Jack Slade 914 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 914 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Auf dem Rückweg von einer Hochzeitsfeier geraten Lara Brendon und ihre Kusinen Lucy und Molly in ein schweres Unwetter. Bei einem heftigen Blitzschlag gehen die Pferde durch, und die Kutsche stürzt einen Abhang hinunter. Zwar können sich die Mädchen retten, doch sie verirren sich im Gebirge. Nach Tagen stoßen sie schließlich halb verhungert auf eine einsam gelegen Blockhütte. Diese gehört dem Trapper Wild Jack O’Hara ...


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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

WILD JACK WIRD GEZÄHMT

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bosch Penalva / Bassols

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0026-9

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

WILD JACK WIRD GEZÄHMT

Auf dem Rückweg von einer Hochzeitsfeier geraten Lara Brendon und ihre Kusinen Lucy und Molly in ein schweres Unwetter. Bei einem heftigen Blitzschlag gehen die Pferde durch, und die Kutsche stürzt einen Abhang hinunter. Zwar können sich die Mädchen retten, doch sie verirren sich im Gebirge der Smoky Mountains. Nach Tagen stoßen sie schließlich halb verhungert auf eine einsam gelegene Blockhütte. Diese gehört dem geheimnisvollen Trapper Wild Jack O’Hara …

Sie hatten soeben einen turmartigen Felsen passiert, als Old Tim auf dem Fahrersitz zusammensackte. Es war ein drückend heißer Tag gewesen, und er hatte wohl zu viel getrunken bei der Hochzeitsfeier, von der sie sich jetzt auf der Heimfahrt befanden. Offenbar war ihm übel geworden. Er ließ die Zügel fallen und griff sich ans Herz.

In diesem Moment fuhr ein greller Blitz vom schwarz gewordenen Himmel, der vor einer Stunde noch völlig klar gewesen war. Ein ohrenbetäubendes Krachen folgte dem Blitz, der anscheinend ganz in der Nähe eingeschlagen hatte. Es roch plötzlich nach Schwefel.

Die Pferde gerieten in Panik. Erschrocken wiehernd, stürmten sie mit angelegten Ohren und wild rollenden Augen los. Und niemand war da, der sie gestoppt hätte.

Die vier Insassinnen der offenen Kutsche begannen vor Angst laut zu kreischen. Sie erkannten die Gefahr, in der sie plötzlich schwebten. Das Gelände war abschüssig, die kurvenreiche Straße war steinig und voller Schlaglöcher. Außerdem führte sie an einem Abgrund vorbei, in dessen Tiefe ein Wildwasser schäumte.

Die Kutsche schlingerte. Old Tim hing schief auf seinem Sitz, von dem er jeden Moment herunterfallen konnte. Anscheinend war er bewusstlos geworden.

»Onkel Tim – mein Gott!«, rief die erst neunzehnjährige Molly. »Was ist los mit dir?«

Ohne auf eine Antwort zu warten, die sie ohnehin nicht bekommen hätte, wollte sie über die Sitzlehne klettern und die Zügel an sich bringen, um die drohende Katastrophe abzuwenden.

Aber da passierte es schon. Die Kutsche geriet mit dem rechten Hinterrad über die Abbruchkante, bekam Schlagseite und wurde durch die Schwerkraft in die Tiefe gerissen. Und sie riss nicht nur die beiden Pferde mit sich, sondern auch die Insassen der Kutsche.

Molly und ihre Gefährtinnen schrien durchdringend in ihrer Todesangst. Im letzten Augenblick versuchten sie, aus der sich überschlagenden Kutsche herauszuspringen. Molly gelang das gerade noch rechtzeitig, sodass sie nicht unter das Gefährt geriet, von dem sie wohl erschlagen worden wäre.

Der Sturz in die Tiefe blieb ihr dennoch nicht erspart. Kopfüber purzelte sie den Steilhang hinunter und wusste nicht, dass sie dabei ununterbrochen schrie. Oder waren es die Schreie ihrer Gefährtinnen, die ihr in den Ohren klangen? Daneben ertönte auch das schaurige Wiehern der Pferde.

Endlich fand der endlos scheinende Sturz in die Tiefe ein Ende. Zusammengerollt wie ein Ball, prallte Molly gegen einen Busch und wurde von ihm aufgefangen.

Dicht an ihrem Ohr hörte sie, als die Benommenheit von ihr wich, Wasser rauschen. Die Todesschreie der Pferde waren verstummt. Stattdessen ertönte wieder schmetternder Donnerschlag. Die vorangegangenen Blitze tauchten die Schluchtsohle in ein unwirklich scheinendes Licht. Wenn dieses erlosch, wurde es so dunkel, dass man die eigene Hand nicht mehr sehen konnte. Der Tag wich der Nacht.

Strömender Regen hatte eingesetzt. Molly war im Nu bis auf die Haut durchnässt. Aber das spürte sie jetzt ebenso wenig wie die Schmerzen in ihren zerschundenen Gliedern. Sie hatte bei dem wilden Sturz etliche Abschürfungen und Prellungen erlitten.

Der Überlebensdrang gab ihr den Anstoß, sich vom Bachufer zu entfernen. Auf allen vieren kroch sie den steilen Hang hinauf und drohte dabei immer wieder den Halt zu verlieren. Verbissen arbeitete sie sich weiter nach oben. Ein starker Überlebenswille verlieh ihr ungeahnte Kräfte.

Der Regen strömte auf sie herab, und Blitz und Donner wechselten einander in schneller Reihenfolge ab. Das Gewitter, das sich im Laufe des Tages durch ungewöhnliche Hitze und eine seltsame Spannung in der Luft angekündigt hatte, brach jetzt mit voller Stärke los und wuchs sich binnen weniger Minuten zu einem schrecklichen Unwetter aus.

Als Molly den mühevollen Weg nach oben endlich geschafft hatte, brach die Dunkelheit herein. Mit letzter Kraft zog sie sich über die Abbruchkante, rang minutenlang nach luft und blieb zunächst auf dem durchnässten Boden liegen.

Erst jetzt spürte sie allmählich die von ihren Schrammen ausgehenden Schmerzen. Mühsam atmend fragte sie sich, ob sie wohl die Einzige war, die das Unglück überlebt hatte.

Dass dem nicht so war, begriff sie, als plötzlich eine schwankende Gestalt neben ihr auftauchte. Es war ihre um zwei Jahre ältere Schwester, die sie an ihrem hellen Kleid erkannte. Die brünetten Haare hingen ihr in nassen Strähnen ins bleiche Gesicht.

»Lucy!«, rief Molly erleichtert und rappelte sich auf. Ihre rau gewordene Stimme klang fremd.

Schluchzend fielen sich die beiden Schwestern in die Arme.

Außer ihnen hatte auch ihre Kusine Lara überlebt. Sie schaffte es als Letzte nach oben und wurde von Lucy und Molly mit Erleichterung empfangen.

Doch dann kam niemand mehr. Bang schauten sich die drei jungen Mädchen an.

»Wo bleiben Onkel Tim und Tante Hettie?«, fragte Lucy. »Warum kommen sie nicht?«

»Weil sie nicht können«, antwortete Molly. »Sie sind – sind …« Sie verstummte, denn sie wagte nicht, dieses eine so bedeutungsvolle Wort auszusprechen.

Lucy aber wollte noch nicht glauben, dass die Vermissten ums Leben gekommen waren. Sie trat an den Rand des Abgrunds und rief hinab:

»Tante Hettie! Onkel Tim? Was ist mit euch? Gebt doch eine Antwort!«

Doch es meldete sich niemand. Nur das dumpfe Rauschen des rasch anschwellenden Wildbaches war zu hören, das Strömen des Regens und das Krachen weiterer Donnerschläge.

Da begriffen die drei Mädchen, dass jedes weitere Rufen vergeblich sein würde. Old Tim und die ebenfalls schon in die Jahre gekommene Tante hatten den Absturz nicht überlebt.

Wie gebadete Mäuse standen sie da und bemühten sich, mit der Situation fertig zu werden. Das grelle Licht eines aus dem pechschwarzen Gewölk zuckenden Blitzes zeigte ihnen den Weg zu dem hohen Felsen, an dem sie vor dem Absturz vorbeigefahren waren. Da er etwas überhing und der Wind aus einer anderen Richtung wehte, fanden sie darunter notdürftigen Schutz. Sie kauerten sich am Fuße dieses Felsens nieder und schmiegten sich aneinander, um auf diese Weise weniger in ihren nassen Kleidern zu frieren.

Der Regen rauschte gleichmäßig hernieder und verwandelte den durch die Smoky Mountains führenden Fahrweg in eine schlammige Piste.

Eine endlos scheinende Nacht, die den drei jungen Mädchen wohl immer im Gedächtnis bleiben würde, musste schließlich der Morgendämmerung weichen. Das Gewitter war vorbei. Es regnete zwar noch immer, aber nicht mehr so stark.

Frierend richteten sich Lara und die beiden Schwestern auf und blinzelten in das graue Dämmerlicht.

Ihre Sorge galt der vermissten Tante und Old Tim, dem Kutscher.

»Wir müssen nachsehen, was aus ihnen geworden ist«, drängte Lucy.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, gingen die drei zu der Stelle, wo es zu dem Unglück gekommen war, und spähten forschend und mit starker Beklemmung in die Schlucht hinab, in der es noch immer ziemlich dunkel war. Trotzdem sahen sie, wenn auch nur unscharf, die Überreste der Kutsche und die leblosen Körper der beiden Pferde, halb noch am Land, halb im Wasser, am Ufer des Flusses liegen, der während der Nacht zu mehrfacher Größe angeschwollen war. Auch die zertrümmerte Kutsche lag dort.

Von Tante Hettie und Old Tim war nichts zu sehen. Die beiden waren wohl ins Wasser gestürzt und fortgespült worden. Und wenn der Fluss weiter so anstieg, womit zu rechnen war, würden wohl auch die toten Pferde noch von den Wassermassen mitgerissen werden.

Der über seine Ufer getretene Gebirgsfluss führte losgerissenes Buschwerk und ganze Bäume samt Wurzeln mit sich und füllte die Schluchtsohle in ihrer ganzen Breite aus. Ein wildes Getöse drang an die Ohren der beklommen lauschenden Überlebenden. Wo gestern noch große Felsblöcke aus dem Flussbett ragten, war jetzt nur noch eine braune, brodelnde Flut zu sehen, die alles verschlang, was ihr in den Weg kam.

Lucy bekreuzigte sich, während Lara und Molly entsetzt die Hände vors Gesicht schlugen.

»Sie sind tot!«, rief Lara mit erstickter Stimme. Sie begann laut zu schluchzen.

»Ja, da gibt es wohl keinen Zweifel mehr«, meinte Lucy. »Es hat keinen Sinn, nach ihnen zu suchen. Wir müssen jetzt an uns selbst denken.«

»Aber wie soll es jetzt weitergehen?«, fragte Molly besorgt.

»Wir müssen uns zu Fuß durchschlagen«, antwortete Lucy pragmatisch. »Etwas anderes bleibt uns nicht übrig.«

»Du hast recht. Wie viele Meilen sind es von hier wohl noch nach Clayton?«

»Zehn oder zwölf, schätze ich. Das können wir schaffen.«

»Na, dann los!«, rief Lara.

Die drei Mädchen warfen einen letzten Blick auf das Wrack der Kutsche und auf die toten Pferde, dann machten sie sich auf den Weg. Nur mit dem, was sie am Leib hatten, folgten sie zu Fuß der Straße, die an der Schlucht entlangführte und die Städte Clayton und Challis miteinander verband. In Letzterer hatte die Hochzeitsfeier stattgefunden, zu der sie eingeladen gewesen waren. Eine gute Freundin hatte den Bund der Ehe geschlossen, und sie hatten auf der Ranch des Brautpaares übernachtet, ehe sie gestern die Rückfahrt antraten.

Überzeugt, Clayton im Laufe des heutigen Tages zu erreichen, schritten sie zügig aus. Leider trugen sie kein passendes Schuhwerk. Ihre modische, ziemlich leichte Fußbekleidung war zum Tanzen geeignet, aber nicht für einen längeren Marsch durch raues Gelände.

Zum Glück regnete es wenigstens nicht mehr. Bald kam die Sonne, löste den Nebel auf und wärmte ihre durchfrorenen Körper. Auch die Kleider wurden trocken. Das hob die Stimmung der Mädchen.

Die Gegend, die sie durchwanderten, war ausgesprochen einsam und unter Umständen niederdrückend, wenn man keinen Sinn für die Schönheit der Natur hatte. Dichte Wälder bedeckten die Berghänge ringsum. Hoch ragten schroffe Felsgebilde aus dem dunklen Grün auf. Die noch feuchte Luft roch würzig.

Am Anfang kamen sie recht gut voran. Doch bald zeigte sich, dass die Sache doch nicht so einfach war, wie sie es sich vorgestellt hatten. An einen so langen Fußmarsch nicht gewöhnt, zeigten sich bei den drei Freundinnen bald die ersten Ermüdungserscheinungen. Sie mussten immer wieder eine Verschnaufpause einlegen.

Ihre Hoffnung, jemandem zu begegnen, der ihnen vielleicht half, erfüllte sich nicht. Tapfer marschierten sie weiter.

Irgendwann musste die Stelle kommen, wo sie die Schlucht mit dem außer Rand und Band geratenen Wildbach verlassen und ihren Weg in einem nach Süden führenden Canyon fortsetzen würden. Sie konnten diesen Augenblick kaum erwarten.

Und dann war es so weit. Ein mächtiger Felspfeiler, in mehrere Quader geschichtet, tauchte vor ihnen auf. Links von ihm schoss der Wildbach lärmend aus der engen Schlucht hervor, rechts öffnete sich das Maul des besagten Canyons, durch den die Straße weiterführte. Die drei Mädchen konnten sich gut daran erinnern, dass sie auf der Herfahrt hier den Fluss überquert hatten.

Heute würde das aber nicht möglich sein, das erkannten sie auf den ersten Blick. Denn die alte Holzbrücke, die früher über den Fluss geführt hatte, gab es nicht mehr. Das Hochwasser hatte sie weggerissen. Man sah nur noch ein paar aus den ungebändigten Fluten ragende Stützpfeiler. Alles andere war verschwunden. Der Weg in den südwärts führenden Canyon war somit abgeschnitten.

»Das hat uns noch gerade gefehlt!«, stieß Lara fassungslos hervor und schickte ihren Worten eine gar nicht feine Verwünschung hinterher.

Auch Lucy und Molly fluchten.

Jetzt wussten die drei, warum ihnen die ganze Zeit niemand begegnet war. Ob einzelne Reiter oder Fuhrwerke, das Fehlen der Brücke hatte sie am Weiterkommen gehindert. Das Gleiche galt jetzt für die Mädchen. Damit war ihre Hoffnung, noch an diesem Tag nach Clayton zu kommen, auf einen Schlag vernichtet.

»O Gott, was machen wir jetzt nur?«, fragte Lara, den Tränen nahe.

»Wir müssen einen anderen Weg finden«, sagte Lucy, die sich von allen am gelassensten zeigte. Sie wies in die Richtung, aus welcher der Wildbach kam. »Wir folgen einfach weiter der Schlucht. Vielleicht gibt es irgendwo eine Abzweigung, die uns aus den Bergen hinausführt.«

»Und wenn nicht?«

»Dann haben wir eben Pech gehabt. Ich denke, wir müssen es riskieren. Oder willst du warten, bis das Wasser zurückgeht? Das kann Tage dauern. Außerdem verfinstert sich der Himmel schon wieder, was neuen Regen bedeutet.«

Lara sah, dass ihre Kusine recht hatte. Erneut schien sich eine Wetterfront zu nähern.

»Also gut, versuchen wir es«, stimmte sie zu. »Sollten wir in eine Sackgasse geraten, kehren wir einfach um.«

Auch Molly war mit dieser Entscheidung einverstanden, und so machten sich die Mädchen erneut auf den Weg und gingen damit das Wagnis ein, sich in ein ihnen völlig fremdes Gelände zu begeben.

Schnell stellte sich die Route durch die Schlucht als sehr gefährlich und mühsam heraus. Es gab nur wenig Platz zwischen dem wie ein Untier brüllenden Wildbach und einer steil aufragenden Felswand, an der sie sich hintereinander vorbeizwängten. Der Fels war glatt, und immer wieder drohten sie auf ihm auszurutschen. Nicht auszudenken, wenn eine von ihnen den Halt verlor und ins Wasser stürzte. Sie wäre verloren gewesen. Ein kalter Sprühregen durchnässte die Mädchen neuerlich, und sie froren.

Doch tapfer und mit aller gebotenen Vorsicht bewegten sie sich weiter und vermieden es, in die brodelnden Fluten zu schauen, die den Tod bedeutet hätten, sollten sie darin landen.

Bald gaben sie es auf, sich einander etwas zuzurufen. Ihre Stimmen wurden von dem Getöse, das der Fluss erzeugte, glatt übertönt. Es war ein höllischer, höchst bedrohlich wirkender Lärm. Aber es gab jetzt kein Zurück mehr.

Inbrünstig hofften sie, es würde sich die Felswand öffnen, um ihnen einen Weg aus der düsteren Bergschlucht zu weisen.

Und sie hatten Glück. Plötzlich klaffte neben ihnen ein kaum meterbreiter Spalt auf, der Eingang in eine Nebenschlucht, die sie, ohne erst lange zu überlegen, betraten.

Auch hier erlaubte ihnen die beengte Landschaft nur wenig Bewegungsfreiheit. Sie mussten herumliegende Felsbrocken überklettern und konnten sich oft nur hintereinander fortbewegen. Aber je tiefer sie in die schmale Nebenschlucht eindrangen, umso weiter blieb das Rumoren des Wildbachs zurück und verstummte schließlich ganz, um einer unheimlich wirkenden Stille Platz zu machen.

Die steinernen Wände zu beiden Seiten waren so hoch, dass nur wenig Licht von oben hereindrang. Doch es ging immer weiter, und der Canyon erweiterte sich mit jedem Schritt. Um die Mädchen wurde es zusehends heller, und das dumpfe Gefühl, das sich ihrer bemächtigt hatte, schwand und machte neuem Optimismus Platz.

Ohne Zögern setzten sie ihren Weg fort. Nach dem Stand der Sonne, die zuweilen durch die Wolken blinzelte, musste es später Vormittag sein.

Die Sohle des Canyons war mit Felsbrocken aller Größen übersät. Zwischen ihnen fristeten Krüppeleichen und auch Nadelbäume ein kümmerliches Dasein. Sicher hatte es auch hier mal einen Wasserlauf gegeben, der die Felsen ausgeschwemmt hatte und für grotesk anmutende Formen sorgte.

Dem jugendlichen Trio fiel es nicht leicht, sich in diesem Gewirr ans Steinen und Pflanzen fortzubewegen. Zum Glück blieb der Regen aus.

Alle hatten sie schon wunde Füße. Am Boden wuchernde Ranken zerkratzten ihnen die Beine, und sie blieben mit ihren Röcken und Kleidern an dornigem Gesträuch hängen und rissen sich Löcher in den Stoff. Es waren ja keine robusten Sachen, die sie trugen, sondern Kleider, die sie für die Hochzeit angezogen hatten. So hübsch sie in diesen auch aussahen, hier war diese Kluft fehl am Platz.

Lara hatte Blasen an den Füßen bekommen, und Lucy klagte über Schmerzen im rechten Knie, das sie sich beim Absturz mit der Kutsche blutig geschlagen hatte. Keines der drei Mädchen war bei dem Unglück ohne Blessuren davongekommen.

Die Hauptsache jedoch war, dass sich keine von ihnen etwas gebrochen hatte. Sie waren körperlich gesund und dank der Kraft ihrer Jugend sehr widerstandfähig.

Molly war mit ihren neunzehn Jahren die Jüngste des Trios. Sie war etwas pummelig und hatte ein rundes Gesicht und schwarze Augen, in denen stets der Schalk blitzte. Braune Zöpfe standen seitlich von ihrem Kopf ab und ließen sie fast wie ein Schulmädchen erscheinen, und die Sommersprossen auf ihrer keck nach oben gerichteten Nase machten sie noch hübscher.

Sehr anziehend waren auch ihre beiden Gefährtinnen. Die langbeinige Lucy hatte brünettes, hochfrisiertes Haar, das inzwischen allerdings ziemlich in Unordnung geraten war. Ihre veilchenblauen Augen wurden von dunklen Wimpern beschattet. Sie hatten etwas Unergründliches, fast Geheimnisvolles an sich. Wenn man in diese blickte, hatte man das Gefühl, in einen tiefen Bergsee zu schauen. Lucy besaß ein ruhiges Wesen, war niemals aufbrausend, sondern stets sanft und überlegend.

Ihre gleichaltrige Kusine Lara war in mancher Hinsicht das genaue Gegenteil. Ihr Blick war ausgesprochen sinnlich. Sie war rotblond und vollbusig und hatte volle Lippen, die sie gern leicht öffnete, als warte sie darauf, dass jemand sie küssen würde. Obwohl bereits in heiratsfähigem Alter, hatte sie noch keinen ihrer zahlreichen Verehrer ernste Hoffnungen gemacht. Sie liebte ihre Freiheit.

Als es Mittag wurde, hielten die drei zu einer längeren Rast. Der lange Marsch hatte sie ermüdet. Sie setzten sich in den Schatten einer Felswand und massierten die schmerzenden Füße.

»Wie viele Meilen haben wir wohl schon hinter uns gebracht?«, überlegte Lucy und betastete vorsichtig ihr lädiertes Knie.