzog es sich menschlicher Handhabe oder Kontrolle und erwies sich als so mächtig und herrlich, dass er es „mit Furcht und Zittern“ verkündete. Er wusste, dass es in der Lage war, einen Menschen zu erschüttern, zu verwandeln und seine Welt komplett auf den Kopf zu stellen; er selbst hatte es erlebt.

Und wie steht es mit uns? Was von alledem haben wir erlebt und worin besteht das Evangelium heute für uns? Darin, dass uns die Sünden vergeben werden und wir in den Himmel kommen – wenn wir brav sind und zur Kirche gehen?

Wie hat sich uns das Mysterium der Weisheit und Herrlichkeit Gottes erschlossen – das Geheimnis, wie wir über das rein intellektuelle Erfassen der in Philipper 4,12-13 genannten Informationen hinaus in die Erfahrungder Kraft eintreten, „mit der wir alles vermögen“?

Offenbar hat die christliche Gemeinde den Weg der Einweihung in die Geheimnisse Gottes vergessen und beschäftigt sich mit anderen Dingen. Viele davon können wir im Neuen Testament erst gar nicht finden.

In diesem Buch über den anderen Weg gehen wir den göttlichen und menschlichen, himmlischen und irdischen Geheimnissen nach sowie der Frage, wie wir damit in Berührung kommen und was uns dazu befähigt, all das, wovon etwa Paulus spricht, selbst zu erleben und damit zu Zeugen des echten bzw. originalen Evangeliums zu werden, das in seinem Anfang so überaus wirkungsvoll war.

Hierzu werden wir einen weiteren Begriff erörtern, der heutzutage für viele Christen ebenso anrüchig und mittelalterlich klingt wie das Wort Mysterium. Hinter ihm verbergen sich Zugänge und Qualitäten, die uns fremd geworden sind und in der modernen Gemeinde kaum mehr eine Rolle spielen. Es handelt sich um den Begriff „Initiation“.

Initiation ist der authentische Weg ins Mysterium.

Der bekannte Religionswissenschaftler Mircea Eliade stellt fest, dass der Begriff der Initiation in den westlichen Gesellschaften unserer Tage praktisch nicht mehr vorhanden ist. Er spielte jedoch in den traditionsgebundenen Kulturen, die sich im Westen bis zum Mittelalter und in der übrigen Welt bis zum ersten Weltkrieg erhalten haben, eine ganz entscheidende Rolle. „Die Originalität des modernen Menschen, das Neue in Bezug auf die traditionsgebundenen Gesellschaften, besteht gerade darin, dass er sich einzig und allein als historisches Wesen betrachten will und in einem radikal entsakralisierten Kosmos zu leben wünscht.“2

Das gottlose Weltbild, welches sich gerne den Nimbus der Aufklärung, des Fortschritts und der Wissenschaftlichkeit gibt, lässt einen verirrten und verlorenen Menschen zurück, der keinen Zugang mehr findet zu einer verantwortlichen, integren Menschlichkeit, zu einer transzendenten Anbindung und spirituellen Verwirklichung, die über „Essen und Trinken“ (Konsum) bzw. „das Geschäft“ (Kommerz) hinausgeht und ihn motiviert, tugendhaft zu sein.

Der Mensch ist im Spiegel unserer aktuellen, versachlichten Weltanschauung nicht mehr eine göttliche Schöpfung, sondern eine evolutionäre Zufälligkeit und „Humanressource“. Er ist auch keinem Gott, keiner „höheren“ Berufung und Bestimmung gegenüber rechenschaftspflichtig, sondern selbstbezogen, also selber Gott. Welche Grotesken dabei herauskommen, ist augenfällig und bestürzend. Die Welt verfällt und kann nur noch mit Unmengen an nicht gedecktem Geld und ebensolchen Unmengen an Waffen zusammengehalten werden. Dabei feiert sie sich in blinder Hybris als Hort von Menschenrechten und Demokratie, während sie die Erde in atemberaubendem Ausmaß und Tempo ausbeutet und zerstört!

Ja, das Ende ist absehbar nahe herbeigekommen, und wir tun gut daran, uns auf die ewigen Prinzipien zu besinnen, die uns in echte Menschen verwandeln, wenn wir nur wirklich mit ihnen in Berührung kommen.

Nachdem ich nun bereits eine ganze Reihe von Büchern geschrieben habe, in denen es immer um die Frage nach dem echten Jesus, dem wahren Menschen und der authentischen Gemeinde geht, die Christus mit seinen Freunden bildet – in der Kraft des Heiligen Geistes –, fasst sich in dem vorliegenden Band vieles davon zusammen und es wird zum Ausgangspunkt einer neuen Ebene und Dynamik von geistlicher Entwicklung. Das ist das Anliegen von INITIATION. Denn wir gehen von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, und jede Herrlichkeit wird der Ausgangspunkt bzw. die Basis für eine weitere Stufe von Herrlichkeit. Aus diesem Grund finden sich manche Gedanken und Beispiele, Zitate und Visionen wieder, die bereits in anderen Büchern ihren Niederschlag fanden. Wiederholung kann in diesem Fall nicht schaden.

Ich versuche, viele Enden zu packen und Linien aufzugreifen, die im Einzelnen behandelt wurden, aber nun zusammengeflochten werden zu einem Strang bzw. zu einem Gewebe, das aus vielen Fäden einen Stoff bildet.

Der Kurs

Weil das Thema einerseits komplex und andererseits ungewohnt ist, habe ich zum Buch einen Begleit-KURS entwickelt, der die Kerninhalte jedes Kapitels aufgreift und für den „Schüler“ praktisch aufschließt. Fragen, Texte und inspirierende Beispiele unterstützen den Leser auf seinem persönlichen Initiations-Weg.

Wer das Buch einfach nur durchliest, wird am Ende von der Fülle der Impulse wahrscheinlich überfordert und sogar verwirrt sein. Ich empfehle darum, nach einem ersten Durchlesen wieder vorne anzufangen, den Kurs danebenzulegen und der Anleitung folgend mit Ruhe und Aufmerksamkeit, Offenheit und Gebet an jeden einzelnen Punkt heranzugehen und ihm die Zeit zu geben, die seine Entfaltung eben braucht.

Es ist wie mit Samenkörnern, die bewässert und kultiviert werden wollen, um aufzugehen und sowohl ihre wahre Gestalt als auch ihr wahres Potential zu zeigen. Es wird sich bei dieser Kultivierung, welche die Absicht des Kurses darstellt, sicher sowohl eine Fülle an persönlicher Offenbarung als auch eine ganz individuelle Führung durch den Heiligen Geist einstellen, die dem Weg der Verwandlung, den es zu gehen gilt, Licht und Klarheit geben. Ohne göttlichen Beistand ist der Weg der INITIATION und des MYSTERIUMS (Geheimnisses) meines Erachtens nicht zu finden, geschweige denn gangbar. Es ist der „andere Weg“, der in der kopflastigen Wissensgesellschaft der Gegenwart verloren gegangen ist und nun neu erschlossen wird.

Im Anhang des Buches werden weitere Informationen zu dem Kurs gegeben. Er ist Teil der „Schule auf der Schwelle“, die sich mit Fragen der Verwandlung, Erleuchtung, Erweckung und den Entwicklungsstufen befasst, durch die wir in alledem wachsen und gedeihen. Gerade die Frage nach den Übergängen ist häufig unklar und blockiert jeden Fortschritt.

So wünsche ich meinen Lesern wunderbare Erkenntnisse und Entdeckungen – eine Offenbarung des ANDEREN WEGES, den es neu zu erkunden gilt.

 

1 Das Wort Mysterium (von griechisch μυστήριονmysterion, ursprünglich für kultische Feiern mit einem geheim bleibenden Kern, volkstümlich auch abgeleitet von myo, den Mund schließen) wird gewöhnlich mit Geheimnis übersetzt. Gemeint ist ein Sachverhalt, welcher sich der eindeutigen Aussagbarkeit und Erklärbarkeit prinzipiell entzieht – nicht einfach eine nur schwer mittelbare oder zufällig verschwiegene Information …

Als Mysterienkult oder Mysterienreligion wird ein Kult oder eine Religion bezeichnet, deren religiöse Lehren und Riten vor Außenstehenden geheim gehalten werden. Die Aufnahme in eine solche Kultgemeinschaft erfolgt gewöhnlich durch spezielle Initiationsriten. Das Wort Mysterium geht auf das griechische μυστήριον (mysterion, Geheimnis) und dieses wiederum auf μύειν (myein, „schließen“), zurück. Für Nichtinitiierte war der Mysterienkult „geschlossen“. Die initiierten Mitglieder wurden Mysten genannt …

Der griechische Gebrauch von mysterion für geheime Lehren findet auch Eingang in Texte des hellenistischen Judentums. Dass die Wege Gottes menschliches Verstehen übersteigen, wird des Öfteren in alttestamentlichen Texten ausgesagt. Eine spezifische Vorstellung von Geheimnissen, welche das Ende der Tage betreffen und die erst im Traum geoffenbart werden, findet sich im Buch Daniel …

Im Neuen Testament wird das Wort mysterion praktisch durchweg für sonst nicht zugängliche Offenbarung verwendet, besonders im Zusammenhang der Christologie, bei Paulus und im Epheserbrief vor allem bezogen auf den errettenden Kreuzestod Jesu Christi, daneben auch bezogen auf prophetische Überlieferung. Im synoptischen Corpus erscheint der Begriff nur einmal, mit Bezug auf das Gottesreich, welches Nichtchristen unverständlich bleibe. Im 1. Brief an Timotheus wird bereits von einem „Geheimnis des Glaubens“ gesprochen.

Christliche Theologen aus Alexandrien knüpfen an die Terminologie der Mysterienreligionen an und bezeichnen auch Inhalte christlichen Glaubens als Mysterien; ansonsten wird vor allem das Christusgeschehen so bezeichnet … Martin Luther wählte als Übersetzung des biblischen Begriffs μυστήριον das deutsche Wort „Geheimnis“ …

Der Theologe und Religionswissenschaftler Rudolf Otto führte in seinem 1917 erschienenen Hauptwerk Das Heilige die komplementären Begriffe Mysterium fascinosum (die Erfahrung religiösen Entzückens) und Mysterium tremendum (das Göttliche als Ursache und Gegenstand ehrfürchtigen Erschauerns) ein, um die – seiner Auffassung nach – grundlegenden Ausprägungen der Erfahrungen von Menschen mit dem Heiligen zu charakterisieren … (Wikipedia, 27.04.2021)

2 M. Eliade, „Das Mysterium der Wiedergeburt“, Insel-Verlag Frankfurt a. M. 1988, Einleitung.

1 Identitäten

Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht,ein königliches Priestertum,eine heilige Nation,ein Volk zum Besitztum,damit ihr die Tugenden dessen verkündigt,der euch aus der Finsternis berufen hatzu seinem wunderbaren Licht.

1. Petrus 2,9

In solche Identitäten, von denen in 1. Petrus 2,9 gesprochen wird, stolpert man nicht einfach dadurch hinein, dass man sich einmal „bekehrt“ hat und nun ab und zu einen Gottesdienst und die Bibelstunde besucht. Aber nicht einmal die aktive Gemeindemitarbeit oder gar der Besuch einer Bibelschule garantieren, dass wir hinterher „königliche Priester“ sind und in der Lage dazu, „die Tugenden Gottes“ zu verkünden, weil wir in sein „wunderbares Licht“ eingetreten sind und dort verwandelt wurden in andere Menschen (eine „heilige Nation“).

Wir setzen heute gemäß unserer Kultur ganz auf Wissen und bilden Gemeinden und ihre Leiter entsprechend kopflastig aus. Sie brauchen keine „Erleuchtung“ bzw. kein „wunderbares Licht“ mehr, keine heilige Erfahrung, sondern gute Noten in Homiletik, Kirchengeschichte und Exegese.

Kaum mehr wird nach Begriffen wie Identität und die dafür notwendige Initiation gefragt. Wir haben in der Folge heute jede Menge Leiter und Mitarbeiter in den Gemeinden, die selber nie in die Dimension des Heiligen, des Königlichen oder der Erwählung eingetreten sind – sie wissen nur etwas darüber, jedoch sind sie es nicht geworden.

Das ist der feine, aber alles entscheidende Unterschied:Wissen oder Werden.

Um Menschen zu informieren, brauchen wir informierte Leiter, um sie zu initiieren, brauchen wir initiierte Leiter. Um uns mehr Wissen etwa über das „königliche Priestertum“ anzueignen, reicht ein Studium vielleicht aus, aber nicht, um königliche Priester zu werden. Dafür braucht es eine Initiation. Diese geschieht jedoch nicht im Klassenzimmer, sondern ereignet sich „draußen in der Wüste und in den Bergen“ … in der Einsamkeit und Wildnis. In der Wirklichkeit. Die Schrift ist voller Beispiele dafür, wie Gott seine Leute eben dorthin führte, um ihnen zu begegnen, um sie mit sich selbst zu konfrontieren und durch einschneidende, existentielle und heilige Erlebnisse grundlegend zu verändern.

Die großen Veränderungen, nach denen viele Menschen sich so sehr sehnen, geschehen in aller Regel nicht in den gediegenen Wänden einer Gemeinde oder theologischen Ausbildungsstätte, sondern an abgelegenen Orten, wo sie ohne Ablenkung sind und genügend Abstand zum Alltagsgeschäft haben, um zur Besinnung zu kommen und eine direkte Erfahrung mit dem zu machen, der sie „aus der Finsternis ins Licht“ ruft.

Es scheint fast so, als wäre proportional zum angestiegenen theologischen Wissen die Qualität der Identität der Ecclesia (wörtl.: die „Herausgerufene“) in ihren Berufungen und Be­stim­mungen von Gott her rückläufig.

Sind unsere Verantwortlichen selbst nicht den Weg der Initiation gegangen, sind sie entsprechend auch nicht in der Lage dazu, uns „in die Wüste“ oder „auf den heiligen Berg“ zu führen. Oder sie können nicht erkennen, wann der Heilige Geist einen jeden von uns ruft, aufzubrechen und den Weg der Verwandlung und geistlichen Reife zu gehen.

Natürlich kann man Ämter und Titel nach zweckrationalen Kriterien vergeben, aber das heißt noch lange nicht, dass auch drin ist, was draufsteht. Heute werden Ämter und Titel vorrangig funktional gesehen und entsprechend besetzt. Es geht allenthalben ums TUN und nicht ums SEIN. Wir sind aufgabenorientiert und nicht reifeorientiert. Aber Aufgaben erledigen ist etwas ganz anderes als Jünger sein und den heiligen Weg gehen.

Der bekannte Franziskaner Richard Rohr, der sich Jahrzehnte lang mit der Frage nach einer modernen Form von Initiation für Männer befasste und großartige Bücher darüber geschrieben hat, sagt in einem seiner Werke:

Motiviert zu meiner Arbeit hat mich immer wieder die Traurigkeit und Enttäuschung darüber, dass so viele Männer, die ich kennengelernt habe, kein inneres Leben zu haben scheinen – und das gilt auch für Pfarrer, Ordensleute und engagierte Laien, für hochrangige, erfolgreiche Führungspersönlichkeiten, von denen man eigentlich anderes erwartet. Sie sind daran nicht selbst schuld, wenn es überhaupt um Schuld geht. Niemand hat ihnen je etwas anderes geboten als das billige „Linsengericht“ Jakobs. Wir sind Nachkommen Esaus, wir haben unser Erstgeburtsrecht gegen Fast-Food-Religion eingetauscht (1 Mose 25,29-34). Und diese kann weder das Selbst noch die Welt in ihrer Tiefe fassbar machen.1

Herzensdimensionen

Gnade euch und Friede von dem, der ist und der war und der kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, der der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde! Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen (Offb 1,4-6).

Nichts was hier steht, kann man aus Büchern lernen oder in einer Bibelstunde abhandeln. Das sind große Dimensionen, die sich unserem analytischen Verstand entziehen und ihn übersteigen. Sie muss man erleben, um sie zu kennen. Und um sie erleben zu können, muss man dafür bereit gemacht, gereinigt und gestärkt und in eine angemessene Haltung gebracht werden. Man muss einem Ruf folgen, aufbrechen, Hindernisse überwinden, einen Weg gehen … Das alles sind klassische Aspekte von Initiation.

Wikipedia definiert den Begriff Initiation folgendermaßen:

Initiation bezeichnet die Einführung eines Außenstehenden (eines Anwärters) in eine Gemeinschaft oder seinen Aufstieg in einen anderen persönlichen Seinszustand, beispielsweise vom Kind zum Erwachsenen, von der Novizin zur Nonne oder vom Laien zum Schamanen.

Die Überführung in einen anderen „Seinszustand“, darum geht es also. Das ist natürlich etwas ganz anderes als die Aneignung von mehr Wissen und abstrakter Theologie. Es geht um eine Einführung in das Ewige und das Heilige, wodurch man fraglos zuerst verwandelt und dann in Dienst gestellt wird, wenn man sich darauf einlässt.

Im Allgemeinen versteht man unter Initiation eine Gesamtheit von Riten und mündlichen Unterweisungen, die die grundlegende Änderung des religiösen und gesellschaftlichen Status des Einzuweihenden zum Ziel haben. Philosophisch gesagt, entspricht die Initiation einer ontologischen (wesensmäßigen, grundlegenden) Veränderung der existentiellen Ordnung. Am Ende seiner Prüfungen erfreut sich der Neophyt (der Initiand) einer ganz anderen Seinsweise als vor der Initiation: Er ist ein anderer geworden.2

In das göttliche Königtum und die ewige Priesterschaft muss man eingeweiht werden, sonst ist das alles nur graue Theorie, die im Alltag keinen Niederschlag findet. Alle genannten Begriffe: bereitgemacht werden, überwinden, sich einlassen, Einweihung … das alles sind Dimensionen und weitere typische Aspekte von Initiation.

In früheren Zeiten war es allgemein üblich, dass ein junger Mann Mentoren hatte; er wurde zur Ausbildung zu Meistern seines Fachs geschickt, bei denen er ganz praktisch in deren Kunstfertigkeiten unterwiesen wurde. Aber mehr noch, lebte er eine Zeit lang mit ihnen zusammen. Er studierte dabei ihr ganzes Sein und besuchte nicht nur ihren Unterricht in Werkkunde. Bis in die Neuzeit hinein war das Ausbildungs-Modell von Jesus allgemein verbreitet: Der Meister und die Schüler, die sich um ihn scharten. Die Schüler wurden dabei vom Meister nicht nur informiert, sondern initiiert. Sie nahmen Teil an seinem Leben und Dienst, seiner Sicht und Handhabung der Dinge, seiner Reife und seinem Geist. Nicht ein Lehrpensum und das Absolvieren von Prüfungen entschieden darüber, ob ein Schüler so weit war, als tauglich und bewährt eingestuft zu werden, fähig, auch andere zu unterweisen, sondern der Meister beurteilte die Qualität und Reife des Schülers. Dabei umfasste die Beurteilung den ganzen Menschen und nicht nur ein Fach.

Denn der Mensch sieht auf das, was vor Augen ist, aber der Herr sieht auf das Herz (1 Sam 16,7).

Gott prüft das HERZ des Menschen, er schaut hinter die Fassade und in die Tiefe, wo wir die sind, die wir wirklich sind – und wovon wir häufig herzlich wenig wissen. „Herzensbildung“ (Stichwort: „emotionale Intelligenz“) ist heute kein Fach in der Schule, entsprechend haben wir kluge Köpfe mit verkümmerten Herzen.

Das Ziel initiatischer Bildung ist es, einen Menschen an sein tiefes Inneres heranzuführen, ihm einen Spiegel vorzuhalten und zu Selbsterkenntnis und Selbstreflektion zu befähigen. Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis gehen Hand in Hand und sind vorwiegend eine Herzensangelegenheit. Dabei spricht das Herz seine eigene Sprache, die nicht dem Intellekt entspricht und darum auch nicht allein mittels Lehrbuch und Seminar vermittelt werden kann.

Das Herz eines Menschen zu erkennen, seine einmalige Art, wie es wahrnimmt, empfindet und die Dinge betrachtet, das ist eine Aufgabe, der unsere verkopften Schulen nicht gerecht werden können; dafür braucht es eine ganz andere Qualität von Lehrern, die natürlich selbst durch Prozesse der Herzensbildung gegangen und darin gereift sein müssen, um nun anderen damit zu dienen. Es braucht „Väter“.

Seelsorge

In dieser Hinsicht hat die Bedeutung der Seelsorge in den Gemeinden zugenommen. Der Begriff der Seelsorge ist in den letzten Jahren immer breiter und ganzheitlicher formuliert worden, und zahllose neue Bücher sind erschienen. Jede Seele braucht Sorge, jeder Mensch einen Raum, in dem er sein kann, und ein Gegenüber, welches ihm Zeit und Gelegenheit gibt, sein Herz auszuschütten und über seine tieferen Beweggründe zu reflektieren und sich selbst auf die Schliche zu kommen. Wir sind der Überzeugung, dass es heute gerade die Seelsorge oder Supervision ist, wo eine Menge initiatischer Elemente zum Tragen kommen, auch wenn das dort vielleicht anders genannt wird.

Dennoch hält Karlfried Graf Dürckheim treffend fest:

Mit dem Wort „initiatisch“ ist eine Dimension des menschlichen Seins angesprochen, die sich sowohl von dem unterscheidet, was man gewöhnlich unter „Religion“ versteht, wie auch von aller „Therapie.“Das Initiatische betrifft eine Dimension menschlichen Seins, die zu einer bestimmten Stufe des Menschseins gehört. Das Wesen dieser Stufe besteht darin, dass dem Menschen auf ihr zum Bewusstsein kommt, dass die eigentliche Wirklichkeit, sowohl seiner selbst wie seiner Welt, nicht die ist, die das natürliche Ich als solche begreift. Das natürliche Ich versteht darunter die Realität, die ihm als eine raumzeitlich bestimmte Wirklichkeit sinnenhaft begegnet und seinem rationalen Bewusstsein mehr oder weniger zur Erkenntnis und Meisterung zugänglich ist, und als „objektive“ Wirklichkeit seinen „subjektiven“, von Trieben und Gefühlen bestimmten „inneren“ Zuständen gegenständlich gegenübersteht. Auf der zum initiatischen Weg befähigten Stufe erkennt der Mensch, dass diese Weltsicht nur einen Aspekt … einer anderen, eigentlichen, überweltlichen Wirklichkeit darstellt …Es gibt das Erlebnis einer Wirklichkeit, die das natürliche Ich und sein Begriffsvermögen überschreitet, ja, sogar paradox zu ihm steht. Diese Erfahrung nimmt die in ihr aufgehende übernatürliche Wirklichkeit aus dem Bereich bloßen Glaubens heraus und fügt sie dem Wissen des Menschen hinzu … Der Mensch einer bestimmten Stufe hat nicht nur gelegentlich solche Erlebnisse, sondern fühlt sich in ihnen beheimatet und der in ihnen aufgehenden Wirklichkeit verpflichtet.3

Erwachsenwerden

Das Wort „Initiation“ kommt uns heute so weit weg, mythisch und mystisch vor, weil wir diese Art des Lehrens und Lernens weit hinter uns gelassen haben. Wir beschränken die Wirklichkeit doch weitgehend auf die „raumzeitlich bestimmte Wirklichkeit“, wie Dürckheim sagt, der wir einen objektiven Gehalt beimessen. Heute muss ein Mensch nur gut auswendig lernen, um sich Fachwissen anzueignen und die entsprechenden Examen zu bestehen. Dann bekommt er einen Titel. Ob er wirklich „ein Händchen“ für die Sache hat, ob er einer Berufung folgt und Reife gewonnen hat, die ihn zu einem Meister machen, das interessiert gemeinhin nicht. Clinton Calahan sagt:

Ein initiatorischer Prozess ist der Aktivierungsprozess, der eine Person in die authentische Weisheit von Verantwortung und Konsequenz bringt … Die moderne Kultur erklärt, dass wir automatisch mit 18 oder 21 Jahren erwachsen sind. Doch das ist nicht der Fall. Unser Irrtum ergibt sich aus unserem mangelnden Verständnis darüber, was einen Erwachsenen ausmacht.4

Menschen generell mit 18 Jahren als „mündig“ zu bezeichnen, lässt einen vermuten, dass dahinter eine Art maschinelles und industrielles Denken steckt, welches Menschen gleichschaltet und nach Kriterien für „erwachsen“ erklärt, die gar nichts mit ihrem Menschsein zu tun haben können, denn dieses ist individuell.

Das Problem der Unklarheit, was Erwachsensein, Reife und Mündigkeit eigentlich bedeuten und wie wir sie definieren wollen, ist im Bereich der Spiritualität noch viel größer bzw. diffuser als auf der weltlichen Ebene. Um heute ein Pastor bzw. Gemeindeleiter zu sein, muss einer nicht einmal bekehrt, geschweige denn wiedergeboren sein. Er kann den „Job“ nach den Vorgaben der theologischen Fakultät studieren und dann nach den Anforderungen seiner jeweiligen kirchlichen Institution ausführen, die ihm aufgrund bestandener Prüfungen den Titel „Pastor“ o. Ä. verleiht. Was seine menschliche und geistliche Reife betrifft, so ist das „Privatsache“. Er muss nur nach Vorgabe funktionieren und alle sind zufrieden. Heute gibt es entsprechend immer weniger Berufe und immer mehr Jobs. Selbst Geistliche sehen ihre Arbeit inzwischen zusehend als „Job“ an, d. h. sie definieren ihre Arbeit funktional.

Ursprünglich geht es in der Religion um die „Rückverbindung zum Heiligen, Transzendenten und Absoluten“ (Wikipedia). Ohne eine solche Verbindung, also ohne eine spirituelle Anbindung, ist Religion nur ein frommes Regelwerk, eine Ideologie oder Tradition. Was damit gemacht werden kann, ist uns aus der Religionsgeschichte hinreichend bekannt. Predigt ein nicht initiierter Mensch – also einer, der „das Heilige“ nicht selbst gesehen und erfahren hat, den Weg der Hingabe daran (der Heiligung) nicht gegangen ist und die Hand des Herrn nicht berufend und bestimmend auf sich gespürt hat – über eine Bibelstelle wie Offenbarung 1,4-6 im Gottesdienst, dann ist das hohl und schal. Theologisch gesehen vielleicht korrekt, aber langweilig und nichtssagend, obwohl es dabei um die größten und heiligsten Dinge geht.

Meiner Meinung nach müsste man ganze Bibelschulklassen und nachträglich so manchen christlichen Leiter in die Wüste, auf eine einsame Insel oder in die Berge schicken. Vierzig Tage lang Einsamkeit und Schweigen, Fasten und Gebet würden ihre Wirkung sicherlich nicht verfehlen! Immerhin hat der geistliche Dienst auf diese Weise bei Jesus begonnen! Der Geist trieb ihn für 40 Tage in die Wüste und er kam verwandelt zurück (vgl. Lukas 4). Dies sind die Orte, an denen klassischerweise Initiation geschieht, Gemeindesaal und Kanzel sind dafür ungeeignet. Leider kommt so etwas in der pastoralen Ausbildung von heute nicht vor, wie so vieles Wesentliche.

In den archaischen Gesellschaften zogen sich die Initiationsriten, deren Ziel es war, Jungen zu Männern zu machen, oft über viele Monate hin. Die Initianden zogen aus ihrem Dorf hinaus in die Wildnis und die Absonderung, in der sie in die „Heilige Geschichte“ eingeweiht wurden, die ihre Kultur und Welt begründete, der entsprechend zu leben sie von den Ältesten gerufen und verpflichtet wurden.

Große Freude

Das Ziel einer Initiation ist nicht die Sammlung von Informationen über Themen, sondern die Berührung damit. Wenn ein Mensch von der „Gnade und dem Frieden“ Gottes berührt, ja sogar davon ergriffen wird, dann kann er den Weg weitergehen bis vor den Thron, wo sich neben Jesus Christus auch jene „sieben Geister“ Gottes befinden (Offb 1,4-6). Macht er dann Erfahrungen mit diesem Thron und dem vielfältigen Geist, wird er seiner Qualitäten teilhaftig: sowohl der Gnade als auch des Friedens, des Königtums ebenso wie des Priestertums.

Sind wir in diese Dimensionen eingetreten – und sie in uns –vermögen wir etwas von der ewigen „Herrlichkeit und Macht“ dessen zu berichten, der dort auf dem Thron sitzt – in einer angemessenen Art und Weise, nämlich in einer königlichen und priesterlichen Haltung. Und es handelt sich dann nicht mehr nur um abstraktes Wissen, das wir weitergeben, sondern um ein Zeugnis. Wir sprechen von dem, was wir „gesehen und gehört“ haben, was wir geschmeckt und erfahren haben, was uns ergriffen und verwandelt hat – und das in der Kraft des Geistes und „nicht mit Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, sondern mit Worten, gelehrt durch den Geist“ (1 Kor 2,13). Wir sind von Theoretikern und „Besuchern“ des Thrones der Gnade zu einem Teil dieses Thrones geworden. Wir sind damit identifiziert, also existentiell verbunden und gehören jetzt dazu. Es ist unser Leben. Wir sind seine Boten. Und das wissen wir nicht nur im Kopf, sondern mit jeder Faser unseres Seins.

Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir angeschaut und unsere Hände berührt haben vom Wort des Lebens … was wir gesehen und gehört haben, verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und zwar ist unsere Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus (1 Joh 1,1-3).

Hier wird die Identifikation „Gemeinschaft“ genannt. Das heißt, die Erfahrung und Bezeugung des „Anfangs“, der den Aposteln offenbart worden ist – „Das Leben ist geoffenbart worden, und wir haben gesehen und bezeugen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns geoffenbart worden ist“ (1 Joh 1,2) –, führt nicht nur zu einer theologischen Kenntnis der Schöpfung der Welt (durch den Vater) und der Erlösung (durch Jesus Christus), sondern zu einer Gemeinschaft mit ihnen im Heiligen Geist. Das Ergebnis dieser Gemeinschaft ist Freude. „Dies schreiben wir euch, damit unsere (bzw. eure) Freude vollkommen sei“ (1 Joh 1,4).

Auch Jesus sprach im Johannesevangelium von der „völligen Freude“ (vgl. Joh 15,11). Diese Art von Freude folgt den genannten Stadien der Initiation: von der Offenbarung des Anfangs, über die Offenbarung des Wortes (und Weges) des Lebens, bis hin zur Identifikation damit und zur Realisierung der der Gemeinschaft mit dem Vater der Schöpfung und dem Sohn Jesus, dem Christus.

Zwar können uns diejenigen, die diesen Weg gegangen sind und in die heilige Freude eingetreten sind, verkündigen und bezeugen, dass es das alles wirklich gibt und auch uns zugänglich ist, aber gehen müssen wir den Weg selbst, und die Offenbarungen der geistlichen Realitäten müssen wir auf diesem Wege selbst empfangen. Wir können sie nicht einfach nur von anderen übernehmen, wie diese sie erfahren haben, sonst kommen wir nicht in die Identifikation bzw. Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn hinein, welche „völlige Freude“ bedeutet.

Freude ist für uns eine mächtige Motivation, denn wer will nicht in ihre Fülle eintreten? Auch von Jesus heißt es, dass er „um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes“ (Hebr 12,2). Was motiviert uns so stark, dass wir den Spott derjenigen ertragen, die unser Christsein belächeln, und unser Kreuz auf uns nehmen, um Jesus zu folgen, bis auch wir mit ihm zur Rechten des Thrones Gottes sitzen? Ist es religiöse Ermahnung oder ist es Freude?

Ein wesentliches Ziel von Initiationist das Erlangen von Identitätdurch Identifikation.

Das Ziel aller Erziehung überhaupt sollte über das Vermitteln von Wissen und Fertigkeiten hinaus das Erlangen von Identität sein. Wissen ist nicht Identität. Menschen können sehr gut gebildet sein und dennoch keine Ahnung darüber haben, wer sie eigentlich sind, geschweige denn, wozu der Himmel sie berufen hat und wie man Gemeinschaft mit ihm hat. Sie mögen mit ihrem Wissen gut ihren „Job“ erledigen können, dabei aber komplett am Sinn ihres Lebens vorbeigehen. Eine Tragödie!

Heute mangelt es der Kirche eklatant an Vorbildern und Ältesten, die den heiligen Weg gegangen und in die völlige Freude der wirklichen Gemeinschaft mit Gott eingetreten sind. Wir schauen uns in der Gemeinde um und können von der „großen Freude“ nur wenig finden, und das dann häufig auch noch in einer eher aufgesetzten Art und Weise und nicht in Wahrheit. Schauen wir hinter die frommen Kulissen, finden wir mitten in der Gemeinde, ganz im Gegenteil zur Freude, ein hohes Maß an Stress und Depression, an schwelenden Konflikten und chronischen Frustrationen. Natürlich kann das in einem Gottesdienstbesuch für ein bis zwei Stunden problemlos überspielt werden und bleibt verborgen. Aber was für ein Christsein soll das sein? Kein Wunder, dass viele Gemeinden sich leeren und sogar schließen. Jedoch verstehen viele, selbst engagierte Christen, nicht, warum das so ist. Sie predigen den Leuten zwar die Freude, aber hinein bringen sie sie nicht.

Gegen Ende seines Lebens sagte C.G. Jung einmal, er habe keinen einzigen Patienten gehabt, der in der zweiten Lebenshälfte stand und dessen Problem nicht durch den Kontakt zu etwas gelöst werden konnte, was er „das Numinose“ nannte und was wir „Gott“ nennen würden. Eine erstaunliche Aussage eines Mannes, der die institutionelle Religion nicht eben liebte.Ich bin davon überzeugt, dass wir den Zugang zu unserem wahren Sein nur durch Gott finden können. Nur wenn wir in Gott ruhen, finden wir die Gewissheit, die innere Weite und die aufregende Freiheit, zu sein, wer wir sind – alles was wir sind …Nur wenn wir durch Gott leben und durch seine Augen sehen, findet alles seinen Platz. Alle anderen Systeme müssen ausschließen, abschieben, bestrafen und beschützen, um ihre Identität in ideologischer Vollkommenheit oder irgendeiner Art von „Reinheit“ zu finden. Das verunreinigende Element muss immer aufgespürt und beseitigt werden. Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen Zeit und Kraft kostet, hält es uns vor allem von der einzig wichtigen Aufgabe ab: zu lieben und die Einheit zu suchen.Die chassidischen Meister lehrten ihre Schüler: Harke den Mist hierhin, harke den Mist dahin – es bleibt Mist. Du grübelst darüber herum, dabei könntest du Perle an Perle reihen zur Freude des Himmels!“5

Waisenkinder und Waisentheologie

Da Gottes Handeln an uns initiatischer bzw. initiatorischer Natur ist, weil er ein Vater ist, wir aber in einer Zeit leben, in der Menschen nicht mehr initiiert werden und aufgrund dessen häufig nicht erwachsen werden, kann es gut sein, dass wir Gott einfach nicht verstehen. Er spricht eine andere Sprache als wir, und wir haben keine Zeit, sie zu lernen. Sein Umgang mit uns ist uns rätselhaft, wir sind zu „irdisch gesinnt“. Wir verhalten uns wie Waisenkinder, die sich ständig selbst erfinden müssen, da sie keine väterliche Bezugsperson haben, die in der Lage ist, sie zu initiieren, weil sie viel tiefer blickt und weit mehr in uns sieht als wir selber.

Gott betrachtet uns ganz anders als wir selbst uns erkennen. Er rührt etwas in uns an, von dem wir gar nicht wussten, dass es da ist.

Um uns seine Sicht und seine Berührung mitzuteilen, muss er uns jedoch erst einmal in die Position bringen, in der das möglich ist, und in den Zustand versetzen, in dem wir dazu in der Lage sind, eine göttliche Schau und Berührung zu empfangen. Viele meinen, Gott könne ihnen doch „einfach mal“ sagen oder zeigen, was immer er ihnen sagen oder zeigen will, aber dem ist beileibe nicht so.

Wir erwarten von Gott Segen, wie wir uns Segen vorstellen, und nicht, wie Segen tatsächlich aussieht. An unendlich vielen Gebetserhörungen gehen wir vorbei, weil wir uns die Antwort ganz anders vorstellen, als sie uns zukommt.

Ein Priester saß an seinem Schreibtisch am Fenster und bereitete seine Predigt über die Vorsehung vor, als er plötzlich eine Explosion zu hören glaubte. Bald sah er auch Menschen in Panik hin und her laufen und erfuhr, dass ein Damm gebrochen war, der Fluss Hochwasser führte und die Bevölkerung evakuiert wurde.Der Priester sah, wie das Wasser auf der Straße stieg. Es fiel ihm schwer, die aufsteigende Panik zu unterdrücken, aber er sagte sich: „Ausgerechnet jetzt arbeite ich an einer Predigt über die Vorsehung, da erhalte ich die Gelegenheit, zu praktizieren, was ich predige. Ich werde nicht fliehen. Ich werde hierbleiben und auf Gottes Vorsehung, mich zu retten, vertrauen.“Als das Wasser bis zu seinem Fenster stand, fuhr ein Boot vorbei und die Menschen darin riefen ihm zu: „Steigen Sie ein, Herr Pfarrer!“„O nein, Kinder“, sagte der Priester zuversichtlich, „ich vertraue auf die Vorsehung. Gott wird mich retten.“Er kletterte jedoch auf das Dach, und als das Wasser auch bis dorthin stieg, kam ein weiteres Boot voller Menschen vorbei, und sie drängten den Pfarrer, einzusteigen. Wiederum lehnte er ab.Dieses Mal stieg er bis in die Glockenstube. Als ihm das Wasser bis zu den Knien reichte, schickte man einen Polizeioffizier mit einem Motorboot, um ihn zu retten. „Nein danke, Herr Offizier“, sagte der Priester ruhig lächelnd. „Sehen Sie, ich vertraue auf Gott. Er wird mich nicht im Stich lassen.“Als der Pfarrer ertrunken und zum Himmel aufgestiegen war, beklagte er sich sofort bei Gott. „Ich habe dir vertraut! Warum tatest du nichts, um mich zu retten?“„Nun ja“, erwiderte Gott, „immerhin habe ich drei Boote geschickt.“6

Diese Geschichte bringt es auf den Punkt. Nach dem Tod des Priesters war die ganze Gemeinde wahrscheinlich voller Bestürzung darüber, dass Gott diese Tragödie zugelassen hatte. Sie sagten wohl genau dasselbe wie der Pfarrer: „Wir haben Gott vertraut! Warum hat er nichts getan, um ihn zu retten?“ Sicher fielen Zweifel und Verunsicherung in ihre Herzen und lähmten ihren Glauben, denn wenn so etwas einem „Mann Gottes“ passierte, wo blieben dann sie?

Diese vertrackte Situation findet sich auf allen Ebenen: Wir erbitten Gaben, wie wir uns Gaben vorstellen und nicht wie der Geist sie tatsächlich wirkt und wofür Gott sie bestimmt. Wir hören sein Wort nicht so, wie er es uns sagt, sondern so, wie unsere religiös gewaschenen Ohren es hören können und wie es „schon immer“ ausgelegt wurde.

Wie werden wir diese Diskrepanz überwinden? Gott möchte uns von kindischen und religiös klischeehaften Vorstellungen zu reifen und realistischen Vorstellungen bringen, die „höher als die Erde sind“ (Jes 55,8-9). Denn die Welt ist nicht so realistisch, wie sie vorgibt zu sein, sondern vielmehr trügerisch und illusionär. Um sie mit anderen Augen zu sehen, als wir gewohnt sind, ruft Gott uns auf seinen heiligen Berg, wo uns die Geschäfte der Welt unten im Tal einmal nicht bestimmen und die Dinge des Himmels oben auf dem Berg einmal allein wichtig sind und uns initiieren können. Wo es dann nicht mehr die Welt ist, die uns definiert, sondern der Himmel. Dann werden wir verwandelt bzw. von Neuem geboren.

 

1 R. Rohr, „Endlich Mann werden – Die Wiederentdeckung der Initiation“, Claudius Verlag München 2005, S. 11-12

2 M. Eliade s. o., S. 11.

3 Dürckheim, „Überweltliches Leben in der Welt – der Sinn der Mündigkeit“, Verlag O.W. Barth, Weilheim/Obb. 1972, S. 70-71.

4 Quelle: www.ncrtc.eu; aus dem Artikel: „Das haben wir scheinbar vergessen“.

5 R. Rohr, „Wer loslässt, wird gehalten“, Claudius-Verlag München 2001, S. 23-24.

6 A de Mello, „Das Anthony de Mello Lesebuch“, Herder 2013, S. 130 f.

2 Auf dem Berg

Groß ist der HERR und sehr zu lobenin der Stadt unseres Gottes.Sein heiliger Berg ragt schön empor,eine Freude der ganzen Erde;der Berg Zion, im äußersten Norden,die Stadt des großen Königs.

Psalm 48,2-3

Der Berg Gottes ist ein großes Thema, welches sich von Anfang bis Ende durch die ganze Heilige Schrift zieht. Auch in den Mythologien aller Völker finden wir die Vorstellung, dass die Götter in den Bergen wohnen. Denken wir nur an den Olymp als Sitz der griechischen Götter oder den Kailash im Himalaya, den heiligen Berg der Tibeter, der von den Hindus und Buddhisten verehrt wird und die in ihm den sagenhaften Berg Meru sehen, den Göttersitz im Mittelpunkt des Universums, um den alles kreist. Dann gibt es den Klosterberg Athos