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Als die Bahnlinie Laramie erreicht, geht der Terror los. Revolverhelden und Kriminelle überschwemmen die Stadt regelrecht und bringen die Schlüsselpositionen an sich. Nur Morgan Chesnut, der Schmied, wäre Manns genug, sich gegen sie zu stellen. Doch er hält sich heraus. Das ändert sich erst, als die Saloonqueen Glorya Dayton in Gefahr gerät. Jetzt kämpft Morgan - um die Frau und um die Zukunft von Laramie ...
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Das Gesetz des Gnaden- losen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Boada/Norma
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9638-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Das Gesetz des Gnaden-losen
Als die Bahnlinie Laramie erreicht, geht der Terror los. Revolverhelden und Kriminelle überschwemmen die Stadt regelrecht und bringen sämtliche Schlüsselpositionen an sich. Nur Morgan Chesnut, der Schmied, wäre Manns genug, sich gegen das Gesindel zu stellen. Doch er hält sich heraus. Das ändert sich erst, als die Saloonqueen Glorya Dayton in Gefahr gerät. Jetzt kämpft Morgan – um die Frau und um die Zukunft von Laramie …
Eiskalt pfiff der Wind über die Prärie. Schnee lag. Die Zelt- und Bretterbudensiedlung Laramie duckte sich am Overland Trail unter dem bewölkten Himmel. Der Hammer des Schmieds tanzte lustig, jedoch mit Wucht geführt, auf dem Werkstück, das er bearbeitete.
Morgan Chesnut, der Schmied, pfiff frohgelaunt vor sich hin.
Das verging ihm, denn Gewehrhähne knackten, und er sah mehrere Rifles und zwei Revolver auf sich gerichtet, als er aufblickte. Er hielt das fast fertige Hufeisen mit der Zange in der einen Hand und den Hammer in der anderen. Und sah die acht Männer an, die ihn beim Vordach seiner Schmiede umringten.
»Was soll denn das werden, Mormonen?«, fragte Chesnut. »Wollt ihr mich mit Gewalt zu eurem Glauben bekehren? Ich will mich der Kirche der Heiligen der Letzten Tage nicht anschließen und auch nicht mit euch nach Salt Lake City ziehen.«
»Es sei uns fern, dich zu bekehren, Schmied«, sagte der Wortführer der Mormonen. »Es dreht sich hier vielmehr um einen Ehrenhandel. Du hast die Ehefrau eines unserer Brüder, des hier stehenden Brandon Matthews, geschändet. Dafür fordern ihr Ehemann und auch wir Genugtuung.«
Morgan runzelte die Brauen. Er war hochgewachsen, keineswegs bullig, doch ungeheuer stark. Mit dunkelbrauen Locken und langen buschigen Koteletten. Er trug eine Lederschütze. Seine sehnigen Unterarme waren rußig und nackt.
Er war Mitte Zwanzig, hatte sein eigenes Geschäft, war kerngesund und fühlte sich im Allgemeinen prächtig. Frauen waren seine große Leidenschaft, ihnen konnte er nicht widerstehen. Über den Overland Trail zogen zahlreiche Trecks, deren Frauen und Töchter mit hungrigen Augen und hochinteressiert auf den stattlichen jungen Schmied schauten. Auch die Postkutschen der Butterfield Overland kamen hier vorbei.
Eine Station war eingerichtet. Öfter legten dort Reisende eine Ruhepause von ein oder zwei Tagen ein. Auch Frauen, und die wiederum waren oft einem Abenteuer nicht abgeneigt. Morgan kam kaum damit nach, die weibliche Nachfrage zu befriedigen.
Schließlich musste er auch noch arbeiten und an Esse und Amboss stehen. Das Schmiedehandwerk war eine körperlich schwere und handwerklich schwierige Arbeit. Ein Schmied durfte kein stumpfsinniger Kraftprotz sein.
»Wer von euch ist Brandon Matthews?«
Ein stiernackiger, untersetzter Mann trat vor, eine Henry Rifle in den Händen. Mitte Dreißig schätzte ihn Morgan. Doch er wirkte altväterlich, wie die anderen bärtig, mit Schläfenlocken und in robuster Kleidung aus derbem und schwerem Stoff. Mit Stiefeln und einem Messer am Gürtel.
»Ich bin das. Und Joanna ist meine Frau. Bestreitest du, mit ihr verkehrt zu haben?«
»Ich weiß nicht, wer das sein soll. Kann ich jetzt das Hufeisen fertig schmieden? Wenn es erkaltet, kann ich es wegwerfen. So ein handgeschmiedetes Hufeisen ist zwei Dollar wert. Ihr wollt doch nicht einen redlichen hart arbeitenden Schmied um seinen Lohn bringen, ihr frommen Männer?«
»Arbeit adelt«, sprach der Wortführer des Mormonentrupps.
Er war auch der Treckführer der 18 Wagen, die in Laramie lagerten. Morgan Chesnut hatte bei diesem Treck einige Arbeit gehabt. Dabei war er drei Mormonenfrauen nähergekommen. Intim und sehr nahe sogar. Unter den Mormoninnen fand man scharfe Ladys.
»Doch alles hat seine Zeit. Jetzt dreht es sich darum, ob du mit Joanna Matthews zusammen warst oder nicht.«
»Ja, nun, hm … Ich glaube, eher nein.«
»Bruder Brandon, ruf deine Frau.«
Brandon Matthews stieß einen scharfen Pfiff aus. Durch die Zeltgasse kam eine junge Frau. Sie ging geduckt, niedergedrückt von dem schlechten Gewissen, die Augen niedergeschlagen. Das grüne Kleid betonte ihre gute Figur. Sie war sehr jung, gerade mal 18. Eine Haube bedeckte ihr Haar.
Die Hände hatte sie züchtig verschränkt. Sie trat in den Halbkreis. Morgan erschrak, was er sich nicht anmerken ließ. Mit diesem Girl hatte Sex gehabt, und das mehrmals und heftig. Sie hatte sich ihm sozusagen an den Hals geworfen. In einem Zelt und in seiner Schmiede hatte er sie genommen.
An ihre zuckende, enge Pussy und ihre Lustschreie konnte er sich gut erinnern.
»Joanna Matthews«, sagte der Wortführer. »Gestehst du, mit diesem Mann fleischlich verkehrt zu haben?«
Die blutjunge Mormonin nickte.
»So, es ist also erwiesen. Was bringst du zu deiner Verteidigung vor, Schmied? Oder willst du leugnen?«
Morgan schüttelte heftig den Kopf, dass seine schulterlangen braunen Locken flogen. Seine blauen Augen blitzten.
»Das tue ich nicht. Es geschah in beiderseitigem Einverständnis. Und nun?«
Gespannt wartete er, ob noch weitere von ihm gehörnte Mormonen sich melden würden. Trotzig schaute er Brandon Matthews an.
»Du solltest besser auf deine Frau aufpassen, Mann. Wie viele Frauen hast du denn?«
»Vier. Was tut das zur Sache?«
»Wenn du vier Frauen hast, solltest du zusehen, dass du sie ordentlich bedienst, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Was hast du nun vor? Willst du mich zu einem Kampf fordern oder auf der Stelle erschießen?«
Der Wortführer, Willard Hawkes hieß er, mischte sich ein.
»Darum geht es hier nicht, jedenfalls nicht nur. Vorrangig handelt es sich um eine Glaubensfrage, neben dem, was unser Bruder Brandon dir vorwirft. Der Schoß einer Mormonin ist heilig. Du hast ihn mit deinem Samen beschmutzt.«
Morgan klappte der Mund auf. Als einen Glaubensakt hatte er den Sex nicht betrachtet.
»Du meinst, das war eine Lästerung? Ein Vergehen gegen euren Glauben? Ein schwerer Verstoß gegen eure heiligen Gebote? Das kann nicht dein Ernst sein, Willard Hawkes. Ihr Mormonen habt mehrere Frauen, das ist euch gestattet. Die Frauen dürfen nur einen Mann haben. Und wenn eine Mormonin mit einem Andersgläubigen Sex hat, soll das eine Lästerung und ein Verstoß gegen die Regeln eures Buchs Mormon sein? Was ich mit Joanna hielt, war keine Andacht, und es geschah nicht aus Glaubensgründen.«
»Es gibt hier allerdings verschiedene Auffassungen unter uns Mormonen«, gestand Willard Hawkes dem Schmied zu. »Weil du ein Andersgläubiger bist, will ich dir keine Blasphemie unterstellen. Es ist an sich so, dass eine Frau unseres Glaubens nicht mit einem Ungläubigen fleischlich verkehren soll. Wenn sie verheiratet ist, soll sie sich an ihren Mann halten. Das ist bei uns Gebot und Gesetz.«
»Ich habe Joanna nicht gefragt, ob sie verheiratet ist.«
»Sie trägt die Haube einer verheirateten Frau und hat den Ring am Finger.«
»Darauf habe ich nicht geachtet. Ich achte jeden Glauben und jede Religion. Gegen eure Glaubensgrundsätze verstoßen wollte ich nicht. Was habt ihr nun vor, ihr heiligen Männer?«
»Wir sind keineswegs heilig!«, stieß Willard Hawkes heftig vor. »Sondern Gläubige und erlösungsbedürftig wie alle Menschen, gleich welcher Hautfarbe und Nation. Die einen mehr, die anderen weniger.«
»Das sehe ich auch so.«
Morgan atmete auf. Dass er es noch mit anderen Mormoninnen getrieben hatte, war anscheinend nicht herausgekommen.
»Das mit der Blasphemie haben wir nun geklärt. Das mit der Schändung auch. Was bleibt nun übrig?«
Morgan wollte weder erschossen noch an einer aufgestellten Wagendeichsel aufgehängt noch ausgepeitscht werden. Die Mormonen berieten.
Schließlich verkündete ihr Sprecher: »Unsere Gemeinschaft hat keine Anklagepunkte mehr gegen dich. Joanna Matthews soll sich mit Beten und Fasten reinigen. Wie ihr Mann darüber hinaus mit ihr verfährt, müssen die fünf Eheleute unter sich ausmachen. Das sind häusliche und eheliche Angelegenheiten, in die sich die Gemeinschaft nicht einmischt.«
»Das finde ich äußerst löblich«, erklärte Morgan. »Was willst du noch von mir, Matthews?«
Der Mormone schaute ihn mit zornfunkelnden Augen an.
»Du Hund!«, rief er und riss die Henry an die Wange. »Du hast meine Frau gevögelt, eine von meinen Frauen! Dafür erschieße ich dich!«
Die Situation eskalierte. Morgan hatte weder Schusswaffe noch Messer. Und es blieb auch keine Zeit, um den vor Zorn und Eifersucht Durchgedrehten zu ermahnen, es könne ihn den Kopf kosten, wenn er einen unbewaffneten Mann erschoss.
Morgan schaute in die Gewehrmündung wie in das Auge des Todes. Ihm blieb keine Wahl. Als einzige Möglichkeit hatte er den Schmiedehammer.
Mit Wucht und von unten herauf warf er ihn auf den Wütenden. Er traf Brandons Schulter, im letzten Moment hatte Morgan den Wurf abgeändert. Statt Brandons Kopf oder Brustbein zu treffen und ihn zu zerschmettern, erwischte er ihn an der Schulter.
Der Schuss krachte, doch der Wurf brachte das Gewehr aus der Richtung. Der Mormone schrie auf. Er schoss in die Luft. Im nächsten Moment war Morgan bei ihm und schlug ihn mit seiner harten und starken Schmiedefaust zu Boden.
Der Schmied riss sich das Hemd auf, entblößte die behaarte Brust und rief: »Wollt ihr mich nun erschießen? Ich bin waffenlos, ich biete euch meine Brust. Schießt, wenn ihr wollt!«
Sieben Mann zielten auf ihn. Doch keiner drückte auf. Willard Hawkes senkte zuerst das Gewehr. Joanna hatte aufgeschrien und war ein paar Schritte zurückgewichen. Ein paar Zuschauer waren Zeuge. Einen Sheriff oder Marshal gab es in Laramie nicht. Doch eine Bürgerwehr konnte sich rasch formieren, und die fackelte nicht.
»Es ist genug«, sagte Willard Hawkes. »Wir sind keine Mörder. Bruder Brandon ging eindeutig zu weit. Helft ihm hoch, wir gehen. Morgen früh bricht der Treck auf. Schmied, was dich angeht, ist die Sache erledigt. Aber bleib unseren Frauen fern. Es ziemt sich nicht …«
»Ja, ja, ja. Das habe ich nun kapiert. Ich werde die heiligen Schöße in Ruhe lassen. Wie konnte ich das denn wissen?«
Die Postkutsche fuhr vorbei, das ockerfarbene Gefährt der Butterfield Line. Sechs Pferde zogen es. Der Kutscher und der Shotgun-Schütze hockten auf dem Bock. Ein Mann und eine Frau schauten zum Fenster der Kutsche heraus.
Der Kutscher Old Smoky zügelte das Gespann.
Vom Bock herab fragte er: »Hast du Ärger, Morgan? Wieder mal hinter dem falschen Weiberrock her gewesen?«
Der Shotgun legte die Schrotflinte an. Er war ein wortkarger Mann. Mit Schüssen geizte er weniger als mit Worten.
Der Schmied winkte ab.
»Nein. Das ist schon in Ordnung, Old Smoky. Die Gentlemen wollten gerade gehen. Alles gut.«
Old Smoky spie Tabaksaft auf die Erde. Er hatte seinen langläufigen Remington in der Hand, allerdings nicht angelegt.
Als sich die Mormonen trollen wollten, zu ihren Planwagen am Fluss, rief Morgan ihnen noch etwas hinterher. Der Schmied hatte seinen schweren Schmiedehammer aufgehoben. Die Glaubensgenossen führten Brandon Matthews fort. Er hielt sich stöhnend die Schulter.
Es konnte sein, dass sie zerschmettert war. In dem Fall hatten der Seitensprung seiner vierten Frau und sein Zorn darüber den Mann zum Krüppel gemacht. Joanna trottete hinter den Männern drein. Sie würde sich einiges anhören müssen wegen Untreue und des Verstoßes gegen Glaubensgrundsätze.
Brandon Matthews Henry Rifle nahmen die Mormonen mit. Morgan wusste, er hatte viel Glück gehabt. Das und sein rasches entschlossenes Handeln hatten ihn vor dem Tod bewahrt.
Wieder einmal hatten sein Schwanz und seine Sexsucht ihn in die Bredouille gebracht. Er mochte jedoch beide nicht missen.
»He!«, rief er. »Ihr müsst mir das Hufeisen bezahlen! Euretwegen ist es verdorben. Das Eisen ist kalt geworden. Ich kann es nicht mehr schmieden. Noch einmal erhitzen und in Form bringen geht nicht.«
Willard Hawkes gab einem der anderen Anweisungen. Der kehrte zurück, nahm zwei Dollar aus dem Beutel am Gürtel und drückte sie Morgan in die Hand.
»Da. Gib mir das Hufeisen.«
»Was willst du damit? Es ist zu nichts mehr zu gebrauchen?«
»Es muss alles seine Ordnung haben. Wir Mormonen sind ordentliche, gerechte Leute.«
Morgan verkniff sich die Frage, ob derlei im Buch Mormon stand. In Glaubensdingen sollte man Menschen nicht reizen. Er legte das Hufeisen zurecht.
»Da, nimm. Und Gottes Segen für euren Weg in die Mormonenstadt am Großen Salzsee in Utah. Und passt auf eure Frauen auf.«
Der Mormone bedachte den Schmied mit einem schrägen Blick. Dann nahm er mit einem Stock das heiße Hufeisen am Sockel neben dem Amboss auf und zog damit los. Die Kutsche fuhr weiter. Morgan atmete auf.
»Das war knapp, Boss«, sagte sein Gehilfe. »Die Weiber werden dich noch mal zugrunde richten. Denke an meine Worte.«
Morgan klopfte ihm auf die Schulter.
»Ist schon recht, Hiram. Für heute ist genug geschafft. Die Sonne steht tief am Horizont. Ich werde mich waschen. Dann habe ich noch etwas vor.«
»Doch nicht mit den Mormoninnen, Boss?«
»Nein, Hiram, man soll sein Glück nicht zu sehr auf die Probe stellen. Du bleibst hier. Kann sein, dass ich die Nacht auswärts verbringe.«
Die Blondine, die aus dem Fenster der Kutsche schaute, hatte dem Schmied gefallen. Die Art, wie sie ihn anschaute, und ihre ganze Miene sagten ihm, dass sie reif für ihn war. Zumindest glaubte er das. Dafür hatte Morgan Chesnut einen Blick. Er täuschte sich so gut wie nie.
Hemmungen, was Frauen betraf, kannte er nicht. Allerdings zwang er niemals eine und würde das niemals tun.
☆
Helen McCann hieß jene Blondine. Sie war auf dem Weg nach Green River und wollte von dort weiter, über die Rockies nach Oregon. Morgan betrat den Gastraum der Overland Station. Er war gut besetzt. Die Kutsche war schon weitergefahren. Morgan hatte die Abfahrt beobachtet und gesehen, dass die Blonde nicht wieder eingestiegen war.
Sie wollte eine Ruhepause einlegen, was nach einer langen Fahrt in einer rüttelnden engen Kutsche durchaus verständlich war. Im »Overland Saloon« herrschte Stimmengewirr. Der Geräuschpegel war hoch. Es gab in Laramie wenig Abwechslungsmöglichkeiten, wenn man nicht grade rumvögelte wie der Schmied.
Das konnte nicht jeder. Das einzige Saloongirl – eine verblühte Schönheit mit Gram- und anderen Falten, die man sich schöntrinken musste und deren Reize nur bei schlechtem Licht erkennbar waren – saß bei drei Reisenden am Tisch. Sie gehörten nicht zum Mormonentreck und waren zu Pferd unterwegs, in die kalifornischen Goldfelder, wie Morgan annahm.
Der Schmied hatte seinen LeMat-Revolver im Hosenbund, ein 35 Zentimeter langes und anderthalb Kilo schweres Schießeisen mit neun Kugeln Kaliber 40 in der Trommel. Als Mittelachse war ein Schrotlauf vorhanden, Kaliber 16 Gauge, mit 16 Schrotkugeln, die eine breite Streuung erzielten. Mit dem schweren Eisen konnte man einen Saloon leerfegen oder eine Horde Indianer stoppen.
Wegen seiner ungefügen Machart, es glich mehr einer schweren Reiterpistole als einem Perkussionsrevolver, war der LeMat nicht in großen Stückzahlen gefertigt worden und hatte sich im allgemeinen Gebrauch nicht durchgesetzt. Morgan Chesnut hatte seinen Revolver von einem Südstaatenoffizier ergattert, der auf der Durchreise nach Montana war und mit dem schweren Eisen nicht zurechtkam.
Sie waren ins Fachsimpeln über Waffen gekommen, als der Schmied das Pferd des Südstaatlers beschlug, der bitter den verlorenen Krieg beklagte und sich über die Zeitläufte beschwerte. Der ausgemusterte Offizier hatte den LeMat erwähnt, der in der Sezessions-Armee von Offizieren getragen wurde.
»Damit haben wir den Krieg auch nicht gewonnen«, hatte er bitter gesagt. »Die Waffe zu halten, erfordert eine sehr starke Hand. Und bis du sie gezogen und angelegt hast, bist du im Ernstfall meist tot.«
Er hatte erwähnt, einen LeMat zu besitzen und in seinem Gepäck zu haben. Am Gürtel tragen wollte er ihn nicht.
»Wo werde ich denn? Was soll ich mich mit drei Pfund Eisen abschleppen? Ein Colt ist mir lieber.«
Morgan hatte gebeten, den LeMat sehen zu dürfen, und sich gleich dafür begeistert. Das schnelle Ziehen und Schießen war nicht seine Stärke. Dafür waren seine Hände zu grob und vom Gebrauch des Schmiedehammers nicht geschmeidig und nervig genug. Doch er besaß stählerne Nerven und konnte sich in einem Gunfight behaupten.
Auch war er stark genug, um mit dem LeMat schneller zu sein als sein derzeitiger Besitzer.
Das Ende vom Lied war, dass er dem Südstaatler den LeMat zu einem für ihn günstigen Preis abkaufte.
Der Stationshalter, der zugleich auch der Saloonkeeper war, begrüßte Morgan freundlich. Das verblühte Saloongirl lächelte ihn an. Verlockend präsentierte es ihm seinen tiefen Ausschnitt und zog den spitzenbesetzten Rock noch ein Stück höher.
»Kommst du meinetwegen, Morgan?«, fragte die verblühte Rose hoffnungsvoll. »Willst du mir deinen Hammer vorführen?«
Zwei Zuhörer lachten meckernd.
»Heute nicht, Liz«, antwortete Morgan.
Zu Frauen war er immer charmant, ob er nun mit ihnen schlafen wollte oder nicht. Das Saloongirl Liz gehörte nicht in sein Beuteschema. Die Blonde, deretwegen er hier war, saß in dem verräucherten Saloon allein am Ecktisch. Sie trug elegante Reisekleidung und war wohlfrisiert.
Hochmütig wirkte sie. Sie hatte gerade ihre Mahlzeit beendet. Die Bedienung räumte das Geschirr ab. Morgan bestellte ein Bier. Er stützte sich mit dem Ellbogen auf den Tresen. Er hatte sich gewaschen und rasiert und trug Jeans und Hemd. Seine Jacke hatte er an den Garderobehaken gehängt.
Während er dem Gespräch neben sich zuhörte, blickte er zu der Blonden hinüber. Sie erwiderte seinen Blick intensiv mit ihren blauen Augen. Traue dich, sprich mich an, wenn du Manns genug bist, sagte ihr Blick. Ihre Schönheit und ihre Arroganz schreckten viele ab.
Morgan sah keinen Grund, gleich zu ihr hinzurennen. Er trank ruhig von seinem Bier. Während er noch dastand, erhoben sich zwei Männer von ihrem Tisch. Sattelwölfe waren es, Abenteurer, kühne und wilde Burschen, unrasiert und mit abgerissener Kleidung, aber die Waffen gepflegt.
Kerle, die gern dem Teufel aufs Auge spuckten und alles auf eine Karte setzten. Sie nahmen bei der Blondine Platz.
Sie wollte sie wegschicken. Von ihren Lippen las Morgan ungefähr ab: »Ich habe euch nicht eingeladen. Geht. Lasst mich allein.«
Der eine Raureiter fasste sie am Arm. Der andere griff unter den Tisch. Genau sah Morgan es nicht, doch nach dem empörten Gesichtsausdruck der Blonden zu urteilen, tatschte der Revolverheld ihren Oberschenkel an.
»Hände weg! Lasst mich!«, fauchte die Blonde.
Der Stationshalter und Saloonwirt und weitere Männer wollten eingreifen. Doch die drei Männer bei Liz am Tisch erhoben sich. Sie gehörten zu den beiden anderen.
»Haltet euch raus, Leute. Unsere Freunde wollen sich nur ein wenig mit der Lady unterhalten. Mischt euch nicht ein. Oder wollt ihr wegen des hochnäsigen Luders Probleme bekommen?«
Auch die drei waren harte Nummern. Fünf Raureiter, damit legte sich keiner gern an. Der spatenbärtige Stationshalter zog sich zurück. Er blickte zwar böse drein, doch er griff nicht mehr ein. Noch war schließlich nichts Schlimmes passiert.
Morgan schlenderte mit dem halb geleerten Bierglas in der Hand an den Tisch der Blonden und ihrer zwei Bedränger. Das Stimmengewirr im Saloon verebbte. Der Pianist – den sie Cheats, Falschspieler, nannten – hörte auf zu klimpern.