Isabelle & Ethan - Talina Leandro - E-Book
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Isabelle & Ethan E-Book

Talina Leandro

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Beschreibung

Von Männern wie ihm hält man sich besser fern … oder küsst sie.
Der erste Band der neuen prickelnden Liebesroman-Reihe von Talina Leandro

Frauen, Geld, Luxus – das ist die Welt von Ethan Taylor. Zusammen mit seinen Brüdern führt er das Familienunternehmen Taylor Real Estate, eine der größten Immobilienfirmen Australiens. Neben seinem Job ist er gern gesehener Gast auf den angesagten Partys der Schönen und Reichen. Auf etwas Festes lässt er sich jedoch nie ein, denn das Wichtigste in seinem Leben ist seine Firma. Zumindest bis er auf Isabelle trifft, die seine ganze Welt auf den Kopf stellt …

Isabelle will nur eins: weg von ihrem Ex-Freund. Daher kommt das Auslandssemester in Melbourne zum perfekten Zeitpunkt. Doch bereits am ersten Arbeitstag in Australien findet sich Isabelle durch ein Missgeschick anstatt beim Fensterputzen in einem exklusiven Restaurant wieder – und das auch noch an der Seite des begehrten Junggesellen Ethan Taylor. Sofort knistert es zwischen den beiden und sie können der Anziehungskraft kaum widerstehen. Bis das Kartenhaus, das Isabelle mühsam aufgebaut hat am nächsten Tag zusammenbricht … Kann sie das starre Herz von Ethan erweichen oder hat ihre Liebe keine Chance?

Erste Leserstimmen
„Diese Romance glänzt mit einem Hauch Erotik, einer Prise Humor und ganz viel Gefühl.“
„Ich konnte das Buch nicht weglegen, weil mich der Liebesroman so in seinen Bann gezogen hat“
„ein Spiel aus Witz, Liebe, Erotik und tiefer Gefühle“
„hier kann man sich auf eine flotte und humorvolle Lovestory freuen“

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Seitenzahl: 406

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Über dieses E-Book

Frauen, Geld, Luxus – das ist die Welt von Ethan Taylor. Zusammen mit seinen Brüdern führt er das Familienunternehmen Taylor Real Estate, eine der größten Immobilienfirmen Australiens. Neben seinem Job ist er gern gesehener Gast auf den angesagten Partys der Schönen und Reichen. Auf etwas Festes lässt er sich jedoch nie ein, denn das Wichtigste in seinem Leben ist seine Firma. Zumindest bis er auf Isabelle trifft, die seine ganze Welt auf den Kopf stellt …

Isabelle will nur eins: weg von ihrem Ex-Freund. Daher kommt das Auslandssemester in Melbourne zum perfekten Zeitpunkt. Doch bereits am ersten Arbeitstag in Australien findet sich Isabelle durch ein Missgeschick anstatt beim Fensterputzen in einem exklusiven Restaurant wieder – und das auch noch an der Seite des begehrten Junggesellen Ethan Taylor. Sofort knistert es zwischen den beiden und sie können der Anziehungskraft kaum widerstehen. Bis das Kartenhaus, das Isabelle mühsam aufgebaut hat am nächsten Tag zusammenbricht … Kann sie das starre Herz von Ethan erweichen oder hat ihre Liebe keine Chance?

Impressum

Erstausgabe August 2021

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96817-779-3 Taschenbuch-ISBN: 978-3-96817-830-1

Covergestaltung: KÖPKE COVERDESIGN unter Verwendung von Motiven von shutterstock.com: © kiuikson, © Dragana Jokmanovic, © Irina Sokolovskaya, © ARTYuSTUDIO, © Taras Vyshnya Lektorat: Daniela Höhne

E-Book-Version 12.10.2023, 11:51:27.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

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Isabelle & Ethan

Liebe ist nicht das, was man erwartet zu bekommen, sondern das, was man bereit ist zu geben.

– Katharine Hepburn

Kapitel 1

Vihaze-Tierrettung,

Wheelers Hill, Australien

Isabelle

Seichter Wind weht durch mein mittelbraunes Haar, das mir in leichten Wellen offen über die Schultern fällt. An die hohen Temperaturen muss ich mich noch gewöhnen, denn die Sommer in Deutschland werden nicht ansatzweise so heiß. Ich klettere aus dem Jeep meiner Mitfahrgelegenheit, schließe die Tür und sehe mich aufgeregt um. Der Staub, den ich bei dem Sprung aus dem Jeep aufgewirbelt habe, legt sich langsam. Ich setze einen Hut auf, den meine Mutter mir als Abschiedsgeschenk mitgegeben hat, um mich vor der prallen Sonne zu schützen. Glückselig und voller Vorfreude schmunzele ich in mich hinein, sehe mich schon mit Koalas schmusen und beim Fläschchen geben der kleinen Kängurubabys.

Antonia, eine deutsche Auswanderin, die ebenfalls in der Vihaze-Tierrettungsstation arbeitet, geht an mir vorbei. Sie war so aufmerksam, mich am Flughafen abzuholen und hierher mitzunehmen. Ich habe kein Hotel gebucht, denn während meines Aufenthaltes darf ich bei Victor und Hazel Harrot in einem kleinen Ort wohnen, der etwa vierzig Minuten von Melbourne entfernt liegt. Das Rentnerpaar hat die Station gegründet, deren Name sich aus den Vornamen der beiden zusammensetzt.

Meine Heimat Köln in Deutschland habe ich für ein Auslandssemester verlassen, weil ich nicht nur mehr über Koalas erfahren, sondern meiner großen Leidenschaft – der Kryptozoologie – nachgehen möchte. Und was eignet sich in Australien und Umgebung besser, als die Suche nach dem Tasmanischen Tiger? In den letzten Jahren, so habe ich es der Presse entnommen, hat es zahlreiche Sichtungen gegeben. Nicht ohne Grund fiel meine Wahl auf das Vihaze, denn zwei ihrer Mitarbeiter, Tom und Sarah, wohnen einem kleinen Forschungsteam bei. Außerdem ist der leitende Professor der Bruder von Hazel Harrot.

Bei vier Forschungsteams in Tasmanien habe ich angefragt, doch nur diesem einen schienen meine Fachkenntnisse als Biologiestudentin und dem halb beendeten Studium zur Veterinärmedizinerin ausreichend zu sein. Der Nachteil und wahrscheinlich auch Grund, dass ich diesem Team beiwohnen darf: Sie haben ihren Sitz auf dem australischen Festland und reisen nur alle vierzehn Tage nach Tasmanien. Aber besser alle zwei Wochen als überhaupt nicht. Bedingung für meine Teilnahme war, dort an den Uni-freien Tagen im Vihaze zu arbeiten, denn dort wird, wie Antonia mir auf der Fahrt hierher erzählt hat, jede helfende Hand gebraucht. Auf mich wartet das volle Programm: zwei Tage Uni, vier Tage Tierstation und einen Tag frei. Na ja und vier Abende, an denen ich mir meinen Aufenthalt durch einen Putzjob finanziere. Ein besseres Ablenkungsprogramm hätte ich mir nicht vorstellen können. So habe ich gar keine Zeit dazu, mich mit Heimweh oder anderen unnötigen Dingen zu beschäftigen, die einem das Leben schwer machen. Abenteuer Australien: Ich komme!

„Isabelle? Wo bleibst du?“, ruft Antonia, die mir vorausgelaufen ist. Sie grinst mir entgegen, während ich noch schwer damit beschäftigt bin, alle Eindrücke in mich aufzunehmen.

„Komme schon.“ Über den staubigen Boden halte ich auf das Grundstück zu, das durch einen in die Jahre gekommenen Maschendrahtzaun vor Eindringlingen, aber eher vor Ausbrechern geschützt werden soll. Auf der Fahrt hat Antonia mir von dem vierhundert Hektar großen Gelände erzählt. Der Schwerpunkt der Station liegt auf der Rettung von Kängurus, aber auch Wombats, Koalas und Quokkas leben hier.

Antonia hat ein halsbrecherisches Tempo drauf, das ich nur mit Mühe mithalten kann. Ich bin nicht unsportlich, aber Australiens Hitze und ich haben uns noch nicht richtig angefreundet. Erst kurz vor dem Eingang drosselt Antonia ihre Schrittgeschwindigkeit. Sie drückt die laut quietschende Klinke des Eingangstores herunter und winkt mich ungeachtet dessen, dass ich bereits leicht atemlos bin, hinter sich her. Hinter dem Tor bleibt sie stehen, sieht auf die Uhr an ihrem Handgelenk und scheint darauf zu warten, dass ich ihr folge. „Gleich ist Fütterungszeit. Dann werden wir Victor und Hazel wahrscheinlich im Futterhaus antreffen. Komm mit.“

Während ich hinter Antonia hereile, die offenbar mühelos in der Lage ist, zehn Kilometer am Tag zurückzulegen, sehe ich mich um. Die Umgebung wirkt etwas trostlos. Über eine schmale Spur durchqueren wir eine Gruppe ausgetrockneter Bäume. Mitten auf dem Weg entdecke ich eine Ameisenstraße und steige hektisch darüber hinweg, um Antonia nicht aus den Augen zu verlieren. Es geht weiter über staubige Wege und abgesackte Steinplatten, bis ich in der Ferne schließlich eine kleine Containergruppe ausmache. Es sind Container, wie ich sie vom Hafen bei uns in Deutschland kenne, nur dass eine der langen Seiten aufgeschweißt, mit einem Maschendrahtzaun versehen und so zu einem Kleingehege umfunktioniert worden ist. Keine schlechte Idee für eine Rettungsstation mit begrenztem Budget. Dass ich hier keine Luxusanlage antreffen würde, war mir schon vor meiner Anreise klar, denn Hazel hatte am Telefon von einer „sehr bescheidenen“ Station gesprochen. Doch alles war besser, als in Deutschland zu bleiben. Bei diesem … diesem … ach, ich will gar keinen Gedanken mehr an den Mann verschwenden, der mir so skrupellos das Herz gebrochen hat.

„Hast du schon mal mit Tieren gearbeitet?“, reißt mich Antonias helle Stimme aus meinen Gedanken.

„Hm?“ Hallo, Gehirn. Jemand zu Hause? „Oh, jaaa“, sage ich langgezogen. „Schon sehr oft sogar. Ich habe einige Praktika in Zoos und Tierparks während meiner Semesterferien absolviert.“

Antonias Kopf schnellt während des Gehens zu mir herum und ich kassiere staunende und zugleich argwöhnische Blicke. „Wow. Nicht schlecht. Die meisten Studenten nutzen ihre freie Zeit eher, um die Füße hochzulegen, wenn nicht gerade eine Klausur ansteht.“

„Die Füße kann man nach dem Studium immer noch hochlegen, sonst kommt man ja nie voran“, gebe ich altkluger als beabsichtigt zurück.

„Hört, hört.“ Antonias Worte klingen inzwischen bewundernd. „Eine Fleißige können wir hier gut gebrauchen.“

Ja, ich bin eine kleine Streberin, aber wenn man aus dem unteren Mittelstand kommt und sich von Anfang an das Studium so gut wie selbst finanzieren muss, lernt man, Werte mit anderen Augen zu betrachten. Ich habe nie etwas geschenkt bekommen. Den Führerschein nicht und den Studienplatz ebenfalls nicht. Meine Eltern haben zwei echte Knochenjobs. So möchte ich später nicht enden. Das Geld reicht gerade so zum Leben, aber noch lange nicht für Luxus. Aber der ist für mich so oder so zweitrangig. Für mich zählen Gesundheit, Freunde, Familie und eine fundierte Ausbildung mehr als jedes dicke Bankkonto. Und mir ist schnurzpiepegal, was Antonia oder andere von mir halten. Ich weiß, für wen ich das alles hier tue: Für mich.

Wir halten auf eine große Halle zu, die mit einem Wellblech überdacht ist. Dieses ist zu den Seiten hin so schräg abgesunken, dass man den Eindruck bekommt, es könne jeden Augenblick einstürzen. Die Seitenwände bestehen ebenfalls aus Wellblech, während die Rückwand eine Mauer ist, die aus verschieden großen und unterschiedlich farbigen Steinen zusammengesetzt wurde. Das große, mit Rostflecken gespickte Schiebetor am Eingang steht offen. Insgesamt wirkt alles auf mich wie wild zusammengeschustert, erfüllt jedoch seinen Zweck: Die vielen Fässer und Futtersäcke, die im Inneren zu sehen sind, trocken und winddicht aufzubewahren. Vor den Bottichen stehen ein Mann und eine Frau. Sie haben uns den Rücken zugewandt und offenbar noch keinerlei Notiz von Antonia und mir genommen, obwohl wir keine zehn Meter von ihnen entfernt sind. Wahrscheinlich hat das Gehör der beiden altersbedingt ein wenig nachgelassen.

„Hi, Hazel. Hi, Victor!“, ruft Antonia, die in ihrer beigefarbenen Cargohose, der gleichfarbigen Bluse und der Mütze auf ihrem Kopf in Kombination mit ihrem strammen Marsch wie ein Parkranger mit Militärausbildung wirkt – jedoch ein netter Parkranger. Ich bin ziemlich gut darin, Menschen zu lesen und einzuschätzen und meine, mir bereits ein genaues Bild von ihr machen zu können. Aber auch sie hat mich während unseres ersten Gesprächs auf der Fahrt hierher wie ein Inspektor unter die Lupe genommen und ich denke, wir mögen uns. Neben ihr bin ich die einzige Deutsche, eine Tatsache, die verbindet. Ich glaube, wir werden uns gut verstehen. Voller Stolz hat Antonia erzählt, dass sie praktisch auf der Station großgeworden ist, weil sie Hazels Nichte ist. Im Alter von fünf Jahren ist sie mit ihrer Mutter von Deutschland nach Australien ausgewandert. „Fernbeziehungen halten nie ewig“, hat Antonia gesagt. Seitdem lebt sie hier und könnte sich nicht vorstellen, jemals von hier wegzugehen.

Hazel und Victor, die einen Stapel Knollen stückweise portionieren, drehen die Köpfe in unsere Richtung.

Als wir schließlich die Halle betreten, legen die beiden fast synchron die Messer auf den Holzschneidebrettern ab und wischen sich die Hände an den Schürzen sauber, die sie vor sich tragen. Schon auf den ersten Blick wirken sie wahnsinnig sympathisch.

Hazel hat feines, weißes Haar, das sie zu einem modischen Knoten zusammenhält. Ich finde, sie hat große Ähnlichkeit mit der Schauspielerin Helen Mirren, während Victor optisch eher einem Al Pacino nahekommt.

„Isabelle. Schön, dass du da bist. Herzlich willkommen im Vihaze.“ Hazel streckt mir freundlich lächelnd die Hand hin, die ich beherzt schüttele. Danach wende ich mich Victor zu, der einen kräftigen Händedruck hat, aber wie Hazel ein sehr herzliches Lächeln im Gesicht trägt.

„Ja, gut“, unterbricht Antonia etwas schroff unsere Begrüßung und zieht ihren Rangerhut zurecht. „Ich werde dann mal den Rundgang machen. Ihr nehmt Isabelle nachher mit?“

Antonia drückt mich zum Abschied an sich. „Hat mich gefreut, dich kennenzulernen.“ Dann lässt sie mich los und nickt uns zu.

Ich sehe Antonia nach, bis sie hinter einer Ecke verschwindet und zucke zusammen, als ich eine Berührung seitlich auf meinem Oberarm wahrnehme. Unvermittelt blicke ich an meiner Schulter entlang und stelle beruhigt fest, dass sich nicht etwa eine dicke Spinne über mir abgeseilt hat, sondern dass es Hazels Hand ist. Ihre Haut ist faltig und rau. Sie hat offenbar ihr Leben lang viel mit angepackt.

„Wir freuen uns auch sehr, dass du hier bist. Die Anreise war sicher anstrengend.“

„Halb so wild. Ich denke, an das Klima gewöhne ich mich schnell.“

„Hast du schon Tom und die anderen aus dem Team kennengelernt?“, will Victor wissen, woraufhin ich mit dem Kopf schüttele.

„Antonia hatte in unserem ersten Skype-Gespräch ein paar Namen genannt, aber die Gesichter dazu kenne ich noch nicht.“

„Ist nicht schlimm. Also Tom ist eine unserer Aushilfen. Genau wie Sarah. Aber die lernst du noch kennen“, erklärt Hazel freundlich und legt eine Hand auf Victors immer noch erhobenen Hände und drückt sie sanft herunter. „So und jetzt füttern wir gemeinsam die Tiere, ich zeige dir alles und dann wartet zu Hause ein leckeres Essen auf uns. Na, wie hört sich das an?“

„Wunderbar“, schwärme ich und bin von diesem alten Pärchen jetzt schon vollkommen angetan.

Kapitel 2

Hawthorn East, Victoria

Isabelle

Einige Tage später habe ich mich eingelebt. Ich sitze auf meinem Bett in dem Zimmer, das ich unterhalb des Daches in Hazel und Victors Haus bewohne. Es ist gemütlich hier. Eine Vintage-Uhr aus den Zwanzigerjahren hängt über der Tür an der Wand und in dem prall gefüllten Bücherregal ist sogar eine alte Märchensammlung zu finden, wie damals bei meiner Großmutter zu Hause. Hazel und Victor haben viel mit meinen verstorbenen Großeltern gemein. Der herzliche Charakter und diese familiäre Art, bei der man sich nur wohlfühlen kann.

Die beiden nutzen diesen Raum als Gästezimmer, zeitweise als Arbeitszimmer. Ich musste schmunzeln, als Hazel erzählte, dass Victor einen ganzen Tag gebraucht hat, um die Papiere zu sortieren, die sich auf seinem Schreibtisch bis an die Decke gestapelt haben. So viele Umstände wegen mir! Ich mag die beiden.

Von meinem Bett aus blicke ich durch das Fenster auf die Straße. Da es unweit des Hauses ziemlich steil bergab geht, kann man bei gutem Wetter bis zum Kern des kleinen Städtchens blicken, das vierzig Minuten von Melbourne entfernt liegt. Bis zum Vihaze sind es weitere vierzig Minuten, jedoch in die andere Richtung. Hier im beschaulichen Örtchen Hawthorn East sind die Preise niedriger als in der City. Zumindest haben mir das die Schilder in den vielen leerstehenden Häusern verraten, die zum Verkauf stehen. Hazel meinte, es sind die jungen Leute, die die Häuser geerbt haben und sie verkaufen, statt selbst einzuziehen, da es hier im Ort nur wenige Geschäfte gibt. Alles Große spielt sich in Melbourne ab. Melbourne floriert - ist der Spielplatz der jungen Leute, hat Victor gesagt. Dort gibt es Bars, Casinos, Geschäfte …

Langsam ziehe ich die Beine ran und lasse sie unter das Laken auf meinem Bett gleiten. Ich bin müde, doch ich möchte noch ein wenig den Ausblick genießen und in mich gehen. Schnell schnappe ich mir mein Smartphone, um meinen Eltern eine Nachricht zu schreiben, bevor ich es verschlafe.

Liebe Mama, lieber Papa, ich hoffe, dass es euch gut geht. Hier in Australien kann es einem nur gut gehen, denn jeden Tag scheint die Sonne und Hazel & Victor sind wirklich sehr lieb. Fühlt euch gedrückt. Ich habe euch lieb.

Kurz checke ich noch den Nachrichteneingang in der stillen Hoffnung, eine reumütige SMS meines Ex-Freundes zu entdecken, doch seit der Trennung herrscht Funkstille. Ich seufze schwer, lege das Handy auf die Seite und lehne mich zurück. So ruhig und entspannt, wie ich es hier bin, bin ich ewig nicht gewesen. Nach Australien zu reisen, war wirklich eine richtig gute Idee.

Gerade, als meine Augenlider immer schwerer werden und ich kurz davor bin, meine Entscheidung über Schlafen oder Wachbleiben zu überdenken, klopft es zaghaft. Überrascht drehe ich den Kopf in Richtung Tür. „Herein?“

Mit einem leisen Quietschen öffnet sie sich und Hazel kommt dahinter hervor. In ihren Händen hält sie zwei Tassen, aus denen es dampft und die herrlich nach Schokolade duften. „Möchtest du auch eine?“

Freudestrahlend nicke ich und rutsche ein Stück zur Seite, um Hazel auf meinem Bett Platz zu machen.

Sie setzt sich vorsichtig im Schneckentempo neben mich, wohl bedacht darauf, die heiße Schokolade nicht zu verschütten. „Bist du schon aufgeregt wegen morgen?“

„Ja, ein wenig.“ Umsichtig setze ich die heiße Tasse an die Lippen und nippe an meinem Kakao. Er schmeckt himmlisch.

„Und wie lief es heute in der Rettung?“ Hazels Mundwinkel zuckt, während sie mich liebevoll ansieht.

„Gut. Ich habe eimerweise Scheiße geschleppt, gekehrt und mich mit den Tieren beschäftigt.“

Hazel kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Tja …“ Sie legt den Kopf schief und zieht die Mundwinkel kurz nach oben. „So fangen wir alle an. Der Mist gehört dazu. Was glaubst du, wie stinkend Victor und ich manchmal nach Hause kommen?“ Ihr herzliches Lachen steckt mich an. „Zum Glück riecht man das irgendwann nicht mehr. Aber spätestens nach einer erholsamen Dusche ist alles gut.“

„Das glaube ich dir gern. Vielen Dank noch mal, dass ihr mich so nett bei euch aufgenommen habt. Das weiß ich wirklich zu schätzen.“

Hazel nickt und streicht mir durch das offene Haar. „Ist doch selbstverständlich. Du bist so eine liebe, junge Frau. Dein Freund zu Hause vermisst dich sicher schon.“

Ich schlucke hart. Jetzt hat Hazel es geschafft, mir bei aller Sympathie ungewollt einen Schlag zu versetzen. „Ich habe keinen Freund … mehr“, antworte ich und lasse den Kopf sinken. „Wir haben uns getrennt, kurz bevor ich hergekommen bin.“

„Das tut mir leid. Aber hoffentlich nicht wegen deines Aufenthaltes hier?“

Mein Herz fühlt sich schwer wie Blei an. Ich schüttele den Kopf und sehe plötzlich alles, wie durch einen Schleier, da sich eine Armee Tränen in meine Augen geschlichen hat.

Hazels Hand streicht über meine Schulter. „Möchtest du darüber reden?“

Diese Frage ist es, die der Tränenarmee den Startschuss gibt, loszustürmen und meine Wangen hinunter zu kullern. „Er hat mich betrogen. Wir waren ein Jahr lang ein Paar.“ Meine Nase beginnt zu glühen und fühlt sich immer verstopfter an, je mehr ich heule. Mir wird ein Taschentuch gereicht, in das ich beherzt hineinschnaufe. Ich fürchte, eines wird nicht ausreichen.

„Das tut mir sehr leid. So eine liebe, junge Frau wie du hat das nicht verdient. Aber schau dich an. Du bist jung, hübsch und klug. Dir steht die Welt offen. Wenn nicht in Deutschland, dann vielleicht hier.“ Hazels einfühlsame Worte sind Balsam für mein gekränktes Herz. „So einen Kerl wie deinem … wie heißt er?“

„Sascha“, antworte ich schluchzend und schnäuze mich erneut.

„So ein Kerl wie dieser Sascha hat dich überhaupt nicht verdient. Und sei froh, dass du nur ein Jahr verschwendet hast. Manche vergeuden ihr halbes Leben an den Falschen und merken es nicht einmal.“ Hazel legt ihre Hand auf meiner Schulter ab. Als ich hochschaue, sehe ich, dass sie mich liebevoll anlächelt. „Zum Glück habe ich mit Victor einen guten Fang gemacht.“

„Das glaube ich dir. Er ist auch sehr nett. Man merkt, wie nahe ihr euch steht.“ Sofort muss auch ich lächeln, denn es geht mir schon viel besser. „Danke, Hazel. Es tat gut, mal Ungesagtes rauszulassen.“

Sie steht auf, nachdem ich meine Tasse geleert habe, und dreht sich kurz vor der Tür noch einmal zu mir um. „Wenn du hier richtig Fuß gefasst hast, wirst du diesen Mann getrost zu den Akten legen können. Vertrau mir.“

Und genau das versuche ich nun zu tun.

„Gute Nacht, Isabelle.“

„Gute Nacht, Hazel“, sage ich und kurz darauf gleitet die Tür leise ins Schloss. Ich bin wieder allein mit meinen Gedanken, die mich nicht mehr so sehr quälen wie noch vor einigen Minuten. Mein Neustart wird mir gelingen. Davon bin ich jetzt überzeugt.

Kapitel 3

Melbourne, Victoria

Isabelle

Meinen Coffee-to-go-Becher fest an mich gedrückt, quetsche ich mich aus der überfüllten Bahn. Überall um mich herum herrscht hektisches Menschentreiben. Mit Sportschuhen, einer weißen Jeans und einem schwarzen Shirt eile ich vom Bahnhofsgelände auf die Flinders Street. Von hier ist es nicht mehr weit bis zu meinem Ziel, der Taylor Real Estate Agency. Da ich nicht als Kundin dort erscheine, war es nicht nötig, mich schick zu machen.

Ich bin inzwischen seit einer Woche in Melbourne. In der Zeit, die ich nicht in Tasmanien oder der kleinen Auffangstation verbringe, bin ich an einer der australischen Universitäten, damit ich keinen Unterricht verpasse. Zweimal in der Woche – das war Bedingung. Ziemlich viele Aufgaben auf einmal. Nach einer ausgiebigen Beratung haben mein Dickkopf und ich uns trotzdem dafür entschieden. Auch, wenn das bedeutet, dass ich nebenher noch einen anderen Job ausüben muss, um meinen Lebensunterhalt zu sichern. Meine Eltern hätten mich lieber in Deutschland behalten, doch mein gekränktes Herz, das vor Liebeskummer zerrissen ist, schrie nach Aufbruch und das Abenteuer Australien schien mir perfekt dafür.

Die Stelle bei Taylor Real Estate ist neben der Arbeit im Forschungsteam meine beste Einnahmequelle. Ich habe mich dort als Raumpflegerin beworben und heute ist mein erster Tag. Das Bewerbungsgespräch lief über Skype noch von Deutschland aus, denn für meine Einreise brauchte ich ein Working-Holiday-Visum und eine Arbeitgeberbestätigung.

Seichter Wind weht mir ins Gesicht und durch mein gewelltes Haar, das mir bis unter die Brust reicht. Es dämmert bereits und obwohl es fast zwanzig Uhr am Abend ist, ist es immer noch recht warm.

Ich weiß nicht viel über meinen neuen Arbeitgeber. Nur, dass eine Jennifer Bourne meine Ansprechpartnerin bei Taylor Real Estate ist, ein riesiges Unternehmen, das Immobilien aufkauft, unstrukturiert und weiterverkauft. Dort beschäftigt man keine Fremdfirmen, sondern besteht auf eigenem Putzpersonal. Jennifer kenne ich bisher nur vom Skype-Gespräch. Sie war sehr nett und hat mich erst für heute zum Arbeiten bestellt, damit ich in Ruhe bei meiner Gastfamilie ankommen konnte.

Gedrängt von Menschen, die mir nach Feierabend hektisch in Richtung U-Bahn entgegenkommen, bahne ich mir den Weg über die Flinders Street in Richtung Treasury Gardens, einem Park, der direkt vor dem riesigen Komplex von Taylor Real Estate liegt.

Es ist nicht mein erster Aufenthalt in Melbourne City. Vor ein paar Tagen bin ich bereits hier gewesen und habe den Weg zur Arbeit geübt.

Ich flaniere an ein paar Boutiquen und Lebensmittelläden vorbei. Die Fußwege sind völlig überlaufen, da die Geschäfte bald schließen. Auf den Straßen herrscht reger Feierabendverkehr. Schon komisch: Alle wollen nach Hause. Nur mich zieht es zur Arbeit.

Während ich weiterlaufe, beobachte ich die Menschen, die mir entgegenkommen. Die meisten von ihnen sehen recht unbekümmert aus, während ich mich in dieser riesigen und fremden Stadt - so könnte man sagen - verloren fühle. Wie es wohl ist, hier dauerhaft zu leben? Victor meinte, es sei kein Problem mein Visum von sechs auf zwölf Monate zu verlängern. Ein Jahr ohne meine Eltern und Freunde. Herzukommen war nach der Trennung von Sascha ein Leichtes, aber so lange zu bleiben? Mal sehen. Ob ich in einem Jahr auch so entspannt hier herumlaufe? Vielleicht mit Freunden? Die einzige Clique, in die ich bisher aufgenommen wurde, ist die Rentner-Clique in meinem neuen Zuhause und die Kollegen in der Station. Aber ich hätte gern Freunde, die nicht nur Kollegen sind. Mit denen man ausgehen und feiern kann.

Tom, Sarah und Antonia sind leider gar keine Partymenschen. Vom „aufregenden“ Australien hatte ich mir mehr erhofft.

Aber ich bin schon gespannt auf die Leute im Forschungsteam um Professor Warren. Leider kenne ich sie noch nicht, da sie gerade auf der Insel sind und ich als Neuling ausgerechnet dann angekommen bin, als sie nicht da waren.

Ich habe den Park fast erreicht. Der Geruch von frisch gemähtem Gras und Blumen dringt mir in die Nase. Für einen kurzen Augenblick bleibe ich stehen und schließe die Augen, während ich die von der Feuchtigkeit der Rasensprenger geschwängerte Luft einsauge. Das Geräusch der Sprenger, die ihr Bestes geben, den saftig grünen Rasen instand zu halten, entspannt mich. Melbourne ist zweifelsohne eine Stadt mit Stil. Das fängt beim Rasen an, reicht über die akkurat geschnittenen Hecken und die sauberen Gehwege. Es hätte mich auch sehr verwundert, wenn die Mitarbeiter von Taylor Real Estate von ihren Büros aus auf einen ungepflegten Park gucken würden.

Taylor Real Estate, der Name schwingt in meinem Kopf hin und her, während ich die Augen aufschlage und meinen Weg fortsetze. Die letzten Meter laufe ich, da ich viel zu spät dran bin. Kurz davor bleibe ich stehen und lasse den Blick zum bestimmt zehn Meter hohen Tower wandern.

Der Komplex sieht aus wie ein gigantisches Aquarium. Überall blau-scheinende Glasfenster. Ein richtiger Eyecatcher. Mit gekräuseltem Mund wandert mein Blick wieder hinab und verharrt auf meinen Turnschuhen. Angemessen gekleidet für einen Besuch bin ich wohl doch nicht. Mir wird ein wenig mulmig, doch ich fange mich schnell wieder. Schließlich bin ich zum Putzen da. Oder ist der Laden etwa so nobel, dass selbst die Raumpfleger im Anzug ihrer Arbeit nachgehen?

Aus dem Eingang tritt eine Gruppe Menschen. Drei Männer im Anzug und zwei top gestylte Frauen in teuer anmutenden Kostümen. Sie unterhalten sich angeregt und ich vermute, dass es sich um Angestellte handelt, die gerade ihren Feierabend antreten. Ihr Arbeitstag endet und meiner beginnt … jetzt. Shit. Ein Blick auf meine Armbanduhr verrät, dass ich in fünf Minuten im Büro dieser Jennifer aufschlagen muss.

Hektisch haste ich die Treppen hinauf, trete über die Türschwelle auf feinsten Marmorboden und finde mich in einer großen Eingangshalle wieder. Wie erschlagen bleibe ich stehen und sehe mich um. Der Laden ist viel nobler, als ich angenommen habe.

Gegenüber zweier Aufzüge steht ein Tresen, hinter dem eine Dame mittleren Alters sitzt. Sie trägt eine Brille mit rotem Rand auf der Nase und hat die braunen Haare, die ein paar gräuliche Strähnen zieren, am Hinterkopf zusammengesteckt. Ihr Kostüm aus feiner Seide verrät mir ihre wichtige Position. Die Frau hinter dem Tresen koordiniert Termine, leitet Klienten von hier nach da und scheint unabkömmlich.

Ein wenig unsicher und leise trete ich an sie heran und spähe über den Tresen.

Die Frau, die gerade dabei ist, Unterlagen in einen Ordner zu heften, sieht nicht mal zu mir auf.

Ich überlege, ob ich durch ein Räuspern auf mich aufmerksam machen soll – schließlich habe ich es eilig.

„Bin gleich für Sie da“, murmelt sie blitzartig, bevor ich einen Ton von mir geben kann. Sie hat mich also doch wahrgenommen.

Fahrig schaue ich mich in der Halle um, weil ich die Frau nicht anstarren will und zucke kräftig zusammen, als ich ein lautes Räuspern wahrnehme.

„Bitteschön. Was kann ich für Sie tun? Wir schließen gleich.“ Die Augen der Dame wirken auf mich eine Nuance zu eingebildet, obwohl auf ihren Lippen ein kleines Lächeln liegt.

„Ich möchte zu Jennifer Bourne.“

„Haben Sie einen Termin?“ Der autoritäre Ton ihrer Frage wirkt etwas einschüchternd. Trotzdem lasse ich mich von ihr nicht aus dem Konzept bringen. Was denkt sie, wer sie ist?

„Ja“, halte ich in selbstbewusster Tonlage dagegen.

„Haben Sie auch einen Namen?“ Inzwischen klingt sie recht ungehalten.

„Ja.“

Die Frau schiebt ihre Sehhilfe ein Stück herunter und mustert mich über den Brillenrand hinaus. „Und der wäre?“

„Ihre Majestät Elisabeth die Zweite, durch die Gnade Gottes Königin von Australien und Ihre anderen Reiche und Territorien, Oberhaupt des Commonwealth, du Schnepfe“, antworte ich schmunzelnd in meinen Gedanken und muss mich grinsend räuspern. „Isabelle White. Also eigentlich Weiß, aber wir sind hier im englischsprachigen Raum. Das klingt besser, oder?“ Jedes Mal, wenn ich aufgeregt bin, plappere ich wirres Zeug und hasse mich dafür. So, wie jetzt. Isabelle White. Wie komme ich nur auf so einen Blödsinn? Identitätsverdrängung von Isabelle Weiß - Ex-Freundin von Sascha, dem treulosen Banker? Wahrscheinlich. Ich will in Melbourne neu anfangen, also wische ich die Tafel ab und schreibe eine neue Geschichte.

Zu meiner Verwunderung schreibt die Dame, auf deren Schild Mrs Green steht, sich diesen Namen genauso auf und nickt. „Vierzehnter Stock. Zimmer zwei.“

„Danke sehr“, antworte ich geschwollen und bedenke die Unsympathin mit einem affektiert freundlichen Nicken.

Schmunzelnd verlasse ich den Tresen und quetsche mich in einen der Aufzüge, dessen Türen sich gerade schließen. Die Vierzehn hat noch niemand gedrückt, also erledige ich das schnell, bevor ich mich in eine der hinteren Ecken stelle, um noch einmal in mich zu gehen. Vor mir steht eine Frau in einem ziemlich heißen Abendkleid. Ein bisschen zu overdressed, um eine Immobilie zu kaufen, wie ich finde. Hier in Melbourne scheint eben vieles anders zu sein als zu Hause.

Die Frau vor mir sieht während der Fahrt nach oben immer wieder auf das Display ihres Handys und stöhnt entnervt. Da ist wohl noch jemand spät dran.

Mir fällt auf, dass ich meinen Kaffeebecher noch nicht geleert habe und diesen immer noch fest umklammert an mich drücke. Ich nehme den Deckel ab, um mit dem Strohhalm, der am Ende wie ein Löffel geformt ist, noch schnell den Schaum auszuschaufeln, bevor ich den Rest austrinke, als plötzlich der Aufzug heftig ruckelt und ins Stocken kommt.

Ich verliere das Gleichgewicht und werde unfreiwillig gegen die Frau geschleudert. Mein Kaffeebecher leider auch.

„Verdammt noch mal!“, flucht sie.

Der Aufzug nimmt wieder Fahrt auf, ehe die Dame und ich uns aufgerichtet haben.

Die Frau, die nur wenig älter als ich sein muss, starrt entsetzt an ihrem Kleid hinab. „Sag mal, spinnst du? Weißt du eigentlich, wie teuer dieses Kleid ist?“

„Entschuldigung. Das war keine Absicht.“

„Pah! Keine Absicht“, schimpft sie und wirft mir einen abschätzigen Blick zu, als sei ich nur niederes Volk. „Den Job für heute kann ich vergessen. Den Arbeitsausfall bezahlst du mir und das Kleid auch!“

„Moment mal!“, werfe ich ein und straffe die Schultern – bereit, aus der Defensive in den Angriff überzugehen. „Das war höhere Gewalt! Dafür haftet höchstens der Laden hier“, verteidige ich mich entschieden. Mich trifft keine Schuld, trotzdem fühle ich mich mies. Welchen Job ich ihr wohl ruiniert habe?

Der Lift hält ein paar Etagen später. Die hübsche, mit Kaffee überschüttete Frau steigt mit einem lauten Pfff aus und lässt mich allein mit meiner Nervosität zurück, die wegen des Vorfalls überdimensionale Ausmaße angenommen hat. Fängt ja gut an, Isabelle. Erst schnatterst du unten am Tresen abstruses Zeug vor dich hin, kommst, ich werfe einen Blick auf meine Uhr, zu spät und ruinierst einer armen Frau Job und Kleid. Und nun steht mir mein erster Arbeitstag noch bevor. Das kann ja heiter werden.

Kapitel 4

Taylor Tower, Melbourne

Ethan

Gefrustet sitze ich an meinem Sekretär und grübele über den Verkaufsunterlagen des, wie Liam sagt, „Impossible-to-sell“- Objekts. Dabei handelt es sich um einen ehemaligen Hotelkomplex, der als Luxusresort verkauft werden soll. Allerdings liegt dieser direkt an einer lauten Hauptverkehrsstraße. Bisher sind alle Interessenten abgesprungen. Bis auf einen:

Marshall Cooper.

Ungehalten sehe ich aus dem Fenster meines Büros im zwölften Stock des Taylor Real Estate Towers. Der blaue Himmel ist klar, nur mein Kopf nicht. Marshall Cooper bereitet mir Kopfzerbrechen, denn er ist einer unserer schwierigsten Kunden. Trotzdem werde ich ihn heute Abend bei einem Essen vom Kauf dieses Objektes überzeugen. Ich muss! - Wenn nicht, werde ich die Wette gegen meine Brüder Liam und Noah verlieren. Und das bedeutet nichts anderes als ein hässliches Tattoo an der Wade, das Noah aussuchen darf.

Schlimmer könnte es kaum kommen, denn mein kleiner Bruder hat einen ziemlich eigenwilligen Geschmack. Im Gegensatz zu mir und Liam ist Noah sehr speziell. Und obwohl wir drei eine elitäre Erziehung genossen haben, ist er ein Kindskopf. Er ist unser Küken und ein bisschen wie Peter Pan, weil er einfach nicht erwachsen werden will. Zumindest lässt sein kindisches Benehmen darauf schließen. Dabei geben Liam und ich uns größte Mühe, ihm gute Vorbilder zu sein.

Als mittleres Kind hatte ich es schon immer schwer. Auch heute noch stehe ich ständig im Schatten meines großen Bruders Liam, der in absolut allem der Beste ist. Das war er schon immer. Ob bei den Schwimmmeisterschaften oder dem Zoologie-Wettbewerb damals in der Schule. Ich habe nie mit ihm mithalten können. Und wenn es dann fast einmal geklappt hat, kam Noah mit irgendeiner schrägen Aktion daher und hat alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Trotzdem liebe ich meine Brüder, denn sie sind die einzigen Menschen, die Teil meines Lebens sein dürfen. Dieser kindische Wer-ist-der-Größte-Kampf geht mir allerdings auf die Nerven. Dafür bin ich mit meinen knapp dreißig Jahren einfach zu alt.

Seit unsere Eltern nach Südfrankreich ausgewandert sind, um dort eine neue Zweigstelle von Taylor Real Estate zu eröffnen, leiten wir drei die Geschäfte in Melbourne. Liam ist als Ältester der Geschäftsführer, Noah unser Creative Director, weil er sich für die alten Immobilien, die wir aufkaufen, immer wieder geniale Restaurationsideen einfallen lässt, die ich dann verkaufen darf.

Als Salesmanager fühle ich mich oft wie ein Klinkenputzer. Zumindest, wenn es um solch schwierige Objekte geht wie heute. Eigentlich steht mir nicht der Sinn nach einem Geschäftsessen. Eher nach Feierabend und einer heißen Lady in meinem Bett. Aber das kann ich heute vergessen. Während Liam und Noah die Füße hochlegen, bin ich mit Sicherheit nicht vor Mitternacht zu Hause. Stattdessen muss ich den Abend mit Marshall Cooper verbringen, den ich auf den Tod nicht ausstehen kann. Nicht nur, weil er ein arroganter alter Sack ist, sondern weil er ganz offensichtlich lieber mit Liam korrespondiert und mich nicht ernst nimmt. Das macht es mir bezüglich dieser Immobilie nicht leichter. Aber die Wette zu verlieren, ist für mich keine Option – schließlich bin ich ein gestandener Mann, der immer einen Plan hat.

Vincent Graham, mein Assistent, hat mir eines der teuersten und schönsten Escort-Mädchen für diesen Abend gebucht, mit dem ich Cooper garantiert weichklopfen werde. Wo bleibt Mr Graham eigentlich? Wir wollten noch etwas besprechen.

Unwirsch blättere ich die Spezial-Akte durch, knote unterdessen meine Krawatte neu und bereite mich innerlich auf das Gespräch vor. Warum sollte man so ein Objekt kaufen? Die Gäste werden sich dort nur über den Lärm beschweren, anstatt zu entspannen. Scheiße, verdammt! Verzweifelt reibe ich mir mit den Händen über das Gesicht. Mir muss etwas einfallen.

Die Tür platzt auf und mein Assistent stürzt herein. Seine Wangen sind gerötet und die Pupillen geweitet. Er atmet angestrengt unter seinem Bären-Speck-Pack und sieht mich an, als habe er etwas zu beichten.

Ich nehme einen hörbar angespannten Atemzug, lehne mich in meinem Drehstuhl zurück und taxiere ihn skeptisch. „Was ist los?“

Mr Graham zaudert und hält seine Antwort zögerlich zurück, bis die Tür ins Schloss gefallen ist. „Also -“

„Also, was?“ Ich sehe ihm an, dass es Probleme gibt. Und ich hasse nichts mehr als das.

„Die Escort-Dame für heute …“, stammelt er und zupft exaltiert an seiner Krawatte herum, obwohl sie wie eine Eins über der Knopfleiste seines Businesshemdes liegt. Seine Augen zucken ruhelos von links nach rechts. „Sie …“

„Was ist mit ihr? Ist es der Agentur zu wenig Geld? Diese Geier.“ Ich stoße laut Luft aus. „Gut, zahlen Sie noch einen Hunderter mehr. Aber dann reicht es wirklich.“

„Das ist es nicht. Sie …“, bricht er mit kratziger Stimme ab und presst kurz die Lippen aufeinander. Sein Gesicht wirkt wie das eines aufgeplusterten Hamsters kurz vor dem Platzen. „Es gibt ein Problem“, presst er die Hiobsbotschaft kleinlaut hervor.

Sofort rutsche ich mit meinem Stuhl zurück, atme so tief ein, dass sich meine Nasenflügel aufblähen, und krampfe die Hände zusammen. „Bitte, was?!“, zische ich, als hätte ich mich verhört und fahre von meinem Stuhl hoch.

Graham zuckt zusammen und sieht mich an, als ob alles in ihm: Bitte nicht schlagen, schreit.

Vom Flur aus ist plötzlich aufgebrachtes Gekreische zu hören. „Lassen Sie mich durch!“

Mein Assistent und ich schnellen mit den Köpfen herum und einen Wimpernschlag später platzt eine junge Frau in mein Büro.

Sie trägt ein Abendkleid und eine Hochsteckfrisur, atmet schwer und ist - ich lasse den Blick von oben nach unten laufen – über und über mit einer braunen Suppe und weißem Schaum übersät. Ihr Blick durch das verwischte Make-up ist finster.

Irritiert trete ich hinter meinem Schreibtisch hervor. „Was hat das zu bedeuten?“, frage ich die junge Dame kalt.

„Mister Taylor!“, zischt sie und zeigt drohend mit dem Finger auf mich.

Sofort hebe ich stoppend die Hände. So beginnt niemand mit mir ein Gespräch. „Wer sind Sie bitte?“

„Ich bin … war … Ihre Begleitung für heute Abend!“, erklärt sie wutschnaubend und deutet dann auf das ruinierte Kleid. „Aber die können Sie sich heute in den Allerwertesten stecken! Ich werde Sie verklagen!“

Mr Graham und ich tauschen knappe Blicke aus. Während ihre Einschüchterungstaktik bei ihm zu funktionieren scheint, da er ziemlich blass geworden ist, prallen ihre Worte an mir ab.

Mein ungläubiges Lachen flutet den Raum, bevor mein Gesicht sich verfinstert und ich sie böse und durchbohrend mustere.

Blitzartig fallen ihre Schultern ein und ihre Augäpfel zucken irritiert zwischen mir und meinem Assistenten hin und her.

„In welcher Angelegenheit möchten Sie mich verklagen, Miss?“ Mein Ton ist kühl, mein gestraffter Körper stählern.

„Na wegen … wegen“, beginnt sie zu stammeln. Ihre wuchtig aufgefahren Geschütze scheinen in sich zusammenzufallen.

Leicht amüsiert darüber hebe ich eine Augenbraue, erlaube meinem Mund jedoch nicht, von seiner eiskalten Haltung abzuweichen. „Wegen?“

„Wegen dem Aufzug!“ Die eben noch aufgebrachte Furie wird zunehmend kleinlauter. „Man hat mich mit Kaffee …“

Die Arme vor der Brust verschränkt, starre ich auf den großen Fleck unter ihrem Ausschnitt.

Gehemmt sieht das Escort-Mädchen mich an, versucht noch einmal zum Reden anzusetzen und verstummt.

„Wie ist Ihr Name?“ Ich weiß, dass die Art und Weise, wie ich sie bei dieser Frage taxiere, ziemlich unangenehm sein muss. Denn ich habe den Blick starr und kalt auf ihre Augen gerichtet.

„Kimberly Smith“, wispert sie.

Grübelnd reibe ich mir das Kinn und lasse mit meinen Blick immer noch nicht von ihr ab. „Miss Smith …“ Dann sehe ich zu Graham hinüber. „Mr Graham, begleiten Sie diese intolerable Dame bitte nach draußen und dann melden Sie den erbärmlichen Auftritt sofort dem Escortservice.“

„Ja, Mister Taylor“, antwortet mein Assistent und sieht die junge Frau, die heftig schlucken muss, mitleidig an.

„Ach, und Mr Graham? Richten Sie der Agentur bitte aus, dass wir sie verklagen werden, wenn sie uns noch einmal so eine Debütantin schicken.“

„Jawohl.“

Ein letztes Wort richte ich noch an die junge Dame, die voller Scham zu mir herüber schaut. „Warten Sie bitte vor der Tür. Mister Graham kommt gleich.“

Mrs Smith nickt und huscht wie ein Schatten über die Türschwelle. Dann schließt sie die Tür so leise, als hätte sie nie meinen Raum betreten.

Auch, wenn mich ihr reumütiger Abgang ziemlich amüsiert, bin ich sauer und wende mich an meinen Assistenten. „So. Wie konnte das passieren?“

Kurz beißt dieser sich auf die Unterlippe. Das macht er immer, wenn er in einer brenzligen Situation ist. „Mrs Smith wurde offenbar in unserem Aufzug von einer Dame mit dem Kaffee überschüttet.“

„Das ist ein Scherz!“ Brüskiert betrachte ich Mr Graham, der angespannt einatmet.

„Leider nein und Mrs Smith wollte uns dafür haftbar machen.“

„Warum denn das? Es war doch offensichtlich die Schuld der anderen Frau. Nicht unsere.“

Grahams Hände, die er vor seinem dicken Bauch zusammengefaltet hat, zittern leicht. „Weil es in unserem Lift passiert ist, der ins Stocken geraten ist. So wie bei uns beiden neulich. Die andere Frau hat wohl das Gleichgewicht verloren und dann ist es passiert.“

Augenrollend sehe ich auf den Kalender auf meinem Schreibtisch, in dem für morgen der Wartungsservice eingetragen ist. Einen Tag zu spät. „Na, wunderbar. Und jetzt?“

„Ich weiß es nicht“, piepst er fast und schaut dumm aus der Wäsche. In Momenten wie diesen frage ich mich, warum ich ihn überhaupt angestellt habe. In Situationen, in denen er mir den Arsch rettet, bin ich wiederum froh, dass er mein Assistent ist.

„Nun …“ Ich atme geräuschvoll aus und bedenke ihn mit einem strengen Blick. „Sie begleiten diese Person jetzt aus dem Gebäude und dann verschwinden Sie in Ihrem Büro. Ich will nicht, dass das jemand mitbekommt. Sie rufen den Escortservice an und bestellen mir sofort ein neues Mädchen.“ Meine Anweisung ist so betont, dass sie keinen Spielraum für Widersprüche lässt. Ich darf diese Wette nicht verlieren! Wenigstens einmal will ich einen schier unmöglichen Deal abwickeln. Einen, den weder Liam noch Noah abschließen könnten.

„Okay, ich gebe mein Bestes“, sagt Mr Graham zögerlich und verschwindet aus dem Konferenzraum.

Jähzornig raufe ich mir das Haar und glätte es sofort wieder. „Das darf doch nicht wahr sein“, murmle ich und hoffe, dass Mr Graham mir nicht irgendein Nullachtfünfzehn-Mädchen anschleppt. Als ob wir das nötig hätten. Wir können uns jedes Mädchen leisten. Ich verkaufe schließlich kein Nullachtfünfzehn-Projekt, sondern ein spezielles. Dafür brauche ich spezielle Überzeugungskünste.

Kapitel 5

Isabelle

Mit verschwitzten Händen klopfe ich an die Tür von Miss Bournes Büro. Durch das Holz höre ich, dass sie telefoniert. Nervös blicke ich auf die Uhr und trete angespannt auf den Beinen hin und her. Drei Minuten bin ich inzwischen zu spät. Ob sie vielleicht gerade bei dieser Miss Green anruft, um sich nach meinem Verbleiben zu erkundigen?

Als ein Hörer aufgelegt wird und sich klackernde Absätze der Tür nähern, hat meine innere Anspannung ihren Höhepunkt erreicht. Obwohl ich damit rechne, dass sich jeden Augenblick die Tür öffnet, zucke ich zusammen, als es passiert.

Jennifer Bourne, die ich bisher nur aus einem Skype-Telefonat kannte, mustert mich kurz. „Isabelle. Schön, dass Sie da sind.“ Ihr Lächeln wirkt aufgesetzt. Sie winkt mich herein und weist mit der Hand auf den Besucherstuhl vor ihrem Schreibtisch. „Was hat Sie denn so lange aufgehalten?“

Bitte? Ich habe pünktlich das Gebäude betreten. Aufgehalten hat mich höchstens der Drache hinter dem Empfangstresen, aber nicht mal lange. Na ja … und der Lift.

„Der Aufzug ist steckengeblieben“, beschwöre ich meine Unschuld und setze mich.

Mit ihren knallroten Fingernägeln zupft sie an ihrem Etuikleid, bevor sie hinter dem edlen Sekretär Platz nimmt. „Soso“, erwidert sie und lässt heraushören, dass sie mir kein Wort glaubt.

Meine Enttäuschung über Taylor Real Estate nimmt zu, dabei hatte Jennifer beim Skype-Gespräch so nett geklungen. Wahrscheinlich alles nur Fassade. Was ist das nur für ein Laden? Sind hier alle so hochnäsig wie die Empfangsdame?

Jennifer strafft die Schultern und wendet sich dem Monitor zu. Die Art und Weise, wie ihre langen Nägel auf der Tastatur aufschlagen, verursacht mir Gänsehaut. Dieses Klacken kann es locker mit ihren Absätzen aufnehmen. „Nun gut“, sagt sie schließlich und zieht neben sich eine Schublade auf. „Alles Vertragliche ist ja schon geklärt.“ Dann schiebt sie mir eine Karte über den Tisch zu. „Das ist Ihr Mitarbeiterausweis. Den haben Sie im Eingangsbereich abzuscannen, um Ihre Arbeitsstunden festzuhalten.“

„Auch in der Pause?“, frage ich nach, da ich keinen Fehler begehen möchte.

Jennifer schmunzelt herablassend. „Was für eine Pause?“ Macht sie sich etwas gerade über mich lustig?

„Habe ich denn keine?“, bringe ich es zaghafter als beabsichtigt über die Lippen.

Kopfschüttelnd lehnt Miss Bourne sich in ihrem Bürostuhl zurück. „Ich denke, Sie werden sich keinen Finger dabei abbrechen, an drei Tagen sechs Stunden durchzuarbeiten.“

Ah ja. Sich selbst aber wahrscheinlich zu etlichen Kaffeepausen in die Mitarbeiterküche verziehen. Zumindest schätze ich sie so ein. Wut steigt in mir auf. Ich scheine hier wirklich in einem versnobten Irrenhaus gelandet zu sein. Am liebsten würde ich einfach gehen und diese dumme Ziege stehenlassen. Doch ich bin auf das Geld angewiesen. „Kein Problem“, antworte ich deshalb und sehe Jennifer dabei zu, wie sie sich von ihrem Stuhl erhebt und auf einen Schrank zusteuert.

„Sie bekommen jetzt noch Ihre Arbeitskleidung.“ Wie ein Scanner lässt sie ihren Blick angefangen von meinem Kopf bis hin zu meinen Turnschuhen an mir herabschweifen. Abschätzend. „M nehme ich an?“

„Ich trage eigentlich XS.“

Ohne auf meinen Kommentar einzugehen, drückt sie mir die viel zu große Kleidung in den Arm. „M reicht. Man muss sich ja noch bewegen können.“

Ich leiste keine Widerrede.

„Sie haben fünf Minuten zum Umziehen. Die Toiletten sind gegenüber der Aufzüge. Wenn Sie dann fertig sind, melden Sie sich in Zimmer eins bei Miss Porter. Sie ist die Vorarbeiterin. Sie bringt Sie dann zu Ihrem Trupp. Die sind wahrscheinlich schon fleißig am Werk.“ Der letzte Satz war eine klare Anspielung auf mein verspätetes Erscheinen.

Obgleich innerlich vor Wut kochend, halte ich meinen Stolz aufrecht. Ich nicke nüchtern und halte auf die Bürotür zu. „Wiedersehen.“

Miss Bourne reagiert erst nicht. Doch weil ich, auf eine Verabschiedung wartend, immer noch im Raum stehe, blickt sie schließlich auf. „War noch etwas?“

Hitze schießt mir in den Kopf. „Nein“, antworte ich, während meine Selbstbeherrschung in Höchstleistung arbeitet und ich verbiete mir, weitere Worte an diese Person zu verschwenden. Ich werde ihr garantiert nicht den Gefallen tun, ihr eine weitere Angriffsfläche zu bieten. Dass sie sich für etwas Besseres als mich hält, hat sie mir bereits klar zu verstehen gegeben. Wie armselig. Wahrscheinlich ist sie wie Miss Green eine seelenlose Hülle ohne Persönlichkeit, die ausschließlich von ihrer Karrieregeilheit angetrieben wird.

Die für mich viel zu große Arbeitskleidung fest an mich gepresst, eile ich in Richtung der Toiletten, um mich umzuziehen. Gehetzt von den fünf … vier Minuten, die ich für den Kleidungswechsel Zeit habe, platze ich in den Vorraum der Toiletten hinein, die erst im Inneren nach Männlein und Weiblein getrennt sind.

Ein korpulenter Mann steht mit dem Handy am Ohr vor dem Waschbecken und sieht mich verschreckt an. Wahrscheinlich bin ich etwas zu stürmisch hereingeplatzt.

Nachdem er den flüchtigen Blick von mir abwendet, telefoniert er weiter. „Schauen Sie noch einmal nach, ob nicht doch jemand eingesetzt werden kann. Oder wollen Sie Mr Taylor als Kunden verlieren?“ Er klemmt das Smartphone zwischen seinen dicken Hals und wäscht sich die Hände.

Ich habe keine Ahnung, was der Typ für ein Problem hat, aber ich sollte mich besser im Eiltempo umziehen. So viele schlecht gelaunte Menschen auf einmal sind mir zu viel.

„So eine Scheiße!“, flucht der Mann plötzlich und schlägt mit der geballten Faust so fest auf das Waschbecken, dass der seitlich abgelegte Ring kurz hochspringt.

Schockiert reiße ich die Augen auf und flüchte in den Nebenraum mit den Damentoiletten. Die anfängliche Freude über den Job schwindet. Erst die knappe und wenig herzliche Begrüßung von dieser Jenny und dann das hier. Na ja. Ich bin die Putzfrau, nicht die Büroangestellte. Mit den beiden werde ich hoffentlich nicht viel zu tun haben. Frustriert will ich mir gerade den Putzkittel überziehen, als es an der Toilettentür klopft. „Bin gleich fertig. Die anderen Toiletten sind auch noch frei“, rufe ich gehetzt und öffne die Tür, als es das zweite Mal hämmert.

„Würden Sie bitte kurz öffnen?“, sagt eine dunkle Männerstimme und lässt mich zusammenzucken. Was habe ich jetzt schon wieder verbrochen?

Brüskiert trete ich aus der Toilette, den Kittel vor meine Brust gedrückt. Ich werde mich erneut verspäten, wenn ich mich aufhalten lasse.

Der Mann vom Waschbecken steht vor mir und mustert mich. Droht jetzt der nächste Wutanfall? Verlegen presst er die Handflächen aneinander. „Ich wollte mich entschuldigen. Sie haben mich in einem sehr ungünstigen Moment erwischt.“

Meine schlechte Laune weicht, doch die Skepsis bleibt. Mit zusammengerückten Augenbrauen betrachte ich mein Gegenüber, das nun ziemlich unterwürfig wirkt.

„Entschuldigung angenommen. Wenn Sie mich jetzt wieder in die Toilette lassen würden? Ich habe zu arbeiten.“ Die schwindende Zeit im Hinterkopf deute ich auf den Putzkittel in meinen Händen.

Der Mann schaut kurz darauf und blickt mir dann direkt in die Augen. „Sie sind neu, oder? Ich habe Sie hier noch nie gesehen.“

„Mein erster Tag und ich bin wirklich spät dran. Miss Bourne wird das nicht gefallen.“

„Vergessen Sie das für heute. Ich brauche Sie anderweitig“, sagt er entschlossen und zückt sein Handy. „Ich gebe Jenny Bescheid, dass sie heute woanders gebraucht werden.“

Stoppend hebe ich die Hände. „Moment mal, bitte!“

Der Mann sieht mich überrascht an.

„Wer sind Sie eigentlich und wofür brauchen Sie mich?“

Er hält mir die Hand hin. „Ich bin Mr Graham. Persönlicher Assistent von Ethan Taylor.“

Perplex schüttle ich seine Hand.

„Würden Sie Mr Taylor heute zu einem Geschäftsessen begleiten?“, fragt er zögernd.

Überrascht reiße ich die Augen auf. „Was? Ich?!“

„Ja, Sie.“

„Warum das denn? Das geht nicht“, wehre ich ab und spüre, wie sich mein Puls beschleunigt.

„Weil sich das Mädchen, das ich als Begleitung gebucht habe, mit Kaffee übergossen und die Agentur so kurzfristig keinen adäquaten Ersatz anzubieten hat.“

Ungläubig muss ich lachen, doch dann fällt mir die Frau im Lift wieder ein. Verdammt – daran bin ich nicht ganz unschuldig. „Es geht trotzdem nicht. Ich habe nichts anzuziehen und wüsste auch gar nicht, wie ich mich verhalten soll.“

„Zwei Straßen weiter ist ein exklusiver Damenausstatter. Ich lasse Bernie schnell mit ein paar Teilen herkommen.“

„Bernie Houmple? Der australische Top-Designer?“

Dieser Mr Graham schaut mich leicht amüsiert an, als mir der Mund offensteht. „Ja, er und Ethan sind alte Schulfreunde.“

Ich muss schlucken und neu nach meinem Wortschatz graben.

„Warum haben Sie die Dame dann nicht einfach neu ausstatten lassen?“

Mr Graham presst die Lippen so fest aufeinander, dass sich seitlich seines Mundes tiefe Grübchen bilden. „Sagen wir es so … Die Kompatibilität zwischen ihr und Mr Taylor war nach dem Vorfall nicht mehr gegeben.“

Ich atme geräuschvoll ein, denn ich fühle mich mitschuldig.

„Also, wie sieht es aus? Zweitausend australische Dollar. Eintausend jetzt und den Rest morgen früh.“ Die Zungenspitze ist ihm zwischen die Lippen gerutscht und er sieht mich an, als könne ich dieses großzügige Angebot unmöglich ausschlagen.

„Und was ist mit meiner Arbeit?“

Mr Graham zieht sein Portemonnaie aus der Innentasche seines Jacketts und hält mir kurz darauf ein Bündel Scheine hin, um seinem Angebot mehr Ausdruck zu verleihen. „Ich rufe Jennifer gleich an. Mach dir auch keine Sorgen, ich sage ihr, dass das unter uns bleiben muss.“

„Okay“, hauche ich immer noch wie erschlagen über dieses großzügige Angebot. Ich bin mir trotzdem uneins, ob es dumm oder klug ist, es anzunehmen.

„Perfekt. Dann kommst du jetzt mal mit mir mit und wir suchen ein leeres Büro für dein Umstyling.“

Mr Graham greift sanft nach meinem Arm und will mich in Richtung Toilettenausgang ziehen. „Moment noch.“