Inklusion ressourcenorientiert umsetzen - Saskia Erbring - E-Book

Inklusion ressourcenorientiert umsetzen E-Book

Saskia Erbring

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Beschreibung

Wie kann gemeinsames Lernen von behinderten und nicht behinderten Kindern gelingen? Wie lassen sich Inklusionskonzepte sinnvoll umsetzen? Saskia Erbring, Lehrerin und Supervisorin, berät Schulen bei inklusiven Schulentwicklungsprozessen. In ihrem "Spickzettel für Lehrer" beschreibt sie anhand eines Prozessmodells, welche Schritte hilfreich sind und welche keinesfalls ausgelassen werden sollten. Die Autorin geht ausführlich auf Befürchtungen, Ärger und Bedenken ein und zeigt Auswege aus emotional aufgeladenen Situationen. Ein Kapitel illustriert mit praktischen Beispielen die Planung und Durchführung von Lehrerfortbildungen. Erbring versteht ihr Buch als eine Art "Reflexions-Zettel": Sie stellt Gegenfragen, bezieht ständig neue Perspektiven ein und bietet Raum für eigene Ideen. Auf diese Weise entsteht vor den Augen des Lesers ein maßstabsgetreuer Führer durch den Inklusionsprozess an Schulen.

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SPICKZETTEL FÜR LEHRER

Saskia Erbring

Inklusionressourcenorientiertumsetzen

Zweite, überarb. Auflage, 2023

Reihe »Spickzettel für Lehrer«, Band 5

hrsg. von Christa Hubrig und Peter Herrmann

Reihengestaltung: Uwe Göbel und Jan Riemer

Satz: Heinrich Eiermann

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Zweite, überarb. Auflage, 2023

ISBN 978-3-8497-0468-1

eISBN 978-3-8497-8419-5

© 2014, 2023 Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Spickzettel für Lehrer – systemisch Schule machen

»Hast du einen Spickzettel?« Diese Frage kennen wir noch aus der Schulzeit, aus der Schülerperspektive, wenn es darum ging, sich auf Prüfungen und Klassenarbeiten vorzubereiten. Wechseln wir die Rolle und Perspektive und stellen uns auf die andere Seite des Klassenzimmers, auf der die »Wissenden«, d. h. die Lehrer, stehen. Schnell wird deutlich: Bei aller Erfahrung gibt es doch erhebliche »Wissenslücken« im Umgang mit schwierigen Situationen, ob sie nun das Lernen selbst, die Schule als Organisation oder die Beziehungen und das Verhalten der Beteiligten betreffen.

Systemisch orientierte Pädagogen können sich hier ruhig und entspannt zurücklehnen, wohl wissend, dass sie selbst »Fragende« sind – Fragende bezüglich passender Antworten auf die sich stets wandelnden und neu entstehenden Konfliktfelder in der Organisation Schule, zwischen Schülern und Lehrern, zwischen Schule und Eltern und auch mit dem politischen Umfeld von Schule.

Aus systemischer Sicht sind Schwierigkeiten immer mit Lernchancen verbunden. Wo der Blick vom Problem auf die Lösung wechselt, wo man statt hinderlichen Defiziten hilfreiche Ressourcen ins Auge fasst, kommt auch die Haltung in Bewegung. Ein gut platzierter Unterschied zieht dann oft viele positive Änderungen nach sich.

Die Bücher dieser Reihe wollen Einladungen sein, sich auf diese andere Sichtweise einzulassen. Sie sollen Lehrern, Erziehern und Schulleitern Methoden und Strategien zum täglichen Handeln anbieten, die Ihnen die Arbeit – und im besten Fall: das Leben – leichter machen. Sie sind auch Rezepte, die man ausprobieren und mit eigenen Zutaten verfeinern kann.

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen, Erfahren und Ausprobieren!

Die Herausgeber

Christa Hubrig & Peter Herrmann

Inhalt

Einleitung

1Inklusion: Systemische Kommentare zur aktuellen Praxis

1.1»Wir haben eine Inklusionsklasse, das läuft ganz gut«

1.1.1Die Behinderung liegt im Auge des Betrachters

1.2»Die Schulpolitik verkauft uns ihre Sparmaßnahmen mit der Überschrift Inklusion«

1.2.1Schulentwicklung verantwortlich mitgestalten

1.3»Oh nein, jetzt soll ich noch mehr dieser Problemschüler:innen unterrichten!«

1.3.1Ein »inneres Team« zur Inklusion

1.3.2Perspektive wechseln

1.4»Inklusion macht uns Lehrkräfte krank«

1.4.1Wie Inklusion gesund machen kann

1.5Fazit: Inklusion als Überforderung oder Inklusion als Ressource?

1.5.1Gesundmachende inklusive Schulentwicklung

2Inklusion als U-Prozess

2.1Situation der Beteiligten: Wir werden gesehen und gehört

2.2Ist-Analyse: Was können wir? Das können wir

2.3Leitgedanken zum System sonderpädagogischer Förderung: Segregation versus Förderung

2.4Aus der Problemtrance in die Lösungsorientierung: Die Lösung liegt auf einer anderen Ebene als das Problem

2.5Leitgedanken Inklusion: Wie können wir Teilhabe ermöglichen und Barrieren abbauen?

2.6Sollkonzept: Teamorientierung und Situationsbezug haben Priorität

2.7Gemeinsamer Prozess: Inklusion in regionalen Netzwerken entwickeln

3Anregungen für inklusive Schulentwicklung

3.1Worauf besonders zu achten ist: Selbstverantwortung und Kommunikation

3.2Systemische Sichtweisen für die Planung und Gestaltung von Veranstaltungen

3.2.1»Was sollen wir tun, wenn uns ein Förderschüler in der Pause ein faules Ei an den Kopf wirft?«

3.2.2»Wieso erzählen Sie uns jetzt erst von dieser UN-Konvention?«

3.2.3»Unsere Referentin verfolgt den Ansatz, dass sich auch unter schwierigen Bedingungen berufliche Kontexte so gestalten lassen, dass wir gesund und zufrieden bleiben«

3.2.4»An unserer Schule lässt sich keine Teamkultur entwickeln«

3.3Schulische Lehrer:innenfortbildung »Inklusion«

3.3.1Ablauf und Inhalte der Fortbildung

3.3.2Arbeitsaufträge für ein Jahrgangsteam

3.3.3Beiblatt mit Zeitleiste und Arbeitsmethoden

3.4Angebote für Schulleitungen

3.4.1Unterstützung der Teamentwicklung

3.4.2Unterstützung der Lehrer:innengesundheit

3.5Prozessbegleitung von Gruppen

3.5.1Teamentwicklung zu Beginn der Zusammenarbeit

3.5.2Kollegiale Fallberatung

3.5.3Supervision von Steuergruppen und Schulleitungen

4Vorsicht bei Abkürzungen!

4.1Erste Abkürzung: Von der Situation der Beteiligten ohne Ressourcen zur Aufgabenzuweisung

4.2Zweite Abkürzung: Von der Ist-Analyse ohne Teamentwicklung zum Soll-Konzept

4.3Dritte Abkürzung: Mit den Leitgedanken sonderpädagogischer Förderung ohne Perspektivenwechsel zur Desegregation

5Schluss und Ausblick

Dank

Zusatzmaterialien online

Literatur

Über die Autorin

Einleitung

Dieses Buch beantwortet Fragen zum Thema Inklusion–Fragen, die auf Veranstaltungen zum Thema Inklusion gestellt werden; und Fragen, die mehr oder weniger kunstvoll hinter Vorwürfen, Bedenken oder Behauptungen versteckt sind. Hier werden die Fragen mit Beispielen und Anregungen aus der Praxis beantwortet. Manchmal ist die Antwort auch eine Gegenfrage, mit der die Art des Fragens hinterfragt wird. Diese Irritationen helfen beim Nachdenken über das Thema Inklusion. Auf dem Spickzettel steht also nicht immer die Antwort. Teile des Buches sind eher »Reflexionszettel« – hier ist auch Platz für eigene Notizen.

Das Spezifische an diesem Buch ist der systemische Blick. Systemisches Denken lässt sich gut für Schulentwicklung nutzen, so natürlich auch beim Thema Inklusion. Ziel des Buches ist, bislang ungenutzte Ressourcen sichtbar und verfügbar zu machen. Nicht nur die Beschäftigung mit anwendungsfreundlichen Lösungen für inklusive Schulentwicklung, sondern auch der Fokus auf die Gesundheit dürfte dieses Buch interessant machen. Denn hier wird nicht die Frage gestellt: »Was macht uns krank?«, sondern auch: »Was macht uns gesund?«

Dieser Spickzettel wendet sich vor allem an Lehrkräfte mit oder ohne sonderpädagogische Ausbildung, an Schulleitungen, Studierende, Dozierende, Eltern, Beschäftigte in der schulbezogenen Administration. Neben Informationen zum Thema Inklusion enthält das Buch zahlreiche Übungen und Beispiele aus Veranstaltungen, die das Buch für Schulentwicklungsbegleitungen interessant machen. Das Buch regt auf unterschiedlichen Ebenen neue Sichtweisen zum Thema Inklusion an. Es liefert Ideen und Anregungen, um inklusive Schulentwicklung mit Zuversicht anzugehen.

Wie Sie als Lesende, so bringe natürlich auch ich unterschiedliche Erfahrungen zum Thema Inklusion mit: Als Lehrerin für Deutsch und Englisch sowie als sonderpädagogisch ausgebildete Lehrerin habe ich an einer Gesamtschule unterrichtet, an der Vielfalt und Heterogenität wertgeschätzt werden und die schon seit Jahrzehnten Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf1 aufnimmt; als Mutter von zwei Kindern erhalte ich immer wieder aus Elternsicht interessante Einblicke in Schulwirklichkeiten; heute bin ich Professorin und nebenberuflich weiterhin als Supervisorin, Moderatorin und Fortbildnerin aktiv. Die hier im Buch berichteten Beispiele stammen aus der lebendigen Schulpraxis und machen inklusive Schulentwicklung anschaulich. Zur zweiten Auflage des Buches stelle ich fest, dass die Herausforderungen sich 8 Jahre nach der Erstauflage noch in ähnlicher Form stellen. Hoffentlich finden einige der von mir genannten Lösungsvorschläge weiterhin Eingang in die schulische Praxis!

Zum Aufbau des Buches

Vier unterschiedliche Äußerungen aus Veranstaltungen zum Thema Inklusion bilden die Überschriften im ersten Kapitel. Anhand dieser Äußerungen beschreibe ich die aktuelle schulische Situation und gehe auf einige Grundlagen zum Thema Inklusion ein. Einige der Äußerungen sind emotional gefärbt, sie drücken Erfahrungen und Befürchtungen, Ärger und Bedenken aus. Sie werden in den aktuellen wissenschaftlichen Diskurs zur Thematik eingebettet. Wer als Leser:in bereits grundlegende Kenntnisse zum Thema Inklusion mitbringt, kann hier gut querlesen und in die Abschnitte 1.1.1, 1.2.1, 1.3.1 bzw. 1.4.1 springen. Ich bemühe mich hier um einen »Ressourcenblick« und beleuchte die Thematik Inklusion im Kapitel 1.5 aus einer gesundmachenden Perspektive.

Im zweiten Kapitel stelle ich ein Prozessmodell inklusiver Schulentwicklung vor: Inklusion als »U-Prozess«. Das Modell macht deutlich, welche Schritte im Schulentwicklungsprozess notwendig sind und wo Ressourcen für inklusive Schulentwicklung verborgen sind. Auch hier gibt es viel Arbeitsmaterial und praktische Übungen – für Sie selbst und für das ganze Kollegium.

Im dritten Kapitel vertiefe ich einige Aspekte, die aus meiner Sicht in inklusiven Schulentwicklungsprozessen wichtig sind. Auch hier kommentiere ich Äußerungen aus Veranstaltungen, gebe Beispiele zur Veranstaltungsplanung und -durchführung und stelle Formate der Prozessbegleitung vor.

Im vierten Kapitel wird erneut das Prozessmodell genutzt und anhand der »Theorie U« dargestellt, welche Abkürzungen viele Schulen nehmen. Es wird deutlich, dass die Abkürzungen den Prozess nicht beschleunigen. Im Gegenteil werden dadurch wichtige Schritte ausgelassen, die später mühsam nachgeholt werden müssen.

1Gemeint ist damit der sonderpädagogische Förderbedarf, der aufgrund eines Gutachtens bescheinigt wurde. Natürlich haben auch andere Schüler »Förderbedarf«.

1Inklusion: Systemische Kommentare zur aktuellen Praxis

1.1»Wir haben eine Inklusionsklasse, das läuft ganz gut«

Die Äußerung »Wir haben eine Inklusionsklasse, das läuft ganz gut« hört man oft. Dass Lehrkräfte positiv über ihre Arbeit in Klassen berichten, in denen Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf neu aufgenommen wurden, deckt sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Thema: So bewerten Lehrkräfte, die bereits ein Jahr lang an allgemeinen Schulen Schüler:innen mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam unterrichten2 die Veränderung gegenüber früher überwiegend als positiv. Zwar wird die Unterrichtsvorbereitung als zeitintensiver eingeschätzt; die tatsächlich erlebte Belastung ist jedoch geringer als zu Beginn des Untersuchungszeitraums befürchtet wurde. Auch bei den nicht direkt betroffenen Lehrkräften nehmen die positiven Urteile zu und die Befürchtungen ab. Mehr als ein Drittel der nicht direkt betroffenen Lehrkräfte wären zukünftig bereit, in einer solchen Klasse zu unterrichten (Amrhein 2011).