Jack Slade 1021 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 1021 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Ava Sharp, eine legendäre und gefürchtete Kopfgeldjägerin im Wilden Westen, entkommt nur knapp einem heimtückischen Attentat, als sie nach einem erfolgreich abgeschlossenen Auftrag in El Paso ein paar unbeschwerte Stunden verbringen möchte. Auf der erbitterten Jagd nach den Tätern stößt sie auf eine verstörende Spur: eine abgetrennte menschliche Hand, überzogen mit Silbertinktur ...

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Seitenzahl: 165

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Rache im Silberstaub

Vorschau

Impressum

Rache imSilberstaub

Ava Sharp, eine legendäre und gefürchtete Kopfgeldjägerin im Wilden Westen, entkommt nur knapp einem heimtückischen Attentat, als sie nach einem erfolgreich abgeschlossenen Auftrag in El Paso ein paar unbeschwerte Stunden verbringen möchte. Auf der erbitterten Jagd nach den Tätern stößt sie auf eine verstörende Spur: eine abgetrennte menschliche Hand, überzogen mit Silbertinktur ...

In der Bodega in Samalayuca, einem Nest in der Nähe von Ciudad Juárez , spielte Musik, als Ava eintrat. Der Perlenvorhang in der Türöffnung klirrte hinter ihr. Sie trug einen Poncho und hatte den Hut mit dem silberdurchflochtenen Band in die Stirn gezogen.

In der Mitte der Bodega blieb sie stehen.

»Was darf es sein, Señorita?«, fragte der schmuddelige Wirt.

»Pedro Alvarez.«

»Disculpa que? Entschuldigung?«

»Du hast mich genau verstanden«, antwortete ihm Ava in fließendem Spanisch. »Ich suche Pedro Alvarez, den Mörder und Hurensohn. Einen Cabron von schlechtem Saft und einen Bastard sondergleichen.«

»Ich kenne nicht alle meine Gäste mit Namen«, bedauerte der Bodeguero.

Sein Blick zuckte zu der Ecke, wo ein großer, dicker Mann mit zwei Señoritas auf dem Schoß saß, auf jedem Oberschenkel eine.

Er war nicht fett, aber massig. Mit borstigem Haar und verschwitzt. Neben ihm hockte ein dürrer Mexikaner mit Hakennase. So wie er aussah, hätte ihm Ava nicht einmal die Hand gegeben.

Nicht, weil sie fürchtete, hinterher ihre Finger zählen zu müssen, sondern weil er zu einer Sorte gehörte, die sie nicht anfasste. Die Mariachi-Kapelle hörte auf zu spielen.

In der Bodega mit den weißgekalkten Wänden, niedriger Decke und Durchgängen wurde es still. Etwa fünfzehn Gäste waren um die frühe Mittagsstunde zugegen, dazu eine Señorita, die gelangweilt am Tresen gestanden hatte.

Jetzt war sie wie die anderen alarmiert.

Der Kräftige in der Ecke musste Alvarez sein. Ava hatte seine Beschreibung erhalten. Sie war aus einem einschlägigen Grund da: Sie wollte ihn festnehmen – oder töten.

Auf dem Tisch vor Alvarez standen eine Flasche Pulque, ein Krug mit Wasser und verschmierte Gläser. Ein Colt lag dabei.

Alvarez' Gesicht war gerötet. Er hatte getrunken, aber nicht so viel, dass es ihn ernsthaft beeinträchtigte. Er hatte eine Hand zwischen den Beinen der Señorita, die mit gespreizten Beinen auf seinem rechtem Schenkel saß.

Sie trug keine Unterwäsche. Wo seine Finger waren, konnte Ava sich denken. Die andere hatte eine Brust entblößt. Alvarez fummelte daran herum. Jetzt hörte er auf.

Ava ging drei Schritte auf ihn zu und achtete darauf, ihre Umgebung im Blick zu haben. Sie wusste nicht, wer in der Bodega Alvarez' Freund war – vielleicht gehörten alle zu ihm oder waren seine Sympathisanten, die sich bei ihm einschmeicheln wollten.

»Du bist das«, sagte Ava dem Kräftigen ins Gesicht.

»Und wenn ich Alvarez wäre? Wer bist du? Was willst du von mir?«

»Dich verhaften und mitnehmen. Du hast jenseits der Grenze in den Estados Unidos den Sohn eines Senators erschossen. Feige aus dem Hinterhalt. Dabei bist du gesehen worden.«

»Wer sagt das? Wenn es so ist, muss eure Regierung – du bist eine Gringa – unsere um meine Auslieferung ersuchen. Wer bist du eigentlich, Puta, mir so etwas ins Gesicht zu sagen? Ich bin kein feiger Mörder. Ich bin Pedro Alvarez, den man den Löwen von Chihuahua nennt.«

»Du bist ein Hund und ein Mörder. Ein Löwe ist von dir weiter entfernt als der Mond. Halt deine Hände so, dass ich sie sehen kann.«

Alvarez nahm seine Finger von den beiden Putas weg. Er grinste.

»Du bist unverschämt, Weib. Wer bist du, wie heißt du?«

»Mein Name ist Ava Sharp. Man nennt mich den Engel des Todes.«

»Die Kopfgeldjägerin.« Alvarez pfiff durch die Zähne. »Dann hat der Senator ein beachtliches Kaliber auf mich angesetzt. Er kann es sich leisten. Doch das wird nichts, mich zu verhaften. Ich komme nicht mit in die Estados Unidos, wo dreckige, lügnerische Menschen leben, die uns Mexikanern nicht wohlgesinnt sind. Verschwinde, Kopfgeldjägerin, hau ab! Dann kannst du mit dem Leben davonkommen. Du musst loco sein, hier herzukommen und mich festnehmen zu wollen. Du hast wohl Peyotekraut gegessen, oder die Sonne schien dir zu lange auf den Kopf. Scher dich fort!«

Ava wusste, dass sie nicht zurückstecken konnte. Sie blieb völlig ruhig, wie immer in brenzligen Situationen.

»Du wirst mitkommen«, befahl sie. »Entweder als mein Gefangener oder tot über dem Sattel!«

Unter dem Poncho hatte sie den rechten Colt schon gezogen und hielt ihn bereit. Jetzt schlug sie den Poncho zur Seite und zeigte den 44er Colt.

»Sonst noch Fragen?«

Alvarez schaute in die Mündung. Er schluckte. Noch immer saßen die beiden Putas auf seinem Schoß.

»Du kommst hier nicht lebend raus«, drohte er. »Selbst wenn du mich auf der Stelle erschießt, töten dich meine Compadres. Ich habe Freunde, Verwandte. Du kannst hier nicht unbeschadet weggehen.«

»Du redest zu viel, Bastardo.«

Alvarez kniff die Augen zusammen. Am Zucken seiner Pupillen erkannte Ava, dass etwas sich abspielte. Links von ihr hatten drei Männer die Hände an ihren Waffen. Der rattengesichtige kleine Kerl am Tisch von Alvarez fasste sich an den Hals, als ob er sich kratzen wollte.

Der Bodeguero griff unter den Tresen. Auch sonst machten sich welche bereit.

Alvarez lachte dröhnend. Er wollte Ava ablenken.

»Mi Paloma, mein Täubchen. Meine Schöne. Wer wird denn so unfreundlich zu dem alten Pedro sein? Lass uns zusammen trinken – ich bin ein Mann ...«

Den Rest des Satzes erfuhr Ava nie. Ein Mann von besonderen Qualitäten, ein Mann, der einen Spaß versteht vielleicht.

Alvarez riss die Puta, die auf seinem linken Oberschenkel gehockt und an der er herumgefingert hatte, als Kugelfang vor sich. Die andere stieß er weg, als er aufsprang und nach dem Revolver am Tisch griff.

Sein rattengesichtiger Compañero riss das Wurfmesser aus der Nackenscheide. Die drei Männer links von Ava am Tisch sprangen brüllend auf und zogen die Revolver.

Ava bewegte sich schnell wie ein Schatten zur Seite. Alvarez hatte die Frau vor sich, schon griff er nach dem Colt auf dem Tisch, packte ihn. Da erschoss ihn Ava.

Der Kugelfang reichte nicht aus. Sie traf den Mörder ins rechte Auge. Der nächste Schuss erwischte das Rattengesicht. Der Bandolero kam nicht mehr zum Werfen.

Ava zog auch den zweiten Colt, warf sich zu Boden und rollte sich um die eigene Achse. Kugeln fauchten über sie weg. Sie schoss vom Boden aus und traf einen von dem Trio am Tisch in die Schulter.

Aufschreiend ließ er sein Schießeisen fallen. Die beiden anderen erstarrten. Sie wagten nicht mehr auf Ava zu schießen. Dass jemand so schnell war und so schnell schoss, hatten sie nicht für möglich gehalten.

Die Señorita, die Alvarez als Kugelfang gebraucht hatte, blickte auf den Toten nieder. Blut floss aus der leeren Augenhöhle.

»Du hättest mich treffen können«, stammelte die Frau totenblass zu Ava.

»Das habe ich aber nicht.«

Die Mexikanerin verdrehte die Augen, griff sich ans Herz und fiel in Ohnmacht. Ava stand auf, in jeder Hand einen rauchenden Colt. Die andere Gespielin Alvarez' schrie los wie eine Sirene.

Die Frau am Tresen griff sich die nächstbeste Flasche und setzte sie an. Im Lokal rührte sich niemand.

Ava ging zu der Schreienden und versetzte ihr eine Ohrfeige. Die Frau hörte zu schreien auf. Ava nahm wieder den Colt in die Hand.

Auf einen Wink Avas mit dem Revolverlauf ließen die beiden Männer, die vorher geschossen hatten, ihre Schießeisen fallen und langten zur Decke. Derjenige, dem Ava in die Schulter geschossen hatte, hielt die Hand des unverletzten Arms auf die Wunde. Er sackte auf die Bank an der Wand.

In der Bodega stank es nach Pulverdampf.

Das Rattengesicht lag tot am Boden, ins Herz geschossen. Alle noch Lebenden starrten Ava an wie ein Weltwunder.

»Du hast zwei Männer erschossen«, sagte der Bodeguero.

»Drei – du bist der Dritte, wenn du nicht die Hände unter dem Tresen hervorholst. Langsam und vorsichtig. Was hast du da Schönes? Eine abgesägte Schrotflinte?«

»Si, Donna Ava. Ich wollte jedoch nicht auf Sie schießen, por favor. Es ist nur eine alte Gewohnheit, dass ich zu der Flinte greife, wenn Schüsse fallen. Ich will Ihnen nichts Böses.«

»Das will ich dir auch nicht geraten haben. Besteht noch eine Gefahr? Hat Alvarez hier noch weitere Freunde?«

Der Bodeguero zog langsam und vorsichtig die Hände unter dem Tresen hervor. Er versuchte zu grinsen, was ihm misslang. Schweißperlen standen ihm im Gesicht und auf der Halbglatze.

Einer von dem Trio, das Alvarez' Partei ergriffen hatte, einer der beiden Unverletzten, gab Ava Antwort.

»Alvarez ist nicht von hier, Donna Ava. Nehmen Sie ihn nur mit, entfernen Sie ihn aus Samalayuca. So gut kennen wir ihn auch wieder nicht – kannten wir ihn auch nicht. Wir ... wir haben nur unsere Waffen gezogen, weil Alvarez ein übler, berüchtigter Mann, es uns sonst übel vergolten hätte. Es war nicht persönlich gemeint, dass wir zogen und schossen.«

»Ihr hättet mich aber persönlich getroffen. Ich will es euch glauben. Legt alle Waffen ab, die ihr noch habt. Dann reitet mit mir aus Samalayonca oder wie immer dieses Nest heißt. Vor meinem Revolver, als Versicherung, dass keiner mehr auf mich schießen will. Können wir uns darauf einigen?«

»Si, si.« Sie nickten eifrig.

Einer bedankte sich dafür, dass Ava Juan – so hieß dieser Mann, ihr Tischgenosse und Freund – nur in die Schulter geschossen hatte.

»Sie hätten uns alle drei töten können«, sagte er. »Wir werden in der Kirche eine Kerze für Sie anzünden und der Jungfrau danken, dass Sie uns verschont haben.«

Warum sollte Ava das nicht? Sie hatte die drei als Mitläufer und Sympathisanten eingeschätzt, nicht als hartgesottene Mordbuben und Sattelwölfe. Ava war keine Massenmörderin oder Killerin, die skrupellos Leben auslöschte.

»Wir gehen«, sagte sie. Der Pulverdampf zog langsam ab. »Helft mit, Alvarez' Leiche aufzuladen. Legt ihn über den Sattel seines Pferdes. Musikanten, beim Abmarsch spielt mir ein Lied. Der Deguello wäre passend.«

»Por favor, Donna Ava!«, rief der Bodeguero. »Darf ich Sie zu einem Drink einladen? Auf Kosten des Hauses. Es ist mir eine Ehre, dass Sie meine Bodega besucht haben.«

Das wird seinen Umsatz steigern, wenn er der Kundschaft erzählt, dass el ángel de la muerte – der Engel des Todes – bei ihm zwei Männer erschoss, dachte Ava.

Sie zeigte sich äußerlich ungerührt und kaltblütig. Aber sie wusste, dass es auch anders hätte ausgehen können. Dass sie tot hätte daliegen können – oder schwer verwundet ihren Gegnern in die Hände hätte fallen und ausgeliefert sein können.

Sie besaß ein enormes Selbstvertrauen. Doch wie so eine Sache ausging, das wusste man vorher nie genau.

Bis zur Grenze waren es zehn Meilen. Vor der Grenze, noch vor Ciudad Juárez , der Schwesterstadt von El Paso auf der US-Seite, schickte Ava ihre beiden Geiseln weg. Die beiden Mexikaner ritten schleunigst fort. In einiger Entfernung hielten sie an und schauten der Reiterin nach, die mit dem zweiten Pferd mit dem Toten über dem Sattel davonritt.

»Sie ist wunderschön«, sagte der eine Mann. »Und so tödlich wie der Biss einer Klapperschlange. Wir können heute unseren zweiten Geburtstag feiern, weil sie uns nicht erschossen hat.«

»Alvarez war es nicht wert«, sagte der andere. Der Dritte, der Verletzte, hatte nicht mitzureiten brauchen. Nach der Schießerei in der Bodega war Ava nicht mehr angegriffen worden und hatte es für sie keine Gefahr gegeben. »Doch wir mussten für ihn kämpfen. Denn wenn er gewonnen hätte ... und wir hätten keinen Finger gerührt, dann wäre es uns böse ergangen.«

Sie ritten nach Samalayuca zurück, wo man noch lange von diesem Tag erzählen würde. Ava trabte mit ihrer schaurigen Last über die Brücke über den Rio Grande. Der Zollposten hielt sie an. Ein paar bewaffnete Grenzschützer bewachten den Übergang. Die Garnison der Texas Rangers befand sich in El Paso.

Wenn es Ärger gab an der Grenze waren die Rangers schleunigst zur Stelle.

»Zurück vom Ausflug nach Mexiko, Miss Sharp?«, fragte der Zollwächter. »Haben Sie was zu verzollen?«

»Nur eine Leiche. Ich will sie dem Sheriff vorführen, damit ich mein Kopfgeld erhalte.«

»Leichen sind nicht zollpflichtig. Wir nehmen es nur von den Lebenden. Einen schönen Tag wünsche ich noch, Miss Sharp.«

Als Ava weiterritt, sagte der Zöllner zu den Brückenwachen: »Habt ihr die gesehen? Das war Ava Sharp, der Engel des Todes. Die tödlichste Frau des Westens.«

»Meinst du, wir sind hinter dem Mond daheim?«, fragte ihn eine Wache. »Klar wissen wir, wer das ist. Sie ist eine Legende im Westen.«

»So schön. So eiskalt. So tödlich. Ich spürte einen kalten Hauch, als sie an mir vorüberritt.«

»Das bildest du dir ein.«

Ava ritt direkt zum Sheriff. Stan Wagner, so hieß der Sheriff, schaute sich den Leichnam an. Er hob den Kopf des bäuchlings über dem Sattel liegenden Toten.

»Den hast du glatt erwischt, Ava. War es schwierig?«

»Es ging.«

»Hast du was abgekriegt?«

»Nein. Jetzt telegrafiere an den Senator, dass ich Alvarez hier abgeliefert habe. Er soll mir das Kopfgeld anweisen.«

»Wird gemacht, Ava. Wieviel bringt dir Alvarez denn ein?«

»Das geht dich nichts an, Sheriff.«

»Ich frage ja nur. Eine andere Frage hätte ich noch, wenn es gestattet ist.«

Da Ava nicht wusste, worum es sich handelte, nickte sie.

»Erscheinen dir die Gesichter derjenigen, die du tötetest, im Traum? Kannst du nachts noch ruhig schlafen?«

»Wenn du es genau wissen willst – ja.« Ava erklärte nicht, auf welchen Teil der Frage sich das Ja bezog. »Willst du noch mehr wissen? Bist du als Sheriff hier engagiert, Wagner, oder als Ausfrager?«

Damit ließ Ava den Sheriff stehen. Er schüttelte den Kopf.

»So ein glattes Gesicht. So schöne Zähne – und solche Haare darauf.«

Ava quartierte sich im ersten Hotel am Platz ein. Sie war redlich müde, geschafft nach dem Abenteuer und dem Ritt nach Mexiko. Dem Tod von der Schippe gesprungen, wie bei jedem Auftrag, den sie übernahm. Ihren Sattel hatte sie im Mietstall zurückgelassen, wo ihr Pinto stand. Alvarez' Pferd, auf dem sie ihn hertransportiert hatte, blieb erst mal beim Sheriff.

Obwohl es erst Nachmittag war, legte sich Ava hin. Ihre Kleider hingen über dem Stuhl, das Handgepäck und eine Satteltasche lagen dabei. Den Colt hatte sie schussbereit.

Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als Lärm sie weckte. Im Nebenzimmer ging es rund. Ein Mann brüllte herum. Eine Frau keifte.

Dann hörte man durch die dünnen Wände das Geräusch einer Ohrfeige. Die Frau schrie auf.

Der Mann beschimpfte sie wüst und wütete: »Du Hure, du Nutte, du Flittchen! Dir werde ich es geben! Ich schlage dich grün und blau. Du kommst mit auf die Ranch, dort sperre ich dich ein. Dir werde ich es geben, dich werde ich lehren!«

Die Frau schrie um Hilfe. Sie zeterte. Dann folgten Schmerzschreie. Ava hörte Schläge und nahm zu Recht an, dass der Mann drüben die Frau übers Knie gelegt hatte und ihr den Hintern versohlte.

Sie seufzte und rieb sich den Schlaf auf den Augen. Wenn Ava eines nicht leiden konnte, dann war das, wenn Frauen misshandelt wurden. Rasch zog sie sich an und schnallte den Revolvergurt um.

Die Frau war verstummt. Ihr war niemand zu Hilfe gekommen.

Der Portier stand jedoch im Flur. Als Ava aus den Zimmer trat, legte er den Finger an die Lippen.

Er wieselte zu ihr, ein kleiner, magerer Mensch mit Weste, Schnurrbart und über die Glatze gekämmten Haarsträhnen.

»Pst, Miss Sharp. Da würde ich mich nicht einmischen. Das ist Ace Mackintosh von der Big-M-Ranch. Ein ganz harter Bursche. Er hat eine starke Kampfmannschaft und war mal bei den Texas Rangers.«

»Geh weg an dein Pult.«

Der Kleine wieselte davon. Ava klopfte mit dem Revolvergriff an.

»Wer da?«, tönte es von drinnen.

»Zimmerservice.«

Die Tür wurde aufgerissen. Vor Ava stand ein Hüne von Mann, an die zwei Meter groß. Bullig und breitschultrig. Er war hemdsärmelig. Auf dem Bett des großen Zimmers saß eine schluchzende, hübsche Frau – eine Blondine im grünen Kleid.

Ihr linkes Auge schwoll zu. Sie stand gleich wieder auf; offensichtlich hatte sie mit ihrer malträtierten Kehrseite Probleme beim Sitzen.

»Was willst du denn?«

»Ich mag es nicht, wenn Frauen geschlagen werden. Zudem kann ich den Lärm nicht vertragen. Ich bin aufgeweckt worden. Jetzt will ich sehen, wie es der Lady geht.«

»Das geht dich einen Dreck an, du Nutte.«

Der Hüne knallte Ava die Tür vor der Nase zu. Sie klopfte wieder mit dem Revolvergriff, dass es dröhnte. Abermals wurde die Tür aufgerissen.

Der Zwei-Meter-Mann schnaubte: »Willst du auch den Hintern versohlt haben? Ich bin Ace Mackintosh, der größte Rancher weit und breit.«

»Dass du weit und breit bist, das sehe ich. Und ein Rüpel und Frauenschläger dazu. Ass Mackintosh heißt du. Den Namen werde ich mir merken.«

Ace war das Ass beim Kartenspiel, Ass ein vulgärer Ausdruck für den Körperteil, auf dem man zu sitzen pflegte.

Der Hüne wollte Ava an der Gurgel packen. Dann sah er den Revolver in ihrer Hand. Er war auf seinen Magen gerichtet.

»Wag es! Fass mich nicht an!«

»Wer bist du, was willst du? Das ist meine Frau, die schlage ich, so oft ich will.«

»Nicht, wenn ich in der Nähe bin. Geht es Ihnen gut, Lady? Weg da, geh mir aus dem Weg!«

Sie stieß dem Rancher den Revolverlauf in den Magen und ging an ihm vorbei. Die Frau sah sie mit großen Augen an. Sie war verwundert, dass jemand, eine Frau auch noch, ihrem zwei Meter großen, gefürchteten Gatten die Stirn bot.

»Sie hat anderen Männern schöne Augen gemacht«, sagte ihr Gatte und schloss die Tür. »Immer macht sie andere an, und wenn ich nicht aufpasse, dann setzt sie mir Hörner auf. Ich kann das nicht leiden.«

»Ace ist krankhaft eifersüchtig«, sagte die Blondine. »Er macht mir das Leben zur Hölle. Wenn ich auch nur in die Richtung eines anderen Mannes blicke, rastet er aus. Eines Tages wird er mich totschlagen.«

»Dem sollten Sie zuvorkommen. Verlassen Sie ihn.«

»Wann? Wie? Einfach so?«

»Ja. Jetzt, einfach so. Ich helfe Ihnen dabei.«

»Moment mal!«, beschwerte sich der Big-M-Rancher. »So geht das nicht. Wer bist du eigentlich, dass du dich hier derart aufspielst? Das ist meine angetraute Ehefrau. Wenn mir mal hin und wieder die Hand ausgerutscht ist, hat das nichts zu bedeuten. Wir lieben uns doch. Ist es nicht so, Janet?«

Die Frau senkte den Blick.

Ava hielt immer noch den Colt in der Hand.

»Ich bin Ava Sharp«, sagte sie.

»Die Kopfgeldjägerin?«, fragte der Rancher.

»Genau die. Man nennt mich den Engel des Todes, worauf ich nicht stolz bin. Du hast deine Frau nicht zu schlagen. Zumal sie bestreitet, anderen schöne Augen zu machen. Ich schätze, du bist ein grundlos eifersüchtiger Bulle, dem es zu Kopf gestiegen ist, dass er eine große Ranch hat und andere sich vor ihm fürchten.«

Der Rancher duckte sich, soweit das bei einem solchen Klotz von Mann möglich war. Ava hatte ins Schwarze getroffen.

»Sie müssen nicht bei ihm bleiben, wenn Sie das nicht wollen, Mrs. Mackintosh«, sagte Ava. »Sie müssen sich das nicht von ihm gefallen lassen. Haben Sie Kinder?«

»Nein.«

»Dann entscheiden Sie sich – jetzt. Entweder Sie bleiben bei Ihrem Mann, oder Sie kommen mit mir.«

Janet Mackintosh stand auf. Ihr Auge war schon fast zugeschwollen. Ihr Gesicht war verheult. Man konnte dennoch erkennen, dass sie eine Schönheit war.

Verächtlich schaute sie ihren Mann an.

»Diesmal bist du zu weit gegangen, Ace. Deine grundlose Eifersucht und dein Benehmen kann ich nicht mehr ertragen. Am Anfang unserer Beziehung warst du anders. Ich verlasse dich. Ich kehre zu meiner Familie in Arizona zurück. Unsere Ehe war ein Fehler. Du bist nicht mehr der Mann, als den ich dich sah.«

»Janet, das kannst du nicht machen! Ich gelobe Besserung! Ich werde dich nie mehr grob anfassen. Bleib bei mir, ich kann ohne dich nicht sein.«

Er war krank, krank vor Eifersucht, und in seiner Beziehung zu Frauen gestört.

»Nein«, sagte Janet. »Es ist vorbei, Ace. Suche dir eine andere und mache es bei ihr besser.«

Sie schaute Ava an.

»Ich nehme nur meine Handtasche mit. Geld für die Heimreise habe ich genug. Können wir jetzt gehen?«

Ava nickte.