Irida 1. Irida und die Stadt der Geheimnisse - Markus Heitz - E-Book

Irida 1. Irida und die Stadt der Geheimnisse E-Book

Markus Heitz

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Beschreibung

 Das geheime Zauberreich Nächtliche Raubgräber im Maisfeld, ein rätselhafter Schlüssel und ein Vermisster in den Schlossberghöhlen - in denen es obendrein spukt! Irida und ihre Freunde, die "Furchtlosen", gehen dem seltsamen Fall im beschaulichen Städtchen Hohenburg nach. Die mysteriösen Ereignisse führen Irida auf die Spur einer geheimen Anderswelt - und von bösartigen Wesen, die als Menschen getarnt unter den Einwohnern leben. Woher kommen sie? Was haben sie vor? Ist das mystische Reich in Gefahr? Irida und ihre Freunde wissen bald nicht mehr, wem sie vertrauen können. Und dann gibt es da noch ein allgegenwärtiges Kaninchen… Der Reihenauftakt in eine fantastische Welt voller Geheimnisse, magischer Wesen und Zauberkräfte. Irida 1. Irida und die Stadt der Geheimnisse: Band 1 der Kinderbuchreihe des Fantasy-Meisters Markus Heitz - In einer verborgenen Anderswelt: Eine spannende Fantasy-Geschichte von Erfolgsautor Markus Heitz für Kinder ab 11 Jahren. - Böse Kreaturen und magische Kräfte: Mit Mut und Cleverness wollen Irida und ihre Freunde die Geheimnisse des beschaulichen Städtchens Hohenburg lüften. - Spannung pur: Ein packendes Fantasy-Kinderbuch mit Sagengestalten, Zauberkräften und echter Freundschaft. - Magischer Realismus vom Feinsten: Die neue Kinderbuchreihe von Markus Heitz öffnet das Tor zu einer fantastischen Welt. - Fantastische Abenteuer und mythologische Wesen: Die Fantasy-Reihe ist das perfekte Lesefutter für Kinder ab 11 Jahren, die Märchen und Sagen lieben. SPIEGEL-Bestsellerautor Markus Heitz ist einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Fantasy-Autoren. Seine Fantasy-Buchreihe "Die Zwerge" hat sich millionenfach verkauft. Mit "Irida" startet er eine fantastische Kinderbuchreihe voller Magie und Geheimnisse für junge Leser*innen ab 11 Jahren.  

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über dieses Buch

EIN ABENTEUER, DAS ALLES VERÄNDERT

 

Im beschaulichen Städtchen Hohenburg überschlagen sich die Ereignisse: nächtliche Schatzgräber, ein geheimnisvoller goldener Schlüssel und ein Vermisster in den düsteren Schlossberghöhlen! Gemeinsam machen sich Irida und ihre besten Freunde, die „Furchtlosen“, auf die Suche nach Antworten – und kommen einer verborgenen Anderswelt auf die Spur. Sind hier dunkle Mächte am Werk? Wem kann man noch trauen? Bald erkennt Irida, dass es auch um sie geht – und um ein Familiengeheimnis, von dem sie bisher nichts geahnt hat.

Der fulminante Reihenauftakt in eine fantastische Welt voller Wunder, magischer Wesen und Zauberkräfte – meisterhaft erzählt von Markus Heitz.

Markus Heitz

IRIDA & die Stadt der Geheimnisse

Band 1

Irida und ihre Freunde

 

Irida Becker

Sie ist vierzehn, hat etwas kantigere Gesichtszüge und lange dunkle Haare, die sie meist in Flecht- und Zopffrisuren trägt. Sie hat ein sympathisches Lächeln und etwas Geheimnisvolles im Blick ihrer dunkelgrauen Augen.

Sie stottert leicht, wenn sie aufgeregt ist, und hinkt links ein bisschen. Beides wurde behandelt, bislang ohne messbaren Erfolg.

 

Cedric Mayer

Ist vierzehn und ein sehr gut aussehender Junge mit vielen Neidern (aus unterschiedlichen Gründen).

Als K-Pop-Fan trägt er entsprechende Outfits und sein welliges blaues Haar mittellang und nach hinten gestylt (Bro Flow). Er betreibt eigene Kanäle im Internet mit Wissen und Tanzchoreografien zu K-Pop. Er hat die Furchtlosen gegründet, nachdem er gemobbt wurde.

 

Marian Jeremy Dumitru

Er ist dreizehn, kam vor Kurzem mit seiner Familie als Zuwanderer aus Rumänien und ist eine Sportskanone, ein extrem guter Sprinter, Kletterer und Hochspringer.

Er hat dunkelblonde Haare, trägt meistens Sportkleidung und fährt Rad wie ein Stuntman. Manchmal redet und handelt er ein bisschen vorschnell. Seine Eltern arbeiten als Ärzte im Krankenhaus.

 

Jinjin Sophia Zimmer

Sie ist vierzehn Jahre alt, hat eine chinesische Mutter und hilft ab und zu im Familienrestaurant, das ihr Vater vor vier Jahren eröffnete.

Sie kennt sämtliche Legenden und Sagen im Umfeld von Hohenburg, weswegen ihr Lieblingsfach Deutsch und sie gerne in der Bibliothek ist. Die schulterlangen schwarzen Haare werden durch ihre bunte Brille betont.

 

 

Das Städtchen Hohenburg

Eine Kleinstadt mit etwa zwölftausend Einwohnern, dazu kommen noch die umliegenden Gemeinden. Rings herum wächst viel Wald, es gibt einige Bäche, die Gegend ist hügelig und ein bisschen verwunschen.

In und rund um Hohenburg existieren jahrhundertealte keltische Hügelgräber, manche sind bekannt, andere noch verborgen. Außerdem wartet ein römisches Freilichtmuseum auf einen Besuch, mit teils aufgebauten Häusern nach historischem Vorbild, in dem Veranstaltungen stattfinden.

Nicht zu vergessen die Ruine eines Klosters aus dem Mittelalter, von der aus man einen herrlichen Blick auf das Tal hat.

Und natürlich den sagenhaften Schlossberg mit der größten Buntsandsteinhöhle Europas: dreizehn Stockwerke, von denen drei besucht werden können. Auf dem Berg stehen die Ruine der Hohenburg, die Reste einer später dazu erbauten Festung, und auf dem benachbarten Charlesberg sind die Überbleibsel des gleichnamigen Schlosses zu finden.

1. KAPITELDer schräge Onkel

Hohenburg, Gegenwart, Herbst

»Wer hat das Kaninchen in die Küche gelassen?«

Irida grinste, als sie die verwunderte Frage ihrer Mutter hörte. Die Vierzehnjährige stand in dunkelgrünem Hoodie und Jeans mit dem Rücken zu ihr am Herd und rührte den Schokoladenpudding, damit er nicht anbrannte. Die langen dunklen Haare trug sie in einer Flechtfrisur. »Aber Mama. Nooba muss man nicht reinlassen. Sie ist einfach da.«

»Den Eindruck habe ich auch. Neugieriger kleiner Mümmler.« Sie lachte. »Aber sie bekommt keinen Pudding!«

»Mag sie sowieso nicht.«

»Das hast du schon ausprobiert?«

»Klar! Sie ist sehr wählerisch. Aber ich erspare dir, was Nooba alles mag und was nicht.« Irida zog den Topf von der heißen Platte. »Fertig für heute Abend als Dessert. Muss nur noch abkühlen.« Dabei streute sie eine Handvoll Schokoladenstreusel darüber und rührte ein letztes Mal um, damit sie darin schmolzen. Für noch besseren Geschmack. Dann nahm sie den Schneebesen aus der Masse und drehte sich ein wenig unbeholfen um. »Wie war’s auf der Arbeit?«

Ihre Mutter Nicole stand im grauen Jogginganzug und frisch geduscht in der Küche; um den Kopf wickelte sie ein Handtuch. »Wie immer. Volle Restmülltonnen und jetzt alle entleert. Das Gute am Herbst ist: Der Abfall stinkt weniger.«

Neben der noch schwingenden Katzenklappe saß Nooba, von der alle annahmen, sie wäre ein Kaninchen. Im schwarzbraunen Fell fiel das rote Halsband mit dem Namensanhänger besonders auf. Das goldene Glöckchen bimmelte manchmal, manchmal nicht.

Nooba schaute zwischen Irida und ihrer Mutter hin und her, als erwartete sie ein Leckerli von ihnen. Das niedliche Näschen schnupperte.

Keiner wusste, wem das zahme Kaninchen gehörte.

Nooba tauchte überall in Hohenburg mal auf, besuchte die Menschen und hoppelte wieder davon. Sie galt insgeheim als Maskottchen der kleinen Stadt. Seit Jahren. Ein Fan hatte ihr einen eigenen Account in den sozialen Medien angelegt.

»Wo sind deine Geschwister?« Nicole fischte ein Würstchenglas aus dem Vorratsschrank, doch sie bekam den Deckel nicht aufgedreht.

Irida nahm das Glas und öffnete den Schraubverschluss ohne Anstrengung. Wie immer. Sie bekam sämtliche Verschlüsse auf, wo alle anderen in der Familie versagten, sei es drücken, schieben, drehen oder aufreißen. »Papa hat Lea zum Cellounterricht gefahren und danach Spätschicht. Nick ist beim Treffen der Freiwilligen Feuerwehr. Irgendeine Übung.«

»Ach ja. Alle eingespannt und unterwegs.« Ihre Mutter nahm ein Würstchen heraus und biss ab. »Ich hab so einen Hunger«, gestand sie und verdrehte genießend die blauen Augen. »Ich kann nicht bis zum Abendbrot warten. Schwere Tonnen schieben ist anstrengend«, erklärte sie mit vollem Mund und sah zum Kaninchen. »Ob sie Würstchen isst?«

»Nicht, dass ich wüsste.« Irida lachte. »Aber Pommes. Keine Mayo, kein Ketchup.«

»Seltsames Tier. Dabei weiß jeder, dass zu Pommes Mayo gehört.« Nicole lehnte sich schmausend gegen die Arbeitsplatte. »Ist heute nicht dein Kugelstoßtraining?«

Irida zuckte mit den Schultern.

»Fällt es aus, oder lässt du es ausfallen?«

»Ich bin das einzige Mädchen dort. Und die Jungs verarschen mich, obwohl ich besser bin als sie«, erklärte Irida genervt und kreuzte die Arme vor der Brust. »Keinen Bock mehr drauf.«

Nicole lächelte verständnisvoll und mitleidig. »Aber du bist so gut, Liebes. Der Verein braucht dich.«

Irida stieß die Luft aus.

Einmal mehr kam sie sich als Außenseiterin vor. Und das zog sich gefühlt durch ihr ganzes Leben.

Die elfjährige Schwester Lea war hochbegabt, der ältere Bruder beliebt und ein Mädchenschwarm. Und unfairerweise clever dazu.

Irida hingegen hinkte leicht auf dem linken Bein, ohne dass die Ärzte rausfanden, was der Grund war. Nichts half, auch keine Einlagen.

Außerdem stotterte sie, sobald sie aufgeregt war, und ansonsten gab es nichts Besonderes und Außergewöhnliches an ihr. Wenn man einmal davon absah, dass sie kräftiger war als die meisten, ohne dass man es ihr ansah.

Und natürlich waren alle in ihrer Familie blond, silber- oder dunkelblond.

Irida nicht. Das dunkelhaarige Schaf mit dem kantigeren Gesicht, wie sie sich selbst sah. Manchmal fühlte sie sich wie verflucht. Sie hatte alles Miese abbekommen, ihre Familie bekam das Gute.

Ein Ort, an dem sie sich immer wohl und willkommen fühlte, war der Wald, der keine zehn Meter vom Haus entfernt lag.

Und bei ihrer Freundesgruppe, die Furchtlosen, wie sie sich nannten. Außenseiter wie Irida, aus verschiedenen Gründen. Nach dem Wechsel aufs Burg-Gymnasium war sie von ihnen aufgenommen worden.

»Na, gib ihnen noch eine Chance«, bat Nicole und stellte das Glas ab, um sich Cola aus dem Kühlschrank zu greifen. Sie trank den kleinen Rest aus der Flasche.

»Mal sehen«, lenkte Irida ein, ohne es ernst zu meinen. Sie wollte keinen Ärger. Den gab es für ihren Geschmack zu oft. Wegen Kleinigkeiten mit ihren Geschwistern oder Missverständnissen mit den Eltern.

Die Pubertät, hieß es, sei schuld daran.

Irida fühlte, dass es nicht so einfach war. Sie spürte es mehr als eine große Unzufriedenheit mit allem, was sie tat oder was um sie herum geschah.

Und diese Unzufriedenheit wuchs. Ausgenommen davon waren nur der Wald und ihre Freunde.

Nooba hoppelte putzig eine Runde durch die Küche, wie um sich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, und verschwand durch die Katzenklappe hinaus in den Garten, hinter dem der Wald übermächtig und majestätisch begann.

»Wir sollten den Durchgang mal abbauen«, sagte Nicole und betrachtete die schwingende Klappe.

»Oder uns eine neue Katze zulegen«, schlug Irida vor.

Da erhob sich ein Schatten vor der Hintertür. Gleich darauf wurde sie mit einem heftigen Ruck aufgestoßen.

Nicole schreckte zusammen und schrie leise auf.

Aber Irida nicht. Sie griff den Fleischklopfer und holte zum Schlag gegen den Eindringling aus, ohne nachzudenken oder sich zu fürchten. Ihre Muskeln spannten sich.

Zum Glück für den Mann erkannte sie ihren Irrtum rechtzeitig und lachte erleichtert. »Ardo!«

»Jaaaa, der schräge Onkel ist wieder da!«, rief er gut gelaunt und riss den breitkrempigen hellen Hut von den langen Silberlocken. »Direkt aus der Wüste von Dubai.« In seinen dunkelgrauen Augen blitzte der Schalk. Wie immer trug er den breiten schwarzen Schnurrbart mit den nach oben gedrehten Enden und das Kinnbärtchen. »Habt ihr mich vermisst?«

»Und wie!« Irida eilte zu ihm und umarmte ihn fröhlich.

Er lachte und küsste ihre Stirn. »Wolltest du mich weichprügeln?« Leise ächzte er. »Du meine Güte! Bist du noch stärker geworden? Du brichst mir fast die Rippen.«

»Ich dachte, du wärst ein Einbrecher.« Irida ließ ihn los und betrachtete ihn.

Ardo, der eigentlich Edoardo hieß, war der wesentlich ältere Bruder ihrer Mutter und ein Paradiesvogel. Ein Außenseiter, wie sie. Deswegen sah sie in ihm ihren Verbündeten, der die gleiche Augenfarbe hatte. Er passte in kein Schema, trieb sich auf der Welt herum, jagte historische Schätze und Rätsel, um sein Geld zu verdienen.

Bislang ohne nennenswerten Erfolg, und trotzdem kam er irgendwie durch.

In den Augen von Iridas Vater Jan und den meisten Hohenburgern, die ihn kannten, blieb er ein Spinner. Aber Irida verstand ihn.

Ardo trug ein grünes Hemd, beigefarbene Cargohose und schwarze Lederjacke. In der linken Hand schleppte er eine ramponierte Sporttasche mit vielen Flaggenaufnähern, in der rechten hielt er eine langstielige Elektrosonde, mit der man Metalle im Boden aufspürte. Sie ähnelte einem modernen Stielstaubsauger mit einem großen, runden Deckel am unteren Ende.

»Ich habe Geschenke dabei«, verkündete er ausgelassen und gab Nicole einen Kuss auf die Wange. »Hallo, Schwesterherz.«

»Edoardo, du Volltrottel!« Spielerisch schlug sie nach ihm und hielt das Handtuch um ihre Haare fest. »Mach das nie wieder. Nicht … schon wieder!«

»Ach, komm. Das war bestimmt das zehnte Mal. Müsstest du gewohnt sein«, sagte er und lachte beschwichtigend. »Und du klingst immer noch wie als kleines Mädchen in der Geisterbahn.« Dabei zwinkerte er Irida zu. »Während deine mutige Tochter mich beinahe unangespitzt in den Boden geschlagen hätte. Mit einem Fleischklopfer.« Er stellte Sonde und Tasche ab.

Iridas Neugier flammte auf. »Was hast du alles dabei?«, wollte sie wissen.

»Es ist doch nichts davon gestohlen?«, warf Nicole ein.

»Ich schwöre«, sagte Ardo und hob feierlich die Hand.

»Dass es gestohlen ist oder …?«, hakte die Mutter misstrauisch nach.

»Ich schwöre, dass nicht.« Er beugte sich zur Tasche, öffnete sie und räumte ein Dutzend Schachteln in verschiedenen Größen heraus, die auf der Arbeitsplatte landeten. »Die Namen stehen drauf. Du kannst sie später übergeben«, sagte er zu seiner Schwester. »Ich muss gleich wieder weg. Eine Verabredung. Und am Abend geht mein Flug nach Peru.« Bedeutungsvoll wählte er das größte Päckchen von allen, mit einer Kantenlänge von dreißig Zentimetern, und reichte es an Irida. »Für dich.«

Sie nahm es gespannt entgegen. »Schwer. Also, nicht für mich, aber …« Sie kippte es nach rechts und links. »Irgendwas … rieselt?«

»Ja, ja. Irgendwas rieselt.« Ardo machte eine auffordernde Handbewegung und grinste. »Sieh nach.«

Irida öffnete die Verpackung vorsichtig.

Darin war: heller, weißer Sand, gute zwanzig Zentimeter hoch.

»Was ist das?«, wollte sie wissen.

»Ich habe dir die Wüste gebracht! Weil ich ja weiß, dass du grelle Sonne und Wärme nicht so magst. Ich ja eigentlich auch nicht, aber ich finde, man muss Dinge wagen«, erklärte Ardo. »Aus Dubai.«

»Oh, danke!« Tatsächlich hatte sie sich immer gewünscht, einmal in den Dünen spazieren zu gehen. »Jetzt kann ich zumindest die Füße reinstellen.«

»Da ist hoffentlich kein Skorpion drin, Edoardo!«, herrschte ihn Nicole an.

»Nein. Aber es ist noch was zwischen den Körnchen«, machte er seine Nichte aufmerksam.

Nach ein bisschen Tasten fand Irida ein Ei, ein bisschen kleiner als von einem Huhn, das sie herauszog. Die Hülle zeigte kunstvolle Muster und seltsame Zeichen.

»Was ist das?«, hauchte sie fasziniert.

»Ja, was ist das?«, echote Nicole schärfer.

»Ich weiß es nicht. Ist von einem Basar im letzten, ältesten Winkel der Stadt. Wo es keine Hochhäuser und Moderne gibt. Der einäugige Verkäufer sagte, es könnte das Ei einer Chimäre sein. Eine Fabelgestalt. Du solltest es im Sand ruhen lassen, immer in die Sonne stellen, und eines Tages schlüpft es. Vielleicht. Wer weiß schon, wann?« Ardo grinste und drehte die schwarzen Schnurrbartenden nach oben. »Oder es ist nur ein Mitbringsel aus Stein. Und es passiert – nichts.«

Aus diesem Grund liebte Irida ihn. Bei ihrem Onkel war alles möglich. »Danke! Ich gebe gut darauf acht.«

»Wehe, es ist ein … was weiß ich.« Nicole sammelte die übrigen Geschenke ein. »Ich trage sie ins Wohnzimmer. Da ist mehr Platz, wenn sich alle drüber hermachen.« Sie verließ die Küche.

»Ach ja, ich habe noch etwas für dich.« Er langte in seine Lederjacke und zog eine herausgerissene Seite hervor. »Eine neue, vergessene Legende«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Aus Hohenburg. Für die Sammlung deiner Truppe. Frag lieber nicht, aus welchem geheimnisvollen Buch ich sie habe. Wurde unter Einsatz meines Lebens erobert.«

»Oh, wie toll!« Irida und ihre Furchtlosen sammelten Erzählungen, die in ihrer Heimat spielten, und sie hatten schon viele Märchen, Sagen und Legenden zusammengetragen.

Die meisten waren unheimlich.

Spukig.

Und ein bisschen düster.

Sie faltete das Blatt auseinander und las.

Der Geist des Raubritters Mala

 

Im Hohenburger Wald, im eigenartig schönen Kerrberger Tal, erhebt sich ein schroffsteiler Fels einige Meter aus dem Grund.

Dort, auf dem Malachsfelsen, stand die Burg des grausamen Raubritters Mala. Bis heute sind die Ruinen zu sehen, die unter dem Namen Merburg bekannt sind.

Lange Zeit trieb der grausame Raubritter in den Wäldern von Hohenburg sein Unwesen, plünderte und erschreckte die Menschen. Einige Mutige, die gegen Mala kämpfen wollten, verloren dabei ihr Leben auf schlimmste Weise.

Dabei lauerte Mala nicht nur Reisenden auf, um ihnen Hab und Gut zu rauben, oder überfiel Bauernhöfe in der Umgebung.

So stellte er gar den scheuen Naturgeistern im Hohenburger und Kerrberger Wald nach, um an ihre vergrabenen Schätze zu gelangen oder Feen zu zwingen, ihn zu versteckten Keltengräbern zu führen, damit er sie fleddern konnte.

Auf diese widerliche Weise gelangte Mala an ein stattliches Vermögen, für das er eine geheime Kammer tief in der Merburg errichtete. Nur mit einem magischen Schlüssel, den ihm ein Zwerg schmieden musste, war die Stahltür zu öffnen.

Doch bei einem Jagdausflug verlor Mala den sagenumwobenen Schlüssel und fand ihn niemals wieder. Angeblich habe der Zwerg, der diesen geschmiedet hatte, ihn entdeckt und aus Bosheit versteckt.

Mala verlor vor Ärger sein Leben – und seine Seele. Sodass er zu einem rachsüchtigen Geist wurde, der nicht eher ruhen wird, bis er den Schlüssel zu seiner Schatzkammer gefunden hat.

Gebt acht: In manchen Nächten sieht man den Raubritter in einer verrosteten Rüstung auf der Suche durch die Wälder streifen.

Und wehe dem, der Mala dabei in die Quere kommt!

»Die ist echt spannend, danke! … Die aber auch.« Irida sah zur Stielsonde mit dem deckelartigen Ende, die ihr Onkel angeschleppt hatte.

Sie kannte solche Geräte, mit denen ihr Onkel nach Schätzen unter der Erde suchte, von früher. In klein, wie eine Taschenlampe, und groß, wie dieses Modell. Gold, Silber und vieles mehr konnte man damit aufstöbern; das Gerät piepte, wenn es etwas im Boden fand.

Leider reagierte es auch auf wertloses Eisen, alte Waffen aus den Weltkriegen und Schrott.

Ausgerechnet Schrott fand Ardo am meisten, ab und zu auch mal eine römische Münze in der Nähe von Ausgrabungen. Aber Schätze? Fehlanzeige.

An dieser Sonde hatte er etwas verändert. Sie sah es auf den ersten Blick. »Du hast sie umgebaut? Warum?«

Er nickte und zeigte auf die zusätzlichen Drähte, die zur runden Platte führten, die man über die Erde hielt. »Siehst du die festgeklebten Edelsteine?«

»Ja.«

Ardo machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Ich bin an etwas Großem dran. Ganz sicher! Keine rostigen Dosen, keine Hufeisen mehr, die ich ausbuddle.« Er streichelte die vielfarbigen Edelsteine, die er mit den Drähten verbunden hatte. Die Kabel führten am Stiel der Sonde hinauf bis zum Steuergerät und in einen eigenen winzigen Monitor. »Ich kann nun übersinnliche Energien messen. Wegen ihnen.«

»Übersinnlich? Was bedeutet …?«

»Maaaagiiiie«, raunte er wie ein überdrehter Zauberer und vollführte flatternde Handbewegungen. »Alles Überirdische, was in Gegenständen steckt. Elfenkram, Flüche, von Druiden verzaubert, von Kobolden berührt und hergestellt … was weiß ich. So was eben.«

»Mit diesen Edelsteinen?«, fragte Irida skeptisch nach. »Wie soll das gehen?«

»Oh, das habe ich mir selbst ausgedacht«, flüsterte er und schaute sich um, als würde er verfolgt werden. »War das Kaninchen schon da? Ich dachte, ich hätte es vorhin gesehen.«

»Nooba? Ja.«

»Pssst!«, zischte Ardo alarmiert. »Der miese kleine Spion! Er darf davon nichts wissen. Er gehört zu denen.«

Irida blinzelte. Zu denen? Wer oder was sollte das sein? Der Nachteil an ihrem schrägen Onkel war, dass sie nie genau wusste, wann er Scherze machte und wann nicht. »Ich verrate ihr nichts.«

»Gut.« Ardo lächelte entspannter. »Ich habe dir immer gesagt, dass es in Hohenburg viel zu entdecken gibt.« Er hob aufzählend die Finger. »Die Keltengräber, die römische Siedlung von vor über zweitausend Jahren, das Kloster aus dem Mittelalter, die größte Buntsandsteinhöhle Europas, die alte Hohenburg und das Schloss Charlesberg. Oh, und die vielen Legenden! Uralter Boden mit Mystik und Magie«, wisperte er wieder voller Begeisterung und lachte merkwürdig. »Ich werde heute …«

Schritte näherten sich, dann kehrte Nicole zu ihnen zurück.

»So, die Geschenke sind aufgebaut. Fast wie Weihnachten. Wie immer, wenn du auftauchst.« Sie sah vorwurfsvoll zur Sonde, um welche die beiden standen und wie ertappte Verbrecher wirkten. »Aha! Du weißt sehr genau, dass es nicht so richtig erlaubt ist, was du machst«, deutete sie die Gesichter falsch.

»Wie meint Mama das?«, erkundigte sich Irida.

»Puh. Also. Na ja.« Ardo räusperte sich und schob das sperrige Gerät in die Sporttasche, in die es nur zum Teil passte, als wollte er es am liebsten verstecken. »Es ist gesetzlich nicht genau geregelt, wo man suchen darf und was man mit seinen Funden macht«, erklärte er ausweichend und kratzte sich unter den Silberlocken am Kopf.

»Er darf es eigentlich nicht. Und ich finde es auch nicht gut«, erklärte Nicole. »Eines Tages findest du eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg und sprengst dich in die Luft, Edoardo. Hör auf damit, bitte. Es gibt nichts zu finden, was dich reich macht.« Sie legte den Kopf schief, sodass das Handtuch leicht verrutschte. »Und selbst dann ist es nicht legal, wenn du einen römischen Goldschatz ausgräbst und ihn behältst.«

»Jaja«, sagte Ardo nur und grinste breit; die hochgedrehten Enden seines Schnurrbartes stachen fast in seine grauen Augen, die Iridas so sehr ähnelten. Er ging zur Hintertür und öffnete sie. »Ich melde mich. Bald«, sagte er in die Runde. »Und kein Wort …«, wandte er sich an Irida und raunte: »… zum Kaninchen!«

Dann huschte er zur Hintertür hinaus.

»Verrückter Kerl«, murmelte Nicole und schüttelte den Kopf. »Was ist mit Nooba?«

»Keine Ahnung«, flunkerte Irida. »Ich finde ihn normal. Ohne ihn hätte ich manchmal wirklich Bedenken, dass ihr mich adoptiert habt.« Sie goss den Pudding in eine bereitgestellte Glasschüssel um und kratzte die Reste aus dem Topf, hielt ihrer Mutter den Löffel zum Kosten hin. Es roch nach Schokolade.

»Du bist nicht adoptiert. Also, bitte! Wie kommst du nur auf so was?« Nicole probierte und nickte zufrieden. »Fein, fein. Mit viel Kakao.« Sie sah zur Uhr an der Wand. »Du könntest übrigens noch zum Training, wenn du …«

»Du hast mir vorhin nicht zugehört.« Schnaubend warf Irida den Löffel in die Spüle und hinkte zur Hintertür. »Ich gehe spazieren«, verkündete sie. »Ja, ich habe was für den Notfall dabei.« Sie zog ihr Smartphone, ein günstiges Modell, aus der Tasche, wackelte damit beweisend.

Dann eilte sie aus dem Haus, um die Antwort ihrer Mutter nicht hören zu müssen, die sie sonst zum Vereinsbesuch überreden wollte. Einmal mehr.

Aber Irida war nicht danach.

Nach einigen humpelnden Schritten gelangte sie hinten im Garten über die Grundstücksgrenze.

Aus dem sauber gemähten Rasen wurde ein Dickicht aus riesigen Farnblättern. Der herbstliche Wald umarmte sie mit seinen verschiedenen Baumarten und Gräsern, dem Duft nach Moos, Pilzen und Laub, und seinen Geräuschen aus Vogelgesang, Blätterrascheln sowie dem Knarren von Holz.

Schon nach wenigen Metern entspannte sich Irida.

Tief atmete sie ein und schloss die Augen.

Keine Außenseiterin mehr.

Ein Teil von etwas, wo sie hingehörte, auf eine unerklärliche Art und Weise.

Summend meldete das Smartphone den Eingang einer Textnachricht und zerstörte den Einklang.

Irida seufzte und checkte die Message, falls es wichtig sein sollte.

Und tatsächlich: Die Furchtlosen wurden zusammengerufen, wie die Zeilen verrieten. Denn es gab Neuigkeiten. Sie waren zum Karaoke-Turnier zugelassen.

SPRINGWURZEL

 

In der weiteren Umgebung soll es eine Pflanze geben, die sogenannte Springwurzel.

Ihr riesiger Vorteil: Sie kann sämtliche Schlösser öffnen. Sobald man mit ihr eine Tür, eine Pforte, ein Schloss berührt, springt es auf – daher der Name.

Einer Sage nach soll im Jahr 1657 danach gegraben worden sein.

Allerdings wird sie von einem Mann mit fünf abgerichteten Hunden bewacht, und sie muss zwischen elf und zwölf Uhr nachts ausgegraben werden.

Mit der Hilfe eines halben Talers und eines Schillings, was alte Münzen sind.

Und auch nur in der Sankt-Jakob-Nacht.

Ich habe nachgeforscht. Das entspricht wohl dem 25. Juli.

Die Springwurzel könnte helfen, uns Eintritt zu verschaffen …

 

Aufzeichnungen von Storeik S.

2. KAPITELNächtliche Rätsel

Schwarzacker, nahe Hohenburg, Gegenwart, Herbst

»Der Hase!«

»Welcher Hase?«

»Da, schräg neben uns. Schwarzbraun, mit einem roten Halsband. Er … er beobachtet mich!«

Pierre, Ende zwanzig und in einen blauen Overall gegen Schmutz gekleidet, hob den bemützten Kopf, um dorthin zu schauen, wo sein gleichaltriger Kumpel Antoine hindeutete. Mit seiner Taschenlampe leuchtete er durch die Nacht und hielt dabei drei Finger davor, um die Helligkeit zu dämpfen.

Der dosierte Schein fiel auf das Tier, das in Seelenruhe an einem Blatt mümmelte. Das goldene Glöckchen klingelte leise.

»Das? Das ist ein Kaninchen, du Spinner.« In der herbstlichen Kälte wurde Pierres Atem als weiße Wolke sichtbar. »Lass es doch.«

Es war kurz nach Mitternacht, und ein großer Vollmond hing über ihnen am sternenklaren Himmel. In der Ferne bellte ein Fuchs.

»Aber es starrt uns an«, beharrte Antoine. Er hatte das Graben mit der Schaufel auf dem abgeernteten Maisfeld eingestellt, das ganz in der Nähe des römischen Freilichtmuseums lag. Auch er steckte in einem Overall, eine Fellkappe saß auf seinen hellen Haaren. »Als würde es … angreifen wollen! Und uns fressen.«

Auf der benachbarten Straße nahe den Tennisplätzen hatten die Franzosen aus dem nahen Lothringen ihren Transporter abgestellt, um schnell abhauen zu können. Falls jemand die beiden Raubgräber bemerkte und die Polizei rief.

»Es ist ein zahmes Kaninchen. Mehr nicht.« Pierre rammte die Schaufel tiefer in die Kuhle, in der sie standen. »Los, zurück an die Arbeit.«

Neben ihm, seitlich vom Aushub, lag eine langstielige Metallsonde, an deren runder Unterseite mehrere Edelsteine befestigt waren und von der Drähte zum Steuergerät führten. Damit hatten sie nach einer Stunde Lauferei und Sucherei einen Erfolg erzielt.

Jetzt ging es darum, ihren hoffentlich wertvollen Fund zu bergen. Schnell.

Bevor sie von einem Anwohner durch einen Blick aus dem Fenster oder einem Hundebesitzer auf der Gassirunde entdeckt wurden. Der Vollmond machte das Sehen für die zwei jungen Männer leicht – für alle anderen aber auch.

Antoine beteiligte sich zögerlich am Buddeln. »Das passt mir nicht.«

»Alter, es ist einfach nur ein blödes Karnickel«, fuhr Pierre ihn an und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Trotz der Kühle war es anstrengend.

»Aber … es guckt, als wüsste es, was wir tun. Und was wir vorher getan haben.« Er nahm die Sonde mit einer Hand vom Hügel, schaltete sie ein und führte die Unterseite mit den angeklebten, verdrahteten Edelsteinen rasch hin und her über das geschaffene Loch im Stoppelfeld.

»Was machst du da?«

»Nachschauen, ob wir uns nicht geirrt haben.« Antoine biss sich auf die Unterlippe. »Dass dieser alte Verrückte was gebaut hat, das funktioniert, kann ich noch nicht glauben.«

Das Gerät zeigte mit einem leisen Piepsen ungebrochen ihren gemachten Fund an. Den Anzeigen auf dem Display und den Signaltönen nach handelte es sich um ein Edelmetall. Irgendwas aus Gold oder Silber.

Zusätzlich dazu leuchteten die angeklebten Edelsteine und warfen ihr buntes Licht auf die Erde. Der dazugehörige zweite, extra angebaute Kleinmonitor flimmerte in Blautönen. Blau bedeutete laut der Liste, welche die beiden hatten, der Gegenstand sei außerdem magisch.

»Ich sagte doch, dass wir richtig sind«, kommentierte Pierre zufrieden. »Leg die Sonde weg, und hilf mir.«

Aber Antoine grinste zufrieden, ohne das Graben aufzunehmen. »Weißt du, was wir mit dem Ding hier alles aufspüren können?«

»Mir reicht erst mal ein Fund. Los jetzt!«, feuerte Pierre ihn an. »Ich mache deine Arbeit nicht mit.«

»Dieser alte Sack hätte für seine Erfindung einen Nobelpreis verdient«, jubelte sein Kumpel. »Wir … wir können sämtliche legendären Schätze der Welt heben. Damit! Wie immer er es geschafft hat, es spürt Magie auf und …«

»Ob es das kann, sehen wir erst, wenn wir gehoben haben, was unter unseren Füßen liegt«, unterbrach Pierre ihn ungehalten. »Und da liegt es noch, weil du mir nicht hilfst. Schnapp dir endlich die Schaufel, verdammt! Die nächsten Häuser sind keine hundert Meter weg. Uns kann jederzeit jemand sehen. Und ich will nicht mit leeren Händen verschwinden.«

»Ist ja gut. Beruhig dich. Ich mach ja schon!« Antoine schaltete die Sonde aus und legte sie grummelnd weg, begann mit dem Schippen.

Ein Rascheln im Gebüsch ließ die zwei innehalten und sich ducken.

Antoine schaute sich rasch um, sah aber niemanden im Unterholz. »Was war das?«, flüsterte er.

»Ein Reh. Irgend so was.« Pierre bückte sich. In der Erde hatte er etwas im Licht der Sterne glitzern sehen. Daher grub er mit einer kleinen Handschaufel weiter, um ihre Beute nicht zu beschädigen.

»Der Hase ist auch weg«, raunte Antoine.

»Kaninchen. Sei froh. Es wollte dich doch fressen«, stichelte er grinsend und befreite den handlangen Gegenstand mehr und mehr aus dem Boden. Noch konnte er nicht genau sagen, was es war. Der Schimmer, der davon ausging, wirkte gelbgolden.

»Heute ist Vollmond. Sagt man nicht, dass es die Zeit der Werwölfe ist?« Antoine schauderte und bekam nicht mit, auf was sein Kumpel gestoßen war.

»Das Kaninchen wird sich schon nicht in ein Monstrum verwandeln.« Pierre zog am Overall seines Freundes, um ihn auf den Fund aufmerksam zu machen. »Sieh mal.«

Antoine senkte zögerlich den Blick. »Oh! Wir haben was!«, rief er aus Versehen lauter als gewollt. »Äh. Was haben wir?«, fragte er danach unsicher.

»Weiß nicht. Noch nicht.« Pierre schob die schwarzen Krumen vorsichtig mit der Schaufelspitze weg und legte den Gegenstand weiter frei. »Sieht aus wie ein … wie ein …«

»Ziemlich großer Schlüssel«, ergänzte Antoine verblüfft und ging in die Hocke, um zu helfen. »Der ist fast so lang wie meine Hand«, staunte er. »Was sind da für Zeichen drauf?« Schnell griff er die Sonde, schaltete sie ein und hielt sie darüber.

Sowohl die Anzeige für Edelmetall als auch für Magie leuchteten auf.

»Jawoll! Ein Glückstag«, entfuhr es Antoine. »Das ist unser Fund.«

»Glücksnacht. Und sei leise, verdammt«, fluchte Pierre.

Erneut knackte es im nahen Unterholz. Und das Rascheln kam auf die beiden jungen Männer zu.

Plötzlich grollte es. Grunzte es. Schnaubte es.

»Da ist was Riesiges!« Antoine sprang in die Höhe und hielt die Schaufel zur Abwehr vor sich.

»Ein Wildschwein. Mach es nicht wütend. Es denkt, wir klauen ihm das Abendessen.« Pierre hatte den gelbgoldenen Schlüssel geborgen und wischte die Krümel mit den behandschuhten Fingern ab. Er war völlig in seinen Fund versunken. »Wahnsinn. Stell dir vor, zu welcher Schatzkammer der passen könnte.« Begeistert drehte und wendete er das Artefakt.

Im Mondlicht wurden die eingravierten Symbole deutlich sichtbar, doch übersetzen konnte Pierre sie nicht. Weder Französisch noch Deutsch. »Das muss irgendwas Altes sein.«

Antoine hatte ganz andere Sorgen: Blutrote Augen, groß wie eine Faust, starrten um einen Baumstamm herum zu den Raubgräbern.

Das Grollen wurde zu einem bösen, aggressiven Knurren.

»Hör auf, mir Angst machen zu wollen«, sagte Pierre abwesend und pustete über den Schlüssel, um Schmutz zu entfernen.

»Das war ich nicht! Weg hier!«, rief Antoine in Panik und rannte zum geparkten Transporter.

Laut krachte es, und ein großer Schatten preschte aus dem Unterholz, nahm trampelnd die Verfolgung auf.

Unvermittelt erklang der laute Schrei des jungen Mannes und verstummte abrupt.

Ruckartig hob Pierre den Kopf, um nach seinem Kumpel zu schauen.

Doch dieser war verschwunden.

»Antoine?« Langsam erhob er sich und steckte den Schlüssel in die vordere Overalltasche. »Was soll der Mist? Du bist ein schlechter Erschrecker, ehrlich!«

In einigen dunklen Fenstern der nahen Häuser sprang das Licht an. Man hatte den lauten Ruf in der stillen Nacht gehört. Zwei Hunde bellten aufgeregt in der nahen Siedlung.

»Das hat noch gefehlt«, murmelte Pierre.

Neben ihn hoppelte das schwarzbraune Kaninchen und betrachtete ihn, das schnuppernde Näschen wackelte. Auf dem Fell hafteten frische, dunkle Spritzer, die kein Wasser waren.

»Ist das … Blut? Was zum Teufel?«, fluchte Pierre und wich vor dem niedlichen Tier zurück. »Hast du ihn gefressen?«

In diesem Moment vernahm er das laute Knurren hinter sich. Etwas sehr Starkes packte ihn im Nacken, um ihn hochzuheben und wegzuschleudern wie eine leichte Puppe. Schreiend flog er etliche Meter davon.

Der Aufschlag im Unterholz schmerzte Pierre, und ächzend versuchte er, sich auf die Füße zu stellen.

Doch da war der Schatten mit den faustgroßen roten Augen schon über ihm.

Hohenburg, Gegenwart, Herbst

Auf dem Pausenhof des Burg-Gymnasiums gab es kein anderes Gesprächsthema als die Vorfälle auf dem Feld in der Nähe des römischen Freilichtmuseums.

Und die Gerüchte gingen wild durcheinander: Mord, Massaker, Überfall. Zehn Verletzte, viele Tote bis hin zu keinem einzigen Opfer.

Manche wussten von einer angeblichen Verfolgungsjagd mit der Polizei, andere hatten von Anwohnern gehört, dass jemand wie am Spieß geschrien haben sollte. Sogar die Lehrerinnen und Lehrer sprachen die Sache kurz im Unterricht an.

»Okay, was haltet ihr davon?« Irida saß mit einem Teil der Furchtlosen auf der Bank unter dem großen Lindenbaum, dessen Laub sich herbstlich verfärbt hatte. Dunkelblaue Jeans, dunkelgrüner Kapuzenhoodie, graue Sneaker waren ihr Standardlook. Die langen dunklen Haare geflochten und mit zwei Haarklammern gebändigt, fertig.

»Keine Ahnung. Online findet man noch nicht so viel. Nur Fotos, die von weiter weg geschossen wurden«, sagte Cedric, gut aussehend mit sehr schlanker Figur, die mittellangen Haare im Bro Flow und blau gefärbt.

Sein »perfektes Äußeres«, wie eine Modelagentur einmal geschrieben hatte, brachte ihm gelegentliche Werbeshootings und einen Vorvertrag mit einem Modelabel ein.

Und wie immer trug er auffällige Klamotten, die im K-Pop-Stil gehalten waren. Heute hatte er sich für schwarze Stoffhosen mit dünnen Nadelstreifen, einen übergroßen zweifarbigen Pulli in Pastellfarben, Turnschuhe und eine große Silberhalskette entschieden.

Als Fan verschiedener koreanischer Popgruppen betrieb er einen eigenen Blog mit Dance-Move-Tutorials, News um die Bands und Koreanisch-Kurs für Anfänger.

Genau das, sein ausgefallener Look, sein Aussehen, die sehr schlanke Figur und seine musikalische Vorliebe, hatte ihm bald den massiven Spott einiger alter Kumpel eingebracht. In einer Kleinstadt wurde man durch Abweichung vom Standard schnell zum Sonderling. Noch dazu hatten seine Eltern Millionen im Lotto gewonnen, und das schürte Neid.

Aber Cedric reagierte souverän und hatte die Furchtlosen gegründet. Es ging darum, man selbst zu sein. Weder auf die verletzenden Worte noch die Blicke der anderen achten, zu sich selbst stehen und sich nicht beirren lassen. Ganz egal, was die Hater, Spötter und Neider auf dem Schulhof oder sonst wo absonderten. Die Außenseiter hatten eine Heimat gefunden.

»Die Polizei hat alles abgesperrt. Deswegen wird es noch dauern, bis man Fakten erfährt«, kam es von Jinjin, der Leseeule, die sämtliche Legenden und Sagen im Umfeld kannte, weil sie Gruselgeschichten liebte. Nicht nur chinesische, von denen es auch tonnenweise gab. Sie malte Comics zu den Geschichten in verschiedenen modernen Stilen.

Jinjin bevorzugte knielange Kleider, und sie standen ihr perfekt, was Irida neidlos anerkannte. Sie fühlte sich in ihren weiten, kuschligen Hoodies und Jeans einfach wohler. Neben ihrer Freundin kam sie sich meistens verwildert und verstrubbelt vor. Dazu trug Jinjin passende Strumpfhosen und meistens dunkle Halbschuhe. Die quietschbunte Brille fiel durch das schulterlange schwarze Haar und die braunen Augen umso mehr auf.

»Wir wissen also nur, dass irgendjemand illegal gegraben hat«, fasste Irida zusammen und zog heimlich ihr Smartphone aus den Jeans.

Dabei blieb sie kurz mit ihrem filigranen Ring an der Innennaht der Hosentasche hängen. Ein Erbstück von ihrer Oma, gemacht aus Silber, versehen mit wunderschönen keltischen Ornamenten. Ihr Bruder und die kleine Schwester hatten auch welche erhalten. Aber Irida war die Einzige, die ihn trug, seit sie sich erinnern konnte. Tag und Nacht.

Genauso wie ihren Holzanhänger, den sie im Norwegenurlaub bekommen hatte, wie Iridas Mutter erzählte. Er war einfach da gewesen. Münzgroß, rund wie ein Schild aus schwarzem Holz, und darin eingelegt mehrere Silberbänder wie besondere Jahresringe. In der Mitte saß ein rötlicher Stein, ein Granat-Almandin.

Offiziell galt Handyverbot am Gymnasium, nur an einem Ort war die Nutzung erlaubt.

Die Bank unter der Linde gehörte nicht dazu. Doch Irida musste einfach im Internet checken, ob es was Neues gab.

Der Vierte der Furchtlosen fehlte: Jeremy.

Er ging auf die Gesamtschule, da sein Deutsch als Zuwandererkind aus Rumänien noch nicht auf dem Level der anderen war. Doch er holte verdammt schnell auf. Er war der Jüngste und Kleinste in ihrer Freundesgruppe, hatte dafür den größten Ehrgeiz. Im Sprint und Hochsprung überragte er alle. Konsequent trug er meistens Sportkleidung.

Eigentlich hieß er Marian, doch er mochte seinen Hauptnamen nicht und bestand auf Jeremy. Nebenbei programmierte er und zockte Domino, ganz altmodisch mit Steinen. Sein Vater spielte gemeinsam mit Iridas Vater in der Altherren-Fußballmannschaft. Beim Match gegen einen anderen Verein hatten sie sich neben dem Platz kennengelernt.

»Ich hab was!« Irida sah auf die Online-Seite der lokalen Tageszeitung, der Hohenburger Rundschau. Dort gab es ein eigenes Kästchen, in dem die Berichterstattung laufend aktualisiert wurde. Sie hielt das Display so, dass Cedric und Jinjin mitlesen konnten.

Schatz oder Tatvertuschung?

 

Die Polizei teilte unserer Zeitung auf Anfrage mit, dass in alle Richtungen ermittelt werde. Eine illegale Raubgrabung käme ebenso infrage wie der Versuch, ein begangenes Verbrechen zu vertuschen.

Bestätigt wurde, dass Blutspuren rings um die Mulde entdeckt wurden und man nach zwei Personen fahnde.

In der Nähe fanden die Ermittler zudem einen Leihtransporter mit französischem Kennzeichen. Das Fahrzeug wurde bereits als gestohlen gemeldet.

Mehr könne man noch nicht bestätigen, sagte der Pressesprecher der Polizei.

Es bleibt offen, ob nach einem Schatz gesucht wurde oder vielleicht eine Leiche entsorgt werden sollte.

+++ Berichterstattung wird fortwährend aktualisiert

»Scroll mal nach oben. Da sind neue Bilder«, machte Cedric sie aufmerksam und strich die dunkelblauen Haare zurück.

Irida verschob die Ansicht mit dem Daumen. »Oha«, machte sie beim Anblick.

Der Pressefotograf nutzte ein Objektiv mit enormer Vergrößerung, sodass er den Fundort, der wohl auch einen Tatort von was auch immer darstellte, bis ins kleinste Detail abgelichtet hatte.

»Sieht aus wie im Krimi«, kommentierte Jinjin gespannt die Aufnahme. »Überall diese gelben Aufsteller für gefundene Spuren. Leute in weißen Schutzanzügen, die fotografieren und Beweise in Tütchen stecken. Absperrbänder. Einen Zeltpavillon haben sie auch aufgebaut, seht mal!«

»Ganz schöner Auflauf«, befand Cedric. »Damit kommt die Stadt bestimmt in die Medien.«

»Auf alle Fälle auf sämtliche News-Portale«, schätzte Jinjin und schob die bunte Brille auf dem Nasenrücken höher.

Irida erstarrte.

Auf dem Bild der Mulde, neben der sich Erdaushub türmte, sah sie einen kreisrunden Abdruck im frischen Dreck, der mit einem gelben Marker der Spurensicherung versehen war.

»Das ist von einer Sonde«, murmelte sie.

»Was hast du gesagt?« Cedric sah sie verwundert an.

»Eine Metallsuchsonde.« Irida deutete auf das Foto und zog die Umrisse mit dem kleinen Finger auf dem Display nach. »Das ist der Abdruck des unteren Tellers, den man hin und her schwenkt.«

Jinjin beugte sich vor und kniff die Augen zusammen. »Seht ihr, dass da noch mehr ist? Wie … Einkerbungen. Als wäre etwas am flachen Teil befestigt gewesen und hat sich tiefer eingedrückt.«

»Oh, natürlich: Edelsteine«, entfuhr es Irida aufgeregt, und sie erbleichte.

»Wie kommst du auf …?«, setzte Cedric an, dann wanderten seine gepflegten Augenbrauen in die Höhe. »Oh, Shit. Du kennst diese Sonde?«

»Man sieht es auf dem Bild nicht so gut, aber es könnte sein, dass … sie meinem Onkel gehört«, raunte sie, damit sie keiner sonst auf dem Schulhof vernahm.

»Deinem schrägen Onkel«, verbesserte Jinjin und grinste. »Ich mag ihn. Und sein Haus ist voll mit abgefahrenem Krempel. Da könnte man fast glauben, die ganzen Legenden über Verzauberungen und magische Kreaturen, die wir gesammelt haben, sind doch wahr.«