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Als Ike Courtland mit einer schweren Kopfverletzung und tiefen Narben am Körper aus dem Bürgerkrieg heimkehrt, ist seine Ranch verloren. Zusammen mit seiner treuen Frau Muriel und seinen sieben Söhnen muss er schweren Herzens aufbrechen, um anderswo neu anzufangen. Doch sein ältester Sohn Ross hängt ausgerechnet an der schönen Tochter des Ranchers, der in Ikes Abwesenheit seine Rinder stahl ...
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Seitenzahl: 160
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Zu viele Narben
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Impressum
Zu viele Narben
Als Ike Courtland mit einer schweren Kopfverletzung und tiefen Narben am Körper aus dem Bürgerkrieg heimkehrt, ist seine Ranch verloren. Zusammen mit seiner treuen Frau Muriel und seinen sieben Söhnen muss er schweren Herzens aufbrechen, um anderswo neu anzufangen. Doch sein ältester Sohn Ross hängt ausgerechnet an der schönen Tochter des Ranchers, der in Ikes Abwesenheit skrupellos dessen Rinder stahl ...
Dreißig Mann standen im Nieselregen in Reih und Glied vor der blauuniformierten Einheit der Unionssoldaten. Der Captain verlas den Straferlass:
»Jeder Guerilla des Südens, der sich bis zum 30. November ergibt und den Eid auf die Union leistet, wird begnadigt. Mit der Auflage, an seinen Heimatort zurückzukehren und nie wieder die Waffen gegen die Union zu erheben. Der Krieg ist vorbei. – Gezeichnet Andrew Johnson, Präsident der Vereinigten Staaten.«
Ike Courtland stand in der Reihe der entwaffneten Guerillas, die sich, der Verfolgungen müde und in der Gewissheit, dass der Krieg verloren war, den Behörden gestellt hatten. Sie hatten sich in die Obhut der Armee begeben.
Jetzt traten sie im Shenandoah-Tal an, nachdem sie sich erst kurz zuvor ergeben hatten. In der Gewissheit, amnestiert zu werden. Es war ein trüber und regnerischer Tag Mitte November.
Courtland, ein großer, kräftiger Mann, war der Anführer der Abteilung. Er stand im Rang eines Lieutenants, was bei den Guerillas allerdings intern und nicht offiziell war.
»Sollen wir den verdammten Eid leisten?«, fragte ihn Ed Mannings, sein Sergeant. »Ich traue den Blaubäuchen nicht. Siehst du die aufgefahrenen drei Planwagen? Sie haben uns in der Zange.«
»Proviantwagen. Fourage. Das ist eine starke Abteilung. Da brauchen sie einen Tross.«
»Und warum sind die Planen unten?«
»Weil es sonst reinregnen würde. Du bist zu misstrauisch, Ed. Der Krieg ist vorbei – seit Monaten schon. Wir können nichts mehr gewinnen. Uns passiert nichts. Wir sind nicht Quantrill oder Bloody Bill Anderson. Sie schicken uns nach Hause. Ich will endlich Texas und meine Familie wiedersehen. Vieh züchten und in Frieden leben.«
»Das verstehe ich. Du hast sieben Söhne.«
»Von drei verschiedenen Frauen.«
Courtland erwähnte nicht, dass er auch noch eine uneheliche Tochter hatte. Mit einer Mexikanerin, die bei der Geburt verstorben war. Das Baby war ihm nach dem Tod der Mutter auf die Türschwelle gelegt worden. Fünf Jahre war Consuela jetzt alt, zu Anfang des Krieges geboren.
Der Unions-Sergeant, der den Erlass vorlas, hob die Hand.
»Ruhe, ihr Rebellen! Hebt die rechte Hand und sprecht mir nach.«
»Das gefällt mir nicht«, murmelte Mannings. »Es liegt etwas in der Luft – ich spüre es. Mein Instinkt hat mich noch nie getäuscht.«
»Mir gefällt es auch nicht, der Union Treue zu schwören. Aber es ist nun einmal notwendig. Wir alle, die hier stehen, haben abgestimmt und waren dafür, den Eid zu leisten. Bis auf drei von uns – die sind weg.«
»Ja, aber ich weiß nicht ...«
»Du sollst nicht wissen, du sollst den Eid leisten. Tu es einfach.«
Der Unionssergeant las die Namen vor.
Jeder der Männer antwortete mit: »Hier.«
Auch Mannings. Dann begann die Vereidigung.
»... schwöre ich der Union Treue ... erhebe ich nie wieder eine Waffe gegen die jetzt wieder Vereinigten Staaten ... Sage ich mich los von der Sache des Südens ... Für immer und ewig will ich ein guter und treuer Bürger der Vereinigten Staaten sein.«
Besonders die letzten beiden Sätze fielen den Guerillas schwer. Sie brachten sie jedoch über die Lippen.
Es ist vorbei, dachte Ike, und er war sehr erleichtert. Der Krieg ist vorbei, es ist Frieden. Er sprach die letzten Worte des Eids für die Union und senkte die Rechte.
Er grinste. Das Grinsen verging ihm, als von den drei Schlutter-Planwagen die Planen herunterrauschten. Auf jedem Frachtwagen stand eine Gatling-Gun. Zwei Mann – der Kanonier und der Ladeassistent – waren dabei. Die achtläufigen Drehkanonen fingen sofort an zu rattern und spuckten ihre tödliche Saat – Geschosse vom Kaliber 58, was selbst einen Büffel umhaute.
Außerdem ging die starke Abteilung Soldaten der Unionsarmee unter Führung des Captains in Stellung. Der Sergeant, der den Eid abgenommen hatte, zog seinen langläufigen Kavallerie-Revolver. Die anderen Blauröcke legten ihre Sharps-Karabiner an.
»Feuer!«, brüllte der rotbärtige Captain, obwohl die Gatlings bereits ratterten: tack-tack-tack.
Der Kanonier drehte die Kurbel und schwenkte den Lauf. Sein Helfer musste auf der Hut sein, um die Ladestreifen problemlos einzuführen. Das klappte bei allen drei Geschützen.
Es wurde ein blutiger Nachmittag. Die Gatlings ratterten und knatterten. Die Guerillas fielen zuhauf. Und immer noch hörten die Blauröcke nicht auf zu schießen.
Den Guerillas, die sich ergeben hatten, blieb keine Chance.
Ike Courtland hatte automatisch an die Hüfte gefasst, als er sah, was geschah. Doch da war kein Revolverholster. Er hatte nicht einmal ein Taschenmesser. Um ihn herum fielen seine Männer oder warfen sich auf den Boden, um dem mörderischen Geschosshagel zu entgehen. Es gelang ihnen nicht.
Courtland sah Mündungsfeuer. Es spuckte beim Drehen des Laufbündels jeweils aus einem Lauf zum nächsten, sodass sich bei der hohen Schussfrequenz ein Feuerkreis bildete.
Verfluchte Yankees!, dachte der Guerilla-Lieutenant. So haltet ihr euer Wort. Ich werde Texas nie wiedersehen.
Dann spürte er einen harten Schlag an den Kopf. Ein Blitz zuckte ihm durch den Schädel. Danach war alles schwarz.
Als das Feuer der Gatlings aufhörte, regten sich noch ein paar Mann am Boden. Von den Soldaten hatten ein paar geschossen.
Jetzt ging ein Dutzend von ihnen unter Führung des Sergeants zu denen, die am Boden lagen. Wer sich noch regte oder von wem sie auch nur vermuteten, dass noch ein Hauch Leben in ihm sein könnte, dem schossen sie in den Kopf oder ins Genick.
Ein Sergeant schaute auf Ike Courtland nieder. Er richtete seinen 44er Army Colt auf ihn.
»Die Kugel kannst du dir sparen, Sarge«, sagte der neben ihm stehende Soldat zu ihm. »Dem Rebellen ist der halbe Kopf weggeschossen. Ab mit dem Kadaver ins Massengrab.«
»Hast recht.« Der Sergeant entspannte den Hahn. »Schaufelt die Grube und rein mit ihnen.«
Das Gatling- und Gewehrfeuer war verstummt. Es stank noch nach Pulverdampf, und es roch nach Blut und nach Tod.
Während die Soldaten murrend zu graben anfingen – »Jetzt müssen wir auch noch buddeln für die verdammten Rebellen« –, ging der Unions-Sergeant zum Captain.
Er lud seinen Revolver nach und kratzte sich am Kopf. Der nasse Boden bei den Erschossenen war blutgetränkt. Zwei Pfützen waren blutig rot. Die Soldaten hoben die matschige Erde aus.
»Ich weiß nicht recht, Captain Terrell. Da war doch die Amnestie.«
»Nehmen Sie Haltung an, wenn Sie mit mir reden, Sergeant!«, schnarrte der Captain. »Das waren verdammte Bushwhackers, die können wir nicht am Leben lassen. Bei all den Verbrechen, die diese Guerillas verübten. Von Quantrill und Bloody Bill angefangen bis zu denen da.«
»Unsere Irregulären waren auch nicht zimperlich. Die Männer da ritten nicht mit Quantrill oder dem Blutigen Bill.«
»Es waren Bushwhackers, das genügt. Es liegt im Ermessen des Kommandierenden, das bin in dem Fall ich, zu entscheiden, wer todeswürdig ist und wer nicht. Mein Bruder ist beim Massaker von Centralia ermordet worden, als Anderson und seine Freischärler einen Zug anhielten und zweiundzwanzig Unionssoldaten ermordeten, die sich waffenlos auf der Heimfahrt in die Etappe befanden. Dann gab es noch einmal hundertzwanzig Tote, als die 39. Missouri-Kavallerie Anderson verfolgte und in eine Falle lief. Die Leichen wurden skalpiert, verstümmelt, manche enthauptet. Mein Bruder gehörte zu denen, die enthauptet wurden. Ich weiß nicht einmal genau, ob das nach seinem Tod geschehen war oder ob er auf diese Weise starb. Die das getan haben, sind Bestien und keine Menschen. Sie verdienen keine Gnade.«
»Das war Bloody Bill Anderson. Er ist tot, bei einem Gefecht mit Unionssoldaten erschossen. Vor vierzehn Tagen hat's ihn erwischt. Quantrill starb schon im Juni.«
»Nur ein toter Rebell ist ein guter Rebell«, sagte der Captain gnadenlos. »Und die da, die Bushwhackers, werden immer Rebellen bleiben.«
»Warum haben Sie sie dann auf die Union vereidigen lassen, Captain Terrell?«
»Weil es mir so befohlen wurde und alles seine Ordnung haben muss. Sie haben sich regulär ergeben, sie wurden regulär auf die Union vereidigt und regulär erschossen. Alles der Reihe nach.«
Der Sergeant verstand diese Logik nicht. Doch bei der Armee ging es nicht ums Verstehen, sondern ums Gehorchen und Befehle ausführen. Das Denken überließ man den Vorgesetzten. Dafür waren sie da.
Mit Verstehen konnte man keine Schlacht bestehen und keinen Krieg gewinnen.
✰
Als Ike Courtland wieder zu sich kam, hatte er furchtbare Kopfschmerzen. Er glaubte, sein halber Kopf wäre weg, oder er hätte ein halbes Pfund Eisen in Form eines Granatsplitters im Hirn. Zu seinen Schmerzen kam furchtbare Angst – Todesangst.
Er wusste nicht, wo er war. Es dauerte eine Weile, bis er sich erinnern konnte. Mühsam brachte er zusammen, was jetzt die Realität für ihn war. Er lag unter der Erde, in einem Grab – einem Massengrab.
Unter lauter Toten, denn um ihm herum regte sich nichts mehr. Er bekam mühsam, aber genug Luft. Die Erde war locker aufgeworfen. Zuerst griff er sich an den Kopf.
Da war alles voll Blut. Es roch metallisch im Massengrab, mit einer leicht süßlichen Komponente, nach nasser Erde und nach Urin und Kot. Die Gedärme von vielen Toten hatten sich entleert. Ein scheußlicher Gestank war das, den niemand je vergessen würde, der ihn einmal roch.
Dazu kamen die toten, kalten, erstarrenden Köper und nasse Erde. Es war die Hölle, der Horror. Ike wusste nicht, ob er die Toten bedauern oder beneiden sollte. Sie hatten es hinter sich, waren jenseits aller Schmerzen.
Der Guerilla-Lieutenant blieb eine Weile liegen und sammelte Kräfte. Wie schwer er verletzt war, wusste er nicht. Er war der Anführer seines Kommandos gewesen und der letzte Überlebende.
Aus den Schmerzen konnte er nicht darauf schließen, was mit ihm los war. Von den Schlachtfeldern und von Kämpfen wusste er, dass manchmal ein Mann starb, an einer kaum sichtbaren Wunde, die unerheblich schien, bis man die Geschossbahn näher verfolgte.
Daran konnte man sofort sterben. Andere wieder plagten sich stunden- oder gar tagelang mit einem halben Pfund Eisen im Hirn oder starben nach langer Zeit elend unter großen Qualen an einer grässlichen Wunde. Die ihnen dann wie eine Ewigkeit erschien.
Mit einem Bauchschuss waren fünf Minuten sehr lange.
Nach einer Weile siegte Ikes Lebenswille. Er fing an, sich zu regen, wühlte und kämpfte sich empor. Er schob Körper zur Seite, die ihn hinderten und niederhalten wollten. Fast schien es, als wollten die Gefallenen, Erschossenen, Ermordeten – denn das waren sie – ihn nicht aus Gruft entlassen.
In seinem Schädel hackte und hämmerte und stach es wie mit glühenden Lanzen. Mehrmals wollte er aufgeben. Doch ein gegen sich selbst grausamer Wille zwang ihn zum Durchhalten.
Dann kam seine nasse, blutige, schmutzige Hand aus dem Grab hervor.
Er hörte eine Stimme: »Da lebt einer noch.«
Ikes blutiger, schmutziger Kopf stieß durch das Erdreich. Bleich beschien ihn der Mond. Ein dreifacher Schrei des Entsetzens erschallte, so fürchterlich sah er aus.
Totenbleich, blutig, strähnige Haare, mit Erde verschmiert.
Er schaute auf, sah drei Gestalten. In seinem deliranten Zustand erkannte er sie nicht.
»Helft mir!«, röchelte er.
Als sie nicht gleich antworteten, glaubte er, es seien drei der Mörder, die seine Kameraden erschossen und ihn mit in das Massengrab geschmissen hatten.
Er röchelte: »Bringt mich um. Los, erschießt mich! Macht ganze Arbeit, ihr Hunde!«
Dann wurde er ohnmächtig.
✰
Ike war der einzige Überlebende des Massakers, das Captain Terrell befohlen hatte. In blindem Kadavergehorsam hatten seine Soldaten es ausgeführt. Hass auf die Guerillas und besonders die Bushwhackers, das Grauen des Krieges, das sich ihnen eingeprägt hatte, und die Wut und die Trauer wegen gefallener Kameraden kamen hinzu.
Die Vollstrecker konnten sich auf den Befehlsnotstand berufen – oder taten das. Captain Terrell nicht.
Ikes Captain und die beiden Kameraden, die sich nicht gestellt und ergeben hatten, fanden ihn. Sie suchten den Schauplatz des Massakers auf und fanden nur noch ein Grab, dem ein Mann entstieg. Mehr tot als lebendig. Ihn nahmen sie mit und pflegten ihn in einem abgelegenen Teil der Appalachen gesund. Das dauerte eine Weile.
Ike Courtland genas. Die Kugel der Gatling Gun hatte ihm eine Furche über die linke Schädelhälfte gezogen. Es war fast ein Wunder, dass er ohne einen ausgebildeten Arzt und ein Krankenhaus überlebte, nur von seinen Kameraden gepflegt.
Er behielt eine große Narbe am Kopf zurück. Und für den Rest seines Lebens sollten ihn sporadisch heftigste Kopfschmerzen plagen. Wenn er die hatte und der Anfall seinen Höhepunkt erreichte, traten selbst diesem harten Mann noch sechsunddreißig Jahre nach der Verletzung die Tränen in die Augen. Auf dem Höhepunkt des Anfalls musste er sich übergeben.
Danach ging es ihm wieder besser. Das passierte ihm alle paar Tage. Die vier berieten, als er wieder auf dem Damm war, am Lagerfeuer vor dem Blockhaus, was sie als Nächstes zu tun gedachten. Es war Winter. Es hatte geschneit, tief verschneit war der Wald. Weihnachten stand vor der Tür.
Captain Moss Riley und der Reiter Hank Steeves wollten den Guerillakampf gegen die Yankees fortsetzen.
»Jetzt erst recht«, sagte Riley. »Bis zur letzten Patrone und bis zum letzten Atemzug.«
Ike Courtland und der Reiter Bill Wyman waren anderer Meinung.
»Du kannst nicht alle Yankees umbringen«, sagte der sonst immer lustige, als Frohnatur bekannte Bill Wyman ungewohnt ernst zum Captain. Riley hatte pro forma und im Gedächtnis der anderen noch immer diesen Rang. Doch jetzt zählte die Hierarchie nicht mehr, die sowieso anders als bei der regulären Armee gewesen war. »Der Krieg ist verloren, die Sezession gibt es nicht mehr. Der alte Süden ist untergegangen. Das änderst du nicht mehr.«
»Was willst du dann tun?«, fragte der Captain.
»Ich gehe nach Hause. Bei den Wirren jetzt werde ich nicht gesucht oder verfolgt. Das wird keiner von uns. Schließlich gibt es den Amnestieerlass.«
»Was der bringt, hast du ja gesehen. Lieutenant, was ist mit dir?«, fragte Captain Riley.
Ike spuckte ins Feuer. Er sog an der Pfeife. Er trank, nachdem er genesen war – von den Anfällen abgesehen – Whiskey und rauchte Tabak wie zuvor. Ein Säufer und Kettenraucher war er allerdings nie gewesen.
»Ich reite nach Hause, nach Texas. Zu meiner Familie. Ich will nicht mehr kämpfen. Ich will auch kein Outlaw sein. Es ist ein Wunder, dass ich noch am Leben bin. Das sagt mir, ich bin für etwas Besonderes ausersehen. Das will ich erreichen. Ich werde ein großer Mann sein. In Zukunft kämpfe ich allerdings nicht mehr für andere oder für irgendwelche Ideale, sondern nur noch für mich. Ich werde große Schritte tun.«
Er wirkte keineswegs eingebildet oder unrealistisch.
»Für den Süden gibt es nichts mehr zu gewinnen«, fuhr er fort. »Aber für mich schon. Eins sollten wir allerdings noch tun, ehe wir uns trennen. Wir müssen uns diesen Captain Terrell greifen, den tollwütigen Hund, der unsere Kameraden ermorden ließ. Das sind wir ihnen schuldig.«
Die anderen stimmten ihm zu. Sie fanden heraus, dass Terrell jetzt in Baton Rouge, Louisiana, stationiert war, wo er mit der Reconstruction zu tun hatte, der Wiedereingliederung der Südstaaten in die Union und der Schaffung einer neuen Ordnung. Das erwies sich als schwieriges Kapitel. Die geschlagenen Wunden waren besonders im stolzen Süden tief. Es gab viel Ungerechtigkeit, und Kriegsgewinnler aus dem Norden bereicherten sich teils schamlos.
Männer wie Captain Terrell suchten den eigenen Vorteil und waren als Vertreter der Reconstruction so geeignet wie der Bock als Gärtner. In einer kalten Februarnacht, als Terrell spät oder vielmehr früh aus einem exklusiven Freudenhaus in die Garnison zurückkehrte, standen er und seine beiden Begleiter, ein Offizier und ein Yankee-Geschäftemacher, in einer dunklen Gasse zwei Männern gegenüber.
Sie wurden mit Revolvern bedroht.
»Wollt ihr uns ausrauben?«, schnarrte Terrell. »Das solltet ihr besser lassen. Ihr wisst nicht, mit wem ihr euch anlegt.«
»Das wissen wir ganz genau«, antwortete Ike Courtland. Er nahm den Hut ab, der sein Gesicht beschattete. »Einen schönen Gruß aus dem Shenandoah Tal. Ich bin der Lieutenant der Bushwhackers, die du ermordet hast. Ich bin aus dem Grab gestiegen.«
»Jetzt erkenne ich dich. Ich dachte, du wärst tot.«
»Nein. Ich lebe. Ihr habt mich lebend begraben. Jetzt wird abgerechnet. Schlagt sie nieder.«
Hinter Terrell und den beiden anderen tauchten Steeves und Wyman auf. Sie schlugen den Offizier und den Geschäftemacher hinterrücks mit dem Revolvergriff nieder und fesselten und knebelten sie.
Ike schnallte den Revolvergurt ab. Er legte die Hand auf den Griff seines Bowiemessers.
»Weg mit deinem Schießeisen, Terrell! Du hast uns übel hereingelegt. Nimm deinen Säbel. Du mit dem Säbel, ich mit dem Bowiemesser. Der Bessere wird gewinnen. Mach dich bereit.«
»Wenn ich gewinne, was ist dann? Erschießt ihr mich dann?«
»Wir sind Südstaaten-Gentlemen«, sagte Captain Riley. Er war wie Ike, Steeves und Wyman in Zivil. Terrell trug Uniform. »Wir halten unser Wort. Wenn du gewinnst, bist du frei. Dann lassen wir dich gefesselt zurück.«
»Das soll ich glauben?«
»Wir sind keine Hunde und Mörder wie du. Ike – Lieutenant Courtland – wird gegen dich kämpfen. Ihm hast du am meisten zugefügt. Außerdem ist er ein Ass mit dem Bowiemesser.«
Vom Kirchturm schlug es drei Mal. Nachdem sich die Augen ans spärliche Licht gewöhnt hatten, war es hell genug für den Kampf.
»An mir soll es nicht liegen.« Terrell grinste. »Ich werde dir den Schädel spalten, Rebell, oder dir den eigenen Kopf vor die Füße legen.«
»Das werden wir sehen.«
Terrells Gürtel fiel samt dem Revolverholster auf den Boden. Seine beiden Freunde saßen ein Stück weiter zurück am Rand der Gasse, mit dem Rücken an eine Mauer gelehnt, gefesselt und geknebelt. Sie sahen, was sich abspielte.
Auch Ike Courtlands Kameraden schauten zu. Sie würden Terrell gehen lassen, obwohl es ihnen zutiefst widerstrebte, den vielfachen Mörder laufen zu lassen.
Das wusste er. Der untersetzte Rotbart war kaltblütig und von sich überzeugt. Er kniff den drei Südstaatler-Zuschauern ein Auge zu.
»Gleich gehe ich fort. Dann trinke ich einen auf euch. Und auf das Wohl des Südens.«
Das war blanker Hohn. Er hielt den Säbel in den Händen und zog ihn nun aus der Scheide. Ike hatte sein Bowiemesser gezückt. Ein Kampfmesser, von Jim Bowie erfunden, der als vielfacher Schuldenmacher und Hurenbock nichtsdestotrotz als Held beim Kampf um den Alamo gefallen war. Eine illustre Persönlichkeit.
Das Bowiemesser war seine Hinterlassenschaft und machte seinen Namen unsterblich. Mit fünfunddreißig Zentimeter langer und fünf Zentimeter breiter Klinge, ein Kilo schwer, wunderbar ausgewogen, wenn es von einem guten Messerschmied angefertigt war. Mit Hirschhorn- oder Holzgriff und einem breiten Parierblatt am Ende der Klinge.
Damit konnte man einen Hartholzblock spalten und sich hinterher damit noch rasieren, wenn es ein Meisterwerk aus erstklassigem Stahl war. Einen Stier schlachten oder einen Grizzly töten, wenn der Grizzly nicht besser war und der Mann mit dem Bowieknife zweiter Sieger wurde.
Terrells Säbel war einiges länger als das Bowiemesser.
Der Captain ließ die Klinge ein paar Mal durch die Luft pfeifen.
»Komm, du Rebell!«, forderte er.
Courtland stand stramm. Er legte die Klinge mit der flachen Seite an seine Stirn.
»Für die Ehre des Südens!«, sagte er. »Für meine gefallenen und ermordeten Kameraden. Ich werde dich töten.«
»Niemals. Stirb, du verdammter Bushwhacker!«
Terrell griff an. Er war der beste Fechter seines Regiments und auf eine schnelle Entscheidung aus. Er schlug zu – doch Ike parierte. Die Klingen klirrten gegeneinander.
»Beeilt euch!«, mahnte Captain Riley, der Rebell. »Den Lärm hört man in der halben Stadt. Die Nachtwache kommt.«
»Dann treibt sie mit Schüssen zurück«, knirschte Ike.