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Als Brigitte Chaya Nussbächer das erste Mal nach Israel reist, ahnt sie noch nicht, wie lebensverändernd dieser Besuch für sie sein wird. In ihrem Buch erzählt sie von ihrer berührenden Geschichte und nimmt den Leser mit auf eine ganz persönliche Reise. Mit ihren eindrücklichen Augenzeugenberichten und bewegenden Schilderungen erschütternder Einzelschicksale zeichnet sie ein authentisches Bild der aktuellen Lage Israels in den Jahren vor und nach dem 7. Oktober 2023. Lebendig bettet sie das Geschehen in den politischen und historischen Kontext ein, erklärt komplexe Zusammenhänge leicht verständlich und beleuchtet sie auch aus einer biblischen Perspektive. Ein Buch, das Antworten zu vielen brennenden aktuellen Fragen liefert und diese Jahre nahbar und spürbar werden lässt.
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Seitenzahl: 317
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Brigitte Chaya Nussbächer (Jg. 1970), hauptberuflich Personalleiterin, ist regelmäßig in Israel unterwegs. Auf ihrer Website, sowie mit Artikeln und bei Events informiert sie über Themen aus dem Land. Sie und ihr Mann gründeten einen Verein und kooperieren mit Organisationen in Israel, um vom 7.10.2023 betroffene Familien zu unterstützen.www.arc-to-israel.org
EINE STIMME FÜR ISRAEL
Als Brigitte Chaya Nussbächer das erste Mal nach Israel reist, ahnt sie noch nicht wie lebensverändernd der Besuch für sie sein wird. In ihrem Buch nimmt sie uns mit auf ihre ganz persönliche Reise. Durch eindrückliche Augenzeugenberichte und ergreifende Lebensgeschichten zeichnet sie die aktuelle Lage Israels authentisch nach. Sie bettet das Geschehen in den politischen und historischen Kontext ein, erklärt komplexe Zusammenhänge und beleuchtet diese auch aus biblischer Perspektive. Ein Buch, das Antworten zu brennenden aktuellen Fragen liefert und die schicksalshaften Jahre vor und nach dem 7. Oktober 2023 nahbar und spürbar werden lässt.
»Ein faszinierendes Buch, das Israels jüngste Geschichte durch bewegende Schicksale erlebbar macht – erschütternd, hoffnungsstark und spannend wie ein Krimi. Durch den mitreißenden Zeitzeugenbericht mit historischen Hintergründen entsteht ein authentisches vielseitiges Bild, das aufrüttelt und berührt.«
Arye Sharuz Shalicar, Deutsch-persisch-israelischer Politologe, Publizist und Sprecher der IDF in Reserve
Die automatisierte Analyse des Werkes, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen gemäß § 44b UrhG (»Text und Data Mining«) zu gewinnen, ist untersagt.
ISBN 978-3-7751-7686-6 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-6316-3 (lieferbare Buchausgabe)
E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
© 2026 Hänssler in der SCM Verlagsgruppe GmbH
Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen
haenssler.de
Soweit nicht anders angegeben, sind die Bibelverse folgender Ausgabe entnommen:
Neues Leben. Die Bibel, © der deutschen Ausgabe 2002 und 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen.
Weiter wurden verwendet:
Lutherbibel, revidierter Text 1984, © Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Holzgerlingen.
Gute Nachricht Bibel, revidierte Fassung, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 2000 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Bibeltext der Schlachter Bibelübersetzung. Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit der freundlichen Genehmigung.
Alle Rechte vorbehalten.
Lektorat: Christiane Kathmann, www.lektorat-kathmann.de
Umschlaggestaltung: Sybille Koschera, Stuttgart
Titelbild: annebel146-Freepik.com
Autorenbild: Michael Diehl, Esslingen
Bilder im Innenteil: Harald Bottesch, Brigitte Chaya Nussbächer, Shutterstock
Satz: typoscript GmbH, Walddorfhäslach
Um Zions willen will ich nicht schweigen …
Jesaja 62,1; LUT
Über die Autorin
Über das Buch
Stimmen zum Buch
VORWORT
1 WIE WIR ISRAEL LIEBEN LERNTEN
Auftakt
Schatten der Vorwarnung – Protestmärsche (März 2018)
Eine lebensverändernde Reise (April 2018)
Der Segen und das Erbe
Der Terror nimmt zu – Raketen und Feuerdrachen (2019)
Zweiter Flug nach Israel (Mai 2019)
Einen Bogen zu Israel bauen: »ARC to ISRAEL«
Corona (ab März 2020)
Der besondere Seder-Abend und mein Aufbruch zu Pessach
Eskalation in Jerusalem (Mai 2021)
Die Diagnose (Januar 2022)
Leben auf einer neuen Wellenlänge
An der Kotel (März 2023)
Altäre der Dankbarkeit
Ein neuer Fokus
2 DAS MASSAKER DER HAMAS
Der Schwarze Schabbat (07. Oktober 2023)
Fassungslos
Wer Israel segnet, wird gesegnet!
Entscheidung in der Nacht
Die UN-Resolution vom 27. Oktober 2023
Eine Stimme für Israel
Die zweite Chance
Die Feuersäule (16. November 2023)
Das Geiselabkommen (November 2023)
Release unserer Website arc-to-israel.org
Ein uraltes Fest mit aktueller Bedeutung
Die Geschichte von Wundern des Lichts
Hoffnungsfunken 2023
Oh du fröhliche Weihnachtszeit?
Die Entfremdung
Anklage vor dem Internationalen Gerichtshof (Januar 2024)
Nie wieder – ein Versprechen mit Substanz?
Lösen wir das Versprechen ein?
3 VERWUNDETES ISRAEL
An eurer Seite
Der Platz der Geiseln
Begegnungen im Hotel
Die leeren Straßen von Jerusalem
Das Supernova-Festival-Gelände
Der Augenzeuge
Himmel und Hölle von Kfar Azza
Das Wunder von Kerem Schalom
Musik als Schutzschild
Der Angriff des Iran (13./14. April 2024)
Der Tag danach
Für die Zukunft
Man spürt ihre Tränen, aber man sieht sie nicht
Das Vermächtnis
Der lange Feldzug (2023 bis Mai 2024)
Israel-Event zum Unabhängigkeitstag 2024
4 MEILENSTEINE DER VERGANGENHEIT
Die Erfüllung einer Hoffnung
5 FACETTEN DER WIEDERHERSTELLUNG
Heimkommen (Juni bis Juli 2024)
Ein Fest des Lebens – zu Gast bei Avishay
Von eigenem Leid zum Segen für andere
Segenskreise
Hadas – Trauer, die auf ein Ende wartet
Sigal – der Funke Lebenswillen
Eskalation im Herbst (Juli bis November 2024)
Eine alte Schuld
Sollen das Lösungen sein?! (Dezember 2024 bis März 2025)
Mein neuer Name Chaya
Pläne für unsere nächste Israel-Reise
Angekommen (30. März 2025)
Die IDFWO und das Lächeln der Hoffnung
Die Fortsetzung einer wunderbaren Begegnung
Kennenlernen in Kiryat Gat
Oasen des Lebens: die Rimon-Farmen in der Wüste
Die helfenden Hände von Be’ad Chaim
Der Auftrag
Besuch von Rony und Ofer
Ein Zuhause für die Familien der Geiseln: das Forum in Tel Aviv
Musik in der Wüste
Aryes Podcast
Lehitraot – Auf Wiedersehen
6 DER VERBORGENE SEGEN
Israel-Event mit über 440 Gästen
Yuvals Lied vom neuen Tag
Operation Rising Lion und die Vorgeschichte dazu (Juni 2025)
Hungersnot (?!) und Abwendung (Juli bis September 2025)
Der verborgene Segen – Israels Geheimwaffe
Eigene Erfahrungen
Wie Tränen zu Diamanten wurden
Hoffnung in der Dunkelheit
Frieden?!
Danksagung
WEITERFÜHRENDE QUELLENNACHWEISE
Der Konflikt in und um Israel kommt seit dem 7. Oktober 2023 nicht zur Ruhe und bestimmt seit Monaten die Nachrichten. Der Tag ist eine Zäsur. Doch was sind die Hintergründe, die Ursachen? Wie kann man die Situation erfassen und interpretieren?
Israel fasziniert mich seit Jahren. Deshalb wollte ich den Dingen auf den Grund gehen und die Situation verstehen lernen. Deshalb bin ich auch nach dem Massaker der Hamas wiederholt in Israel gewesen, habe Angriffe miterlebt, habe mir als Augenzeugin ein Bild vor Ort gemacht und vor allem zugehört.
In diesem Buch nehme ich Sie mit auf eine Reise zu den Menschen in Israel, die das aktuelle Zeitgeschehen mit Gesichtern verbindet. Die individuellen Schicksale eröffnen Einblick in eine viel tiefere Ebene, als es die herkömmlichen Medien tun. Begleiten Sie mich und staunen Sie über ein blühendes Israel vor dem Massaker. Danach gehen wir in die verwüsteten Kibbuzim, sehen, was tatsächlich am 7. Oktober geschehen ist, und erleben, wie die betroffenen Familien ihr Leben wiederaufbauen, was sie fühlen – und wie die Ereignisse in Israel wahrgenommen werden.
Es ist auch eine Reise in die Vergangenheit, weil ein Tiefenblick in Israels Geschichte vieles erklärt, was sonst untergeht. Im Gesamtkontext der historischen Ereignisse erschließen sich Ursachen und Zusammenhänge und es lassen sich erschreckende historische Parallelen erkennen. Zum Schluss widmen wir uns der uralten Frage: Was hilft, über das aktuelle Geschehen hinauszusehen und die Hoffnung nicht aufzugeben?
Diese Zeit konfrontiert uns auch mit der Frage unserer eigenen Positionierung und Verantwortung. Lassen wir uns inspirieren von Männern und Frauen, die selbst in dunklen Jahren Werte und ihre letzte Freiheit hochgehalten haben: die Freiheit, eine eigenständige Entscheidung zu treffen.
Wollen Sie miterleben, wie diese Reise weitergeht? Dann lassen Sie uns in Verbindung bleiben. Auf unserer Webseite www.arc-to-israel.org finden Sie aktuelle Inhalte. Auf Ihre Rückmeldung freue ich mich unter: [email protected].
Ihre Brigitte Chaya Nussbächer
Am 15. April 2018 wollen wir zum ersten Mal nach Israel fliegen. Alles ist organisiert. Endlich! Eigentlich hatten wir schon lange vor, Israel zu besuchen, unserem Verständnis nach gehört das fast zur »Allgemeinbildung«.
In diesem Jahr feiern mehrere nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Staaten ihr siebzigstes Jubiläum – darunter auch Israel. Nachdem wir Dokumentarfilme über Indien und Pakistan zu dem Thema gesehen haben, frage ich mich, wie wohl Israel diese Zeit genutzt hat. Im Vergleich zu den anderen Staaten muss es ungleich schwerer gewesen sein, aus dem Nichts etwas aufzubauen.
Lange hat es mich nicht nach Israel gezogen, weil die Berichte derer, die von Reisen aus Israel zurückkehrten, mich nicht angesprochen haben. Ich habe kein besonderes Interesse an Ruinen oder Gedenkkirchen, die daran erinnern, was vor 2 000 Jahren geschehen ist. Mich interessiert vielmehr, wie Gott heute, in der Gegenwart, im Land der Bibel erlebbar wird. So war ich lange auf der Suche nach einer anderen Art, Israel kennenzulernen, und die Entscheidungsfindung hat sich verzögert.
Letztlich war es dann tatsächlich der historische Aspekt, der den Ausschlag gegeben hat. Und so haben wir – sehr gespannt auf das, was wir vorfinden werden – eine geschichtliche Studienreise gebucht.
Verstörende Bilder am Sicherheitszaun, der den Gazastreifen von Israel trennt. Palästinensische Randalierer rollen brennende Räder und schleudern Brandbomben und Steine gegen israelische Truppen. Terroristen versuchen, Sprengsätze anzubringen, den Grenzzaun zu durchbrechen und nach Israel einzudringen. Die Gewaltbereitschaft und der Hass, der aus diesen Bildern spricht, lassen mich schaudern.
Die radikalislamische Terrororganisation Hamas, die 1987 gegründet wurde und 2006 die Macht im Gazastreifen mit Gewalt an sich gerissen hat, ruft unter dem Motto »Der Rückkehrmarsch der Millionen« über Moscheen zu den Protesten auf. Busse bringen Zigtausende an die Grenze.
Die Hamas erkennt die Existenz Israels nicht an. Sie fordert, dass palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen in ihre ehemaligen Städte und Dörfer zurückkehren dürfen, die sich vom Jordan bis zum Mittelmeer, vom Hermon bis zum Roten Meer erstrecken. Die Terrororganisation hat die totale Zerstörung des israelischen Staates durch den Heiligen Islamischen Krieg (Dschihad) als ihr zentrales Ziel propagiert. Muslime und Araber werden zur Tötung aller Juden aufgerufen.
Leere Worte? Wie bitterernst sie gemeint sind, kann man an jenem 30. März kaum ahnen …
Die Nachrichten verunsichern mich zutiefst. Ich frage mich, ob dies der richtige Zeitpunkt für eine Reise ist.
Aber jetzt, in letzter Minute, wieder zurücktreten und die Reise stornieren? Obwohl wir es in Erwägung ziehen, hoffen wir, dass Israel die Lage unter Kontrolle behalten wird (wonach es aussieht). Wir tragen uns in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes ein und fliegen wie geplant.
»Bruchim haba’im le’Israel – Welcome in Israel«, klingt die Stimme des Piloten aus den Lautsprechern, und das Flugzeug rollt langsam in die Endposition. Wir sehen neugierig aus dem Fenster. Was werden wir in diesem Land vorfinden, über das so viel Widersprüchliches berichtet wird und das es vor hundert Jahren noch nicht gegeben hat?
Tel Aviv – eine moderne, weltoffene Metropole
Noch während der Fahrt vom Flughafen Ben Gurion nach Tel Aviv hören wir von unserer Reiseleiterin Corinne die Entstehungsgeschichte dieser Stadt, beginnend bei der Parzellen-Verlosung an ein paar Dutzend Familien im April 1909. Sie wollten auf Sanddünen, die der niederländische Bankier Jacobus Kann gekauft hatte, die erste jüdische Stadt der Moderne bauen. Und dann fahren wir auch schon an den ersten Hochhäusern vorbei, hinein in Tel Aviv, das heute die modernste und weltoffenste Metropole des gesamten Nahen Ostens ist.
Arabische Staaten rund um Israel
Unser erster Weg führt uns in das sehr originell und lebendig gestaltete Palmach-Museum. Hier erfahren wir von dem beeindruckenden Kampf des jüdischen Volkes für seine Unabhängigkeit und von der Vorgeschichte: 1947 beschlossen die Vereinten Nationen, das ehemalige britische Mandat in zwei Länder aufzuteilen: ein jüdisches und ein arabisches. Am 14. Mai 1948 proklamierte David Ben Gurion den jüdischen Staat, und um Mitternacht, nur wenige Stunden später, wurde das Land von den fünf arabischen Ländern Ägypten, Syrien, Jordanien, Irak und Libanon angegriffen.
Als neu gegründeter Staat besaß Israel noch keine erprobte Armee. Doch rund 140 000 Juden, viele von ihnen Holocaust-Überlebende, versuchten das Land gegen eine Mehrheit von 660 000 gut ausgerüsteten Arabern zu verteidigen.1 Wenn man darüber nachdenkt, wird einem die menschliche Hoffnungslosigkeit bewusst – und dass das Überleben Israels ein Wunder ist. Mit Tränen in den Augen verlasse ich das Museum. Jetzt verstehen wir, welch hohen Preis das jüdische Volk so kurz nach dem Holocaust im Unabhängigkeitskrieg für seine Existenz bezahlt hat.
Umso mehr staunen wir über die Lebensfreude und die Energie, die heute auf den Straßen Tel Avivs spürbar ist und die wir bei den Menschen entdecken, denen wir begegnen.
Wir sehen die Fähigkeit dieses Volkes, schnell aus dem Nichts etwas aufzubauen (Israel hat weltweit die zweithöchste Anzahl von Start-ups). Und wir bewundern die genialen Ideen, mit denen es Lösungen für scheinbar Unlösbares findet, wie zum Beispiel Wasserentsalzungsanlagen am Mittelmeer, die helfen, den Wassermangel zu beheben.
Wir sind überrascht, dass Israel die zweithöchste Akademikerquote und die dritthöchste Patentquote der Welt, hat und bewundern, dass 23 % aller Nobelpreisträger jüdischer Abstammung sind.
Wir erleben die Kreativität der Israelis und ihren Sinn für Kunst und Schönheit. Israel hat gemessen an der Anzahl der Einwohner die meisten Museen und Orchester und liegt auf Platz 2, was die Anzahl der verlegten Bücher anbelangt. Wer hier ein Konzert besucht, wird einem sehr hohen künstlerischen Niveau und großer Begeisterung des Publikums begegnen.
Wir streifen durch Städte, Orte, Landschaften und sind beeindruckt: Unglaublich, was hier in nur siebzig Jahren geschaffen wurde! Dort, wo sich früher Sümpfe, Sanddünen und wüstes Land befanden, haben Pioniergeist, Innovation und Durchhaltevermögen blühendes Leben entstehen lassen. Millionen Bäume wurden gepflanzt, und entlang der Autobahn blüht tropfenbewässerter Oleander.
Dattelplantage in der Wüste
Aus dem armen Agrarstaat ist ein Land mit führender Technologie und einer starken Währung entstanden.
Je mehr Israelis wir persönlich kennenlernen, desto mehr schätzen wir ihre konstruktive Einstellung, ihre Dynamik und ihren Mut – trotz ihres bis heute andauernden Ringens um ihr Recht auf Existenz.
Wir hören von den Kämpfen im Sechs-Tage-Krieg 1967, von der Befreiung der Altstadt Jerusalems und wie die Juden wieder Zugang zu ihrer heute heiligsten Stätte, der Westmauer, erlangt haben (bekannt auch unter dem Namen Klagemauer).
Wir sehen den Wiederaufbau nach wiederholter Zerstörung am Beispiel der Hurva-Synagoge in Jerusalem und uns wird klar, dass selbst die häufigen Terroranschläge in dieser Gegend den Menschen weder die Lebensfreude noch den Lebensmut rauben können, auch wenn sie schmerzliche Verluste zu beklagen haben.
Junge Soldaten
Wir erleben die »Wächter Israels«, die jungen Soldaten und Soldatinnen auf den Straßen, die für Sicherheit sorgen, und lauschen den Zeugnissen von sogenannten »einsamen« Soldaten, die freiwillig ihr Heimatland, Verwandte, Freunde und ein angenehmes Leben verlassen, um in der IDF (Israel Defence Forces) zu dienen.
Auch bei der Integration und der Schaffung eines gemeinsamen Nenners in der sehr vielfältigen israelischen Gesellschaft spielt die IDF eine wichtige Rolle. Hier kommen Holocaust-Überlebende von überall aus Europa, rund 700 000 Juden, die nach der Staatsgründung aus den umliegenden arabischen Ländern vertrieben wurden, und Einwanderer aus Amerika, Afrika sowie der ehemaligen Sowjetunion zusammen.
Wir erleben den Jom haSikkaron, den Gedenktag für alle gefallenen israelischen Soldaten und die Opfer von Terrorismus seit der Staatsgründung. Er beginnt am Vorabend mit einer Schweigeminute um 20 Uhr und einer zentralen Feier an der Westmauer. Die israelische Flagge wird dabei auf halbmast gesetzt. In jedem Gebäude gibt es einen Gedenktisch, Kerzen werden angezündet.
Am nächsten Vormittag um elf Uhr heulen die Sirenen und es werden zwei Schweigeminuten abgehalten. Alles steht still: Die Arbeit wird unterbrochen, Pkw auf der Autobahn halten an, alle zeigen ihren Respekt, viele beten. Wer das einmal erlebt hat, vergisst es nicht. Kränze werden niedergelegt.
Alle denken an die Menschen, die ihr Leben geopfert oder verloren haben, weil Israel – auch nach seiner Staatsgründung – immer noch um sein Überleben kämpfen muss und jedes Jahr Terroropfer zu beklagen hat. Seit der Proklamation, von 1948 bis 2018, sind es über 20 000 gewesen. Dies ist der Preis, den Israel für seine Unabhängigkeit bezahlt.
Israel ehrt die Gefallenen.
Der Trauertag geht mit den Abendstunden in den Jom haAtzma’ut über, den Unabhängigkeitstag. An diesem Tag wurde im Jahre 1948 die Unabhängigkeit Israels proklamiert. Ein Freudentag! Wir feiern mit, dass sich der 2 000 Jahre alte Traum der Juden, den sie in ihrer Hymne haTikwa (Hoffnung) besingen, erfüllt hat: ein freies Volk im Lande Zion und in Jerusalem zu sein.
Dieses Jahr markiert einen absoluten Höhepunkt in der Geschichte des jungen jüdischen Staates. Israel hat viel erreicht. Es gehört zu den einflussreichsten Staaten der Welt, seine Bürger sind glücklich und lebensfroh. Seine Armee, die weltweit als eine der besten gilt, hat es geschafft, die Grenzen zu sichern. Holocaust-Überlebende haben große Familien gegründet, das Land ist erfüllt vom Lachen der Kinder. Die Zukunft scheint voller Verheißungen und die düstere Bedrohung aus dem Gazastreifen wird nicht übermäßig ernst genommen.
Schwer beeindruckt fliegen wir nach Deutschland zurück. Wir haben in Israel mit eigenen Augen wahrgenommen, wie Gott zu seinem Volk steht. Wir haben anhand von Fakten und Tatsachen gesehen, wie die Aussagen der Bibel Realität werden. Und wir haben überall im heutigen Israel erlebt, wie Gottes Verheißungen in Erfüllung gehen.
Israels Mittelmeerküste
Schon jetzt ist klar, dass wir im nächsten Jahr wiederkommen werden, um noch mehr von diesem besonderen Land kennenzulernen.
Wie lebensverändernd diese Reise tatsächlich für uns werden sollte, war uns zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst.
»Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über« – gemäß diesem Motto wollte ich unsere besondere Erfahrung mit anderen teilen, vor allem mit meinem Vater, Gernot Nussbächer. Ihm wollte ich von dem Mann berichten, der mehr Sprachen gesprochen hat und dessen private Bibliothek größer war als seine: David Ben Gurion!
Das mag anmaßend klingen, aber Gernot Nussbächer sprach tatsächlich sieben Sprachen, zwei weniger als Ben Gurion, und seine persönliche Bibliothek umfasste Zehntausende Titel. Er war Historiker und hatte sich zum Ziel gesetzt, den Siebenbürgern, seinem Volk, ein historisches Denkmal zu setzen.
Bei den Siebenbürgern handelt es sich um eine deutsche Minderheit aus dem heutigen Transsilvanien (Rumänien). Sie kamen im 12. Jahrhundert auf Einladung des ungarischen Königs Geisa II. in das Gebiet, um das Land zu erschließen und gegen Invasionen aus dem Osmanischen Reich zu verteidigen. Bis zum Ersten Weltkrieg gehörte Siebenbürgen zu der K.-und-k.-Monarchie Österreich-Ungarn, doch 1918 wurde es Rumänien zugesprochen. Nach massiven Romanisierungs- sowie Enteignungsmaßnahmen und final 1989, nach dem Sturz des kommunistischen Regimes, kehrten über neunzig Prozent der deutschen Minderheit nach Deutschland, in die Heimat ihrer Vorfahren, zurück.
Gernot Nussbächer sah voraus, dass in Kürze die Erinnerung an diese Volksgruppe verschwinden würde, und machte sich daran, aus uralten Urkunden und Chroniken Nachweise zusammenzutragen und in insgesamt 1 589 Titeln zu veröffentlichen, darunter 45 Bücher und Broschüren. Er erhielt für sein Lebenswerk nationale und internationale Auszeichnungen.
Doch das hatte seinen Preis – einen Preis, den nicht nur er zahlte, sondern auch seine Familie. Für ihn gab es nur seine Arbeit und ich wuchs de facto ohne einen Vater auf. Nichts anderes schien ihm wichtig. Er bestimmte einen Fremden als Generalerben für sein gesamtes wissenschaftliches und materielles Erbe in der Hoffnung, dass dieser sein Werk verwalten würde, und schien meine Existenz 48 Jahre lang vergessen zu haben.
Nach unserer Rückkehr aus Israel dachte ich, dass ich endlich ein Thema gefunden hatte, das ihn auch interessieren würde, nämlich die außergewöhnliche Biografie des Staatsgründers David Ben Gurion. Aber nun erfuhren wir, dass mein Vater krank war und kurz vor seinem Tod stand.
Ursprünglich hatte ich damit gerechnet, dass diese Nachricht für mich eher eine Befreiung sein würde, weil dieser bittere Teil meines Lebens wegfallen würde, doch als die Nachricht kam, umgab mich auf einmal ein Imperativ mit unglaublicher Klarheit: dass ich mich auf den langen Weg zu ihm machen würde – und dass ich ihm verzeihen musste: alles und voraussetzungslos.
Als ich schließlich vor seinem Bett stand und er vor mir lag, so erschütternd abgemagert, sprach ich es aus: Ich sagte ihm, dass ich ihn mein Leben lang vermisst hatte und wie sehr es mir wehgetan hatte, dass ich von ihm vergessen worden war, aber dass ich ihm alles vergab: freiwillig und bedingungslos. Danach bat ich ihn um Verzeihung.
In den folgenden drei Tagen setzte – zunächst unmerklich – eine völlige Veränderung ein. Wir, die wir nie kommuniziert hatten, sprachen auf einmal stundenlang. Ich erfuhr mehr von ihm und über ihn als je zuvor. Und auch er hörte mir zu und versuchte, mir mit einem Abschiedsgeschenk eine kleine Freude zu bereiten. Es war, als würde sich eine Lücke schließen, die immer geklafft hatte, und das Wort »Vater! Mein Vater!« war für mich erstmalig mit Bedeutung erfüllt. Es waren Stunden wie Diamanten, voll ungeweinter Tränen, unter ungeheurem Druck – aber auch von unfassbarer Schönheit und Klarheit. In unseren letzten gemeinsamen Minuten umarmte er mich das erste und einzige Mal in meinem Leben und ich bat ihn um seinen Segen. Am 21. Juni 2018 wechselte mein Vater schließlich, versöhnt mit Gott und den Menschen, voller Gelassenheit in eine andere Zukunft.
In mir blieb ein wilder, erbarmungsloser Schmerz zurück. Wir hatten gerade die ersten Schritte miteinander gemacht. Ich wollte meinen Vater, den ich für drei Tage am Rande der Ewigkeit getroffen hatte, nicht wieder verlieren – und erkannte schließlich, dass mir sein genetisches Erbe bleiben würde.
So schrieb ich in dieser Nacht:
Lieber Gernot,nein, ich werde mich nicht von Dir verabschieden – ich werde Dich in meinen Armen festhalten, wie jemanden, den man gefunden hat, und nicht wie jemanden, von dem man sich trennt. Als ich zu Dir kam, dachte ich: Von echten Parallelen sagt man, dass sie einander in der Unendlichkeit berühren, weil der Raum ein anderer wird und es einen Perspektivwechsel gibt. Und so hatte ich nur die Hoffnung auf die Ewigkeit …ABER wir haben einander erreicht und berührt – jetzt! Hier! –, nicht erst in der Ewigkeit.Nein, ich werde mich nicht von Dir verabschieden! Ich werde Deinen Segen, den Du mir beim Abschied gabst, immer bewahren – und einen Teil von Dir. Denn was auch mit Deinem irdischen Erbe geschieht, ich, als Dein einziges Kind, trage in meinen Genen Dein anderes, unvergängliches Erbe und so wirst Du ein Teil von mir sein und ich werde Dich behalten – für immer!Brigitte
Die erste und einzige Umarmung meines Vaters
Das Leben ging weiter und erstaunlicherweise war mein Vater darin präsenter als zu seinen Lebzeiten. Mit seinem Abschiedsgeschenk erwarb ich einen Goldring aus Israel mit der hebräischen Inschrift »Ich fand den, den meine Seele suchte«. Seitdem trage ich diesen Ring als ein Zeichen der Verbundenheit über den Tod hinaus, der mich an das Wunder erinnert, das durch Vergebung möglich wurde: dass ich für drei wunderbare Tage einen Vater hatte!
Ich ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, wie geradezu prophetisch dieser Brief war. Fünf Jahre später würde sich genau dieses Erbe in mir Bahn brechen und ich würde – wie mein Vater – versuchen, mit meinen Veröffentlichungen eine Stimme für ein Volk zu sein: Israel!
Die Hamas hat Gaza weiterhin fest im Griff. Terrorattacken, Brandbomben- und Raketenangriffe eskalieren. Die gewaltsamen Proteste halten an.Eine neue Angriffsmethode sind Feuerdrachen und -ballons. Was wie ein Spielzeug mit dem Westwind des Mittelmeers ins Land getragen wird, ist eine vernichtende Waffe. Denn die brennenden Drachen und Ballons gehen auf den israelischen Feldern nieder und stecken sie in Brand.Was einmal grün war, ist jetzt schwarz. Wälder und Felder verkohlen. Die Aufbauarbeiten von Generationen werden vernichtet.Anfang Mai feuert der Islamische Dschihad 866 Raketen und Mörsergranaten auf dicht besiedelte Gebiete in Israel ab. Die Waffen wurden von antiisraelischen Terrorgruppen anderer Länder, wie dem Iran, durch Ägypten in den Gazastreifen geschmuggelt. Nur göttliche Bewahrung und Israels gut funktionierendes Abwehrsystem »Eiserne Kuppel« verhindern eine Tragödie.
Dieser massive Angriff ereignet sich einen Tag vor unserem zweiten Besuch in Israel!
Obwohl die Situation ungleich ernster ist als im Vorjahr, machen wir uns weniger Gedanken. Denn jetzt kommt bei uns der Wunsch hinzu, gerade in dieser Zeit Solidarität zu zeigen. Außerdem hat unser Vertrauen zu Israels Verteidigungsfähigkeit zugenommen und die unerschrockene Lebensweise der Israelis, die sich von Terror nicht beeindrucken lassen, färbt auf uns ab. Dass ihr Selbstvertrauen eines Tages zu einer tödlichen Schwäche wird, vermutet damals noch niemand …
Bei unserem zweiten Besuch in Israel 2019 haben wir uns für eine Rundreise entschieden, die uns bis hinauf zu den Golanhöhen im Norden und bis zu der legendären Festung Masada im Süden bringt. Wir erkunden den See Genezareth, das Tote Meer und die Negev-Wüste, wo wir in einem von Beduinen geführten Wüstencamp übernachten. Wir fahren durch Samaria und Judäa, das sogenannte Westjordanland, und haben die Gelegenheit, Siedler und ihre Standpunkte kennenzulernen. Und wir legen Grundsteine zu persönlichen Beziehungen mit Israelis.
Wieder lernen wir Neues über den Freiheitswillen und den Existenzkampf Israels. Wir besichtigen Masada, wo während der römischen Eroberung im Jahr 66 n. Chr. knapp tausend jüdische Freiheitskämpfer den Selbstmord der Versklavung vorzogen, wodurch die Festung zu einem bleibenden Symbol des jüdischen Behauptungswillens wurde. Und wir fahren ins »Tal der Tränen«, so benannt nach der anfänglich ausweglosen Situation im Jom-Kippur-Krieg 1973, als die syrische Armee mit über tausend Panzern im Norden Israels einbrach und von weniger als zweihundert Panzern auf israelischer Seite aufgehalten wurde.
Die Festung Masada
Am liebsten hören wir jedoch die Geschichten von jenen, die freiwillig nach Israel gekommen sind, weil sie es als ihre Aufgabe betrachten, dieses Land aufzubauen, und die sich mit großer Energie für dieses Ziel einsetzen.
Was uns am allermeisten beeindruckt – und tatsächlich auch überrascht –, ist die intensive, innige und lebendige Beziehung, die viele Juden zu Gott haben.
Ari und Jeremy in der Judäischen Wüste
In den säkularen, kirchlichen und freikirchlichen Kreisen, aus denen wir stammen, wurden uns die Rolle und die Bedeutung von Israel und dem Judentum nicht vermittelt, weder als geistliche Wurzel noch für die Zukunft. Deshalb sind wir implizit davon ausgegangen, dass eine solche Beziehung zu Gott nur bei Christen und bei messianischen Juden möglich ist. Jetzt sehen wir mit eigenen Augen, wie falsch diese Annahme ist.
Und während wir dem jüdischen Volk Israel in seinem eigenen Land begegnen, wird uns eindeutig bewusst, dass die Gründung und das Überleben dieses Staates, seine schnellen Fortschritte und Errungenschaften, der Lebensmut und die Kraft, die man bei so vielen Menschen in Israel beobachten kann, rational und menschlich nicht zu erklären sind, sondern auf einer besonderen Energiequelle und Kraft basieren. Hier in Israel ist Gott überall im Alltag erlebbar.
Am See Genezareth
Als wir am Ufer des Sees Genezareth sitzen, kommt mir der Gedanke: Den Juden wird vorgeworfen, dass sie Jesus damals vor 2 000 Jahren nicht erkannt haben – obwohl doch das, was um ihn herum geschah, offensichtlich und eindeutig war. Doch heute erkennen viele Christen nicht, was Gott in und mit Israel tut – obwohl es ebenso offensichtlich und eindeutig ist.
Seit über 2 000 Jahren spricht die Bibel von einem lebendigen Gott, der Israel als sein Volk auserwählte und der verheißen hat, es nach seiner Zerstreuung wieder in das Land seiner Vorfahren zurückzubringen und es besonders auszustatten. Das mit unseren eigenen Sinnen zu beobachten, hat uns verändert.
Wir begannen, die Bibel mit anderen Augen zu lesen. Was wir bis dahin übersehen hatten, stach jetzt deutlich hervor. Und wir fassten den Entschluss, alles, was wir erlebt und erkannt hatten, anderen zugänglich zu machen. Es wurde unser Herzenswunsch, eine Verbindung, »ARC« (Bogen), zu diesem Volk und Land aufzubauen, um auch für andere die Möglichkeit zu schaffen, Israel kennen und lieben zu lernen. Denn wir erkannten, dass die meisten Menschen in unserem Umfeld noch nie von den Geschehnissen in Israel gehört hatten, die uns so tief berührten und beeindruckten, denn das Bild, das die Medien in Europa vermittelten, entsprach in keiner Weise dem, was wir erlebten.
Zurück in Deutschland gründeten wir daher im Sommer 2019 den gemeinnützigen Verein ARC to ISRAEL und begannen mit Vorbereitungen für die erste Reise nach Israel, bei der wir nicht mehr Teilnehmer, sondern Reiseleiter sein würden.
Im Februar 2020 flogen wir erneut nach Israel, diesmal nur zu zweit. Wir wollten noch weitere Highlights entdecken, um unsere Reiseplanung zu vervollständigen.
Wir besuchten das ehemalige britische Internierungslager Atlit an der Mittelmeerküste, ein trauriges Zeugnis der fatalen britischen Einwanderungspolitik, die während des Holocausts nur einer minimalen Anzahl von Juden die Einreise nach Palästina erlaubte, und das Gush Etzion Heritage Center Museum in Judäa, das einem die erschütternde Geschichte von mehrfacher Zerstörung und Vertreibung näherbringt – aber auch den ungebrochenen Mut und Willen zum Wiederaufbau der jüdischen Bevölkerung. Wir fuhren ins Ben Gurion Desert Home neben dem Kibbuz Sde Boker im Süden und staunten erneut über das Wunder der Staatsgründung 1948.
Wir bestiegen erstmalig den Tempelberg, diesen Ort, der Juden, Christen und Muslimen heilig ist, wo aber nur Muslime beten dürfen. Wir lernten den Shorashim Shop in Jerusalem kennen, der so viele Schätze birgt, und den Inhaber Moshe Kempinski, einen wunderbaren Menschen, der durch seine Bücher wertvolle Brücken zwischen Christen und Juden baut. Wir waren beeindruckt von der markanten Schönheit der Negev-Wüste und wanderten staunend durch das einmalige Wadi Avdat.
Wir besprachen alle Reise-Details mit Corinne Goldberg, der Reiseleiterin, die unsere erste Israel-Reise begleitet und unvergesslich gemacht hatte und mit der wir die von uns organisierte Reise 2020 leiten wollten. Wieder spürten wir bei den uns so lieb gewordenen Menschen, dass sie scheinbar über eine besondere Kraftquelle verfügten. Und wir dachten: Wir wollen mit euch vereint sein, denn wir merken, dass Gott bei euch ist (Sacharja 8,23).
Als wir heimflogen, blieb ein Teil unseres Herzens in Israel. Es war alles vorbereitet, wir waren voller Zuversicht, in Kürze wieder hier zu sein und unsere erste Reisegruppe im April 2020 nach Israel zu bringen. Doch es kam ganz anders …
Eine bis dahin unbekannte Krankheit, die den Namen »Corona« oder COVID-19 erhielt, verbreitete sich und versetzte weltweit Menschen in Angst. Am 12. März 2020 wurde die Seuche zur globalen Pandemie erklärt. Über Monate waren die Nachrichten von diesem Thema dominiert. Die Länder ergriffen alle Arten von Schutzmaßnahmen. Es gab strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, Reisewarnungen und Reiseverbote. Israel schloss am 18. 03. 2020 seine Grenzen.
Die von uns geplante Gruppenreise konnte wegen der neusten Entwicklungen nicht stattfinden. Träume und Pläne lagen in Scherben, auf einmal gab es unüberbrückbare geografische Entfernungen … Und den großen Wunsch, trotzdem weiter mit den Menschen und mit Israel verbunden zu bleiben.
Im Jahr 2020 fand Pessach vom Abend des 8. bis zum 16. April statt – im Ausnahmezustand. Es war wohl das erste Mal, dass Pessach in Israel nicht als großes Familienfest gefeiert wurde. Wegen der Kontaktverbote kamen Aviel und Anat in Jerusalem auf den Gedanken, den Seder-Pessach-Abend online zu feiern und dazu einzuladen. Auch mit unseren Freunden aus Judäa waren wir in dieser Zeit – dank Technik – online intensiv in Verbindung.
So kam es, dass wir am Sederabend zwar allein zu Hause waren, uns aber trotzdem mit Israel innig vereint fühlten. Wir lasen die Geschichte vom Auszug aus Ägypten und ich fragte mich, wie es wohl den Ägyptern gegangen war. Zwar waren die Plagen alles andere als positiv, aber trotzdem waren sie ein eindeutiges Zeichen dafür, dass sich der Gott Israels für sein Volk einsetzte – und für seine Allmacht. Was hatten die Ägypter gedacht, als sie sahen, dass die Hebräer zum Aufbruch rüsteten? Hatten sie sich gewünscht, auch zu diesem Volk zu gehören und diesen Gott zu erleben, der alles, was sie bis dahin kannten, übertraf? Wollten sie sich ihnen anschließen?
Wir kannten diesen Gott zwar, aber kannten wir ihn so wie die Menschen in Israel? Jedes Mal, wenn wir dort waren, stießen wir auf erneute Beweise seiner Liebe zu seinem Volk, und es schien uns, als würde eine weitere Schicht Schuppen von unseren Augen fallen. Hatten wir jemals an einem anderen Ort so viele Beweise von Gottes Wirken buchstäblich »anfassen« können?
Von unseren jüdischen Freunden haben wir gelernt, dass sich jeder in das Geschehen von Pessach so hineinversetzen soll, als wäre er selbst dabei gewesen. Genau das tat ich. Ich stellte mir vor, dass ich den Hebräern beim Packen zusah, dass ich dastand und wusste, dass sie morgen fort sein würden. In eine unbekannte Zukunft – aber mit einem großen Gott. Ich spürte den Verlust, den Schmerz der Trennung. Und hatte nur einen Wunsch: mitzugehen!
An dem Abend betete ich mit aller Intensität. Ich bat Gott, mir einen Zugang und eine Verbindung zu Israel zu schenken. Ich wollte dazugehören, ich wollte mit ihnen mitgehen – wohin auch immer. Ich dachte wie Rut: »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen; wo du bleibst, da bleibe ich auch. Dein Volk ist mein Volk, und dein Gott ist mein Gott« (Rut 1,16; LUT).
Für die Pessach-Nacht am 8. April war ein besonderer »Blutmond« vorhergesagt worden und wir stiegen hinauf zur Esslinger Burg, um ihn zu sehen. Die Gassen waren wie ausgestorben und eine besondere Spannung lag in der Luft. Dann stieg der Mond empor: riesengroß und dunkelrot, wie wir ihn nie zuvor gesehen hatten. Ich konnte mich an jenem Abend des Eindrucks nicht erwehren, dass in der unsichtbaren Welt etwas stattfand.
Zwei Wochen später erhielten wir eine Nachricht von unseren Freunden Ari und Jeremy aus Israel: eine Einladung. Der ursprüngliche Plan der beiden, eine Jeschiwa (Hochschule für jüdische Religion) in den Bergen von Judäa zu gründen, stockte unter den Corona-Maßnahmen. Daher war ihnen der Gedanke gekommen, wöchentliche internationale Treffen via Zoom anzubieten. Das Besondere war, dass sie diese Schule und entsprechend auch die Zoom-Meetings für alle Nationen öffnen wollten. Was mich mitten ins Herz traf, war ihr Motto: »Stärke deinen Glauben, vertiefe dein Verständnis, verknüpfe dein Schicksal mit Israel.«
In der Einladung stand auch ein Bibelvers: »In jenen Tagen, da werden zehn Männer aus Nationen mit ganz verschiedenen Sprachen … den Rockzipfel eines jüdischen Mannes ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist« (Sacharja 8,23; ELB). Der Vers, der mich schon so lange begleitete! Mir war, als wäre diese Einladung speziell für mich geschrieben – eine schnelle, klare Gebetserhörung.
Mir war bewusst, dass mich diese »Reise« in unbekanntes Territorium führen würde und dass es unklar war, wann und welches Ziel wir erreichen würden. Dass Hindernisse und Enttäuschungen warten würden. Aber das alles spielte keine Rolle. Denn ich wusste eines: Israel ist Gottes Volk, mit dem er einen ewigen Bund geschlossen hat, den er halten wird! Und so fand mein ganz persönlicher »Auszug aus Ägypten« statt.
Obwohl Corona und Reiseverbote noch bis 2022 andauerten, begannen für uns durch diesen Schritt Jahre mit Input, Austausch und gemeinsamem Lernen – auf virtuellem Wege. In dieser Gemeinschaft habe ich Menschen aus den Vereinigten Staaten, Australien, Südafrika, Norwegen, Tschechien und vielen anderen Ländern kennengelernt und herausragende Freundschaften geschlossen. Hier habe ich Gebetsunterstützung erlebt wie nie zuvor. Und ich habe viel tiefer verstanden, wie Israelis denken, fühlen und handeln.
Die Corona-Einschränkungen hatten vorübergehend auch den palästinensisch-israelischen Konflikt eingeschränkt. Doch dann kam es erneut zu schweren Auseinandersetzungen.
Laut israelischem Recht können Juden Grundstücke im Land zurückerhalten, die sie im Krieg von 1948 verloren haben, sofern sie beweisen, dass sie diese wegen Vertreibung oder wegen Lebensgefahr durch Kampfhandlungen verlassen mussten. Im Mai 2021 wurden solche Ansprüche im Jerusalemer Stadtviertel Scheich Dscharrah angemeldet. Dadurch standen mehrere arabische Familien vor einer Zwangsräumung.
Außerdem griffen am 7. Mai, während des Ramadans, muslimische Teilnehmer des Freitagsgebets in der al-Aqsa-Moschee israelische Sicherheitskräfte an.
Die Hamas sah in den Auseinandersetzungen eine Gelegenheit, sich als Schutzmacht der Araber in Jerusalem darzustellen, und setzte Israel ein Ultimatum, in welchem sie forderte, alle Polizisten vom Tempelberg und aus dem Stadtviertel Scheich Dscharrah abzuziehen. Wenige Minuten nach Verstreichen des Ultimatums am 10. Mai, pünktlich zum »Jerusalemtag«, den Israel zur Erinnerung an die Wiedervereinigung der Stadt von 1967 feierte, begann die Hamas mit dem Beschuss und feuerte insgesamt 4 480 Raketen ab. Die Hisbollah schloss sich ihr an.
Außerdem brachen in vielen anderen israelischen Städten wie Lod, Ramla, Akkon, Tiberias, Haifa, Bat Yam und Wadi Ara schwere Unruhen aus. Es kam zu Messerstechereien, Schießereien, versuchten Hausbesetzungen und Brandstiftungen. Die Polizei wurde massiv angegriffen.
Es war eine Vorsorgeuntersuchung. Routine, sofern das die passende Bezeichnung ist, wenn sowohl der Vater als auch der Großvater an der gleichen Krankheit und ihren Folgen gestorben sind: einem malignen Melanom, volkstümlich schwarzer Hautkrebs genannt.
Aber diesmal kam Harald mit grauem Gesicht zurück. Die histologische Untersuchung hatte ergeben, dass auch bei ihm die Krankheit zugeschlagen hatte.
Auf einmal war alles anders. In den kommenden Monaten waren regelmäßig chirurgische Eingriffe erforderlich. Jegliche Planung war unmöglich geworden – wir lebten von einem Termin zum nächsten. Wir weinten unsere Tränen im Verborgenen, hinterfragten die Prioritäten in unserem Leben und versuchten mühsam, unser inneres Gleichgewicht wiederzufinden. Waren unsere Israel-Pläne unter diesen Umständen überhaupt noch realistisch?
Nach dieser Diagnose betete ich wie nie zuvor. Ich bat um Haralds Heilung. Und ich bat Gott, meinen Mann zu verschonen, und bot ihm stattdessen mich an. Im November 2022 sah es aus, als hätte Gott mein Gebet erhört. Die Entfernung meiner Gallenblase, eigentlich eine ganz alltägliche Operation, missglückte. Es gab ein Leck im Gallengang. Gallenflüssigkeit trat aus, mehr als ein halber Liter am Tag. Ein Ausnahmefall. Eine zweite Operation war erforderlich. Es gelang wieder nicht, das Leck zu schließen. Dafür verschlechterte sich mein Gesamtzustand deutlich. Eine dritte Operation sollte am Folgetag stattfinden.
Die Nacht verbrachte ich schlaflos – vor Schmerzen und rasenden Gedanken. Ich dachte, dass es meine letzte Nacht sein würde. Ich haderte nicht mit Gott – ich war ihm dankbar, dass er mein Opfer angenommen zu haben schien. Aber ich beschloss, mich dem dritten Eingriff zu widersetzen – ich wollte nicht »zu Tode operiert werden«. Stattdessen verlangte ich meine Entlassung. Nach zehn Tagen wurde mein Wunsch erfüllt. Mit einer Drainage für die noch wochenlang austretende Gallenflüssigkeit, die ich täglich mehrmals leeren musste, durfte ich heim. Der Krankheitsverlauf war ein einziges Auf und Ab. Erst drei Monate später, Mitte Januar 2023, war ich über den Berg. Mir war das Leben zum zweiten Mal geschenkt worden und ich lernte die elementarsten Dinge neu, wie Gehen und Treppensteigen.
Dennoch: Wenn ich heute an diese Zeit zurückdenke, dann war es eine der segensreichsten meines Lebens. Auch wenn es bitterhart und extrem schmerzhaft war und teilweise hoffnungslos schien, spürte ich die ganze Zeit, dass Gott ganz nah war und dass mich die Gebete unserer Freunde aus Israel, aus Deutschland und weltweit aus der mit Israel verbundenen Fellowship trugen. Meine Verbundenheit mit Gott und mit Israel erreichte eine nie da gewesene Tiefe. Mir war, als würde ich ein Leben auf einer neuen Wellenlänge beginnen.
Ich beschloss, diesen besonderen Meilenstein und Wendepunkt in meinem Leben durch ein bleibendes Zeichen zu markieren und sichtbar zu machen: durch einen neuen Namen. Allerdings gelang es mir erst drei Jahre später, dieses Vorhaben konkret umzusetzen.
Doch kaum war ich einigermaßen genesen, kam der nächste Schlag.
