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Pass der Gewalt
Die verbrecherische Rio Grande Railway will mit allen Mitteln die Strecke über den Raton Pass bauen. Emmett Brown, der Bahnmarshal der Konkurrenzlinie ATSF, schwebt ständig in Lebensgefahr. Die gesamte Revolvertruppe der Rio Grande Railway hat es auf ihn abgesehen. Jayne, die Tochter seines Bauleiters, wirft sich ihm an den Hals. Dann sind da noch die Comancheros, die den Pass besetzt halten, und die geheimnisvolle Frau mit der eisernen Maske. Sie scheint Emmett von früher zu kennen und geht über Leichen.
Das stählerne Duell der Schienenleger zum Pass der Gewalt verlangt Emmett alles ab.
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Seitenzahl: 163
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Pass der Gewalt
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Maren/S.I.-Europe
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8187-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Pass der Gewalt
Emmett Browne hätte nicht im Traum daran gedacht, Eisenbahnmarshal zu werden. Er hatte einen gutbezahlten Job als Sheriff von Tucson – der war nicht leicht, doch er füllte ihn aus, und er war damit zufrieden. Die Sache lief aus dem Ruder, nachdem er unter Lebensgefahr eine vor Jahren entführte Farmersfrau von den Apachen zurückholte.
Die Frau war grausam misshandelt worden, doch jetzt war sie wieder frei. Emmett war glücklich, dass er ihr Leben gerettet hatte. Viele andere aber nicht …
Nach einem Gewaltritt, leicht verletzt von Apachenpfeilen, kehrte er nach Tucson zurück. Den ersten Schock hatte er erlitten, als er Emily Higgins sah. Sie hatte keine Nase mehr. Ihr Mann hatte sie ihr abgeschnitten, weil sie ihm widersprochen hatte, er von seinen drei roten Squaws aufgestachelt wurde und weil er vom Tizwin betrunken war.
Emily Higgins erlitt ein Martyrium – von den Squaws ihres Gatten gedemütigt. Sie war die Letzte unter ihnen, Freiwild für Jungkrieger, die sie missbrauchten, wogegen keiner einschritt. Im Gegenteil, ihr Gatte, der Weiße Adler hatte sie zudem noch dafür bestraft, wenn sie vom Wasserholen zu lange wegblieb. Und weil sie das Spielzeug von anderen war, woran er ihr die Schuld gab.
Es bereitete ihm Freude, eine Weiße zu quälen. Als dann Emmett erschien und Emily Higgins Freilassung forderte, wollte er sie aus Prinzip nicht freigeben.
Der Sheriff tötete ihn im Zweikampf und erwarb damit das Recht, Emily mitzunehmen. Die Apachen verfolgten ihn, er tötete einen weiteren Krieger und entkam mit der Befreiten.
Die abgeschnittene Nase entstellte sie. Sie hatte nur noch zwei Löcher im Gesicht. Nachdem Emmett sie bei den Apachen wegholte, verbarg sie die Entstellung hinter einem Tuch, das ihre untere Gesichtshälfte bedeckte.
Früher einmal war sie hübsch gewesen. Jetzt hatten sie die Qualen und Entbehrungen und die Martern gezeichnet. Emmett brachte sie zu ihrem Mann und ihren beiden Kindern. Er erntete keinen Dank dafür.
Der Farmer lebte inzwischen mit einer anderen Frau zusammen. Mit ihr hatte er wiederum ein Kind. Seine Frau hatte er für tot gehalten, sagte er. Er sperrte Mund und Augen auf, als er seine Frau wiedersah, beschimpfte Emmett und machte ihm Vorwürfe.
»Bist du verrückt geworden, Sheriff? Wie konntest du das nur machen? Dir hat ein Maultier ins Hirn geschissen.«
Emmett hatte vor der gut in Schuss gehaltenen Farm im Sattel gesessen, während Emily mit gesenktem Kopf neben dem Indianerpony, auf dem sie her geritten war, vor ihrem perplexen Gatten stand. Der Sommerwind wehte warm über die Felder.
»Pass auf, was du sagst, Hiram Higgins«, sagte der athletische Sheriff zu dem Farmer. »Das ist deine Frau. Vor Gott und den Menschen seid ihr verbunden, bis dass der Tod euch scheidet. – Also richte dich danach.«
»Nimm sie wieder mit, gottverdammt, ich kann sie nicht gebrauchen. Weshalb verhüllt sie denn ihr Gesicht?«
Der Farmer riss Emily das Tuch vom Gesicht. Er schrak zurück, als er sah, wie entstellt sie war.
»Pfui, ist die hässlich. Da werden ja die Pferde scheu. Vier Jahre befand sie sich bei den Apachen. Ich will keine Frau haben, über die ein ganzer Stamm gerutscht ist. Man weiß doch, wie diese Wilden sind. Nicht umsonst sind bis vor ein paar Jahren Skalpprämien in Tucson bezahlt worden. – Bestimmt hat sie ein paar rote Bastarde in die Welt gesetzt. – Und die bringst du mir wieder? Bist du verrückt geworden?«
Emmett hatte dem Farmer die Meinung gesagt. Ein Wort gab das andere. Schließlich bedrohte er Hiram Higgins mit dem Revolver.
Daraufhin legte dessen neue Lebensgefährtin, mit der er nicht verheiratet war, durchs Fenster mit der Schrotflinte auf ihn an.
»Schleich dich vom Hof, Sheriff, oder es knallt! Die nasenlose Jezebel nimm mit. – Jetzt, sofort!«
»Sie soll wenigstens ihre Kinder sehen dürfen«, verlangte Emmett und steckte den Revolver weg. Er wollte nicht auf die Frau schießen. »Das wird ja wohl noch erlaubt sein.«
Nach kurzer Beratung schickten der Farmer und seine Neue Emilys Sohn und ihre Tochter heraus. Der Junge war acht Jahre alt, das Mädchen sieben. Sie entsetzten sich vor der fremden Frau.
»Das ist nicht unsere Mutter. Nein, nein. Die wollen wir nicht. Unsere Mutter ist tot.«
Mit diesen Worten rannten sie wieder ins Haus zurück. Mit steinerner Miene schlug die unglückliche Frau das Halstuch wieder vor die untere Gesichtshälfte.
»Sheriff, wir gehen. Hier ist nicht mehr mein Platz.«
Emmett musste sie wohl oder übel nach Tucson mitnehmen. Dort brachte er sie unter, vielmehr versuchte er es zuerst vergeblich. Keiner der guten Bürger von Tucson, den so genannten Christenmenschen, wollte sie haben. Selbst der Pastor der Episkopalkirche drehte und wand sich. Er sagte, ihm wären die Hände gebunden.
Er könne Emily Higgins in seiner Gemeinde keine Zuflucht und keine Unterkunft bieten.
»Schließlich hat sie jahrelang mit einem wilden Apachen in Sünde und Vielweiberei gelebt. Das kann ich meiner Gemeinde nicht antun, dass ich mich um sie kümmere.«
Am liebsten hätte Emmett den Heuchler gepackt und geschüttelt.
»Wo soll sie denn hin? Soll sie im Freien schlafen? Hat sie nicht genug gelitten?«
»Du hast sie befreit, Sheriff. Damit bist du für sie verantwortlich. Die Wege des Herrn sind unerforschlich. Es wird sich ein Platz für sie finden.«
»Der Herr würde vom Kreuz herabsteigen und dir in den Hintern treten, du verlogener Pfaffe«, giftete Emmett. Er wurde nie in der Kirche gesehen. Sein Symbol war der Stern, nicht das Kreuz. »Wenn das deine christliche Nächstenliebe ist, pfeife ich darauf.«
Emmett ließ Emily zwei Nächte im Office im Zellentrakt schlafen. Dann fand er eine andere Unterkunft, eine verlassene Hütte, für sie. Doch wovon sollte sie leben? Die Stadt Tucson wollte sie nicht haben. Wenn sie sich sehen ließ, wurde getuschelt, nicht mal hinter ihrem Rücken.
Junge Burschen machten anzügliche Bemerkungen. Emmett wies sie zurecht. Am Schlimmsten waren die Frauen, die angeblich Mitgefühl mit der Armen hatten, die von den Apachen geraubt worden war. Sie stellten ihr intime Fragen, wie es gewesen sei bei und mit den Apachen. Ob sie dort Kinder hatte, wie die sexuellen Gewohnheiten der Apachen wären und einiges andere mehr. Das konnte Emmett schlecht unterbinden.
Er sprach mit dem Mayor, mit dem er immer gut Freund gewesen war, über den Fall. Der Mayor riet ihm, Emily fortzuschicken.
»Das ist sehr traurig, ein tragischer Fall, doch sie passt nicht hierher. Wir können sie hier nicht durchfüttern. Nicht mal der verlotterte Säufer Jack Arrow, der Schandfleck unserer Town, würde sie bei sich aufnehmen. – Was willst du mit ihr? Du hättest sie bei den Apachen lassen sollen. Sie ist keine Weiße mehr.«
»Ihr könnt sie nicht verhungern lassen. Eine Unterkunft habe ich ihr beschafft, eine alte Hütte am Stadtrand, die sie sich herrichtet. Mehr kann ich nicht tun. – Well, sie kann bei mir das Office und die Zellen putzen. Aber was ich ihr dafür gebe …«
»Von deinem Gehalt, die Stadt zahlt das nicht. Ihr nicht.«
»Mexican Ann habt ihr doch auch bezahlt.«
»Sie ist nicht Mexican Ann. Diese steht dir weiter auf Kosten der Stadt als Putzhilfe zur Verfügung. Das Apachenweib nicht.«
Schließlich erklärte sich der Mayor nach einigem Zureden bereit, Emily Higgins mit ein paar Dollar im Monat als Armenhilfe aus der Stadtkasse zu unterstützen. Emmett ließ sie das Office putzen. Es war klar, dass Emily Higgins todunglücklich war. Doch ihre starke Lebenskraft triumphierte – sie lief weder davon noch versuchte sie sich umzubringen.
Emmett hatte ihretwegen noch weitere Probleme. Sein Deputy räsonierte offen gegen Emilys Beschäftigung und dass sie sich im Office bewegte. Auch Emmetts Geliebte – er ließ nichts anbrennen und hatte drei Freundinnen, die voneinander wussten – mokierten sich. Sie unterstellten ihm sogar, mit der nasenlosen Frau Sex zu haben.
Emmett wies das strikt zurück.
»Ich habe sie befreit. Das war meine Pflicht als Mensch und als Sheriff.«
»War es nicht«, sagte Ava White, die Tochter des Storebesitzers, als sie im Bett lagen. »Das hast du eigenmächtig getan. Du vernachlässigtest sogar deine Pflichten und ließest deinen Posten als Sheriff im Stich, als du in die Mogollons rittest, was nicht zu deinem Gebiet gehört. Zwölf Tage lang warst du fort.«
»Dafür habe ich Urlaub genommen. Eine Frau schrie um Hilfe. Der Squatter sagte es mir. – Du bist doch auch eine Frau, Ava, du musst das doch verstehen. Versetz dich doch nur mal an Emilys Stelle.«
»Ich hätte mich lieber umgebracht, als eine Apachenhure zu werden«, antwortete Ava selbstgerecht. »Hat sie es dir erzählt, was sie alles mit ihr getrieben haben? Und wie viele? Der ganze Stamm?«
»Du hast eine schmutzige Fantasie, Ava. Und selbst wenn es so gewesen wäre, sie ist ein unschuldiges Opfer. Was geschah, passierte gegen ihren Willen.«
»Wenn du das sagst … Jetzt rede nicht über das Apachenweib. Steck ihn mir lieber rein. Ich bin wahnsinnig geil.«
Ava lag nackt mit gespreizten Beinen im Bett. Sie war ein Rasseweib, schwarzhaarig, schön, mit strotzenden, üppigen Brüsten, die große Nippel und breite dunklere Höfe rund um diese aufwiesen. Einem leicht ausgeprägten Bauch, buschigen Schamhaaren und einer Spalte mit üppigen Schamlippen. Diese spreizten sich leicht und gaben den Blick auf das feuchte rosa Innere ihrer Lustgrotte frei. Avas Schenkel waren fest, ihre Beine vielleicht ein wenig zu kurz, doch wen störte das?
So, wie sie dalag, strömte sie Sexappeal und Begehrlichkeit aus allen Poren aus. Sie hätte selbst dem steinernen Gaul eines Reiterdenkmals noch einen Ständer bescheren können.
Emmett war ganz der Mann, ihrer Lust zu genügen. Er küsste sie, steckte die Zunge in ihren Mund und streichelte und drückte die üppigen Brüste und glitt mit der Hand abwärts. Über die buschigen Schamhaare zu ihrer Spalte, die er reizte und auf Touren brachte.
Ava stöhnte, ihr Mund stand halb offen, die großen dunklen Augen glänzten. Sie atmete stoßweise. Sie drückte den Hodensack des Sheriffs und quetschte ihn, dass Emmett leise aufschrie.
»Hör auf, nicht so fest! Willst du mir die Eier zerquetschen?«
»Das tue ich, wenn du weiter an mir herumfummelst, du sterntragender Bock. Rammle mich endlich.«
Der Sheriff legte sich über sie, besondere Stellungen mochten sie im Moment nicht probieren. Er glitt mit seinem Lustspeer tief in die feuchte Wärme hinein. Spürte lustvoll die zarte Berührung ihrer Liebesgrotte.
Ava kam fast sofort, schnell wie die Feuerwehr. Sie hatte mehrere Orgasmen, davon einen mehrfachen, bis sich Emmett keuchend und mit verdrehten Augen wie ein Zuchthengst in sie ergoss. Er schwamm oder ritt auf den Wellen der Lust. Hoch schleuderten sie ihn empor, bis er meinte, die Schädeldecke würde ihm wegfliegen.
Er vergaß alles andere, auch Emily Higgins, die Frau ohne Nase, die er von den Apachen befreit hatte.
☆
»So geht das nicht weiter mit dir und der Nasenlosen«, sagte Ava, als sie später im breiten Bett des Sheriffs in dessen Mietwohnung in der Adderson Street nebeneinander lagen, erhitzt und verschwitzt, aber noch nicht gesättigt von der Lust. »Die rote Jezebel, die Apachenhure.«
»Sie ist nicht rot.«
Ava äußerte sich ordinär, der halbe Apachenstamm sei bei Emily Higgins drüber gerutscht.
»Die Schlampe hat unter anständigen weißen Menschen nichts mehr verloren. Jag sie fort.«
»Das kann ich nicht. Ich habe sie befreit. Dabei mein Leben riskiert.«
»Das hättest du besser gelassen. Das war hirnverbrannt und ein Fehler. Korrigiere ihn.«
Wütend setzte sich Emmett auf. Er verteidigte Emily.
»Sie kann nichts dafür. Sie wurde entführt und gezwungen. Wie würdest du dich denn fühlen, wenn es dir so ergangen wäre, Ava? Bei den Apachen hätte sie nicht mehr lange überlebt. Sie wäre zugrunde gegangen.«
»Pech gehabt«, sagte Ava herzlos. »Was können wir denn dazu? Ihr eigener Mann will sie nicht wiederhaben. Ihre Kinder sind vor ihr geflüchtet. Jetzt fällt sie der Stadt Tucson zur Last. – Was findest du denn an ihr, Emmett? Hast du sie auch schon gevögelt?«
»Jetzt reicht es.« Emmett zog Ava aus dem Bett und stieß sie von sich. Er äußerte sich nicht zu dem, wessen Ava ihn verdächtigte. Das war unter seinem Niveau. Es verstand sich für ihn von selbst, dass er Emily nicht angefasst hatte, obwohl er sonst nicht wählerisch war, was Frauen betraf. »Hast du kein Herz? Was ist das für eine Stadt? Heuchler und Pharisäer und eine bigotte verlogene Bande seid ihr alle miteinander.«
»Bisher hat es dir in Tucson gut gefallen, Emmett.«
»Bisher, ja. Doch jetzt sehe ich euch mit anderen Augen. Emily hätte Mitgefühl, Verständnis und Unterstützung verdient. Stattdessen wird sie angefeindet, gedemütigt und gekränkt. Als ob sie nicht schon genug erduldet hätte.«
»Vielleicht hat es ihr ja gefallen mit den vielen Apachenmännern.«
»Niemals. Sie war völlig am Ende.«
Ava machte eine obszöne Bemerkung über den Sex von einer Frau mit mehreren Männern zugleich. Emmetts Gesicht verzerrte sich. Er hob die Hand.
»Raus, aber sofort, oder ich vergesse mich. Mit dir bin ich zum letzten Mal im Bett gewesen. Du bist herzlos und ordinär. Such dir einen anderen, der es dir besorgt.«
Ava stand auf. Sie begann sich anzuziehen, obwohl sie zuvor noch heftig Lust auf weiteren Sex gehabt hatte. Auch Emmett war dem nicht abgeneigt gewesen. Jetzt war ihm die Laune vergangen.
»Das werde ich sowieso«, fauchte Ava ihn an. »Ich wollte dich ohnehin vor die Wahl stellen – ich oder die Apachenhure.«
Emmett musste an sich halten, um seine Ex-Geliebte, das war sie nun, nicht zu ohrfeigen. Er hielt seine Rechte mit der linken Hand fest, damit sie ihm nicht ausrutschte.
»Dann wünsche ich dir viel Spaß mit der Apachennutte«, hetzte Ava. »Ich weiß, dass ich nicht die Einzige in Tucson und im County bin, die du vögelst. Aber das lass dir gesagt, bei keiner von deinen Gespielinnen steckst du ihn nochmal rein, solange du der Apachenhu…«
»Sag es nicht!«
Ava verstand, dass sie nicht weiter gehen durfte. Emmett war am Ende seiner Selbstbeherrschung angelangt.
»… solange du der Schlampe die Stange hältst. Kann sie gut blasen, oder was ist an ihr dran, dass du so für sie bist?«
Da sprang Emmett vor, packte Ava am Arm und zerrte sie aus dem Zimmer. Sie war noch halbnackt. Er stieß sie auf den Flur im ersten Stock und warf ihr Kleider und Schuhe hinterher.
»Verschwinde! Sofort!«
Damit schmiss er die Tür zu. Keifend zog Ava sich an. Sie hämmerte und trommelte gegen Emmetts geschlossene Wohnungstür. Der Sheriff regte sich nicht mehr. Er hatte abgeschlossen. Er strafte Ava mit Verachtung. Sie beschimpfte ihn wüst.
»Du mieser Stecher! Du Lumpenbock! Du Indianerhurenbeschäler!«
Ava nahm Ausdrücke übelster Art in den Mund. Sie war sonst nicht so ordinär, bediente im Store und sang im Kirchenchor. Doch wenn sie loslegte, vergaß sie sämtliche guten Manieren und verlor jede Zurückhaltung. Schimpfworte prasselten durch die Tür auf den Sheriff nieder.
Er atmete schwer. Ava schrie so laut, dass man sie bis auf der Straße hörte. Emmett schämte sich für sie.
Endlich zog die Wutschnaubende ab.
»Dann bleib doch bei der Jezebel!«, rief sie noch. Jezebel war eine üble Frau aus dem Alten Testament und galt als Synonym für die Unzucht und Schlechtigkeit. »Hoffentlich hängt sie dir die Syphilis an.«
Emmett stand mit geballten Fäusten da, mit dem Rücken an die Tür gelehnt, die Augen fest zugedrückt. Er keuchte wie nach einem langen und schnellen Lauf. Emmett hörte undeutlich, wie Ava im Erdgeschoss mit der Hauseigentümerin, einer Witwe, sprach.
Er verstand nur die Worte der Witwe: »Miss White, mäßigen Sie sich.«
Dann knallte die Haustür mit einer Wucht zu, dass das ganze Haus wackelte. Zumindest hatte Emmett den Eindruck. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ava war für ihn Geschichte, abgehakt. Er war auf sie nicht angewiesen.
Später, als er das Haus verließ, hatte er Probleme, seiner Vermieterin in die Augen zu sehen. Das rührte daher, dass sie gehört hatte wie ihn Ava betitelte. Auch bei der abendlichen Kontrollrunde wirkte Emmett leicht verstört. Er meinte, er würde schief angeschaut werden.
Da kommt er, der miese Stecher, der Lumpenbock und so weiter, würden die Leute von ihm denken. Avas Schimpfwörter hafteten an ihm wie Dreck. Es würde eine Weile dauern, bis er das vergaß und seine frühere Unbefangenheit wiederfand.
☆
Am nächsten Tag gab es wieder einen Eklat. Emmett hörte am Morgen Lärm von der Straße. Als er aus dem Office stürmte, sah er, wie ein paar Halbwüchsige Emily Higgins umherstießen. Sie beschimpften sie wüst, warfen mit Steinen und Dreck auf sie.
Sie hatten ihr das Tuch vom Gesicht gerissen. Ava bedeckte ihre verstümmelte Nase oder was von ihr übrig war. Sie schluchzte. Ein Boy hielt sie fest, man zog ihr die Arme auf den Rücken. Sie sechs Jungs, alle fünfzehn, sechzehn, verspotteten und beschimpften sie.
Sie verhöhnten sie wegen ihres entstellten Gesichts. Als zwei von den Burschen sie anspuckten, ging Emmett dazwischen. Er fegte heran wie ein Wirbelsturm und teilte kräftige Fausthiebe, Fußtritte und Ohrfeigen aus. Mit sechs Halbwüchsigen wurde er jederzeit fertig, er war andere Gegner gewöhnt.
Er schlug drei von den Kerlen zu Boden. Einer hielt sich am Gehsteigpfosten fest. Ihm brummte der Schädel von einer deftigen Ohrfeige, die ihm der Sheriff verpasst hatte. Die beiden anderen hatten auch etwas abgekriegt.
Sie duckten sich vor dem wütenden Sheriff wie begossene Pudel vor einem Timberwolf.
»Haut ab!«, befahl Emmett. »Wagt es nicht, Mrs. Higgins noch einmal zu belästigen. Sonst sperre ich euch ein. – Verschwindet!«
Der eine junge Kerl war der Sohn des Mayors, der andere der des Schmieds. Ein weiterer hatte einen großmäuligen Revolverschwinger als älteren Bruder.
»Das sagen wir unserem Vater«, meinten die beiden Ersteren.
Der Dritte erwähnte seinen großen Bruder. Emmett trat alle drei in den Hintern.
»Ab mit euch.«
Als er sich umschaute, war Emily Higgins von der Straße verschwunden. Emmett sah den sechs Jugendlichen nach. Sie trollten sich. In sicherer Entfernung zeigte ihm einer den Mittelfinger. Dann verschwanden sie.
Als Emmett ins Office zurückkehrte, hörte er ein seltsames Geräusch aus dem Zellentrakt. Ein Keuchen und Würgen. Er ging sofort nach hinten und erschrak. Emily Higgins hatte versucht, sich am Eisengitter des Zellenfensters zu erhängen.
Sie hatte ein Seil an die oberste Querstrebe des hochliegenden Fensters geknüpft, sich die Schlinge um den Hals gelegt, war auf den Hocker gestiegen und hatte ihn weggetreten. Sie war schon blau im Gesicht und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Sie konnte die Arme nicht mehr heben, selbst wenn sie es gewollt hätte. Die Schlinge drosselte ihr die Blutzufuhr zum Gehirn ab.
Emily hätte sich nicht befreien wollen. Sie wollte sterben, sie hatte zu viel gelitten. Emmett sprang hinzu, stieg auf den Hocker, hob die große, dünne Frau – sie war stark abgemagert – hoch und durchschnitt die Schlinge.
Er streifte sie Emily ab, legte sie auf eine Pritsche im sonst leeren Zellentrakt und massierte ihren Hals. Er tätschelte ihr die Wangen.
»Emily. Was machst du denn? Das darfst du nicht, du musst weiterleben.«
Emily hustete und würgte. Schleim quoll ihr aus den Löchern, wo einmal die Nase gewesen war.
Als sie wieder sprechen konnte, keuchte sie: »Lass … mich … sterben.«
»Nein.«
Emmett presste sie an sich und wiegte sie hin und her wie ein kleines Kind, das er trösten wollte. Er wusste nicht, was er ihr sagen sollte. So fand sie Niles Stone vor, der lange Deputy mit dem Pferdegesicht.
»Was macht ihr denn da?«, fragte er. »Knutscht ihr herum?« Er lachte meckernd.
Emmett richtete sich auf. Am Ende seiner Fassung schlug er dem Deputy mit der Faust aufs Kinn.
»Sie hat sich aufhängen wollen. Siehst du nicht den Strick und das Würgemal an ihrem Hals? Mach keine blöden Bemerkungen.«
Ein hasserfüllter Blick traf den Sheriff. Der Deputy, der sowieso nach Emmetts Posten trachtete, war nicht mehr sein Freund. Stone ging unsicher auf den Beinen nach vorn ins Office. Er rieb sich das Kinn.