Jack Slade 910 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 910 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Ein Schuss zerreißt die schläfrige Stille in den Big Belt Mountains, die bis jetzt nur von Hufgeklapper unterbrochen worden war. Jason Kirby zügelt seinen Grauen und lauscht aufmerksam.
Erneut kracht ein Schuss und dann noch einer. Jetzt weiß Kirby, dass es nicht mehr weit sein kann bis zu jener gesetzlosen, inmitten der Bergwildnis liegenden Stadt, die sich Diggertown nennt ...

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Mit Blut gezeichnet

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Maroto / Bassols

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9949-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mit Blutgezeichnet

Ein Schuss zerreißt die schläfrige Stille in den Big Belt Mountains, die bis jetzt nur von Hufgeklapper unterbrochen worden war. Jason Kirby zügelt seinen Grauen und lauscht aufmerksam.

Erneut kracht ein Schuss und dann noch einer. Jetzt weiß Kirby, dass es nicht mehr weit sein kann bis zu jener gesetzlosen, inmitten der Bergwildnis liegenden Stadt, die sich Diggertown nennt …

Ein Schuss zerriss wie ein Peitschenknall die schläfrige Stille des Nachmittags, die bis jetzt nur von Hufgeklapper unterbrochen worden war. Jason Kirby zügelte sofort seinen Grauen und lauschte aufmerksam.

Erneut krachte ein Schuss und dann noch einer. Irgendwo vor ihm wurden Gewehre abgefeuert. Kirby zählte die Detonationen.

Nach einem weiteren Schuss trat wieder Stille ein. In schwächer werdenden Echos verhallten die Detonationen in der unwirtlichen Felslandschaft der Big Belt Mountains.

Ein Hauch von Gewalt lag plötzlich in der Luft. Kirby begriff, dass etwas Schreckliches geschehen war; anders konnte er sich die Sache nicht erklären.

Als kein weiterer Schuss mehr fiel, trieb er seinen grauen Wallach wieder an und lenkte ihn in die Richtung, wo geschossen worden war. Er wollte ohnehin genau diese Richtung einschlagen. Er war ein sehniger, falkenäugiger Mann mit blonden Bartstoppeln im sonnengebräunten Gesicht und einer kräftigen Nase. Ein breitrandiger Hut beschattete die grauen Augen, die er vor der Sonne zusammenkniff.

Locker im Sattel sitzend, folgte er dem stark genutzten, von Felsen und Buschwerk gesäumten Pfad und gelangte nach einer halben Meile zu einer Stelle, wo der Weg völlig offen durch das Gelände führte. Hier fand er zwei Männer, die man offenbar aus dem Hinterhalt niedergeschossen hatte.

Einer war bereits tot. In grotesker Haltung lag er in einer Blutlache und starrte mit leblosen Augen zum Himmel. Der andere lebte noch. Stöhnend lag er neben seinem erschossenen Maultier und presste beide Hände auf das Kugelloch in seiner Brust. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor.

Das zweite Maultier stand mit zitternden Flanken da und gab schrille Laute von sich.

Von den Mordschützen – Kirby schätzte, dass es mindestens zwei gewesen sein mussten – war nichts mehr zu sehen. Sie waren mittlerweile im unübersichtlichen Gelände untergetaucht. Nur noch der in der Luft hängende Staub verriet, in welche Richtung sie verschwunden waren.

Jason Kirby schwang sich aus dem Sattel und trat an den noch lebenden Mann heran. Er konnte sich denken, was passiert war. Bei den Überfallenen handelte es sich um Goldgräber, die mit ihrer Ausbeute die Gegend verlassen wollten. Doch jemand hatte ihnen das Gold nicht gegönnt. Mit der Absicht, es ihnen abzunehmen, hatte man ihnen hier aufgelauert und sie kaltblütig niedergeschossen. Ihr durchwühltes Gepäck verriet Kirby, dass er mit seiner Vermutung richtig lag.

Er berührte den noch Lebenden an der Schulter und schüttelte ihn leicht.

»He, Mister!«, rief er ihn an. »Kannst du mich verstehen? Sag nur, wer euch überfallen hat! Wer war das?«

Der Sterbende schien ihn zu verstehen, denn er richtete die Augen auf ihn. Mühsam atmend blickte er zu ihm auf und bewegte die Lippen, wollte etwas sagen. Aber er brachte zunächst nur ein Ächzen zustande.

»Bemühe dich!«, forderte Kirby eindringlich. »Du musst mir sagen, wer euch überfallen hat! Oder willst du, dass die Schufte ungestraft davonkommen?«

Erneut versuchte der tödlich Verwundete, sich verständlich zu machen.

»Maskierte«, flüsterte er mit schwacher Stimme, »haben unser Gold ge …«

Mehr brachte er nicht mehr hervor. Ein Zucken ging durch seinen Körper, dann fiel sein Kopf zur Seite, und sein Blick wurde glasig. Er war tot.

Kirby richtete sich seufzend auf. Mit ernster Miene blickte er zu der vielleicht fünfzig Yards entfernten Felsengruppe hinüber, wo die Mörder gelauert haben mussten, und dann in die Richtung, in der die Verbrecher verschwunden waren. Dort zweigten im Hintergrund etliche Nebenarme des fast zwei Meilen breiten Hauptcanyons ab, und in einen solchen waren die Täter wohl geflüchtet.

Weil der Tag aber schon weit fortgeschritten war, hätte es keinen Sinn gehabt, die Verfolgung der Schufte aufzunehmen. Kirby fühlte sich auch gar nicht dazu verpflichtet, denn die Sache ging ihn ja nichts an. Außerdem war sein Pferd ziemlich müde, denn sie hatten an diesem Tag schon viele Meilen zurückgelegt.

Nach kurzem Überlegen lud er die beiden Toten auf das zurückgelassene Maultier, band sie mit seinem Lasso darauf fest und koppelte das Muli an seinen Grauen. Dann stieg er wieder in den Sattel.

Entschlossen, die Ermordeten in die nächste Goldgräbersiedlung zu bringen, aus der die unbekannten Toten gekommen sein mussten, setzte er seinen Weg fort. Es konnte nicht mehr weit sein bis zu jener gesetzlosen, inmitten der Bergwildnis liegenden Stadt, die sich Diggertown nannte.

Kirby erreichte die Goldgräbersiedlung, als sich die Sonne anschickte, hinter den zerklüfteten Bergkämmen im Westen des weiten Bergtals zu versinken.

Es war eine höchst turbulent wirkende Ansammlung unterschiedlicher Gebäude, die in einer steinigen Senke eine Siedlung bildeten, wie es im Umkreis von hundert Meilen keine zweite gab. Umgeben von bewaldeten Hängen und hoch in den Himmel ragenden bizarren Felsformationen, breitete sie sich am Ufer eines kleinen Gebirgsflusses aus.

Das Zentrum dieser ungewöhnlichen Ansiedlung bildete ein monströser Bau, der alle anderen Gebäude weit überragte. Er war zweistöckig, fast zur Gänze aus Holz gebaut und beherbergte die wichtigsten Geschäfte und Amüsierbetriebe der Stadt.

Er stach Kirby sofort ins Auge mit all seinen Vorbauten, Außentreppen und umlaufenden Balkonen, und er hätte all seinen bescheidenen Besitz darauf gewettet, dass in diesem Haus das Laster wohnte.

Sein Erscheinen wäre kaum aufgefallen, denn in Diggertown wimmelte es von abenteuerlichen, oft sehr verwegenen Gestalten. Kaum jemand achtete hier auf den anderen, denn es ging jeder seinen eigenen Interessen nach. Doch da Kirby zwei Tote mitbrachte, wurde er schnell zur Zielscheibe neugieriger Blicke.

Er spürte, dass man ihn im Auge behielt, während er der von unzähligen Hufen zerstampften und von Wagenrädern zerfurchten Piste folgte, die ihn ins Zentrum führte.

Wenig später zügelte er seinen Wallach vor dem riesigen Bau, den er schon von Weitem gesehen hatte, und glitt aus dem Sattel. Der lange Holm, an dem er das Pferd festband, gehörte zu einem Saloon.

Nachdem er die Zügelenden um den Balken geschlungen hatte, halfterte er auch das Maultier mit seiner traurigen Last an. Da hörte er jemanden in der Nähe sagen: »Das sind ja Neels und Patton!«

»Ja, bei Gott, sie sind es!«, rief ein zweiter Mann. »Also haben auch sie es nicht geschafft, von hier wegzukommen. Man hat sie ebenfalls überfallen.«

»Und umgebracht«, fügte der andere hinzu. »Ermordet und ausgeraubt, wie die anderen. O Hölle und Verdammnis!« Er trat näher, blickte abwechselnd auf die Toten und auf Kirby und musterte ihn misstrauisch.

Es waren Goldgräber, die von ihren Claims gekommen waren, um nach den Mühen des Tages etwas Abwechslung zu finden.

»Nicht ich habe die beiden erschossen«, sagte Kirby, als er begriff, welche Frage den Männern auf der Zunge lag. »Ich habe sie nur gefunden.«

»Wo?«, fragte der ältere Goldgräber. Er trug abgenütztes Leinenzeug und einen speckigen Schlapphut.

»Zwei Meilen von hier«, antwortete Kirby. »Wer ist hier für das Gesetz zuständig?«

»Marshal Murlock.«

»Und wo finde ich den?«

»Da kommt er gerade.« Der Mann mit dem Schlapphut zeigte auf einen wahren Hünen von Gestalt, der ohne Eile um die Ecke gestiefelt kam. Irgendwie musste er erfahren haben, wer da in die Stadt gekommen war.

Er wirkte ziemlich brutal. Er hatte ein derbes Kinn, tief liegende, schwarze Augen unter einer flachen Stirn und vorgewölbten Brauen, wulstige Lippen und einen buschigen dunklen Schnurrbart. Seine Fäuste waren so groß wie Vorschlaghämmer, und er trug ein grob kariertes Hemd unter einer ärmellosen Lederweste sowie derbe Stiefel.

Alles in allem war er ein Mann, der seinen Mitmenschen eine Menge Respekt einflößen konnte. Die Grobheit stand ihm ins Gesicht geschrieben, sein ganzes Äußeres verriet einen unduldsamen Charakter. Aber wer in einer Umgebung wie dieser für Ruhe und Ordnung sorgen wollte, musste wohl ziemlich rau sein, weil er sich sonst nicht hätte durchsetzen können.

Er blieb zwei Schritte vor Kirby stehen und musterte ihn scharf und durchdringend, ehe er an die bäuchlings auf dem Maultier liegenden Toten herantrat, sie nacheinander am Schopf packte, ihre Köpfe anhob und ihre erstarrten Gesichter betrachtete.

»Was haben Sie dazu zu sagen, Fremder?«, fragte er dann.

»Nicht viel«, antwortete Kirby. »Außer dass ich die Toten etwa zwei Meilen von hier gefunden habe. Zuvor habe ich mehrere Schüsse gehört. Als ich dann zum Ort des Überfalls kam, war der eine Mann schon tot, und der andere starb wenig später.«

»Konnte er noch irgendwelche Angaben machen?«, forschte der Marshal, wobei er Kirby wieder scharf musterte.

»Nein.« Kirby schüttelte den Kopf. Ihm fiel jetzt auf, dass das Abzeichen, das der hünenhafte Gesetzeshüter an seiner Weste trug, aus dem Blech einer Konservenbüchse gefertigt war. Demnach konnte Murlock kein richtiger Marshal sein, sondern war nur provisorisch eingesetzt.

»Die beiden sind in eine böse Falle geraten«, ergänzte Kirby seine Ausführungen. »Sie wurden aus dem Hinterhalt abgeknallt. Die Mörder waren zu zweit oder zu dritt, schätze ich.«

»Aber Sie haben keinen gesehen?«

»Leider nein. Als ich ihre Opfer gefunden habe, waren die Schufte schon weg, und mit ihnen wohl auch das Gold, das die Überfallenen bei sich hatten.«

»Das ist nun schon der dritte Raubüberfall in nur einer Woche«, rief der Digger mit dem Schlapphut empört. »Es wäre höchst an der Zeit, dass diese Verbrecher endlich geschnappt und aufgehängt werden.«

Der Marshal mit dem Blechstern beachtete den Mann gar nicht. Er machte nur eine wegwerfende Handbewegung und verlangte von Kirby:

»Lassen Sie mich am Lauf Ihres Gewehrs riechen.«

»Sie glauben doch nicht, dass ich …«

»Man kann nie wissen«, knurrte Murlock. »Also?«

»Bedienen Sie sich«, sagte Kirby und wies auf seine im Sattelschuh steckende Winchester.

Der Hüne nahm das Gewehr an sich und schnupperte an der Laufmündung. Nichts deutete darauf hin, dass aus dem Gewehr in letzter Zeit geschossen worden war, und wortlos schob er es in die Gewehrtasche zurück.

»In Ordnung«, brummte er. »Sie scheiden als Verdächtiger aus.«

»Das freut mich.« Kirby grinste ihm hart ins Gesicht. »Aber Sie sind wohl enttäuscht?«

Murlock gab ihm keine Antwort, sondern fragte zurück: »Und Sie haben wirklich niemanden gesehen?«

»Das sagte ich doch schon. Die Mörder haben rechtzeitig das Weite gesucht, dürften aber brauchbare Spuren hinterlassen haben, denen man nachgehen sollte. Werden Sie das tun?«

»Ich werde ein paar Leute damit beauftragen«, sagte Murlock. »Ich selbst werde hier in der Stadt gebraucht.«

Kirby grinste schmal. Dieser Sternträger gefiel ihm nicht. Er hatte den Eindruck, dass ihn der Tod der beiden Goldgräber überhaupt nicht berührte und er sogar froh darüber war, dass Kirby keinen der Täter gesehen hatte.

»Dann wäre zunächst ja alles geklärt«, meinte er. »Oder haben Sie noch Fragen?«

»Nein«, brummte Murlock.

»Nun, dann will ich mir jetzt einen Drink kaufen.«

Der Abend senkte sich hernieder, und die Goldgräberstadt füllte sich mit durstigen Männern, die von ihren Claims kamen und die verschiedenen Lokale aufsuchten. Viele würden später, wenn sie ihren Durst gelöscht hatten, noch eine Spielhalle besuchen oder ein gewisses Etablissement, um bei käuflichen Frauen körperliche Entspannung zu suchen. Die Erfüllung ihrer sexuellen Wünsche war ja dem Großteil der hier in Einsamkeit lebenden Männer ein wichtiges Anliegen, und gegen Bares konnte man in Madame Tessas Freudenhaus seine Lust befriedigen.

Davon wusste Jason Kirby noch nichts, denn er war ja erst angekommen. Er war hungrig geworden und machte sich daher, nachdem er ein Glas Whisky und ein Bier getrunken hatte, auf die Suche nach einem Restaurant. Bald fand er ein solches in der wackeligen Häuserzeile gegenüber dem riesigen Hauptgebäude.

Die zwei Ermordeten hatte man inzwischen weggebracht. Wohin, wusste Kirby nicht, und es interessierte ihn auch nicht weiter. Vermutlich würden Freunde oder Bekannte der Toten diese irgendwo beerdigen.

Das kleine Restaurant gehörte einem Chinesen, der es gemeinsam mit seiner Frau betrieb. Ein Teller Bohnensuppe kostete zwar drei Dollar, aber sie schmeckte wenigstens gut.

Alles hier war unwahrscheinlich teuer, und so dachte Kirby gar nicht erst daran, sich ein verwanztes Bett als Schlafplatz oder gar ein Hotelzimmer zu suchen, was immerhin möglich gewesen wäre. Wer genug Geld besaß, konnte in Diggertown so ziemlich alles bekommen.

Jason hatte keine finanziellen Sorgen, denn er hatte erst vor kurzem in einem heißen Pokerspiel eine größere Summe gewonnen. Trotzdem dachte er nicht daran, sein Geld leichtfertig auszugeben, denn es sollte längere Zeit reichen. Wenn er sparsam damit umging, würde das auch der Fall sein.

Auch um einen Platz für seinen Grauen musste er sich nicht kümmern, denn der Wallach hatte auf dem Weg hierher genug Gras gefressen, zumal Kirby immer wieder eine Rast eingelegt hatte, damit das Tier nach Futter suchen konnte.

Er nahm ihn zum Restaurant mit, wo der Wallach aus dem davor aufgestellten Wassertrog soff. Hier wartete der Graue geduldig auf seinen Herrn.

Als Kirby nach der eingenommenen Mahlzeit wieder ins Freie trat, sah er, dass sich jemand in seiner Satteltasche zu schaffen machte.

Es war ein zwielichtiger Typ, der es wohl auf Wertsachen abgesehen hatte. Kirby war mit wenigen Schritten bei ihm und packte ihn unsanft am Kragen.

»He, du Mistkerl!«, schrie er ihn an. »Lass deine dreckigen Finger von meinem Eigentum, oder ich schneide sie dir alle ab! Fort mit dir!«

Bei diesen Worten versetzte er dem ertappten Dieb einen so harten Stoß, dass der Mann zurücktaumelte und beinahe gestürzt wäre.

Der Halunke hätte gut daran getan, sich jetzt unverzüglich zu verkrümeln. Doch er wollte die unfreundliche Zurechtweisung nicht so ohne Weiteres hinnehmen. Helle Wut funkelte in seinen Augen, als er fluchend nach seinem Messer griff und damit auf Kirby losging. Wie eine Katze sprang er ihn an und wollte ihm die Klinge in den Leib stoßen.

Doch er hatte sich verrechnet. Kirby entging dem Stich, indem er geistesgegenwärtig zur Seite auswich. Dabei bekam er den rechten Arm seines Gegners zu fassen und verdrehte ihm das Handgelenk.

Der Mann schrie vor Schmerzen auf und ließ das Messer fallen. Kirby packte ihn am Schopf und verabreichte ihm ein paar kräftige Ohrfeigen, dass ihm der Kopf hin und her flog. Dann ließ er ihn los, verpasste ihm noch einen Fußtritt und rief:

»Verschwinde, du Ratte!«

Der Kerl ließ sich das nicht zweimal sagen und rannte davon.

Kirby verzichtete auf eine Verfolgung. Er hob lediglich das Messer auf, betrachtete es kurz und warf es dann in den vor dem Restaurant stehenden Wassertrog.

Der Dieb tauchte in der Dunkelheit unter. Doch die Szene war nicht unbemerkt geblieben. Einige Passanten hatten sie mitverfolgt und warfen Kirby jetzt anerkennende Blicke zu.

»Alle Achtung, Mister!«, rief einer der Augenzeugen. »Dem haben Sie es aber gegeben. An Ihrer Stelle hätte ich den Hundesohn aber nicht laufen lassen, sondern hätte ihn so verprügelt, dass ihn seine eigene Mutter nicht mehr wiedererkannt hätte.«

Kirby grinste nur. Er band den Wallach los, schwang sich in den Sattel, trieb den Grauen mit einem Zungenschnalzen an und verließ das Zentrum der zu nächtlichem Leben erwachten Goldgräberstadt.

Er wollte sich noch etwas umsehen und strebte daher dem Fluss zu, an dessen Ufern jetzt überall Feuer brannten. Es waren die Lagerfeuer der Goldsucher, die sich auf ihren Claims ihr Essen kochten. Nicht alle suchten ja am Abend die Saloons und anderen Amüsierbetriebe auf, um ihr Geld oder Gold an den Spieltischen oder Bartheken zu verprassen. Viele hatten noch gar kein Gold gefunden und mussten daher ein armseliges Leben führen.

Während Kirby gemächlich flussaufwärts ritt, ließ er seine Blicke forschend umherschweifen. Da und dort wurde er aus der Dunkelheit heraus angerufen. Aber er machte nirgends Halt, kam auch keinem Lagerplatz zu nahe, weil mancher Digger das hätte missverstehen können.

Überall standen ihre Behausungen. Größtenteils waren es primitive Hütten, sehr oft auch nur Zelte. Essensgerüche und menschliche Stimmen wehten durch das Tal. Allerorts flackerten die Feuer der aus allen Himmelsrichtungen herbeigeströmten Glücksritter, die an den aus den Bergen kommenden Bächen ihre Parzellen abgesteckt hatten. Es war ein buntes Durcheinander.

Plötzlich tauchte neben Kirby eine schlanke Gestalt auf. Dass es sich um ein weibliches Wesen handelte, wurde ihm erst bewusst, als er die Stimme der jungen Frau hörte, die neben seinem Pferd herlief.

»Möchtest du mit mir Liebe machen, Mister?«, fragte sie. »Ich bin sehr zärtlich. Möchtest du mich haben?«

Im schwachen Flammenschein, der von einer nahen Feuerstelle kam, betrachtete er sie und glaubte zu erkennen, dass sie noch ziemlich jung war. Vermutlich war sie ein Indianerhalbblut, denn ihr schulterlanges, völlig zerzaustes Haar war schwarz wie das Gefieder eines Raben. Sie sah ziemlich schmutzig aus und trug ein billiges Baumwollkleid, das ihr nur bis zu den Kniekehlen reichte. Ihre nackten Füße steckten in ausgetretenen Mokassins. Insgesamt machte sie einen verwilderten, wenn nicht gar verwahrlosten Eindruck.

»Kein Bedarf«, antwortete Kirby, ohne seinen Wallach zu zügeln. »Troll dich, Mädchen! Lass mich in Ruhe!«

Doch sie lief weiter neben ihm her und versuchte erneut, ihn zu einem Schäferstündchen zu überreden.

»Sag nicht gleich nein, Mister!«, rief sie mit einem lockenden Klang in der Stimme. »Es wäre schade, wenn du mein Angebot ausschlagen würdest. Du bist ein so sympathischer Mann und könntest viel Spaß mit mir haben. Du würdest es bestimmt nicht bereuen, denn ich tue alles, um einen Mann zufrieden zu stellen. Außerdem verlange ich nicht viel. Aber ich bin hungrig, Mister, habe heute noch nichts gegessen …«

»Trotzdem habe ich kein Interesse«, gab ihr Kirby einen Korb. Um sie endlich loszuwerden, holte er einen Silberdollar aus der Tasche und warf ihn der jungen Straßendirne zu.