Inselküsse unter Palmen - Marie Vareille - E-Book
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Inselküsse unter Palmen E-Book

Marie Vareille

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Beschreibung

In der Hängematte küsst man besser ...

Alles hat einmal ein Ende – nur für Juliette kommt dieses besonders heftig: Ihr Freund, der Dauerstudent Nicolas, lässt sie einfach sitzen, und das nachdem sie zehn Jahre – zehn Jahre! – einfach alles für ihn getan hat. In ihrer Verzweiflung beginnt sie, Nicholas hinterherzuspionieren. Als sie ihn aus einem Reisebüro kommen sieht, wird sie neugierig. Warum bucht er eine Reise auf die Malediven, in ein romantisches Luxushotel – für zwei? Vollkommen pleite und trotz unfassbarer Flugangst sitzt Juliette kurz darauf im Flieger, um ihrem Ex und seiner mysteriösen Neuen in den Liebesurlaub zu folgen. Doch im türkisblauen Paradies kommt alles ganz anders – auch dank des attraktiven Managers Mark, des einzig anderen Singles auf der gesamten Insel …

Der perfekte Roman für jede Strandtasche!

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Seitenzahl: 303

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Alles hat einmal ein Ende – nur für Juliette kommt dieses besonders heftig: Ihr Freund, der Dauerstudent Nicolas, lässt sie einfach sitzen, und das, nachdem sie zehn Jahre – zehn Jahre! – einfach alles für ihn getan hat. In ihrer Verzweiflung beginnt sie, Nicolas hinterherzuspionieren. Als sie ihn aus einem Reisebüro kommen sieht, wird sie neugierig. Warum bucht er eine Reise auf die Malediven, in ein romantisches Luxushotel – für zwei? Vollkommen pleite und trotz unfassbarer Flugangst sitzt Juliette kurz darauf im Flieger, um ihrem Ex und seiner mysteriösen Neuen in den Liebesurlaub zu folgen. Doch im türkisblauen Paradies kommt alles ganz anders – auch dank des attraktiven Managers Mark, des einzigen anderen Singles auf der gesamten Insel …

MARIE VAREILLE ist eine erfolgreiche französische Autorin. Geboren 1985 in Montbard, einer kleinen Stadt im Burgund, hat sie in New York und Paris studiert und danach in verschiedenen Start-up-Unternehmen gearbeitet, bevor sie sich den Traum erfüllte, ein Buch zu schreiben. Nach Manchmal ist es schön, dass du mich liebst und Vielleicht ist es ja Liebe entführt sie ihre Leser:innen mit Inselküsse unter Palmen auf die Malediven.

Außerdem von Marie Vareille lieferbar:

Manchmal ist es schön, dass du mich liebst

Vielleicht ist es ja Liebe

MARIE VAREILLE

ROMAN

Aus dem Französischen von Gabriele Lefèvre

Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel Ma vie, mon ex et autres calamités bei City Éditions, Bernay.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © der Originalausgabe 2014, Marie Vareille

Copyright © 2022 der deutschsprachigen Ausgabe by Penguin Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Ingrid Ickler

Umschlaggestaltung: www.buerosued.de

Umschlagmotiv: www.buerosued.de

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-25471-1V001

www.penguin-verlag.de

Für meine Eltern, ihr unerschütterliches Vertrauen und ihre Unterstützung bei all meinen Projekten, selbst den verrücktesten

»Life begins at the end of your comfort zone.«

Neale Donald Walsch

1. Sarah Lamour und Jackson Pollock

Von: [email protected]

An: [email protected]

Datum: 13.10.2013 – 7:34:06

Betreff: Scheck

Liebe Juliette,

der Scheck ist letzte Woche rausgegangen, und ich bin überrascht, dass Sie ihn noch immer nicht erhalten haben. Bei dieser Gelegenheit teile ich Ihnen mit, dass mir Nicolas über Facebook die Fotos von Ihrem Wochenende in Saint-Malo geschickt hat. Wie ich sehe, haben Sie den bretonischen Strand ausgiebig genossen. Ich komme Sonntag zum Mittagessen bei Ihnen vorbei. Umarmen Sie meinen geliebten Sohn.

Anita

PS: Falls es Sie interessiert, eine Freundin hat mir einen sehr guten Sportklub im elften Arrondissement empfohlen.

Fast hätte Juliette den Milchkaffee auf die Tastatur ihres Computers gespuckt. Sie klickte auf »Antworten«:

Von: [email protected]

An: [email protected]

Datum: 13.10.2013 – 8:01:47

Betreff: Re: Scheck

Liebste Anita,

besten Dank, mir geht es gut, und Ihnen?

Nicolas wird sich sehr über Ihren Besuch am Sonntag freuen (ich allerdings habe ebenso große Lust, Sie zu treffen, wie mich auf der Place de la Concorde in Brand zu stecken).

Was die Adresse Ihres Sportklubs angeht, so können Sie sich die irgendwo …

Sie unterbrach ihr Schreiben und kicherte vor sich hin. In dem Moment steckte Nicolas den Kopf durch die Tür.

»Gibt es noch Kaffee?«

Sie lächelte ihm zu – er sah wirklich gut aus mit seinen noch verschlafenen blauen Augen. Für ihn war sie bereit, alles zu ertragen, sogar die niederträchtigen E-Mails ihrer angehenden Schwiegermutter am frühen Morgen.

»Ich komme gleich, Liebling, ich antworte nur schnell deiner Mutter. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du so früh aufstehen würdest.«

»Ich habe einen Termin mit Chloé.«

Juliette runzelte die Stirn.

»Schon wieder?«

Er schloss seufzend die Tür. Sie löschte die Antwort an ihre Schwiegermutter und schrieb stattdessen:

Liebe Anita,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Den Scheck haben wir noch immer nicht erhalten. Vielleicht ist er verloren gegangen? Kein Problem, was Sonntag angeht. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

Juliette

Sie zögerte, zuckte mit den Achseln und klickte auf »Senden«. Es passte ihr gar nicht, dass Nicolas sich die Mühe machte, so früh aufzustehen, nur um Chloé zu treffen. Normalerweise lag er vor zehn noch im Bett. Sie warf einen Blick auf die Armbanduhr. Ihr Chef, Hervé – genannt Darth Vader, weil er so laut schnaufte, wenn er sich aufregte –, würde sie wieder einmal unterschwellig vorwurfsvoll fragen, ob sie sich den Vormittag freigenommen hatte. Es schien ein schlechter Tag für sie zu werden. Noch gestern hatte Hervé ihr angekündigt, dass sie in einer Woche befördert werden würde. Wörtlich hatte er gesagt: »Ich bin zu fünfundneunzig Prozent sicher.« Wenn man darüber nachdachte, war das doch albern. Wer sagt denn schon einer Angestellten, dass sie »eventuell« befördert werden würde?

Sie rannte in die Küche und setzte Kaffee auf, während Nicolas gähnend vor dem Toaster stand. Sie stellte Nutella, Milch und Toastbrot auf den Tisch und küsste Nicolas dabei kurz auf den Mund.

Im Bad versuchte sie, ihre braunen Locken mit Frisierschaum zu bändigen, hielt kurz inne und betrachtete aufmerksam ihr Spiegelbild. Hätte sie blondes glattes Haar, würde sie wie Sarah Lamour aussehen. Doch, doch, eine gewisse Ähnlichkeit bestand schon. Eine kleine. Zumindest bei den Augenbrauen. Es war schon sonderbar, denn Juliette war am gleichen Tag geboren wie Sarah Lamour. Natürlich kannte Sarah Lamour Juliette nicht, aber die ganze Welt kannte Sarah Lamour, die französische Schauspielerin, die es in Hollywood zu Weltruhm gebracht hatte, seit sie vor fünf Jahren in Gott trägt Zara mitgespielt hatte. Juliette war felsenfest davon überzeugt, dass die Sache mit dem Geburtsdatum und die gewisse Ähnlichkeit kein Zufall, sondern ein Zeichen waren. Ein Zeichen dafür, dass ihr, genau wie der Schauspielerin, eine verheißungsvolle Zukunft vorherbestimmt war.

Der Wecker auf der Ablage oberhalb des Waschbeckens zeigte 8.15 Uhr an. Entschlossen griff Juliette wieder zum Föhn. Sollte sie befördert werden, war es besser, wenn sie nicht wie mit dem Defibrillator frisiert im Büro erschien. Nicolas fand, dass ihr Haar beim Aufwachen »ein chaotisches Ganzes bildete und auf frappierende Weise einem Gemälde von Jackson Pollock ähnelte«. Als er diesen Witz zum ersten Mal gerissen hatte, war sie in Gelächter ausgebrochen, hatte aber sofort bei Google nach »Paul Lock« gesucht. Wie ermüdend es doch war, mit einem Intellektuellen zusammenzuleben!

Mit halbwegs gestylten Haaren suchte sie nun in ihrer Garderobe nach der passenden Kleidung für ihren neuen Posten, ein Outfit, das Ich-bin-ein-Profi-glaubwürdig-sympathisch-ein-wenig-Femme-fatale-aber-gut-erzogen-und-voller-Selbstvertrauen rief. Zwanzig Minuten fürs Aussuchen und Anprobieren mit dem Fazit, dass es die entsprechende Kleidung einfach nicht gab, zumindest nicht in ihrem Schrank. Zweimal hatte sie sich nun umgezogen und entschied sich für ein Kleid von Maje, das sie erst neulich erstanden hatte. Zu kurz? Etwas, aber das konnte noch durchgehen. Wieder rannte sie los und küsste nochmals Nicolas, der immer noch sinnend vor dem Toaster stand. Unten im Treppenhaus sah sie sich im riesigen Spiegel und kam zu dem Schluss: Das Kleid war definitiv zu kurz für die angehende Verantwortliche der Großkundenbetreuung im Departement Yvelines. Immer eine Stufe überspringend, eilte sie wieder nach oben und zwängte sich in ein zu enges Kostüm. Es stimmte leider, sie hatte ein wenig zu oft in die Keksdose gegriffen.

»Ich bin’s noch mal, Liebling«, rief sie Nicolas zu.

Sie rannte nun zur Metrostation Louise Michel und wäre beinahe von einem Monoprix-Lieferwagen überrollt worden. Auf dem Bahnsteig warf sie noch einen Blick auf ihre Armbanduhr und stöhnte. Sie war wirklich spät dran, obwohl sie sonst eigentlich immer pünktlich war.

Fast immer.

Wer seine Arbeit gut machen will, schaut nicht auf die Uhr. Solchen Unsinn gab Hervé alias Darth Vader gern von sich, wenn man abends spät noch an einem Vertrag feilen musste. Egal wie man es drehte und wendete, der Tag hatte schlecht begonnen. Das bestätigte ihr auch das Horoskop auf der vorletzten Seite von 20 Minutes, dem Gratisblättchen, das in der Metro auslag: »Bedeckter Astralhimmel, Ihre intellektuelle Fahrigkeit wird zu Fehlern führen. Heute ist nicht Ihr Glückstag.«

Darüber hinaus störte sie der Verlust des Schecks ungemein. Juliette hatte nichts dagegen, alles zu bezahlen, solange Nicolas noch an seiner Doktorarbeit schrieb, aber ohne die vierhundert Euro, die Anita ihrem Sohn monatlich zukommen ließ, war es nicht einfach, zu zweit von dem Gehalt einer kaufmännischen Angestellten zu leben.

Sie schlich in das Großraumbüro und ging einen langen Umweg, um Hervés Büro zu meiden, glitt hinter ihren Computer und atmete tief durch, als hätte sie soeben einen Marathon absolviert. Caroline Arembert am Schreibtisch gegenüber blickte auf, und in ihren Augen spiegelte sich Belustigung über Juliettes Panik wider. Lächelnd deutete sie auf den Versammlungsraum zu ihrer Linken und schüttelte den Kopf, als wollte sie sagen: »Keine Bange, er ist noch nicht aus der Besprechung zurück.« Juliette war beruhigt und tat so, als würde sie eine Kaffeetasse am Henkel halten, und Caroline nickte zustimmend.

Caroline Arembert kam nie zu spät. Sie war für ihr geradezu unglaubliches Organisationstalent und ihre freiwilligen Überstunden bekannt, die sie ohne Murren leistete. Trotz dieser offensichtlichen Makel war sie Juliettes Lieblingskollegin, zumindest diejenige, mit der sie vergnügt über alle anderen lästern konnte.

Vor der Kaffeemaschine studierte Caroline Juliettes rot angelaufenes Gesicht und grinste.

»Na, hat dein Wecker gestreikt? Ach, ich hab kein Kleingeld dabei, leihst du mir vierzig Cent?«

Trotz ihres großen Organisationstalents hatte Caroline nie Geld für Kaffee. Juliette reichte ihr die vierzig Cent, und die beiden begannen über Darth Vader herzuziehen, der anscheinend von der Direktion wegen der zu hohen Betriebskosten getadelt worden war.

»Stell dir das doch bitte mal vor!«, sagte Caroline. »Wenn er die Ausgaben noch mehr kürzen muss, wo er doch ohnehin schon so geizig ist, wie sieht es dann erst in den anderen Abteilungen aus?«

»Dann können wir nicht mal mehr mit den Kunden essen gehen«, antwortete Juliette und drückte voller Bedauern auf die Taste »Cappuccino ohne Zucker«.

Juliette arbeitete in der Abteilung Reinigungsprodukte einer der führenden französischen Firmen für Bürobedarf: CleanOffice. Einer der wenigen Vorteile ihres Postens bestand darin, dass sie ihre Kunden in Restaurants ausführen konnte, was wiederum den Vorteil hatte, dass sie, wenn sie »Ich habe ein Kundenessen« quer durch das Büro rief, zwischen Mittag und sechzehn Uhr ohne weitere Erklärungen verschwinden konnte. Dazu muss man sagen, dass es lebensnotwendig war, die Kunden großzügig zu bewirten, wollte man sie während der Verhandlungen über so spannende Themen wie Müllbeutel und Putzmittel, die jeden normalen Menschen zu Tode langweilten, wach halten.

»Nur Mut, wenn ich erst mal zur Verantwortlichen der Großkundenbetreuung im Departement Yvelines aufgestiegen bin, dann wird Darth Vader Ruhe geben«, meinte Caroline und rührte in ihrem Kaffee.

Juliette machte ihr ein Zeichen, still zu sein, denn gerade sah sie Christelle Crogue, die Schnüfflerin aus der Buchhaltung, auftauchen. Christelle Crogue trug das braune Kostüm ihrer ganz schlechten Tage. An schlechten Tagen trug sie Grau, und in den vier Jahren ihrer gemeinsamen Firmenzeit hatte Juliette noch nie die Farbe eines guten Tages an ihr gesehen.

»Darth Vader?«, fragte Christelle und hob ihre zu einem unecht wirkenden Bogen gezupften Augenbrauen. »Sprechen Sie so von Hervé?«

Juliette trank ihren kochend heißen Kaffee vor Schreck ex, während Caroline kühl und hochmütig antwortete:

»Natürlich nicht, und es geht Sie ohnehin nichts an.«

Christelle Crogue öffnete den Mund, als ob sie etwas erwidern wollte, änderte jedoch ihre Meinung, drehte sich um und schob Geldstücke in den Schlitz des Kaffeeautomaten.

Caroline wartete, bis sie gegangen war, und flüsterte: »Geh du nur petzen! Wenn ich erst mal meine Beförderung in der Tasche habe, dann spielst du dich nicht mehr so auf.«

»Du wolltest sagen falls«, berichtigte Juliette ein wenig peinlich berührt und warf ihren Plastikbecher in den Abfalleimer.

»Ich werde befördert. Ganz sicher. Wo wir gerade von Restaurants sprachen, bist du mit deiner Spesenabrechnung nicht zwei Monate in Verzug?«

Juliette verdrehte wortlos die Augen, und Caroline prustete: »Okay, ich sehe schon. Soll ich dir helfen?«

Juliette war die Situation unangenehm, denn Caroline ahnte offenbar nicht, dass sie nicht befördert werden würde, zumindest standen die Chancen dafür nicht besser als fünf Prozent. Hervé hatte zu Juliette gesagt, dass er lange überlegt habe, aber da sie ein Jahr mehr Erfahrung in der Firma hatte und sich um die kompliziertesten Kundenkonten kümmerte, habe er sie ausgewählt. Gern hätte sie darüber offen mit ihrer Freundin gesprochen. Sie wusste nur zu gut, dass Caroline jede Zusammensetzung der Putzmittel im Katalog von CleanOffice auswendig hersagen konnte und diese Beförderung verdiente. Das war es übrigens gewesen, was sie am Vortag Darth Vader zu erklären versucht hatte, worauf er sie genervt aus seinem Büro gewiesen und gesagt hatte, er entscheide hier schließlich, wer befördert würde und wer nicht.

Im Großraumbüro war es still, und die beiden setzten sich an ihre Plätze. Carolines Schreibtisch sah klar und aufgeräumt aus, im Gegensatz zu dem heillosen Durcheinander auf dem von Juliette. Die Kassenbons für ihre Spesenabrechnung quollen aus einer übervollen, unverschlossenen Schublade hervor. Ihr Spesenkonto würde wieder einmal auf zehn Monate hin überzogen sein. Neidisch betrachtete sie Carolines Ordner, in den sie systematisch alle neuen Abbuchungen von ihrer Kreditkarte am Tag der Ausgaben einordnete. Alle zwei Wochen erinnerte sie ein Handysignal daran, die Rückzahlungsformulare auszufüllen, was sie auch auf der Stelle tat, und dann trug sie alles in einer transparenten Hülle mit ihrem Namensschild in die Buchhaltung.

Juliette hatte versucht, es ihr gleichzutun. Doch schon nach drei Tagen ging sie wieder zu ihrem eigenen System über, das darin bestand, die zerknüllten Abbuchungszettel in die hierfür vorgesehene Schublade zu werfen, meist zusammen mit Papieren aus ihrer Handtasche, die eigentlich nichts damit zu tun hatten, bis hin zu gebrauchten Metrotickets. Alle zwei Monate legte sie die vielen Zettel vor sich hin und zermarterte sich das Hirn, um sich daran zu erinnern, worum es ging und welchem Kunden sie zugeordnet werden mussten.

Seufzend begann sie zu sortieren und die Belege auf die Abrechnungsformulare zu heften.

Sie müsste endlich mal im Lotto gewinnen.

2. Hundertachtundneunzig Euro

»Juliette Charpentier, in mein Büro! Sofort!«

Juliette sprang von ihrem Stuhl auf, überrascht von Hervés Befehlston. Rief er sie wegen der Beförderung? Die Dezibel seines Darth-Vader-Schnaufens verhießen nichts Gutes, und sie versuchte das Horoskop für den heutigen Tag aus ihrem Gedächtnis zu verdrängen.

Heute ist nicht Ihr Glückstag.

Mit einem fröhlichen »Guten Tag« betrat sie Hervés Büro, doch sie sah nur das verschlossene Gesicht von Christelle aus der Buchhaltung. Was hatten Christelle Crogue und ihr braunes Kostüm mit ihrer Beförderung zu tun?

»Ich vermute, Sie wissen, warum ich Sie herbeordert habe, Juliette.«

Hervés Stimme klang so kalt, dass Juliette überrascht eine völlig unverständliche Antwort stotterte. Die Frage war rein rhetorisch gewesen, und er unterbrach Juliette mit einer Handbewegung.

»Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen, warten wir zunächst auf den Personalchef!«

Dann tippte er auf der Tastatur seines Computers herum, als wären weder Juliette noch Christelle im Raum. Juliette begann an ihrem rechten Daumennagel zu nagen, um sich abzulenken. Weshalb sollte sie sich rechtfertigen?

Heute ist nicht Ihr Glückstag …

Nichts, was in dieser Woche geschehen war, erklärte Christelles Anwesenheit hier im Büro, auch nicht das eiskalte Verhalten von Hervé. Wegen ihres Zuspätkommens letzten Dienstag würde er sie wohl kaum zu sich bestellen, und erst recht nicht den Personalchef! Sie seufzte und begann am Daumennagel der linken Hand zu nagen. Hervé starrte mit gerunzelter Stirn und hoch konzentriert auf seinen Bildschirm.

Anitas Scheck war immer noch nicht eingetroffen. Sollte Nicolas das Geld beiseitegeschafft haben, um ihr einen Verlobungsring zu kaufen? Es würde nicht mehr lange dauern, das spürte sie. Selbstverständlich musste er zunächst mit seiner Doktorarbeit fertig werden. Er würde Philosophieprofessor werden, Schriften zu Heidegger und seiner Phänomenologie des Seins verfassen, und sie würden ein kleines Haus mit Garten in einem Vorort kaufen, wo sie mit ihren drei Kindern, Eric, Jean und Marie, leben würden und …

»Weshalb grinsen Sie so dümmlich, Mademoiselle Charpentier?«

Der Personalchef hatte Hervés Büro betreten und knallte die Tür zu. Er sah ebenso liebenswürdig aus wie die anderen. Alle Augen waren missbilligend auf Juliette gerichtet.

Sie erschrak, wurde rot und murmelte »Guten Tag«.

Ohne sie eines Blicks zu würdigen, bedeutete der Neuankömmling Christelle, ihm ein Blatt Papier zu reichen. Sofort erkannte Juliette, dass es sich um ein Abrechnungsformular mit einem angehefteten Kassenbon handelte.

»Macht man jetzt falsche Spesenabrechnungen?«

Juliette blickte auf das Formular, das er ihr reichte. Offenbar hatte sie das Formular unterzeichnet, an das ein Kassenbon geheftet war. Ein Kassenbon von Maje für den Kauf eines Kleides für einhundertachtundneunzig Euro. Dieses Kleid schuf ihr definitiv nur Probleme! Natürlich erkannte sie den Bon und wusste, worum es sich handelte. Was sie jedoch nicht verstand, war, durch welches Wunder er auf das Abrechnungsformular gelangt war.

»Das ist doch Ihr Kreditkartenbeleg, oder?«, fragte Christelle und tippte auf den Zettel.

»Ja, aber …«

»Aber was?«, unterbrach sie Hervé. »Sind Sie sich über die wirtschaftliche Situation nicht im Klaren? Man hat Sie gebeten, umsichtig mit den Spesen umzugehen, und Sie glauben, Sie können der Firma Ihr Schnäppchen aus dem Ausverkauf berechnen?«

»Technisch gesehen war es kein Ausverkauf, das Kleid hatte nur einen kleinen Fehler und …«

»Und Sie machen sich auch noch über uns lustig?« Hervés Gesicht hatte sich beängstigend lila verfärbt, und er schnaufte immer lauter.

Juliette verlor den Boden unter den Füßen, das Formular war sorgfältig ausgefüllt mit der Summe, dem Kundencode, dem Datum vom letzten Montag, und es war von ihr unterzeichnet worden. Sie erinnerte sich an die zerknüllten Belege, die sie in aller Eile bearbeitet hatte, und begann zu begreifen. Sie schluckte, sie musste sich beruhigen, alles würde sich aufklären, das Ganze war nur ein Irrtum.

»Ich habe mich vertan, der Beleg muss in den Stapel mit den anderen Kassenbons gerutscht sein, ich wollte mich beeilen …«

»Hundertachtundneunzig Euro!«, unterbrach sie Darth Vader und wedelte mit dem Papier vor ihrer Nase herum. »Und ich soll die Ausgaben unserer Abteilung einschränken! Und wegen eines solchen betrügerischen Verhaltens muss ich mir sagen lassen, dass wir hier zu viel Geld ausgeben!«

Christelle in ihrem kackbraunen Kostüm unterstützte seine Aussage mit heftigem Kopfnicken.

»Es tut mir leid, es war ein Irrtum, ich wollte nicht …«

Darth Vader nahm seine Brille ab und hauchte auf die Gläser. Mit zitternden Händen und einem Papiertaschentuch putzte er seine Brille und setzte sie wieder auf. Dann nickte er dem Personalchef zu, der ein Blatt Papier und einen Stift vor Juliette hinlegte und mit trüber Miene sagte: »Ich habe eine gute Nachricht.«

Juliette war den Tränen nahe und fragte sich für den Bruchteil einer Sekunde, ob ihre Beförderung noch im Bereich der Möglichkeiten lag. Er fuhr fort: »Wir nehmen ihre sofortige und fristlose Kündigung an und verfolgen die Angelegenheit nicht weiter.«

3. Wo bleibt der Hamburger Royal?

Juliette warf einen panischen Blick auf die drei Wachhunde um sie herum. Das konnte nur ein Albtraum sein. Niemand wurde wegen eines Irrtums bei der Spesenabrechnung entlassen. Im Gegensatz zu vielen anderen Mitarbeitern hatte sie noch nie persönliche Ausgaben auf ihre Spesenabrechnung gesetzt. Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, stieg in ihr auf. Sie atmete tief ein, legte den Stift beiseite und schob das Blatt weg.

»Nein, es handelt sich um ein Missverständnis. Es tut mir leid, und es soll nicht wieder vorkommen, aber deshalb kann ich doch nicht kündigen.«

»Die Firma kann Diebstahl auf keinen Fall dulden«, entgegnete Christelle und schob das Blatt wieder zu ihr hinüber.

»Wir haben strenge Anweisungen erhalten: Nulltoleranz für diese Art von Betrug.«

Die Worte »Diebstahl« und »Betrug« fühlten sich wie Ohrfeigen an, und Juliette brach in Tränen aus.

»Verstehen Sie denn nicht? Es war doch nur ein Irrtum, bitte! Ich …«

»Ersparen Sie uns diese Szene, das ist grotesk und bringt Sie auch nicht weiter«, unterbrach sie Hervé kurz angebunden.

In Christelles Blick meinte sie ein Zögern und so etwas wie Mitleid zu lesen, doch dieser Kündigungsbrief lag wieder vor ihr und wartete auf ihre Unterschrift.

»Ich hoffe, Sie sind sich darüber im Klaren, welche Chancen Sie durch Ihre Unehrlichkeit verwirkt haben«, fuhr Darth Vader fort. »Hätte Christelle, eine wirklich professionelle Mitarbeiterin, mir heute Morgen nicht dieses beschämende Dokument vorgelegt, so wäre es in unserem heutigen Gespräch um Ihre Beförderung, nicht um Ihre Kündigung gegangen.«

Es brauchte fünfunddreißig Minuten, um Juliette davon zu überzeugen, dass sie keinen Kompromiss würde aushandeln können. Sie weigerte sich, weinte, bettelte, aber die anderen blieben hart. Hervé war schon dabei, nach dem Telefonhörer zu greifen, und drohte, den Sicherheitsdienst zu rufen. Bei der Vorstellung, wie eine Verbrecherin abgeführt zu werden, entschloss sie sich schließlich, das Schreiben zu unterzeichnen. Ihre Hände zitterten, und Tränen tropften auf das Papier.

Sie ließen sie nicht einmal ihre Sachen aus der oberen Etage holen. Es war der Personalchef, der ihre Habseligkeiten in einen Karton packte und mit ihrem Mantel nach unten brachte. Sie nickte nur und weinte, während er die Gegenstände im Karton aufzählte: drei Fotos von Nicolas und ihr, die neben dem Computer gethront hatten, ein angeschlagener Kaffeebecher mit einer Micky Maus darauf, ihre Handcreme mit Honig, Wimperntusche, ein Stadtplan von Paris, ein Paar Socken, zwei Haarbürsten, eine Tube Haargel, ein schwer identifizierbarer Gegenstand aus Plastik, der in einem anderen Leben vielleicht einmal ein Kamm gewesen war, ein Tampon, fünf Schachteln Milchschokocookies und drei Schachteln Bitterschokocookies. Man ließ sie noch jede Menge Papiere unterschreiben – sie las sie nicht einmal durch – und sprach von Ausgleichszahlung und anderem administrativem Zeug, aber sie hörte gar nicht mehr zu. Sie konnte sich von niemandem verabschieden, und das war im Grunde auch besser so. Sie hätte sowieso nicht gewusst, was sie hätte sagen sollen, und fühlte nichts als Scham.

Draußen, auf dem tristen Vorplatz von La Défense, setzte sie sich auf eine Bank und weinte bitterlich. Sie hätte gern jemanden angerufen, wusste aber, dass sie nicht einen einzigen verständlichen Satz hervorbringen konnte. Das Kinn auf die Hand gestützt, betrachtete sie die Passanten in ihren dunklen Anzügen und Kostümen. Sie unterhielten sich am Handy, kehrten irgendwo zum Mittagessen ein oder gingen zum Kaffeetrinken in einen Starbucks, um später wieder in ihre gläsernen Türme zurückzukehren, von ihrem Glück nichts ahnend. Gestern hatte sie die Menschen gar nicht wirklich wahrgenommen, denn sie gehörte zu der gleichen Kaste wie sie, doch heute hätte sie alles dafür gegeben, an ihrer Stelle zu sein. Sie öffnete eine der Schachteln mit Milchschokocookies.

»Hätte Christelle mir heute Morgen nicht dieses beschämende Dokument vorgelegt, so wäre es in unserem heutigen Gespräch um Ihre Beförderung, nicht um Ihre Kündigung gegangen.«

Miststück!

Schniefend biss Juliette in ihren Keks. Was sollte sie jetzt tun? Es war eine Katastrophe! Sie würde die Miete nicht mehr zahlen können und keinen neuen Job finden, denn man hielt sie für eine Diebin. Und Nicolas? Sie weinte noch bitterlicher. Armer Nicolas, sie würde ihn wieder einmal enttäuschen, nach all den gemeinsamen Jahren ließ sie ihn nun im Stich …

Nicolas und Juliette hatten sich an der Uni kennengelernt. Damals, nachdem sie es in vielen Sparten versucht und wieder aufgegeben hatte – von einer Ausbildung zur Köchin über Grafikdesign bis hin zur Lehrerausbildung –, hatte sie sich schließlich für die Buchhaltung entschieden. Also studierte sie Fächer, in denen so schreckliche Worte wie »Sachanlagen«, »Zahlungsstrom« oder »Feststellung der Finanzdaten« vorkamen. Bis zum heutigen Tag pflegte Nicolas nur zwei Leidenschaften in seinem Leben: Philosophie und Philosophie. Er studierte die Definition des Moralkonzepts beim kategorischen Imperativ von Kant sowie die Auseinandersetzung mit und die Analyse von Aristoteles’ Nikomachischer Ethik. Natürlich war es damals unwahrscheinlich, dass sie sich je in einem Hörsaal über den Weg laufen würden, aber ein glücklicher Zufall hatte sie zusammengeführt. Beide sprachen nur schlecht Englisch, und so kam es, dass sie an einem schönen Mittwochnachmittag nebeneinander in einem Nachhilfekurs saßen und mit großem Ernst Albernheiten wie »The city where I live is called Paris and it is very beautiful« wiederholten. Brian war »in the kitchen« und Nicolas zu spät. Er hatte seinen Kuli vergessen, und außerdem fiel ihm beim Öffnen seines Rucksacks der gesamte Inhalt auf den Boden. Juliette blickte zu dem blassen Jungen mit den großen romantischen Augen hinüber, der eilig ein angebissenes Sandwich mit Thunfisch und Mayo in den Rucksack zurückstopfte, und war wie vom Blitz getroffen. Verliebt im wahrsten Sinne des Wortes, mit offenem Mund, als hätte ihr gerade jemand in den Bauch geboxt, bereit, in den folgenden zehn Jahren wie eine Märtyrerin zu leiden, Löwen, Gift und Kreuz weniger zu fürchten, als nur einen Augenblick dem Gegenstand ihrer Liebe fern zu sein. Leider war der Erwählte sich der Schönheit dieses Augenblicks nicht sogleich bewusst. Nachdem er Juliette, die ihm einen Stift reichte, dankbar zugelächelt hatte, was als Zeichen für eine potenziell leidenschaftliche Liebesgeschichte gewertet werden konnte, biss er lediglich in die zweite Hälfte des Sandwichs, das ihm seine Maman zubereitet hatte, und wiederholte mit vollem Mund: »This summer, I will travel to London and see the Queen of England.«

Es brauchte ein Jahr, bis auch Nicolas von diesem Blitz getroffen wurde oder zumindest einen leichten Elektroschock verspürte. Ein ganzes Jahr lang arbeitete sich Juliette an ihn heran mit gemeinsamem Kaffeetrinken in der Cafeteria, unverständlichen Diskussionen über Philosophie, für die sie Interesse heuchelte, Kino, wilden Ergüssen per Brief, Telefon, Fax, SMS und E-Mail … Alle Techniken und alle Mittel waren ihr recht, um den Mann ihres Lebens zu ködern. Sie wollte ihn haben, und sie hatte ihn bekommen. Und sechs Jahre nach ihrer ersten Begegnung waren sie ein Paar, wie es glücklicher nicht sein konnte.

Sie lebte nur für ihn und hatte ihn immer beschützt, und jetzt ließ sie ihn hängen. Ihretwegen würde er seine Doktorarbeit nicht zu Ende schreiben können. Er würde seine Leidenschaft aufgeben, für ihren Unterhalt sorgen und bei McDonald’s arbeiten müssen. Er würde seine Tage schwitzend unter einer roten Plastikschirmmütze verbringen, Fritten in heißes Öl tauchen und tiefgefrorene Käsescheiben in genauer Reihenfolge auf Pattys von BSE-Rindern stapeln, während sein Boss hinter ihm brüllen würde: »Wo bleibt der Hamburger Royal?« Das Einzige, was sie noch zu essen hätten, wären die Reste von Big Macs und abgelaufene Caramel-Sundaes, die er abends mit nach Hause bringen würde, um seine Familie zu ernähren.

Um sich auf diese ölig-bedrohliche Zukunft vorzubereiten, griff Juliette zur zweiten Schachtel Schokocookies. Und da es nur wenig Leid auf der Welt gibt, das nicht mit Butter, Mehl, Zucker, achtundvierzig Prozent Milchschokolade, etwas Ammoniumcarbonat und Dinatriumdiphosphat zu heilen wäre, konnte sie sich einige Kekse und dreihundertfünfzigtausend Kalorien später wieder fangen.

5. Lebkuchenkaninchen

Es war gerade mal fünfzehn Uhr und der Supermarkt menschenleer. Im Hintergrund dudelte anheimelnde Musik, die das sterile Ambiente auflockerte. Juliette schlenderte die Regalreihen entlang. Sie musste diesen scheußlichen Tag ein wenig würzen. Also blieb sie vor dem Gewürzstand stehen und strich mit dem Finger über die Glastöpfchen voller Körner, Trockenfrüchte und Pulver in warmen Farben. Für sie, die sich immer geweigert hatte, ein Flugzeug zu besteigen oder weiter als bis nach Amsterdam zu reisen, war der Gewürzstand vom Monoprix ein abenteuerlicher Trip durch die Welt. Sie füllte ihren roten Einkaufskorb aus Plastik mit Anissternen, Vanillepulver, Zimtstäbchen und grünen Kardamomkapseln. Konnte sie eine Tube öffnen, so schnüffelte sie skrupellos an ihrem Inhalt. Diejenigen, die mit Schutzdeckelchen aus Aluminium versehen waren, stellte sie voller Bedauern zurück. Sie nahm sich Zeit und wählte bedächtig ein Produkt nach dem anderen aus und legte es erst dann in den Korb, wenn sie sicher war, dass es sich mit den anderen Zutaten gut vertragen würde. Nach und nach füllte sich ihr Korb mit den Herrlichkeiten, aus denen sie ihre Rezepte zusammenstellen würde. Nachdem sie über eine Stunde durch den Supermarkt flaniert war, begab sie sich zur Kasse.

»Dreiundachtzig Euro fünfunddreißig«, sagte die Kassiererin. Das war für jemanden ohne Einkommen eine unvernünftige Ausgabe, doch mit einem scheuen Lächeln reichte Juliette der Kassiererin ihre Kreditkarte.

Zu Hause stellte sie ihre Einkäufe in der Küche ab. Hatte sie erwartet, auf dem Esstisch offene Bücher und beschriebene Zettel vorzufinden, wie es oft der Fall war, wenn Nicolas und Chloé zusammen arbeiteten, so fand sie diesmal den Tisch abgeräumt und ordentlich vor. Es gab nicht einmal Fingerspuren auf dem Holz, die ganze Wohnung wirkte sauber und aufgeräumt, und selbst die Waschmaschine rauschte. Überrascht stellte Juliette fest, dass sogar das Bett frisch bezogen war. Es kam nur selten vor, dass Nicolas ohne ihr Bitten diesbezüglich die Initiative ergriff. Ein zärtliches Lächeln umspielte ihre Lippen.

Sie wusch sich die Hände und ging an die Arbeit. Sie goss Wasser und Zucker in einen Topf. Noch nie war ihr Karamell angebrannt, und sie hatte auch keine Ahnung, wie das passieren konnte. Eigentlich brauchte man nur ein Thermometer und etwas Zitronensaft. Vor allem durfte man nicht gleichzeitig im Fernsehen Die Küchenschlacht anschauen und den Topf auf großer Flamme unbeaufsichtigt lassen.

Als der Zucker zu einem hübschen hellen Brei verlaufen war, stellte sie den Gasherd aus. Sie gab ein wenig Zimt in die Masse, etwas Vanille und die anderen Gewürze, die sie nicht kannte, aber jetzt ausprobierte, beugte sich über den Topf, sog das Aroma ein und lächelte zufrieden. Anschließend fügte sie eine geviertelte Ananas hinzu und ließ alles köcheln, während sie nun den nächsten Vorgang in Angriff nahm.