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"Irgendwie anders..." habe ich mein zweites Buch für Kinder - und Jugendliche genannt, weil ich als Lehrerin besonders sensibel für die AußenseiterInnen geworden bin, die in fast jeder Klasse ausgegrenzt werden, weil sie "irgendwie anders" sind und von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Größere Toleranz und damit verbunden mehr Respekt gegenüber der Andersartigkeit von Menschen allgemein, zunächst im eigenen Umfeld, d.h. gegenüber MitschülerInnen, aber auch gegenüber LehrerInnen zu entwickeln, ist deshalb das primäre Anliegen des Buches. Die Geschichten sind immerhin bereits in den 90er Jahren entstanden und haben bis heute nichts von ihrer Brisanz und Aktualität verloren.
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Seitenzahl: 125
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Für meine Mutter, meinen Vater, meine Christa und meine SchülerInnen
Frausein ist nicht doof
Caroline möchte viel lieber ein Junge sein. Sie spielt gerne Fußball und interessiert sich für Motorräder. Außerdem findet sie »Frausein doof«. Deshalb rufen sie ihre Freunde Carlo. Eines Tages bekommt ihre Mutter unerwarteten Besuch von einer früheren Schulfreundin. Zu ihr fühlt sich Carlo hingezogen, denn sie spielt in einer Frauenmannschaft Fußball und fuhr früher eine Harley Davidson.
Themenschwerpunkte:
Liebe und Sexualität, besonders Homosexualität
Diskriminierung von Homosexuellen
Pubertät und Gefühlsunsicherheit
Geschlechterrollen: Typisch männlich, typisch weiblich
Frauenberufe – Männerberufe, Frauenhobbys – Männerhobbys
Benachteiligung von Mädchen und Frauen
Sebastiane
Sebastian hat einen schwabbeligen Bauch und einen kleinen Brustansatz. Er leidet unter seiner Fettlebigkeit, besonders aber unter Kain, der ihn immer hänselt und »Sebastiane« zu ihm sagt. Doch eines Tages wird alles anders, da bekommen sie eine Neue in die Klasse.
Themenschwerpunkte:
Süchte: Esssucht
Selbstbewusstsein, Selbstliebe, Minderwertigkeitsgefühle
Umgang mit AußenseiterInnen, besonders mit Dicken
Selbstfindung
Körperbewusstsein
Umgang mit Aggressionen
Liebe und Freundschaft
Katjas Hunger nach Liebe
Katja träumt davon, Model zu werden, doch ihre Figur macht ihr Probleme. Wie dünn muss man eigentlich sein, um eine Karriere als Model machen zu können? Bei ihren Überlegungen kommt sie zu einem fatalen Entschluss.
Themenschwerpunkte:
Ernährungsfragen: »Man ist was man isst«
Suchtverhalten: Bulimie
Vorbilder in der Werbung
Manipulation durch Medien
Berufsträume
Sinn- und Lebensfragen
Irgendwie anders
Florian und Frederic sind Freunde. Sie unternehmen viel zusammen. Doch plötzlich verändert sich Florian. Er wird irgendwie anders. Es sind besonders seine Gefühle zu Freddy, die sich verändern.
Themenschwerpunkte:
Liebe und Sexualität, besonders Homosexualität
Vorurteile gegenüber Schwulen
Umgang mit Außenseitern
Normen der Gesellschaft
Toleranz und Respekt
Das Kreuz Satans
Nicole bekommt eine neue Klassenlehrerin und hört eines Tages auf dem Schulhof, dass Frau Dr. Frauenstein einer gefährlichen Sekte angehören soll. Wie verhält sie sich? Es kommt zu Verwicklungen und Missverständnissen. Durch die kleinstädtische Gier nach Sensationen und fehlende Offenheit entstehen Rufmord und eine Hexenverfolgung der Gegenwart.
Themenschwerpunkte:
Sekten
Entstehung von Vorurteilen
Rufmord
Sensationsgier
Kleinstadtmilieu-Studien
Autoritätsfragen: LehrerIn-SchülerIn-Verhältnis
Umgang mit Symbolen
Mario, der Straßenjunge
Mario geht auf eine Waldorfschule, denn das Lernen fällt ihm besonders schwer. Er kann nicht nur nicht lesen und schreiben, sondern er will es auch gar nicht lernen. Da seine Eltern und Geschwister immer auf ihn einreden, beschließt er eines Tages, von zu Hause fortzulaufen. Unterwegs besteht er nun die gefährlichsten Abenteuer, in die er verwickelt wird, weil er nicht lesen kann. Als er sich beinahe aus Versehen vergiftet, begegnet er einer Alten und sein Leben erfährt eine entscheidende Wende.
Themenschwerpunkte:
Lebenssinnfragen: Was ist hier meine Aufgabe?
Analphabetismus
Straßenkinder und ihr Leben
Werte: Geborgenheit, Sicherheit, Freiheit und Unabhängigkeit
Lernen, wozu?
Anpassung und Widerstand in der Gesellschaft
Schicksalsfragen
Schuldfragen: Ist die Erziehung an allem schuld oder sind es die Gene?
Stellungnahmen von Schülerinnen und Schülern
Die Erwachsenen nannten sie Caroline, was sie gar nicht gerne hörte. Freundinnen und Freunde oder die, die es werden wollten, riefen sie Carlo.
Carlo war ein aufgewecktes Mädchen.
Sie befand sich mitten in der Pubertät, ohne es wahrhaben zu wollen. Denn mit dreizehn Jahren musste sie sich endgültig damit abfinden, eine Frau zu werden.
Vor drei Monaten hatte sie zum ersten Mal ihre Regel bekommen und damit verbunden so starke Schmerzen, dass sie befürchtete, ohnmächtig zu werden.
»Was haben es doch die Jungen gut«, beklagte sie sich bei ihrer Freundin Birgit. »Die müssen nicht so leiden wie wir. Sie werden Vater, ohne Schwangerschaft und Geburtsschmerzen.«
Kummervoll saß sie mit Birgit auf der Fußballtribüne und bereute zum hundertsten Mal, kein Junge geworden zu sein.
»Tooor«, schrien beide wie aus einem Munde. Es war die zweiundfünfzigste Minute.
Als das Spiel zu Ende war, schoben sie sich durch die Menschenmassen dem Ausgang entgegen. Manche Fußballfans waren nur auf Krawall aus. Das Spiel diente ihnen lediglich als Vorwand, um ihre Aggressionen abzulassen.
Vor dem Stadion sahen sie eine Gruppe von Schalke-Anhängern, die sich mit den Borussia-Fans prügelten.
Die Polizei versuchte verzweifelt, beide Gruppen voneinander zu trennen.
»Warum müssen sich Männer eigentlich immer prügeln?«, wunderte sich Birgit.
»Weil Sie zu viele männliche Hormone haben«, meinte Caroline, während sie in die Straßenbahn stiegen.
»Deshalb müssen wir uns also vor ihnen in Acht nehmen? Ist das der einzige Grund für die vielen Vergewaltigungen?«
»Mhm, weiß nicht, vielleicht. – Doch besser zu viel Aggressionen als ein Leben lang Periodenschmerzen und eine ruinierte Figur nach dem ersten Kind.«
»Wie kannst du das nur so sehen, Carlo. Ich würde um nichts in der Welt mit Männern tauschen wollen. Wenn ich meinen Vater zu Hause beobachte, der ist ohne meine Mutter vollkommen hilflos, nicht nur im Haushalt, auch sonst. Er braucht dauernd ihre Aufmerksamkeit und ihre Bestätigung dafür, dass er ein richtiger Mann ist.«
»Und was heißt das, ein richtiger Mann zu sein?«, fragte Carlo.
»Wahrscheinlich für jeden etwas anderes. Nur schwache Männer prügeln sich und haben es nötig, mit ihrer Männlichkeit zu protzen, das sagt jedenfalls Mama immer.«
»Trotzdem, ich wäre lieber ein Mann, Biggi, ich finde das Frausein doof.«
Die beiden stiegen aus der Bahn und gingen jetzt gemeinsam in Richtung Freibad.
Am Eingang wartete auch schon Pepe, Biggis Freund.
»Also dann, bis später, Carlo.« Sie würden sich erst morgen in der Schule wiedersehen. Biggi ging zu Pepe, gab ihm einen Kuss und ging mit ihm davon.
Bedrückt sah Carlo ihnen nach. Auf dem Heimweg gingen ihr viele Gedanken durch den Kopf. Sie wusste nicht warum, doch irgendwie hatte sie kein Interesse an Jungen. Sie fand sie einfach nur langweilig. Entweder Jungen wollten immer nur das »Eine« oder sie waren sowieso lieber mit ihren Kumpels zusammen, um über Mädchen herzuziehen. Und in der Gruppe verhielten sie sich ganz unmöglich, da gaben sie an und spielten den coolen Macker.
So wie die meisten Männer wollte sie nicht sein, dachte Carlo. Doch wie, das wusste sie auch nicht.
Carlos Interesse für das männliche Geschlecht erstreckte sich deshalb allein auf den Fußball. Im Sport ertrug sie Männer dutzendweise. Hier waren sie weit genug von ihr entfernt und konzentrierten sich eben nur auf den Ball und nicht auf sie.
»Carlo, hast du heute Abend etwas vor oder bleibst du jetzt hier?«, fragte ihre Mutter, als sie nach Hause kam.
»Nein, ich bleibe daheim, muss noch für Englisch lernen, wir schreiben morgen eine Arbeit.«
»Schön, dann hab ich eine Bitte, komm doch gleich mal in mein Arbeitszimmer!«
Seit acht Jahren wohnte Frau Hartmann mit Carlo in einem kleinen Einfamilienhaus am Rande der Stadt. Als Carlo fünf Jahre alt war, hatte sie sich scheiden lassen.
Seitdem arbeitete sie wieder als Diplomingenieurin bei einer Baufirma. Da sie viele Baustellen beaufsichtigen musste, hatte sie wenig Zeit für ihre Tochter.
So blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sie von Anfang an zur Selbstständigkeit zu erziehen, was Carlo mit Stolz quittierte. Das Alleinsein war für Carlo also nichts Neues, genauso wenig wie die täglichen Arbeiten im Haushalt: Waschen, Kochen, Putzen. Obwohl ihre Mutter früher eine Kinderfrau eingestellt hatte, die sie rund um die Uhr versorgte, lernte Carlo sehr schnell, die alltäglichen Dinge zu erledigen und sich selbst zu beschäftigen.
»Bitte, Carlo, kannst du gleich auf ein kleines Mädchen aufpassen? Meine Freundin Margot hat sich von ihrem Partner getrennt und muss heute Nachmittag arbeiten, sodass ihre Sechsjährige allein zu Hause wäre. Deshalb bat sie mich, sie bis heute Abend zu nehmen. Sie braucht nicht viel Betreuung, Hauptsache es ist jemand da, falls sie mal etwas benötigt. Ich muss gleich wieder los, ein Großprojekt, der Bau eines Einkaufszentrums, es geht um Milliarden, du verstehst!«
»Ich bin doch keine Kindergärtnerin! Naja, meinetwegen, ausnahmsweise, doch nicht, dass die Kleine jetzt jeden Tag bei uns abgegeben wird!«
»Danke, mein Schatz, das ist lieb von dir. Mutti macht es auch bei Gelegenheit wieder gut.«
»Ist o.k.«
Als es schellte, fuhr Carlo ihren PC herunter und öffnete die Haustür.
Sie sah eine große blonde Frau, etwa im Alter ihrer Mutter mit einem kleinen Kind an der Hand, die sie freundlich anlächelte.
»Ist deine Mutter da?«
»Äh – nein, sie musste zur Arbeit, doch sie bat mich... –
Ist das die Kleine? Ähm, kommen Sie doch rein. Wie heißt du denn?«, wandte sich Carlo an das Mädchen. »Juliane!«
Dann sagte die Mutter: »Du bist Carlo, stimmt’s?«
»Ja.«
»Ich kenne deine Mutter von früher. Wir haben zusammen studiert. Und als wir uns vor zwei Monaten wieder trafen, hat sie mir von dir vorgeschwärmt.«
»So, was denn?«
»Dass du selbstbewusst bist und ein wenig anders als die anderen Mädchen. Weil du dich z. B. für Fußball und Motorräder interessierst. Ich habe früher eine Harley Davidson gefahren, weißt du!«
»Nein, wirklich?«
»Ja, doch das war noch vor der Kleinen.«
Carlo war beeindruckt. Die fremde Frau gefiel ihr. Am liebsten hätte sie sich noch länger mit ihr unterhalten, doch sie stand unter Zeitdruck: »Was, es ist schon wieder 15 Uhr, dann muss ich mich beeilen. Passt du auf die Kleine auf? Ich bin heute Abend gegen 22 Uhr wieder da und hol sie ab. Und du, sei schön brav und iss nicht zu viel Süßigkeiten, hörst du!« Sie drückte ihre Tochter an sich, gab ihr einen flüchtigen Kuss und verschwand.
Carlo stand noch lange im Türrahmen und sah ihr nach, wie sie in ihr schickes Cabrio stieg.
Dann setzte sie sich wieder an ihren Schreibtisch und rief das Englischprogramm auf, mit dem sie mühsam versuchte Vokabeln zu lernen. Doch ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Der Kleinen hatte sie ein Puzzle gegeben. Sie saß jetzt neben ihr auf dem Boden und versuchte die Teile zusammen zu setzen.
»Juliane, sag mal, wie alt ist eigentlich deine Mutter?«
»So viel«, sagte die Kleine und zeigte drei Mal ihre kleinen Händchen.«
»Hast du noch andere Geschwister?«
»Nein, Mami und ich sind allein, mit Irene. Vati ist weg, Vati ist böse. Juliane hat jetzt zwei Mamis.«
»Du hast zwei Mamis?«
»Mama und Irene.«
Carlo stutzte.
»Wieso hast du zwei Mamis?«
»Ich habe zwei Mamis«, wiederholte die Kleine nur, statt eine Begründung abzugeben.
»Aber, deine Mutter war doch verheiratet«, stammelte Carlo noch immer ungläubig.
Nun konnte sich Carlo überhaupt nicht mehr auf ihre Englischvokabeln konzentrieren. Plötzlich dämmerte ihr, was die Kleine damit gesagt hatte. Die Freundin ihrer Mutter lebte mit einer Frau zusammen. Carlo war vorher noch nie einer Lesbe begegnet, und so wie diese Frau hatte sie sich auch keine vorgestellt.
Dann machte sie sich darüber Gedanken, wie sie sich eine Lesbe vorstellte, welche Eigenschaften sie ihr zuordnete. Es kam ein ziemlich schräges Bild dabei heraus. Sie wusste nur eines, mit solchen Frauen wollte sie nichts zu tun haben. Warum sie so fühlte, konnte sie nicht erklären, doch Lesben waren für sie etwas ganz Schlimmes. Es waren irgendwie Frauen, denen ein Makel anhaftete und die von den anderen Menschen ausgegrenzt wurden.
Drei Stunden später kehrte ihre Mutter wieder zurück. »Nun mache ich euch beiden erst einmal etwas zu essen«, begrüßte sie die verwaisten Töchter und ging in die Küche.
»Sag mal, was ist das eigentlich für eine Freundin von dir? Habt ihr früher viel zusammen gemacht?«, begrüßte Carlo ihre Mutter.
»Das kannst du wohl sagen, wir sind oft zusammen tanzen gegangen, haben uns alles anvertraut und hatten viel Spaß zusammen. Es gab Zeiten, da war Margot der wichtigste Mensch für mich. Doch dann trennten sich ganz plötzlich unsere Wege, als Margot ihren Mann Werner kennenlernte. Ich mochte Werner von Anfang an nicht. Und ich hatte recht mit meinem Gefühl.« »Wieso?«
»Er hat die Kleine ...«, alles Weitere flüsterte Frau Hartmann ihrer Tochter ins Ohr.
»Ist nicht wahr! Und die Mutter hat nichts gemerkt?«
»Nein, anfangs nicht, erst, als ihre Tochter nichts mehr essen wollte und immer eine Szene machte, wenn sie mal mit ihrem Vater allein bleiben sollte. Doch wer denkt auch gleich an so etwas?«
»Stimmt das, dass sie eine Harley fuhr?«
»Und ob, ich bin sogar einmal mitgefahren, doch danach nie wieder. Sie fuhr mir zu wild. Überhaupt haben wir damals viele krumme Dinge ausprobiert.«
»Und jetzt, was macht sie jetzt?«
»Sie hat sich von ihrem Mann getrennt, das sagte ich dir doch bereits.«
»Und sonst nichts?«
»Nein, du scheinst dich ja mächtig für Margot zu interessieren.«
»Ich interessiere mich für alle interessanten Menschen.«
»So, übrigens Fußball spielte sie damals auch.«
Als es abends gegen 22 Uhr schellte, sagte Carlo: »Lass nur Mama, ich geh schon.«
»Wie aufmerksam, Tochter.«
Carlo kannte die Fremde jetzt kaum wieder. Sie trug einen silberfarbenen Nadelstreifenanzug und dazu eine passende Weste. Offensichtlich kam sie gerade von einem Geschäftstermin.
»Schönen guten Abend. Ich hoffe, die Kleine war nicht zu wild.«
»Aber nein, ganz und gar nicht«, sagte Carlo, als Frau Hartmann auch schon herbeieilte und ihrer Freundin um den Hals fiel.
»Meine Güte Margot, lass dich anschauen, du hast dich kaum verändert. Komm rein, lass uns zusammen ein Glas Wein trinken.«
»Keinen Wein bitte, doch Wasser nehme ich gerne, ich muss ja noch fahren.«
»Natürlich, wie du meinst.«
Carlo stand da und starrte abwechselnd auf ihre Mutter und die seltsame Fremde.
»Los Carlo, ab Vokabeln lernen.«
»Darf ich euch etwas zu trinken holen?«
»Meine Güte, wie aufmerksam. Ich habe mich doch nicht verhört?«
»Nein Mama, setz dich ruhig hin, ich hole euch die Getränke«, sagte Carlo und verschwand in der Küche.
»Eine süße junge Frau, Ruth, dein Ableger. Sie ist dir im Übrigen wie aus dem Gesicht geschnitten.«
»Danke, Margot, frau tut was sie kann. Doch sie scheint dich auch zu mögen. Heute Nachmittag hat sie mir Löcher in den Bauch gefragt. Sie wollte wissen, wie du lebst und was wir früher zusammen unternommen haben. Doch nun erzähl mal, seit wann ist die Scheidung durch?«
»Seit zwei Monaten. Es war schwierig, ihm den sexuellen Missbrauch an Juliane nachzuweisen. Keiner wollte mir glauben. Du weißt, wie das ist, wir haben ja einen gut funktionierenden Täterschutz, auch bei den Gerichten. Doch ich bin froh, dass Juliane dann gegen ihn ausgesagt hat, obwohl ich ihr das eigentlich ersparen wollte. Jedenfalls ist ihr Erzeuger jetzt aktenkundig und bekommt auch kein Besuchsrecht mehr.«
Carlo kam mit einem Tablett und den Getränken zurück. Geschickt füllte sie die Gläser und nahm auf dem Sofa neben Margot Platz.
»Danke, Carlo – aber nun kannst du in dein Zimmer gehen. Ich denke, du hast noch genug mit deinen Vokabeln zu tun. Margot hat mich lange nicht gesehen und will sich sicherlich allein mit mir unterhalten.«
»Aber nein, lass sie doch ruhig dabei sein. Sie ist doch schon alt genug, auch solche Dinge zu verstehen.«
Dann erzählte sie weiter und Carlo sah die Fremde nur mit staunenden Augen an.
Irgendetwas faszinierte sie an dieser Frau. Die Art wie sie sprach, ihre Gesten, ihre Mimik. Sie sprühte vor Vitalität und Charme. Ab und zu erklang ihr helles Lachen, das sie an einen Gebirgsfluss denken ließ, der zwischen hohen Felsen dahinplätscherte.