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Der Autor, ein geborener Grazer, hat in seiner Heimat und auf seinen Reisen Land und Leute genau beobachtet und darüber skrurrile, nachdenkliche und spannende Kurzgeschichten geschrieben. Lachen Sie, staunen Sie oder gruseln Sie sich beim Lesen, aber vor allem, haben Sie viel Spaß dabei!
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Das Wasser des großen Brunnens im Stadtpark von Graz glitzerte und perlte im strahlenden Morgenlicht. Auf einer der vielen Parkbänke saß bereits ein kleiner Mann von undefinierbarem Alter und schälte eine Banane. Ein alter, offensichtlich ziemlich müder Mann steuerte auf die Bank zu, um sich hinzusetzen.
"Darf man?"
"Darf man was?"
"Ich meine, darf man sich setzen?"
"Normalerweise darf man, aber heute ausnahmsweise nicht!"
"Herzlichen Dank lieber Herr!"
"Ich bin kein lieber Herr. Manchmal kann ich sogar richtig böse sein!"
"Schönes Wetter heute, nicht?"
"...richtig böse! Meine Frau sagt immer..."
"Es sollte doch heute eigentlich regnen, oder?"
"...dass man sich sehr vor mir in Acht..."
"Na ja, besser zu heiß, als immer nur dieser Regen!"
"...nehmen sollte. Ich kann ganz schön ungehalten werden!"
"Ach ja? Interessant, wann passiert das normalerweise?"
"Donnerstag vormittags, oder auch wenn ich Frauenkleider trage..."
"Haha, wirklich wahr?"
"Ja, vor allem donnerstags, manchmal aber auch dienstags, früh am Morgen!"
"Nein, ich meine..."
"Sie haben hier gar nichts zu meinen, soviel ist mal klar!"
"Manchmal tragen Sie also..."
"Hören Sie auf! Frechheit, sind Sie überhaupt von hier? Sie machen mir nicht so den Eindruck!"
"... Frauenkleider?"
"Jetzt reicht es mir aber", schrie der kleine Mann, und drückte seinem Sitznachbarn unvermittelt seine Banane mitten ins Gesicht. Dann erhob er sich mit einem letzten strafenden Blick von der Parkbank, und als er sichtlich wütend davoneilte, konnte man ihn noch erregt murmeln hören. "Ich habe es ihm doch gesagt, dienstags auch! Auch dienstags, früh am Morgen! Dass einem die Leute niemals richtig zuhören können..."
Die Kurzgeschichte "Skrupellos" spielt sich auf dem Gelände des Schlosses Herberstein nahe Graz in der Steiermark ab und ist natürlich in jeder Hinsicht frei erfunden. Dieses wunderschöne Schloss, auf einer Anhöhe über der Feistritzklamm gelegen, ist ein richtiges Juwel und verfügt über den beschriebenen Tierpark, den ich bereits viele Male begeistert besucht habe.
*
Ein schriller Laut voller Todesangst durchschnitt jäh die Stille der bis eben noch so friedlichen Nacht in der Feistritzklamm, mit letzter Kraft versuchte das Opfer seinem Schicksal noch zu entkommen.
„Verdammt“, -keuchte der Mörder, holte mit dem schweren Vorschlaghammer aus, und schlug noch einmal mit voller Kraft zu. Diesmal zerbarst der Schädel unter der Wucht des Hiebes. Er packte den nun leblosen Körper und warf ihn über die Umzäunung in das Wolfsgehege. Während er lautlos wie ein Schatten zum Schloss zurück eilte, und ungesehen sein Versteck erreichte, hatten sich die Wölfe schon mit einem infernalischen Geheule auf die unverhoffte Beute gestürzt.
Im Schloss der Grafen von Herberstein flammten überall Lichter auf, aufgeregte Rufe erklangen, und schließlich eilten die Bediensteten in nur notdürftig übergeworfenen Kleidern an ihm vorbei um im nahe gelegenen Tierpark nach dem Rechten zu sehen. Die Geräusche verklangen in der Ferne und er schlüpfte entschlossen durch das Tor des Gesindehauses. Niemand war mehr hier, ganz wie er es geplant und erhofft hatte, und auch den Zugang zum alten Keller fand er schnell. Nachdem er die Kellertür sorgfältig hinter sich geschlossen hatte, eilte er im schwachen Schein seiner kleinen Stirnlampe nach unten in das uralte, bereits seit langem unbenutzte Gewölbe. Über die vereinzelt herumstehenden Gerätschaften hatte sich bereits der Staub von Jahren gelegt, und auch die alten Regale waren großteils leer und unbenutzt. Nur vergilbte Zeitungen aus den sechziger Jahren lagen überall herum.
„Die Queen besucht Deutschland“, stand da in großen Lettern auf der ersten Seite, und, „die britische Königin Elisabeth II und ihr Mann Prinz Philipp trafen zu einem Staatsbesuch in Deutschland ein.“
„Blaublütiges Pack“, knurrte er abfällig, und begann ohne zu zögern mit seiner Arbeit.
*
Johannes Landschad steuerte den schweren Rolls Royce bedächtig über die schmale Landstraße. Als enger Vertrauter des Grafen Siegmund von Reichenstein oblagen ihm nicht nur die Pflichten eines Dieners, er fungierte bei Bedarf auch als dessen Chauffeur. Die Einladung der Gräfin von Herberstein sie auf ihrem Schloss zu besuchen, bot ihnen eine willkommene Gelegenheit wieder einmal durch die wunderschöne Landschaft der Oststeiermark zu fahren.
„Wir werden bald ankommen Herr Graf“, meinte Johannes. Ein Motorradfahrer, welcher bereits seit einiger Zeit hinter ihnen ungeduldig auf eine Möglichkeit zum Überholen gewartet hatte, brauste mit Vollgas knapp an ihnen vorbei. Sein wunderschöner, rot lackierter Helm blitzte kurz auf im tief stehenden Licht der Abendsonne.
„Ha, noch so ein Organspender!“ -schimpfte Johannes ungehalten, hielt sich aber mit weiteren Anspielungen vornehm zurück, er kannte ja die Vorliebe des Grafen für schwere Motorräder. Ein prüfender Blick in den Rückspiegel im Wageninneren zeigte ihm aber nur das unbewegte Gesicht seines Herrn, dessen dunkle Augen gleichmütig die anmutigen Hügel zu beiden Seiten der Straße betrachteten. Johannes beneidete ihn wegen seines blendenden Aussehens: Groß, schlank und ein Gesicht welches ihn in seiner Kühnheit immer an einen Raubvogel erinnerte.
Das Schloss der Grafen von Herberstein, wunderschön auf einer Anhöhe über einem kleinen Fluss gelegen, tauchte auf der linken Seite der Straße auf. Der davor liegende Tierpark war auch noch zu dieser späten Stunde gut besucht. Sie wurden beim Schloss bereits ungeduldig erwartet. Graf Siegmunds Cousine, Christina Gräfin von Herberstein, eine Frau von geradezu makelloser Schönheit, begrüßte sie als willkommene Gäste auf ihrem Schloss.
Etwas später am Abend, bei einem kurzen gemeinsamen Spaziergang durch den historischen Rosengarten, vertraute sich die Gräfin ihrem Cousin an, und erzählte ihm von den unheimlichen Vorfällen, welche seit Tagen hier für große Unruhe sorgten.
„Von den bedauernswerten Opfern haben wir nur mehr die zerschmetterten und abgenagten Knochen gefunden!“ –meinte sie erschaudernd.
„Moment!“, meinte Siegmund erschrocken, „von welchen Opfern reden wir hier eigentlich?“
„Nun, zuerst war das ein wertvolles Bennett Känguruh“, seufzte sie, „ja und vor kurzem jetzt auch eine Zwergziege.“
„Ach so“, schnaufte der Graf erleichtert, „ich dachte schon...“
„Wer macht nur so etwas?" Die Gräfin schüttelte sich angewidert. „Die Polizei war natürlich bereits hier, konnte aber kaum Spuren finden. Na ja, der Max, der findet ja nie etwas!
Ein bereits etwas älterer Mann mit einem hellen, ehemals vielleicht schneeweißen Sakko, Panamahut und nur leicht ergrauten Haaren kam ihnen auf dem Spazierweg entgegen.
„Cousin, ich möchte Ihnen jemanden vorstellen“, die Gräfin zog Siegmund eifrig mit sich. „Guten Abend Joe, das ist mein Cousin, Graf Siegmund von Reichenstein. Vielleicht wollen Sie ja auch ein Portrait von ihm malen? Siegmund, das ist Joe Hauser, ein absolut begnadeter Maler und alter Freund der Familie!“
Joe Hauser streckte dem Grafen freundlich seine Hand zum Gruß entgegen. Mit dem dichten Vollbart sah er wirklich so aus wie man sich landläufig einen Künstler vorstellt.
*
Die Nacht hatte die Umgebung des Schlosses in grauschwarzes Dunkel gehüllt, nur ab und an waren noch Geräusche aus den Stallungen der Tiere zu hören. Sepp Gruber, der Leiter des Tierparks der Grafen von Herberstein, wartete bereits mehr als eine Stunde vor dem alten Schuppen, der als Lager für allerlei Krimskrams diente. So spät im Herbst waren die Nächte doch schon ziemlich kalt, er wippte fröstelnd von einem Fuß auf den anderen, und zog die Kapuze seiner dunklen Jacke über seine hellblonden, kurzen Haare. Der neue Hilfstierpfleger, der Gregor Langmann, hatte sein Interesse geweckt. Der Kerl schien zwar irgendwelchen perversen Neigungen nachzugehen, aber auf der anderen Seite auch einem amourösen Abenteuer nicht abgeneigt zu sein. Endlich, schattenhaft und zögernd tauchte eine schwarz gekleidete Gestalt aus dem Dunkel auf.
„Gregor, mein Liebster, warum hast du mich nur so lange warten lassen?“ -säuselte Sepp Gruber, bemüht, sich den Ärger über die lange Wartezeit nicht anmerken zu lassen.
Gregor Langmann wusste und akzeptierte, warum er zu dieser späten Stunde hier sein sollte. Er knurrte etwas Unverständliches und ließ es schließlich widerwillig zu, dass er von Gruber betatscht wurde. Im Gegenzug dafür würde sein Chef eben seine Augen verschließen wenn er wieder einmal des Nachts unterwegs war. Gregor Langmann war mit seinen Gedanken bereits bei seinem nächsten Opfer.