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Der französische Mordermittler Alexander Boureni wird zu einem Todesfall besonderer Art gerufen. Der Baron Roucheau wird während einer Opernvorstellung tot in seiner Loge aufgefunden. Boureni steht vor einem Rätsel mit vielen offenen Fragen und wird während der Ermittlung, die ihm alles abverlangt, von seiner dunklen Vergangenheit eingeholt. Wahrheit und Wirklichkeit scheinen auf einmal wie zwei Welten, die weit auseinanderliegen.
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Seitenzahl: 69
Veröffentlichungsjahr: 2019
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Copyright © 2019 by Andreas M. Riegler
Verlag: Neopubli GmbH, Berlin
Alle Rechte sind dem Autor vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelne Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.Druck und Bindung: epubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
Inhalt
Titelseite
Impressum
Anfang
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Das Liedchen lässt die Herzen weinen. Im weichen und verzweifelten Ton der Melodie, die durch den vollen Saal hallt und all die vielen Seelen in Staunen versetzt, scheint es, als ob die Engelchen von weit oben herabsehen und dem lieblichen Gesang zuhören. Es wirkt, als ob das Orchester den samtenen Teppich auslegt und dem weichen Mundgesang den Weg zu jedem Ohre weist, während der Moment die Zeit ruhen lässt. Niemals soll es vergehen. Nie mehr sollte jedem dieser Menschen das Gefühl entfliegen, das sie in das Innerste ihrer Seele begleitet und die tiefgründigsten Geheimnisse ihrer selbst sich offenbaren lässt. Keiner hier würde es in diesem Moment wagen, auf die Uhr zu blicken oder auch nur an Zeit zu denken. Die Schwere der Handlung drückt die Herzen ab und die Anordnung der weichen, langen und zart angestoßenen Töne klingt im hohen Saale nach, als würden sie umherfliegen und niemals mehr verstummen wollen. Das runde Scheinwerferlicht leuchtet auf die Sängerin herab, während sie die Luft aus ihrer voluminösen Lunge presst und die Kehle dem bedeutungslosen Hauch von Leben eine Seele schenkt. Nur ihr Wille ist es, der alle nun verzaubert. Nur eine Frau und ihre Stimme, die ihr Herz ausschüttet und all ihre Schmerzen offenbart, als wäre nichts außer ihr, dem Lichtkreis und der tiefen Dunkelheit die Wirklichkeit. Nur das Licht, das sie umgibt, das irgendwann erlöschen wird und die Dunkelheit siegen lässt, scheint ihr beizustehen. Doch singt sie dem Lichtlein ein Lied, eines von Liebe und dem Leid. Das eine scheint dem anderen zu gleichen. Die Töne des Schicksals erklingen, das drohend ankündigt, dass alles Licht erlöschen wird und alle Zeit vergeht, als wolle sie einfach sagen, dass nichts jemals für ewig ist.
Der Dirigent den Taktstock höher schwingt, sein Orchester den letzten Ton angibt und die Frau, die dort so einsam steht, in tausend Augen feurig glänzt. Das Licht, das immer schwächer wird, hüllt die Figur in den Schleier der Dunkelheit ein. Zum letzten Mal holt sie tief Luft und lässt mit aller Kraft die Töne los, die sie tief in die Knie zwingen. Das Schauspiel nimmt ein Ende. Darum weilt sie auf dem schwarzen Boden und wartet ab, bis die Dunkelheit ihren Schleier über ihr verzagtes Bild wirft. Die Blicke sie empor absendet, als ersehnte sie das nahe Ende. Den letzten Ton sie dem Himmel widmet, als ob sie mit den Engeln redete.
Der letzte Akkord des Pianos verstummt. Mit dem letzten Rest an Luft lässt sie den Ton in der Stille ersticken, als würde er in ihr weiterleben. So weich bettet sie den Ton, als würde sie ein Kindlein in der Wolke wiegen. Dem Publikum der Atem stockt, und die Ruhe sanft den letzten Funken Licht entschlafen lässt, bevor der Beifall laut ertönt. Im Sturm, der ihr gegeben ist, erhebt sie sich im roten Kleid, das ihre zierliche Gestalt verhüllt. Als wäre sie von Leid geprägt, hebt sie die Mundwinkel nur ein wenig an und verabschiedet sich mit leichtem Einknicken, während ihre Füße auf Rosen gebettet sind.Und während sich der Vorhang schließt und der Beifall schließlich leiser wird, sieht man auf zur großen Loge, von der die Schreie nicht verklingen. Voll Verzweiflung steht die Gattin des Barons wie angewurzelt da, die Hände vor den Mund gelegt, und fängt in Panik an zu weinen, während sie zagend nach Hilfe schreit. Dem Baron scheint offenbar nicht wohl zu sein. Das leise Geläster wandert durch die Reihen wie eine Welle der Unruhe und lässt die Blicke ratlos und gierig werden. Er entschlief den zarten Tönen in die endlos lange Ruhe. Er erlag dem Schmerz in ihrer Stimme und folgte den Tönen in den Himmel. Er entfloh dem Weltlichen und kehrte ein ins Göttliche.
1. In der Ruhe liegt die Kraft
Hastend schreitet der Inspektor über den regenfeuchten Asphalt vor dem prunkvollen Gebäude. Die Treppen eilt er empor zu den mächtigen Säulen des Operngebäudes, die das sandsteinerne Dach über seinem Haupte stützen. Geduldig dämpft er seine Zigarre aus und tritt durch eine weißgestrichene Bogentür in die große Halle, worin das Publikum ungeduldig wartet. „Ah, Inspektor! Da sind Sie ja endlich!“Doch der Inspektor winkt mit der Handfläche ab und schreitet weiter durch die überfüllte Eingangshalle in Richtung der Treppen. Ein paar Stufen tritt er empor, bevor er sich kurz räuspert und den summenden Ton aufgeregter Stimmen übertönt: „Guten Abend, meine sehr geehrten Damen und Herren!“ Der Lärm mindert sich. Gespannte und gereizte Gesichter sehen lauschend zu ihm hoch. „Mein Name ist Inspektor Alexander Boureni, ich bin von der örtlichen Polizei. Es tut mir leid, dass Sie so lange warten mussten. Wenn Sie etwas Besonderes gesehen oder bemerkt haben, das mit dem Ableben des Barons in Verbindung stehen könnte, bitte ich Sie, dies einem unserer Beamten mitzuteilen, die sich an den Ausgängen positionieren werden. Sie sind nun entlassen. Vielen Dank!“
„Guten Abend, Herr Inspektor“, begrüßt ihn ein schwarzhaariger Herr mittleren Alters, auf dessen Oberlippe ein dichter Schnauzer sitzt. „Mein Name ist René Bouson, Operndirektor.“ „Herr Direktor, führen Sie mich bitte zum Tatort.“ „Gewissermaßen ist hier doch alles ein Tatort, habe ich nicht Recht, Inspektor?“, entgegnet er seiner Aufforderung mit einem Lächeln, um sein schmales Fachwissen zu vermitteln. „So folgen Sie mir, Inspektor!“
Die Tür zur Loge steht offen. „Vielen Dank, Monsieur Bouson!“, sagt Inspektor Boureni, während er seine Melone vom Kopf nimmt und die letzten Regentropfen vom dunklen Samt klopft. Doch der Direktor fährt fort: „Zu schade um den Baron! Eine bereichernde Persönlichkeit. Weiß man denn schon, was es war?“ Seine neugierigen Versuchungen, Boureni Informationen zu entlocken, erweisen sich als erfolglos. Also tritt er von seiner Seite mit den Worten: „Naja, Sie wissen, wo Sie mich finden, Inspektor!“
Routiniert tritt Boureni in die Loge und betrachtet den Raum geduldig. „Was haben wir?“, fragt er die Männer in weißen Kitteln, die über den Leichnam gebeugt sind, während er mit konzentriertem Ausdruck die purpurroten Wände mit zart goldenen Verzierungen begutachtet, ohne den Verstorbenen auch nur eines Blickes zu würdigen. Der Gerichtsmediziner richtet seinen Oberkörper auf und sieht zum Inspektor empor: „Ah, Monsieur Boureni! Ich dachte, Sie seien beurlaubt!“„Ich brauche keinen Urlaub. Fahren Sie fort!“„Alles sieht aus wie ein natürlicher Tod. Ein Herzinfarkt, möchte man vielleicht meinen. Aber bei genauerem Hinsehen …“Er schiebt den karierten Hemdkragen, dessen oberster Knopf bereits geöffnet ist, zur Seite. „Leuchtend rote Totenflecken“, fährt der Inspektor nachdenkend und flüsternd fort.„Ganz recht, Inspektor! Sie wissen, was das bedeutet?“, fragt der Doktor mit einem Lächeln unter seinem grauen Schnurrbart.In Gedanken versunken antwortet Boureni: „Er wurde vergiftet!“„Ganz recht, Inspektor! Ganz recht!“
Der leidgetränkte Gesichtsausdruck des Barons berichtet schweigend von aller Qual. Seine schwarzen Haare sind streng zur Seite gekämmt. Sein schwarzer und dünner Oberlippenbart spricht für die Striktheit dieses Menschen. Seine Mundwinkel sind angezogen, als klage er noch immer über Schmerzen, von denen ihn der Tod erlöste. „Wissen wir schon etwas über die Dosis?“, fragt Boureni nach.„Ich schon! Auf jeden Fall war es zu wenig für den sofortigen Tod und zu viel für ein Überleben.“
Nachdem sich der Inspektor über das niedere und prunkvoll verzierte Geländer gebeugt und sich interessiert im leeren Raum umgesehen hat, wendet er seinen Blick und geht an dem Toten vorbei in Richtung des Ausganges. Da steigt er plötzlich auf einen Gegenstand. Er bückt sich und holt unter der Sohle seines feinsäuberlich gepflegten Lederschuhs ein breites, goldenes Armband hervor, das im Scheinwerferlicht der Bühne, auf der Arbeiter die Kulissen zur Seite stellen, zu funkeln und zu glänzen beginnt. „Wo finde ich die Frau des Barons?“„Sie ist im Flur bei den Kollegen?“„Vielen Dank und gute Nacht, Doktor!“, verabschiedet sich Boureni.