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Brandon Ohio reitet im Auftrag von General Crook zum Fort Niobrara, um eine wichtige Nachricht zu überbringen. Doch bei seiner Ankunft wird er nicht vom Fortkommandanten und den Soldaten begrüßt, sondern die Frauen haben das Kommando übernommen.
Schnell wird Brandon Ohio klar, dass hier ein blutiges Massaker stattgefunden haben muss ...
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Seitenzahl: 158
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Flucht ins Fort der Frauen
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bosch Penalva / Bassols
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0667-4
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Fluchtins Fortder Frauen
Im Auftrag von General Crook reitet Brandon Ohio zum Fort Niobrara, um eine wichtige Nachricht zu überbringen. Doch bei seiner Ankunft wird er nicht vom Fortkommandanten und seinen Soldaten begrüßt, sondern die Frauen haben das Kommando übernommen. Mit einer speziellen Taktik wollen sie gegen Scharen rachsüchtiger Indianer bestehen, wo ihre Männer versagten.
Kann Brandon Ohio ein blutiges Massaker verhindern?
Brandon Ohio sah die Rauchsäule hinter sich aufsteigen. Ihm schwante Übles.
Es war Juni, heiß brannte die Sonne auf die Buckelprärie. Der blau uniformierte Depeschenreiter hatte sein schnelles Pferd für Augenblicke angehalten, um zurück Richtung Überlandstation zu blicken.
Dort hatte er die Nacht verbracht und in den Armen der Stationshalterin Valery Ronson gelegen, eines leidenschaftlichen und vollblütigen Weibs. Ihr Mann, der Stationshalter, war doppelt so alt wie sie und konnte ihr nicht mehr das geben, was sie begehrte und brauchte.
So drückte er beide Augen zu, wenn sie sich einem attraktiven Mann hingab. So wie zuletzt dem Depeschenreiter. General Crook hatte ihn mit einer höchst wichtigen Nachricht nach Fort Niobrara am gleichnamigen Fluss geschickt. Das Fort Niobrara war ein Stachel im Fleisch der Reiterstämme des Nordwestens, die sich seit ein paar Wochen mit den USA im Kriegszustand befanden.
Brandon Ohio war ohne Unterlass geritten. Er war ein großer, schlanker und zäher Mann, rothaarig – seine Mähne lohte wie Feuer. Ein Draufgängertyp, sonst hätte er seine gefährlichen Ritte nicht ausführen können.
Nun blickte er den Weg zurück. Ein böses Gefühl stieg in ihm auf. Die Rauchsäule konnte nichts Gutes bedeuten. Obwohl er es sehr eilig hatte: »Reite, als ob der Teufel hinter dir her wäre, Soldat!«, hatte ihm Crook gesagt. »Schlafen kannst du im Sattel oder später mal, wenn du tot bist.«
Brandon hatte dennoch bei der Ronson-Station pausieren müssen. Es ging nicht anders. Dort hatte er auch das Pferd gewechselt. Er war früher schon dort gewesen.
Valery, dunkelhaarig, mit dunklen feurigen Augen, aufregenden Kurven und hungrigem Blick, war ihm in die Arme gesunken, kaum dass sich die Gelegenheit ergab. Sie liebten sich heftig in der Gästebaracke. Die Gefahr durch die Sioux und die Cheyenne, bisher die Herren der Hochprärie, hatte den Kutschen- und Frachtverkehr auf der Überlandstraße zum Erliegen gebracht.
Wells Fargo weigerte sich, diese Strecke weiter zu befahren, bevor die Armee nicht die aufständischen Indianer bezwungen hatte. Die Stationen blieben aber besetzt.
Brandon erinnerte sich deutlich an Valerys heiße Küsse, ihr Verlangen, die großen und festen Brüste mit den sich aufrichtenden großen Nippeln und den dunkleren Höfen rundherum. An den Geruch und Geschmack ihrer Scham, wie sie ihn an und in sich zog, mit feuchter Wärme in sich aufnahm, wie sie sich in seine Schulter verbiss, um ihre Lust nicht laut hinauszuschreien.
Sie hatten sich die ganze Nacht geliebt. Bei Sonnenaufgang hatte Brandon sich von ihr losgerissen, nachdem sie ihn noch einmal dazu brachte, sie zu lieben.
»Unersättliches Weib«, hatte er gesagt. »Ich bin Soldat, ich habe einen wichtigen Auftrag zu erfüllen.«
»Mach es mir noch einmal, nur das ist jetzt wichtig. Steck ihn mir rein, oder, bei Gott oder dem Teufel, ich schieße dir in den Rücken, wenn du in den Sattel steigst, ohne dass du mir noch einmal beigewohnt hast.«
Halb zog sie ihn – sie reizte ihn heftig mit dem Mund und den Fingern –, halb sank er hin. Eine Erektion hatte er am Morgen ohnehin. Also ging es noch einmal zur Sache. Danach wusch Brandon sich draußen an der Pumpe mit kaltem Wasser, rasierte sich, zog sich an und setzte sich an den Frühstückstisch.
Valery tischte ihm kräftig auf, Speck und Eier, frisches Brot, Marmelade, sogar Pfannkuchen hatte sie gebacken. Außer ihr hielten sich noch ihr Mann, zwei Stationshelfer und eine wortkarge, breithüftige Ponca-Indianerin in der Station auf.
Der Ponca war die Nase abgeschnitten worden, ein Zeichen, dass sie gegen die Gesetze ihres Stammes verstoßen und von ihm ausgestoßen worden war. Während Brandon wie ein Scheunendrescher futterte – er hatte es nötig –, saß Valerys Mann abseits unter dem Vordach.
Er hatte seine Stummelpfeife geraucht und so getan, als wüsste er von nichts. Nur ab und zu hatte er Brandon einen stechenden Blick zugeworfen. Wäre dieser ein Messer gewesen, so hätte er den Depeschenreiter durchbohrt und wäre mit der Spitze am Rücken wieder ausgetreten.
Der alte Graubart Webb Ronson hatte seine Pfeife gepafft. Brandon hatte seine heiße junge Gattin in der Nacht nicht gefragt, weshalb sie ihn denn geheiratet hatte. Gründe der Versorgung und des Geldes mussten da hineingespielt haben.
Valery turtelte mit dem rothaarigen Depeschenreiter und rieb sich an ihm. Brandon empfand das als peinlich.
Webb Ronson schwieg. Doch er dampfte mit seiner Pfeife schon wie eine Lokomotive. Brandon entging der peinlichen Situation, als er in den Sattel des schnellen Pferds stieg, das ihm die Station und damit Wells Fargo stellte.
Der alte Ronson widmete ihm dann doch noch ein knurriges Abschiedswort, während seine Gattin mit tiefem Ausschnitt, der ihre halbe Brust entblößte, an einem Stützpfeiler des Vordachs lehnte.
»Klar hat Wells Fargo immer ein Pferd für die Armee übrig, wenn Not am Mann ist«, hatte Webb Ronson gesagt. »Tu deine Pflicht, Soldat. Die Besatzung von Fort Niobrara soll die Streitkräfte der Sioux binden, bis die Heersäulen unter den Generälen Gibbon, Terry und Crook in Position sind. Bis ihre Zangenformation steht und die roten Hunde nicht mehr entkommen können. Weg mit ihnen aus diesem Land, sage ich. Die Regierung ist mit ihnen viel zu nachgiebig gewesen.«
Mit dem Maul bist du schneidig, du impotenter alter Bock, dachte Brandon. In der Hose zuckt bei dir nichts mehr. Kannst deine Frau nicht befriedigen, doch ganze Indianerstämme willst du ausgerottet haben.
Er nickte jedoch. Die Ponca-Squaw brachte ihm seinen Proviant und die Wasserflasche. Ihr entstelltes Gesicht sah schrecklich aus.
»Custer traue ich am ehesten zu, dass er weiß, wie mit den Rothäuten umzugehen ist«, fuhr Webb Ronson fort. »Hoffentlich haut er drauf, dass die Fetzen fliegen, und lässt sich nicht zurückhalten. Mit seiner 7. Kavallerie reitet er quer durch die Siouxstämme und die Cheyenne noch dazu, hat er gesagt. Das ist ein Mann nach meinem Geschmack. Ihm hätten sie den Oberbefehl über die östliche Truppe überlassen sollen, statt ihn General Terry zu unterstellen.«
»Ich muss los.« Brandon rückte seinen Kavalleriehut zurecht. »Wir können uns gern ein andermal über die taktischen Fragen des Sioux-Feldzugs und die Heeresaufstellungen unterhalten, Sir.« Er konnte sich nicht verkneifen, hinzuzufügen: »Mit Militärexperten rede ich immer gern. Da kann man was lernen.«
»Das kannst du von mir auch, Jungchen. Ich habe am Krieg gegen Mexiko 46 – 48 teilgenommen.«
Das lag dreißig Jahre zurück.
»Dann sind Sie ein Veteran mit großer Erfahrung«, spottete Brandon, »und wissen heute genaustens Bescheid.«
Die Empfehlung, Old Ronson sollte die Armee beraten, verkniff er sich. Brandon winkte unud ritt los. Zwei Tagesritte waren es noch bis zum Fort Niobrara. Die Leute der Station sahen ihm nach.
»Mir kommt er ein wenig zu lasch vor«, brummte der alte Ronson und spie aus.
»Er hat seine Qualitäten und ist ein fähiger Mann«, sagte Valery, ohne eine Miene zu verziehen.
Nur ihre Augen glitzerten. Brandon Ohio preschte dahin. Erst nach ein paar Meilen blickte er noch einmal zurück. Der Sex mit Valery Ronson hatte ihn befriedigt und seine Stimmung gehoben. Dennoch verspürte er einen üblen Nachgeschmack, schließlich war sie die Frau eines anderen Mannes.
Brandon unterdrückte die Skrupel. Wenn einer seinen Acker nicht bestellen kann, ist er selbst daran schuld, dachte er. Und: Nimm dir, was du kriegen kannst. Morgen bist du vielleicht schon tot und baumelt dein Skalp an der Kriegslanze eines Sioux.
Nun sah er den Rauch. Was sollte er tun? Weiterreiten und seinen Auftrag erfüllen, durch ein Gebiet, in dem die Sioux und Cheyennes wie die gereizten Hornissen schwärmten? Oder umkehren und nachsehen, ob in der Station noch etwas zu retten war?
Vielleicht war es nur eine kleine Kriegergruppe, die die Station angriff, und nur ein Teil der Gebäude war in Brand gesetzt. Vielleicht konnte er rettend eingreifen.
Diese Möglichkeit war gering, aber Brandon wollte Gewissheit haben. Wegen der Menschen dort – und wegen Valerys. Liebe oder große Gefühle empfand er nicht für sie. Doch sie hatte sich ihm hingegeben und ihm leidenschaftliche Stunden beschert. Er wollte nicht einfach fortreiten, ohne Gewissheit zu haben.
Er überprüfte seine Waffen – die Henry Rifle, den Kavalleriecolt und den Säbel. Mit Letzterem konnte er gut umgehen, und im Reiterkampf Mann gegen Mann war er eine nicht zu unterschätzende Waffe.
Er klopfte seinem Pferd auf den Hals.
»Wir reiten zurück, Brauner. Mach dich auf was gefasst. Ich hoffe, du bist schussfest und gerätst nicht in Panik, wenn es knallt.«
Zügig und rasch ritt er zurück. Die Mattigkeit, die er am Morgen gespürt hatte, war verflogen. Brandon war jung, drahtig und stark. Kühn. Er wich dem Kampf nicht aus.
✰
Von einer Bodenwelle aus, über das hohe wogende Präriegras weg, sah er das Desaster. Er kam viel zu spät. Die Station brannte lichterloh. Vor der Station lagen fünf tote Indianer und tote Pferde. Keine Leichen von Weißen. Diese mussten sich alle in den Flammen befinden, in diesem Inferno aus meterhoch lodernden Flammen.
Im Schein des Feuers ritten und liefen mindestens zwei Dutzend Krieger umher. Sie heulten schaurig, es klang bis zu Brandon herüber. Dabei schwenkten sie ihre Waffen und blutige frische Skalps.
Der Graubart Webb Ronson brauchte sich keine Sorgen mehr wegen der Untreue seiner Frau und seiner sexuellen Unfähigkeit zu machen.
Was mit Valery geschehen war, wusste Brandon nicht. Ob die Indianer sie vergewaltigt hatten, bevor sie sie umbrachten. Ob sie schon vorher gefallen war, sich vielleicht selbst erschossen hatte, um ihnen nicht in die Hände zu fallen? Er würde es nie erfahren.
Zu spät, dachte er. Den Weg hätte er sich sparen können. Doch er war es sich und der Stationsbesatzung, vor allem Valery, schuldig gewesen. Er hatte sich Gewissheit verschaffen müssen.
Jetzt hatte er sie.
Und noch mehr. Er befand sich in Lebensgefahr. Die Sioux – ob auch Cheyenne dabei waren, wusste er nicht – hatten ihn bemerkt. Sie deuteten auf ihn, pfiffen und riefen ihre Mustangs herbei. Zwanzig Mann preschten los.
Zu allem Überfluss erschienen an seiner linken Flanke auch noch sechs Reiter, die Brandon zuvor nicht gesehen hatte. Sie kamen aus einem umfangreichen Gebüsch – sie hatten sich von den anderen abgesondert oder erschienen erst jetzt auf der Kampfstätte, so wie Brandon von dem Rauch herbeigelockt.
Jedenfalls waren sie ihm viel zu nahe. Sie schnitten ihm den Weg ab. Ausweichen konnte er ihnen nicht, zurück auch nicht. Wenn die Verfolger von der Station ausschwärmten, hatten sie ihn.
Brandon musste vorwärts, gegen die Sechs, die ihm entgegenkamen. Die anderen von der Station würden ihm schon bald im Nacken sitzen. Für die sechs Rothäute vor ihm wäre es sinnvoller gewesen, auf Distanz zu bleiben. Denn wenn ihre Gefährten aus der Station aufschlossen, hätten sie ihn umzingelt.
Doch so schlau oder zurückhaltend waren die sechs nicht.
Sie preschten heran, wie mit ihren Mustangs verwachsen. Dabei stießen sie Kriegsschreie aus.
Entsetzt sah Brandon, dass zwei von ihnen moderne Repetiergewehre hatten. Bei diesem Feldzug waren die Sioux hochgerüstet und viele von ihnen waffenmäßig besser ausgestattet als die Armee mit ihren Sharps Karabinern für die einfachen Soldaten.
Der Depeschenreiter zügelte sein Pferd. Es verhielt völlig ruhig, und er riss seine Henry Rifle an die Wange. Legte an, zielte und schoss. Zwei Angreifer stürzten vom Pferd.
Die Sioux schossen mit ihren Gewehren und mit Pfeil und Bogen. Kugeln und Pfeile umschwirrten Brandon. Ein Pfeil durchbohrte seinen Hut und riss ihn ihm derart vom Kopf, dass das Windband riss und der Hut fortflog.
Für einen dritten Schuss mit dem Gewehr blieb Brandon keine Zeit. Einen Indianer hätte er noch aus dem Sattel holen oder ihm das Pferd unterm Hintern wegschießen können. Doch dann hätten sie ihn gehabt, er wäre erledigt gewesen. Denn auf kurze Distanz konnten sie ihn nicht verfehlen, wenn er weiter ruhig dort im Sattel saß.
Brandon legte keinen Wert darauf, sich von Pfeilen und Kugeln durchbohren zu lassen. Entschlossen stieß er die Henry in den Scabbard, duckte sich über den Pferdehals und riss Säbel und Colt hervor. Die Zügel nahm er zwischen die Zähne, den langläufigen 45er hielt er in der Linken, den Säbel schwang er mit der rechten Hand.
Gern hätte er einen Rebellenschrei ausgestoßen, doch mit den Zügeln im Mund ging es nicht. Zum Glück hatte ihm Old Ronson, Gott habe ihn selig, ein erstklassiges Pferd gegeben. Obwohl es ihn wegen seiner Frau sicher wurmte, ihn damit auszurüsten.
Doch sein Patriotismus und seine Abneigung gegen die Sioux überwogen. Brandon hörte die Schreie der vier roten Angreifer. Ein Pfeil flog ihm so knapp an der Wange vorbei, dass er ihn beinahe ritzte.
Er sah ins Gewehrmündungsfeuer eines mit den Kriegsfarben bemalten Siouxkriegers und stanzte ihm mit einer Revolverkugel ein Loch in die Brust. Den Sioux riss es vom Pferd. Sein Schuss hatte den weißen Mann knapp verfehlt.
Der Nahkampf begann. Säbelhieb, Finte, Revolverschuss. Drei Gegner waren es noch. Der rothaarige Soldat haute und schoss drein. Das Pferd gehorchte seinem Schenkeldruck, das war sein Glück. Ein Lanzenstoß verfehlte ihn, und er traf den Sioux im Rückhandschlag mit dem Säbel und haute ihm den Hals zur Hälfte mit der Säbelspitze durch.
Er durchtrennte dem Sioux die Gurgel samt Luftröhre und Schlagader. Blut spritzte meterweit. Einen Gegner schoss Brandon aus dem Sattel, dazu brauchte er die restlichen Kugeln, weil er auch den Pferdekopf traf und den Sioux nicht gleich tödlich erwischte.
Dann war dieser dahin – ein Angreifer wehrte sich noch. Als er den Tomahawk schwang, haute ihm Brandon die Hand samt Tomahawk ab. Der Sioux schrie auf, Blut spritzte aus seinem Armstumpf. Doch kampfeswütig, wie er war, warf er mit dem Linken sein Messer.
Es traf Brandon an der Schulter, doch mit dem Knauf zuerst. Verletzt und geschockt hatte der Sioux den Messerwurf nicht mehr richtig ausgeführt.
Brandon rammte ihn samt seinem Mustang mit seinem Pferd aus dem Weg. Er galoppierte weg von der Kampfstätte, denn jetzt erschienen die zwanzig Mann von der Station an Ort und Stelle. Während Brandon davonritt, so schnell, wie er konnte, versorgten zwei Krieger denjenigen, dem er die Hand abgehauen hatte.
Der Sioux gab keinen Laut von sich, als ihm ein Stammesbruder die Ader ein Stück aus dem Armstumpf zog und sie abband. Es war ein übler und blutiger Akt. Doch die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass der Mann verblutete. Die anderen verfolgten den Weißen.
Ein Stammesbruder band dem Gefährten den Arm ab, um weiteren Blutverlust aus dem Stumpf zu verhindern. Dann sprang er in den Sattel und jagte weiter hinter dem Weißen her. Den Armstumpf musste man kauterisieren, also mit einem Feuerbrand oder glühendem Eisen versengen und den Blutfluss stoppen. Auf die abgebundene Ader war dabei aufzupassen.
Auf Kriegsverletzungen verstanden die Sioux sich, da waren sie knochenhart.
Brandon jagte dahin. Die Hufe seines Pferds trommelten auf dem Boden. Vor ihm pfiff ein Präriehund und verschwand in seinem Loch. Dem Depeschenreiter stellten sich die Nackenhaare auf.
Präriehunde oder Erdhörnchen lebten in großen Gruppen. Sie gruben Löcher und unterirdische Gänge. Wenn Brandons Pferd in ein solches Loch trat, was leicht geschehen konnte, flog er in hohem Bogen aus dem Sattel.
Der Gaul brach sich dann ein Bein. In dem Fall war der Reiter verloren. Gegen die vielen Verfolger konnte er nicht bestehen. Und wenn er Pech hatte, wurde er vom Sturz betäubt oder brach sich ein paar Knochen. Dann fingen sie ihn lebend, und ihm war der Tod am Marterpfahl gewiss.
Ein sehr qualvoller Tod, der sich lange hinzog und aus dem stärksten und härtesten Mann ein schreiendes, wimmerndes Bündel machte. Doch dem Areal der Präriehunde konnte er nicht ausweichen. Wäre Brandon fromm gewesen, dann hätte er jetzt ein Stoßgebet gesprochen.
Er war aber der Meinung, wenn er sonst mit Gott nichts am Hut hätte, sollte er sich in der Stunde der Not auch nicht an ihn wenden. Er biss die Zähne zusammen und hoffte, dass sein Pferd nicht in ein Loch trat.
Erst nach ein paar hundert Metern war er sich sicher. Die ihn verfolgenden Sioux hatten weniger Glück. Zwei stürzten, als ihre Mustangs in Präriehundlöcher traten. Den Erdbewohnern tat das keinen Schaden. Wenn eine Gefahr nahte, flüchteten sie nach den Warnpfiffen ihrer Posten in die langen unterirdischen Gänge.
Zwei Mustangs stürzten. Sie würden getötet werden müssen. Der eine Reiter blieb liegen. Brandon wusste es nicht, doch der Sioux hatte sich das Genick gebrochen. Der andere erhob sich gleich wieder und humpelte.
Er drohte dem Weißen mit der Faust. Brandon hatte ein paar Meter zusätzlichen Vorsprung herausgeholt. Er zügelte sein Pferd und nahm die Henry Rifle, legte sie an.
Drei Schüsse jagte er zurück und erschoss einen Mustang und verwundete einen Verfolger derart, dass er vom Pferd sank und verletzt auf dem Boden hockte. Für ihn war die Verfolgungsjagd vorbei. Kurz hielten die Siouxreiter an.
Brandon stellte das Feuer ein. Er hoffte, die Verfolger würden es als ein Zeichen Manitous ansehen, dass zehn ihrer Krieger ausgefallen waren, die meisten tot, andere ohne Pferd oder verwundet. Der Depeschenreiter hoffte, dass die Indianer die Verfolgung des Weißen wegen der horrenden Verluste aufgaben.
Um ihnen noch eins draufzugeben, schwenkte er seinen Hut, hob das Gewehr in die Waagrechte und schwenkte auch das. Es war ein höhnischer, herausfordernder Gruß an die Sioux.
Sechs Krieger hatte Brandon zuvor erledigt. Über den Haufen geritten, erschossen, mit dem Säbel erschlagen oder so schwer verwundet, dass sie nicht mehr kämpfen konnten. Jetzt fielen vier weitere aus.
Schlechte Medizin war das, sehr schlechte Medizin.
Doch die Indianer sahen es offensichtlich anders. Sie rasten vor Wut, dass ein einzelner Gegner ihnen derartige Verluste zufügte hatte. Ihr Anführer, ein Hüne mit einer Büffelkopfhaube und einer Platte aus Knochen als barbarischen Schmuck vor der Brust, hob seine Winchester genauso wie Brandon.
Er deutete vorwärts. Es waren immer noch sechzehn Mann, grimmig entschlossen, sich den Skalp des Weißen zu holen. Sie preschten heran. Ein paar Schüsse krachten, auf den Weißen abgegeben.
Seine Uniform zeichnete ihn als einen der verhassten Blaurock-Soldaten aus. Es durfte nicht sein, dass er zehn Mann erledigte, keinen oder kaum einen Kratzer davontrug und ihnen entkam. Die Kriegerehre der Sioux verbot ihnen aufzugeben.
Brandon riss sein Pferd herum. Er musste Fersengeld geben. Sich mit dieser Übermacht gutbewaffneter mordlüsterner Krieger einen Kampf zu liefern, wäre Selbstmord gewesen. Er musste ihnen entkommen – dazu war er auf sein Pferd angewiesen.
Brandon ritt, über den Pferdehals gebeugt. Die Gewehrschüsse seiner Verfolger verfehlten ihn weit. Mit ihren Pfeilen konnten sie ihn sowieso nicht erreichen. Indianische Scharfschützen waren selten. Unter den Verfolgern fand sich keiner.
Die paar Gewehrschützen bei den Sioux hielten an, um zielen zu können. Aus dem vollen Galopp heraus war das nicht möglich. Ihr Gewehrfeuer donnerte über die Prärie. Doch sie verpulverten ihre Munition vergebens.