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Jean Cahusac, ein leichtlebiger Lebemann aus New Orleans, Reid Ribble, ein texanischer Revolverheld, Jim Sensenbrenner, ein eingewanderter schwäbischer Uhrmacher - diese drei Männer machen sich eines Tages voller Hoffnung auf den Weg zu den Goldfeldern Kaliforniens. Auch die schönen Schwestern Zoe und Zora Zorkan wollen dort auf ihre Weise ihr Glück machen. Sie alle sind jung und hungrig.
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Jung und hungrig
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Gonzales/Bassols
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9255-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Jung und hungrig
Jean Cahusac, ein leichtlebiger Lebemann aus New Orleans, Reid Ribble, ein texanischer Revolverheld, und Jim Sensenbrenner, ein eingewanderter schwäbischer Uhrmacher – diese drei Männer machen sich eines Tages voller Hoffnung auf den Weg zu den Goldfeldern Kaliforniens.
Dort wollen auch die bildschönen Schwestern Zoe und Zora auf ihre Weise ihr Glück machen. Sie alle sind jung, hungrig – und zu allem bereit!
Jean saß in seinem Luxusapartment im teuersten Hotel von New Orleans und ließ es sich gut gehen. Zwei bildhübsche Girls verwöhnten ihn. Die eine war eine schlanke Mulattin mit großen glänzenden Augen und einer biegsamen Figur. Die andere eine Cajun, schwarzhaarig, ein Mischling zahlreicher Völker, mit einigem Indianerblut dabei.
Beide waren nur teilweise bekleidet. Die Mulattin oben ohne, sie hatte mittelgroße, sehr hübsche Brüste, das Cajun-Girl unten herum frei, mit rasierter Spalte, die sie Jean neckisch darbot.
Der junge Mann war gerade mal einundzwanzig und entstammte einer der reichsten und angesehensten Familien von Louisiana. Er war ihr schwarzes Schaf, ein Taugenichts, Spieler und Frauenheld. Das Geld warf er mit vollen Händen hinaus, was hast du, was kannst du.
Seine soliden älteren Brüder entsetzten sich.
»Jean ist eine Geldvernichtungsmaschine«, sagten sie. »Er wirft das Geld nicht nur aus dem Fenster, er verbrennt es auch noch.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich.«
»Neulich wurde er auf der Flaniermeile gesehen, als er mit dem offenen Einspänner und einem seiner Weiber, dieses schamlos gekleidet, sein Zigarillo mit einer Fünfzig-Dollar-Note angezündet hat. Dann ist das Weib in dem Einspänner abgetaucht, in die Knie gegangen, und was meint ihr, was sie da tat?«
»Sie wird ihn doch wohl nicht in aller Öffentlichkeit in der Kutsche mit dem Mund befriedigt haben?«, hatte einer der drei Brüder, allesamt Mitte bis Ende Dreißig und schon etwas kahl, im Büro des Ältesten entsetzt gefragt.
»Doch«, antwortete Raoul, der Älteste, das Familienoberhaupt, seit die Eltern am Gelben Fieber gestorben waren. »Sie hat ihm einen geblasen.«
»Aber doch hoffentlich nicht so, dass man es von der Straße aus sehen konnte?«, fragte der jüngste Bruder.
»Passanten nicht, doch von Balkonen aus sahen es manche. Und es gibt einige Balkone auf der Prachtstraße. Auch ein Reiter, der dicht an der Kutsche vorbeikam, hat gesehen, was Jean mit dem Flittchen trieb. Es ist ein Unglück, dass Maman, Gott hab sie selig, fünfzehn Jahren nach der Geburt des Jüngsten unter uns noch einmal schwanger wurde. Damit rechnete keiner.«
»Die Wege des Herrn sind unerforschlich«, sagte der Jüngste.
Er war sehr fromm, solange das seinem finanziellen Vorteil nicht schadete, und trat als Sonntagsprediger auf.
»Da hat der Herr sich was Schönes geleistet«, brummte der mittlere Bruder. »Das hätte er besser gelassen.«
»Antoine, lästere nicht.«
Der Älteste klopfte auf den Mahagonitisch.
»Was Jean treibt, ist skandalös – und vor allem sehr teuer. Bisher sind wir für seine Schulden aufgekommen. Ab sofort nicht mehr. Er spielt und wettet und trägt teuerste Kleider, das Essen und der Champagner vom Feinsten, Weiber en masse. Und wir dürfen alles bezahlen. Nicht mehr, sage ich. Denkt euch: Weil ich ihm schon mal ins Gewissen redete und ihm die Zuwendungen kürzte, hat er sich Geld geliehen.«
»Doch nicht bei unserer Bank?«
»Nein, da bekäme er nichts. Zu Geldverleihern ist er gegangen. Unter anderem zu dem Alten Abraham, der mit den Hounds im Bund ist.«
Old Abraham war der berüchtigtste Zinswucherer nicht nur in New Orleans. Ein Halsabschneider, gegen den sich Shakespeares Shylock wie ein Waisenknabe ausnahm. Sein Kapital bezog er von den Hounds, der Bande, die den Hafen von New Orleans kontrollierte. Die Hounds standen unter einer straffen Führung. Scarbull Honk Mulroy war ihr Boss – ein Totschläger und Halunke übelster Art.
Wer ihm nicht passte, bekam die Knochen gebrochen, wurde mit schweren Ketten an den Füßen im Hafenbecken versenkt oder in den Sümpfen unweit von New Orleans an die Alligatoren verfüttert. Scarbull Honk hatte auch schon Konkurrenten und ihm unliebsame Elemente mit den Knien am Boden annageln lassen und Hunde auf sie gehetzt.
Er war kein Kinderschreck, er schreckte jedermann.
»Der Scarbull will sein Geld«, sagte Raoul. »Sein Bote wartet im Vorzimmer. Der Boss der Hounds fordert mit Zins und Zinseszins 122.485 Dollar und 83 Cents von uns. Er hat die Schuldscheine, die unser Brüderchen beim Geldverleiher ausstellte.«
Die beiden anderen Brüder entsetzten sich.
»Was? Viel mehr als hunderttausend Dollar? Damit kann man ein Schiff kaufen!«
»Kein Neues und Großes, aber es stimmt.«
»Was hat er damit gemacht?«
»Das Übliche. Ich bin dagegen, dass wir hier wieder einspringen. Jean hat sich die Suppe eingebrockt, er hat in seinen jungen Jahren schon den Gegenwert von zwei oder drei Plantagen durchgebracht. Das geht so nicht weiter. Wir müssen dem einen Riegel vorschieben.«
»Schick ihn fort aus New Orleans.«
»Dann kommen von anderswo Geldforderungen. Es muss ein Exempel statuiert werden. Kein Cent mehr für den Verschwender.«
»Hm. Er ist unser Bruder. Du weißt doch, wie Scarbull ist.«
»Ja, er ist unser Bruder. Doch es ist auch unser Geld. Familienvermögen. Er verschwendet es. Wenn er so weitermacht, richtet er uns alle zugrunde. Wir werden, von seinem verschwenderischen Lebenswandel abgesehen, zum Gespött. Manche Familien verkehren schon nicht mehr mit uns, obwohl unsere Familie eine der ältesten in Louisiana und im gesamten Süden ist.«
Der Älteste fuhr fort: »Deshalb habe ich den Familienrat zusammengerufen. Wir müssen eine Entscheidung treffen. Ich allein kann das nach den Statuten der Cahusacs nicht.«
»Eigentlich müsste Jean mit dabei sein.«
»Willst du den Bock zum Gärtner machen? Willst du den Frosch fragen, was er davon hält, dass sein Teich ausgetrocknet wird? Wir entscheiden das, Brüder, ihr und ich. Viel Zeit haben wir dafür nicht. Scarbull ist nicht gerade für seine Geduld bekannt.«
»Jean ist unser Bruder«, wendete der Jüngste, der Fromme, ein. »Und der Familienrat muss einstimmig entscheiden. Mein Bruder ist mir mehr wert als der schnöde Mammon.«
»Bist du dir da ganz sicher?«
»Hm.«
Diese Beratung fand zwei Stunden, bevor sich der flotte Jean mit zwei Schönen im Hotel »Grand Louis II« vergnügte, statt.
☆
Jean Maturin Honoré de Cahusac, wie er mit vollem Namen hieß, war in der Suite heftig bei der Sache. Das Trio lag nackt im Bett. Jean lutschte und leckte und wurde verwöhnt. Er konnte kaum noch an sich halten, fühlte und schmeckte weiches, zartes, reizvolles Fleisch, widmete sich Brüsten und Hinterteilen und Schößen. Küsste und wurde geküsst und an empfindlichen Stellen abgeleckt.
Er war sehr potent. Groß, dunkelhaarig, schlank, mit schwarzen Locken und langen Koteletten, dunklen Augen und Haaren auf der Brust. Er hatte einen kleinen, kecken Schnurrbart und war in New Orleans eine stadtbekannte Erscheinung.
Ein Geck und ein Dandy, ein Hasardeur. Seine drei älteren Brüder und er sahen sich nicht ähnlich. Die älteren Cahusacs waren allesamt mittelgroß und dicklich, hatten helleres Haar, das sich früh lichtete, und waren allen Ausschweifungen abhold. Solide Familienväter, geschäftstüchtig, immer auf die Vermehrung des Vermögens bedacht.
Sparsam bis geizig. Honoratioren, jeder mit einem eigenen Sitz in der Kirche, die sie jeweils besuchten, während Jean dort niemals gesehen wurde. Reeder, Banker, Größen im Baumwollhandel. Das war die Firma Cahusac, die eine Marquiskrone über dem Namen und als Firmenlogo führte, obwohl sie vom Adel her einfache Baronets waren.
Honey Liz, die Cajun, verhinderte mit einem Druck an eine bestimmte Stelle, dass Jean vorschnell kam.
»Soll ich dir die Schlangenfrau machen, Darling?«, fragte sie ihn. »Da magst du doch gern.«
»Oh, ja, ja, ja.«
Honey Liz legte sich daraufhin auf das Himmelbett und brachte es fertig, die Schenkel weit zu spreizen und die Beine im Nacken zu verschränken. Sie schien Knochen aus Gummi zu haben und spreizte sich weit. Bot sich Jean dar.
Er erhielt tiefe Einblicke und drang in sie ein. Er bewegte sich vorsichtig, heftig dann, pausierte. Die Mulattin verwöhnte ihn zudem noch auf eine bestimmte, raffinierte Art.
Jean war außer sich. Honey Liz kam zwei Mal zum Orgasmus, als er tief und heftig in ihrer Lustgrotte war. Dann hatte Jean seinen Höhepunkt, der nicht mehr enden wollte.
Als er wieder halbwegs bei Sinnen war, wurde geklatscht. Brettharte Hände schlugen gegeneinander. Die Mulattin zog sich von Jean zurück. Er setzte sich auf. Honey Liz entwirrte ihre Glieder. Entsetzt starrten sie den Mann an, der geklatscht hatte.
Es war eine Alptraumgestalt. Vierschrötig, ein Hüne mit finsterem Gesicht, buschig zusammengewachsenen Augenbrauen und kurzgeschorenem Haar. Er wirkte in seinem Anzug wie ein Gorilla, der in einen solchen gezwängt worden war.
Eine tiefe gezackte Narbe zog sich über seine gesamte linke Wange. Hier hatte er vor Jahren mit einer Flaschenscherbe eine Bekanntschaft geschlossen, die ihm nicht gefiel. Neben ihm stand ein baumlanger Schwarzer in einer Art Livree. Er hielt einen Bleiknüppel in den Händen.
Er sah fast so furchterregend aus wie Scarbull Honk Mulroy. Der hatte einen schweren Hartford Dragoon Colt in der klobigen Faust, den er auf Jean richtete. Scarbull Honk war es auch, der geklatscht hatte.
»So eine Nummer habe ich noch nicht gesehen«, sagte er. »Vielen Dank für die Vorführung. Das muss ich auch mal probieren. Jetzt wollen wir übers Geschäftliche reden.«
»Das regeln meine Brüder«, sagte Jean und legte ein Kissen über seinen schrumpfenden Schwanz. »Was sind das überhaupt für Sitten, in ein Privatzimmer einzudringen, wo gerade kopuliert wird? Das gehört sich nicht!«
»Ko… was?«
Jean äußerte ein drastisches Wort, das dem obersten Hound bekannt war.
»Wie seid ihr überhaupt reingekommen?«
»Wenn ich wo reinkommen will, Jungchen, dann komme ich rein. Wir sind die Hounds. Wenn ich einen Schlüssel verlange, bekomme ich ihn, klar? Zieht euch was an, ihr zwei Schlampen, und dann ab ins Bad. Verhaltet euch ruhig. Keinen Mucks will ich hören.«
Die Mulattin und die Cajun rafften Kleidungsstücke zusammen und verschwanden durch eine weißlackierte Tür mit Goldbronzeverzierungen. Jean blieb sitzen.
»Also, Junge, du schuldest mir 122.485 Dollar und 83 Cents. Ich will mal nicht so sein, sagen wir, 120.000. Den Rest schenke ich dir, wenn du die Kohle sofort herausrückst. Wenn nicht …«
»Die Familie de Cahusac steht dafür gerade.«
»Die Familie de Cahusac macht einen Scheißdreck. Deine Brüder haben mich wissen lassen, dass sie keinen Cent mehr für dich herausrücken – weder jetzt noch in Zukunft. Wie gedenkst du, mich zu bezahlen?«
Den Schlag musste Jean erst einmal verdauen. Damit hatte er nicht gerechnet. Das hätte er nie für möglich gehalten.
»Ja … nun … ich weiß nicht. Mr. Mulroy, geben Sie mir einen Aufschub. Ich werde mit meinen Brüdern sprechen, besonders dem Ältesten, Raoul. Das können sie mir nicht antun.«
»Sie tun’s aber. Sie wollen von dir nichts mehr wissen. Also, wie kriege ich mein Geld? Und Aufschub – du spinnst wohl! Nichts gibt es. Geld oder Leben. Und glaub bloß nicht, dass du ein leichtes Ende nimmst. Einem, der mich so hereinlegt, schneide ich nach und nach alles ab. Jacko, damit er merkt, dass ich es ernst meine, zerschlag ihm die Knie.«
»Halt! Einen Moment noch. Tun Sie nichts Voreiliges, Mr. Mulroy. Davon bekommen Sie Ihr Geld nicht. Ich werde von meinen Brüdern die Auszahlung meines Erbteils verlangen. Das müssen sie mir geben. Davon bezahle ich ihre Forderungen, Mr. Mulroy.«
»Negativ. Die ehrenwerten Gentlemen Raoul, Antoine und Jaques-Etienne de Cahusac teilen dir mit, dass du dein Erbe schon längst verplempert und durchgebracht hast. Sie schulden dir gar nichts, und ich soll dir sagen, sie hätten keinen Bruder mehr. Von ihnen bekomme ich also nichts. Sie bedrohe ich nicht. Sie waschen ihre Hände in Unschuld, wenn dir etwas zustößt. Das hast du dir selbst zuzuschreiben.«
»Diese Schufte! Das wollen Brüder sein?«
»Eben nicht. Oder nicht mehr. Blut ist dicker als Wasser, sagt man. Aber je höher die Summe, um so dickflüssiger wird das Wasser bei den de Cahusacs. Nein, mit ihnen verderbe ich es mir nicht. Diese Bastarde haben viele Verbindungen, legale und illegale. Sie wissen, wie sie ihre Schäfchen ins Trockene bringen, und wie sie ihnen die Wolle scheren, das wissen sie auch. Hahaha. Dich haben sie ausgestoßen. Du passt nicht in diese noble Familie. Und jetzt zahle oder stirb.«
Jean rückte bis zum Kopfteil des zerwühlten Prunkbetts zurück.
»Bitte nicht! Es gibt Zeugen.«
»Wenn du die beiden Schlampen meinst, die werden schweigen wie das Grab, in dem sie sonst landen. Sonst hat uns im Hotel keiner gesehen. Wir sind gewissermaßen unsichtbar. Es hört dich auch niemand, wenn du schreist. Jacko wird jetzt mit dir abrechnen, und ich unterstütze ihn dabei. Jacko, gib’s ihm. Dann wird er geknebelt, und dann nehmen wir ihn uns richtig vor. Das wird ein kurzes Vergnügen, jedoch ein sehr heftiges.«
»Mr. Mulroy, bitte … Tun Sie das nicht!«
Scarbull Honk grinste nur, was ihn nicht sympathischer machte. Als Jacko das Bleirohr hob, griff Jean blitzschnell in die Matratzenfuge am Kopfende des Betts. Er brachte einen Heirloom Derringer hervor, einschüssig, doch Kaliber 50. Jacko stutzte nur kurz – dann krachte der Schuss.
Jean war kein Mörder. Er hatte den Derringer mit Pfeffer geladen. Der schwarze Pfeffer traf den schwarzen Hafenbanditen ins Gesicht und die Augen. Er war auf der Stelle geblendet und außer Gefecht gesetzt. Er schrie auf, ließ das Bleirohr fallen und schlug die Hände vor die entsetzlich brennenden Augen.
Zudem reizte der Pfeffer die Atemwege. Jacko taumelte an die Wand. Ehe Scarbull Honk schießen konnte, warf ihm Jean den Derringer ins Gesicht. Die kleine, mit Metallbeschlägen versehene Waffe wog immerhin fast ein Pfund.
Scarbull Honk war einen Moment irritiert. Das genügte Jean, um aus dem Bett zu springen. Er entriss dem ungeschlachten Mann den Revolver. Doch Scarbull Honk hatte sich schon erholt; mit seiner Pranke schlug er dem nackten Jean den Dragoon aus der Hand.
Die andere raste als Faust auf Jeans Gesicht zu und hätte dort einiges zertrümmert. Doch Jean duckte sich weg und entging dem Schlag. Der Revolver landete am Boden. Scarbull Honk hatte den Hahn schon gespannt. Donnernd löste sich der Schuss und schlug in die Wand. Der oberste Hound stieß Jean gegen die Brust.
Es war, als hätte eine Dampframme den jungen Mann getroffen. Er taumelte zurück, prallte an die Wand. Sein Blick flackerte.
Der narbengesichtige Angreifer zog ein Bowiemesser unter der Jacke hervor. Mit diesem riesigen Messer tappte er vor. Jeans Kleider hingen ordentlich über dem Stuhl. Dort lehnte auch sein Spazierstöckchen mit dem silbernen Knauf.
Mit einem Sprung war Jean dort und packte den Stock.
Scarbull Honk lachte ihn aus.
»Mit dem Stöckchen kommst du gegen mich nicht an. Damit kannst du einen Spitz verscheuchen.«
Er fuchtelte mit dem Bowiemesser.
»Ich schneide dich in Stücke, du Hund!«
Das Lachen verging ihm, als Jean den Stockdegen aus der Scheide zog und ihn an die Wand nagelte. Jean rannte den Verbrecherboss durch und durch. Scarbull Honk stand aufrecht, wie angenagelt, buchstäblich. Jean hatte ihm die Leber durchstoßen.
Die Schmerzen waren entsetzlich, Scarbull Honks Tod war nur eine Frage der Zeit. Schwärzliches verfärbtes Blut rann ihm aus dem Mund. Vor lauter Schmerz und fest an die Wand genagelt, stand er wie gelähmt. Das Bowiemesser entfiel ihm.
Jacko, sein Begleiter, taumelte blind durch den Raum, fiel über das Bett und verhedderte sich in dem Bettzeug. Jean schnappte sich Scarbull Honks schweren Revolver und donnerte Jacko den Griff auf den Hinterkopf. Damit betäubte er ihn.
Scarbull Honk röchelte.
»Du … hast mich umgebracht, Junge. Teufel, das hätte ich dir nicht zugetraut. Es …«
Er hustete. Der Husten schüttelte ihn und verstärkte die Schmerzen bis ins Unendliche. Er würde bald sterben.
Jean riss die Badezimmertür auf.
»Abmarsch, die Damen! Raus hier, verschwindet. Es ist besser, wenn man euch hier nicht findet.«
In fliegender Eile zog er sich an. Scarbull Honks Revolver und seinen Derringer nahm er mit. Das Bowieknife, das er für eine barbarische Waffe hielt, ließ er liegen. Jean huschte auf den Balkon hinaus. Ein schmaler Sims zog sich am Haus entlang. Auf diesem Weg wollte er an die Mauer gelangen und von da auf die schmale Seitenstraße.
Die Girls schauten ihn an. Entsetzt hatten sie den an die Wand genagelten, aus dem Mund blutenden Scarbull Honk gesehen. Und den leblos daliegenden Jacko. Den obersten Hound kannten sie; den kannte jeder in New Orleans.
Seine Augen waren glasig vor Schmerz. In seinen Mundwinkeln blubberten Blutblasen. Vom Hotelpersonal zeigte sich niemand. Wenn der oberste Hound irgendwo war und dort geschossen wurde, blieb man besser fern.
»Wohin gehst du?«, fragte Honey Liz. »In welchem Loch willst du dich verstecken, Jean? Die Hounds werden dich wegen des Todes ihres Bosses bis ans Ende der Welt jagen. Dir droht ein schrecklicher Tod.«
»Du kannst dich im gesamten Süden nirgends vor ihnen verstecken«, fiel die Mulattin ein. »Deine Familie schützt dich nicht mehr. Wir haben im Bad alles gehört.«
»Dann muss ich wohl weiter fort.«
»Wohin?«
»Es ist besser, wenn ihr das nicht wisst. Ehrlich gesagt weiß ich es selbst noch nicht genau.«
Jean warf den beiden Girls eine Kusshand zu. So viel Nerven und Kaltblütigkeit hatte er.
»Bye bye. Es war schön mit euch. Und jetzt entschuldigt mich.«
»Was ist mit unserem Liebeslohn? Du bist immer sehr großzügig gewesen, schöner Jean. Ein Diamantring oder etwas in der Art sollte schon drin sein.«
»Diesmal nicht. Ich habe es nämlich eilig.«
Die beiden Schönen schauten enttäuscht. Jean verschwand auf dem Sims an der Hauswand entlang. Er wusste, wo er hinwollte. Die Fettlebe war vorbei. Er musste schleunigst fort aus New Orleans. Die Hounds würden ihm überall auflauern. Bei seiner Familie konnte er keine Zuflucht suchen; sie würde ihm auch nicht helfen.
Abgesehen davon würden die Hounds seine Brüder im Auge behalten, denn sie würden zunächst vermuten, dass er sich bei diesen Reisekapital beschaffte. Das war nicht möglich, denn es wäre sein Tod gewesen. Und sterben wollte Jean noch lange nicht.
Er musste mit dem aus der Stadt verschwinden, was er am Leib trug. Die Hounds würden das Unterste zuoberst kehren, um ihn zu finden.
Jean Maturin Honoré de Cahusac war jung, leichtsinnig und ein Abenteurer. Ein Vabanquespieler. Er wollte dahin, wohin es noch andere Glücksritter aus aller Welt zog.
In die kalifornischen Goldfelder. Im Januar 1848 war bei Sutters Mill in Kalifornien Gold gefunden worden. Ziemlich genau mit dem Ende des mexikanisch-amerikanischen Kriegs, der siegreich für die USA endete und ihr riesige Gebietsgewinne einbrachte. Alta California, vor der Übernahme durch die USA, gehörte dazu. Die Goldfunde lösten einen Run und ein Fieber aus.
Goldsucher aus allen Teilen der USA, von jenseits der Grenzen und aus Übersee machten sich auf den Weg und fielen wie Heuschreckenschwärme ein. Jetzt, Mitte 1849, hatte der Goldrausch und Boom seinen Höhepunkt. Die Fortyniner fielen in Kalifornien ein, wuschen in den Bächen und Flüssen und schürften im Boden nach Gold.