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Grausame Mörder haben ihm alles genommen, seine bildschöne Frau, seinen Claim, sogar sein Gedächtnis und seinen Namen. Als Kopfgeldjäger sucht er die Erinnerung, nicht wissend, ob sie ihn den Verstand kosten wird ...
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Nur einer überlebt
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Impressum
Nur einer überlebt
In Kalifornien herrschen anarchische Zustände. Die Forty-Niners schwärmen ins Land, und auf den Goldfeldern ist der Colt das Gesetz. Böswillige behaupten, dort gäbe es mehr heißes Blei zu gewinnen als Gold.
Joaquin Murieta schreckt das nicht. Er vertraut auf seine jugendliche Kraft, seinen Mut und sein Glück, als er mit seiner bildschönen Frau auf die Goldfelder zieht und seinen Claim absteckt.
Doch schon bald kommt der Tag, an dem auch Murieta das Gold verflucht ...
Kalifornien, goldenes Land, gelobtes Land.
Joaquin Murieta war mit seiner bildschönen blutjungen Frau Annunciata aus Mexiko gekommen, um in Kalifornien nach Gold zu suchen. Er war einundzwanzig Jahre alt, Annunciata siebzehn. Der tollkühne junge Peon und Zureiter hatte die Tochter eines reichen und eingebildeten Hacienderos für sich erobert, ihr Herz gewonnen. Weil ihre Familie eine Verbindung mit ihm niemals gestattet hätte, waren sie durchgebrannt.
Ein Padre hatte sie kurz darauf getraut, seitdem waren sie Mann und Frau. Sie liebten sich leidenschaftlich und voller Glut, wie nur junge heißblütige Menschen es konnten. Sie waren nach Kalifornien gezogen, das erst seit Kurzem von Mexiko abgetrennt war und an die land- und machtgierigen Estados Unidos gefallen war.
In Kalifornien ging alles drunter und drüber, der Umsturz in der Verwaltung dauerte noch an. Seit 1848 bei Sutters Mill Gold gefunden worden war, tobte der Goldrausch. Die Forty-Niners schwärmten ins Land, und auf den Goldfeldern war der Colt das Gesetz.
Böswillige meinten, dort gäbe es mehr heißes Blei zu gewinnen als Gold.
Joaquin Murieta schreckte das nicht. Er vertraute auf seine Kraft, seinen Mut und sein Glück. Er zog mit seiner Frau auf die Goldfelder. Dorthin konnte ihre Familie sie nicht verfolgen. Dafür waren die Zustände zu anarchisch.
Joaquin steckte sich einen Claim ab, hundert Meilen von Sacramento entfernt an einem Bach. Als er dort tatsächlich Gold fand, war das Paar überglücklich.
An diesem Abend schloss Joaquin seine junge Frau in die Arme. Die Sonne ging wie ein feuriger Ball unter. In zarten Pastellfarben angestrahlte Wolken hingen am Himmel.
In größerer Entfernung im Osten sah man die gezackten Gipfel der Sierra Nevada, deren höchste Höhen auch im Sommer mit Schnee bedeckt waren. Joaquin umarmte in dem einsamen kleinen Camp seine Frau.
»Liebste, wir sind vom Glück begünstigt. Schau nur, was ich heute aus dem Bach herausgewaschen habe. Das ist kein Goldstaub, das sind Nuggets, ja, echte Nuggets! Goldkörner, so groß wie das oberste Glied meines Daumens. Es muss eine Goldader oberhalb des Bachs geben, und ich schwöre, ich werde sie finden. Dann kaufe ich dir eine Hazienda, viel größer noch als die deines Vaters. Im San Joaquin Valley lassen wir uns nieder. Das passt, auch ich heiße Joaquin. Wir sind reich und glücklich. Uns gehört die Welt! Fortuna hat ihr Füllhorn über uns ausgeschüttet. Ich bin kein armer Teufel mehr, dem du dein Herz schenktest. Ich bin ja so glücklich, ach, überglücklich, dass ich dir Gut und Geld bieten kann!«
Annunciata war schwarzhaarig, so wie Joaquin. Etwas über mittelgroß war sie, hatte eine vollendete Figur, feste Brüste und einen strammen Po. Selbst in der einfachen Kleidung, einem weißen Leinenkleid, wirkte sie wunderschön.
Sie hatte ein ebenmäßiges Gesicht, volle Lippen, eine kleine Nase und rehbraune, dunkle Augen. Annunciata war der ganze Stolz ihres Vaters Don Alonzo de Santa Maria gewesen. Er hatte sie mit sonst wem verheiraten wollen, dem Sohn eines Gouverneurs oder zumindestens eines Granden seiner Größenordnung.
Es war anders gekommen. Die junge und schöne Annunciata, für mexikanische Verhältnisse im heiratsfähigen Alter, hatte sich Hals über Kopf in den vagabundierenden Zureiter Joaquin verliebt. Auf der Hazienda in Sonora hatte man ihn für so unbedeutend gehalten, dass er nicht einmal seinen Nachnamen hatte nennen müssen.
Joaquin el Gaucho nannte man ihn. Mit seinem Gitarrenspiel, seiner schönen Singstimme und seinem feurigen Blick gewann er das Herz der Hazienderotochter. Da war noch etwas, was sie zueinander hinzog – das Unerklärliche, das einen Mann für eine Frau entflammen ließ und umgekehrt.
Entweder es passierte, oder es passierte nicht. Joaquin und Annunciata hatte der Sturm der Gefühle hingerissen. Verstandesmäßig wussten sie, dass es Wahnsinn war, eine feste Bindung haben zu wollen. Zwei, drei Nächte und Liebe im Geheimen hätten sie sich stehlen können.
Doch das wollten sie nicht. Sie gehörten zusammen, durch ein unauflösliches Band verknüpft, das nur der Tod trennen konnte. Also flohen sie aus Sonora. Annunciata hatte klaglos mit Joaquin Entbehrungen und Strapazen ertragen. Sie liebte ihn dafür nur noch mehr.
Jetzt sagte sie: »Ich brauche keine Goldmine und keinen Schatz, Liebster. Wenn ich nur dich habe, wenn wir nur zusammen sind! Barfuß würde ich für dich betteln gehen und dir bis ans Ende der Welt folgen.«
»Mi amor, das brauchst du nicht. Ich habe gelitten, als ich dir nicht den gewohnten Luxus bieten konnte. Als du gearbeitet und gekocht und gewaschen und tüchtig mit angepackt hast. Mit mir unter freiem Himmel geschlafen hast. Einfache karge Kost gekocht und gegessen hast.«
Annunciata lachte silberhell.
»Was soll dabei schon sein? Andere tun das auch. Viele, sogar die meisten.«
»Aber du bist die Tochter eines Hidalgos. Mit einem goldenen Löffel im Mund geboren. Du hast Besseres verdient als Strapazen, Not und Gefahr.«
Annunciata zog Joaquin am Kochfeuer neben dem kleinen Zelt an sich. Sie küsste ihn, führte seine Hand an ihre Brust.
»Was redest du da? Ich habe dich, das bedeutet mir mehr als Gold und Silber. Spürst du, wie mein Herz für dich schlägt?«
Joaquin fühlte allerdings ihren Herzschlag. Er spürte auch ihre reizvolle, schöne Brust und wurde erregt. Annunciata reizte ihn immer und törnte ihn sexuell an. Selbst wenn sie in einen unförmigen Sack gekleidet und vollkommen verhüllt gewesen wäre, hätte sie seine Hormone noch auf Hochtouren gebracht.
Das wusste sie, ihr ging es genauso. Sie waren einander verfallen. Joaquin erwiderte ihren Kuss.
Dann sagte er schelmisch: »Gold und Silber sind nicht verkehrt. Lieber reich und gesund als arm und krank sagte mein Großvater selig. Wir werden ein schönes Leben haben.«
Die Zärtlichkeiten wurden stürmischer. Joaquin fasste Annunciata in den Ausschnitt und unter das Kleid. Sie waren allein an dem Bach. Meilenweit war es bis zu dem nächsten Claim.
Der junge Mann zog Annunciata das Kleid von den Schultern. Mit einem begeisterten Laut schaute er ihre schönen Brüste an, umfasste und streichelte sie. Annunciata war feucht in ihrer Lustgrotte. Doch sie hatte mehr Verstand und Zurückhaltung als Joaquin.
»Warte, ich muss mich ums Essen kümmern. Sonst brennen mir dir Frijoles an. Nachher können wir uns lieben.«
»Ich will keine Bohnen mit Speck und Tomaten ...« Allerlei Gewürze gehörten auch noch dazu. »... ich will dich. Jetzt sofort, auf der Stelle, oder ich drehe durch. Du Liebe, du Süße, du Wundervolle! Für mich bist du die schönste Frau auf der Welt.«
»Wie willst du das denn beurteilen können? Du kennst sie doch gar nicht alle. Lass mich, gedulde dich. Sonst habe ich mir die ganze Mühe mit dem Essen vergebens gemacht. Angebrannte Frijoles schmecken abscheulich.«
Annunciata entwand sich ihm. Joaquin verfolgte sie um das Feuer. Doch schließlich nahm er hin, dass zuerst mal gegessen werden sollte. Mit trockenem Hals und einem steinharten Schwanz in der Hose sah er zu, wie Annunciata das Gericht in der hochrandigen Pfanne abschmeckte.
Sie gab eine Schote Chili-Pfeffer und etwas zerstoßene schwarze Pfefferkörner hinzu, rührte um, schmeckte nochmals ab.
»Etwas Paprika könnten die Frijoles noch vertragen. Doch das haben wir leider nicht. Versuch du sie mal.«
Joaquin nahm den Kochlöffel. Annunciata hatte ihr Kleid wieder hochgezogen. Der weitere Anblick ihrer schönen Brüste hätte Joaquin vollkommen den Verstand geraubt. Dann hätte er sich in seiner Brunst nicht mehr bremsen können und wollen.
Er verdrehte die Augen.
»Hm, wunderbar! Du bist eine fantastische Köchin. Ein Wunder, dass du, die verzärtelte Tochter eines Hazienderos, derart gut kochen kannst.«
»Ich bin nicht verzärtelt«, antwortete Annunciata schnippisch. »Ich wollte nie ein verwöhntes Dämchen sein, das sich und anderen auf den Geist geht. Eine Princesa auf der Erbse. Klar kann ich kochen und anpacken. Warum sollte ich nicht?«
Während Joaquin weiter schwärmte und sie verliebt anschaute, servierte sie das Mahl. Der junge Mann aß, jedoch nicht zu viel. Nach Sex gelüstete es ihm mehr, als sich den Bauch vollzuschlagen.
Nach dem Essen tranken sie ein Glas Wein. Dann klopfte Annunciata Joaquin auf die Finger, als er sie umarmen und flachlegen wollte.
»Zuerst wird abgewaschen.«
»Du bist eine Sadistin. Du quälst mich.«
»Nein, ich bin nur sauber und ordentlich. Keine Schlampe, die alles stehen und liegen lässt.«
Sie wuschen das Geschirr am Bach. Im Corral schnaubten die beiden Pferde und das Maultier. Grillen zirpten am Bach. Es roch nach frischem Gras und nach Blumen. Die Dämmerung kehrte ein.
Dann, endlich, geschah das, was Joaquin schon die ganze Zeit dringend wollte. Doch Annunciata bestand darauf, dass sie dazu ins Zelt gingen. Liebe unter freiem Himmel wollte sie nicht, das gehörte sich nach ihrer Ansicht nicht. Nur der Plebs rammelte in den Ackerfurchen oder hinter einer Hecke.
Im Zelt entkleidete Joaquin seine Liebste. Er war hin und weg. Reizte ihre erogenen Zonen und drang dann nach nicht langer Zeit in sie ein. Annunciata nahm ihn in sich auf, seufzte, spürte seine männliche Kraft und Härte.
Es ging ihr durch und durch, wie er stieß. Sie liebten sich mit aller Inbrunst. Dann blieben sie beieinander liegen. Es sollte nicht bei dem einen Akt bleiben. Sie hatten nur Augen und Ohren füreinander.
Meinten, ihre Liebe würde sie in eine Sphäre befördern, wo sie ganz allein und außerhalb dieser Welt waren. Joaquin spürte Annunciatas samtige Haut, roch ihren speziellen Duft. Labte sich an ihren Reizen. Er war der glücklichste Mann auf der Welt.
Das warnende Schnauben der Pferde im Corral und wie eines davon mit den Hufen stampfte, überhörte er. Den Colt hatte er in Reichweite, die Rifle genauso. Doch das nutzte ihm nichts.
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Joaquin wollte gerade wieder in Annunciata eindringen, als das Zelt über ihnen weggerissen wurde. Kräftige Fäuste besorgten das. Mond- und Sternenlicht schienen auf das nackte Paar.
»Wen haben wir denn da?«, fragte ein hochgewachsener Mann. Selbst bei der Beleuchtung, die nun herrschte, sah man, dass er feuerrotes Haar hatte. Er trug wetterfeste Kleidung, der Witterung angemessen, und hatte eine Hall-Rifle in den Händen. Er war bärtig und wirkte knochenhart und brutal.
Vor dem weggerissenen Zelt und dem entblößten Paar standen sechs bis an die Zähne bewaffnete Kerle. Dass es Halunken und Halsabschneider übelster Sorte waren, hätte selbst ein Blinder mit seinem Krückstock gesehen.
»Na, so was?«, sagte der rothaarige Anführer. »Zwei Mexikaner beim Rammeln, was ihre Lieblingsbeschäftigung ist. Neben Fiesta und Siesta. Haben wir euch gestört, ihr zwei Süßen?«
Annunciata und Joaquin lagen da wie erstarrt. Die junge Frau bedeckte automatisch ihre Blößen mit den Händen.
»Das ist mal ein leckerer Bissen«, sagte einer von den Halunken. »Viel zu schade für den schmierigen Greaser, mit dem sie zusammen ist. Wir nehmen sie uns vor, damit sie mal etwas Richtiges von einem guten Yankee bekommt.«
Er leckte sich über die Lippen. Joaquin war jäh aus seinen Liebesträumen erwacht. Er wusste, was die Glocke geschlagen hatte – das war kein Scherz, den die sechs Männer machten. Er musste sich wehren und Annunciata verteidigen.
Mit Worten war hier nichts auszurichten.
Er musste kämpfen, und das konnte er. Er schnellte sich vom Liebeslager weg zu seinem Revolvergurt mit dem schweren Hartford Dragoon Colt. Damit konnte man einen Stier durch Kopf schießen, und wenn die Kanone donnerte, wurde der Schütze in eine Pulverdampfwolke gehüllt.
Doch der Rothaarige war schneller. Mit seinem großen Fuß und dem Stiefel trat er Joaquin gegen den Kopf. Der junge Mann erreichte weder den Revolver noch die Rifle. Er war benommen, sein Kopf dröhnte. Der Kiefer schmerzte.
Es stach und schmerzte im Kiefergelenk. Dennoch kroch Joaquin weiter auf allen vieren auf seinen Revolver im Gürtel über dem Hocker zu. Der Rothaarige rammte ihm den Gewehrkolben ins Genick.
Joaquin lag flach. Der Kolbenboden von der Rifle des Rothaarigen war mit Eisen beschlagen. Doch der junge Mann war noch bei sich. Verzweifelt kämpfte er, um bei Bewusstsein zu bleiben.
Ich muss Annunciata aus den Händen dieser Verbrecherbande retten, war sein einziger Gedanke. Ich muss. Wie er das machen sollte, wusste er nicht.
Rote und dunkle Nebel umwallten ihn. Doch er hörte noch, wie Annunciata schrie. Dann vernahm er das klatschende Geräusch eines Schlags.
»Die kleine Schnalle hat mich gebissen«, vernahm er wie von fern eine Männerstimme. »Der werden wir es besorgen. Erschieß den Typ, Red Fox. Mit dem machen wir kurzen Prozess. Seine Liebste gehört uns.«
»Seinen Claim übernehmen wir!«, rief ein anderer. »Unmöglich, dass ein schmieriger Greaser so eine bildhübsche Frau hat und auch noch Gold findet. Aber das ändert sich jetzt. Zu viel Glück kann Unglück bedeuten.«
Der Mordbrenner lachte heiser.
»Erschieß ihn, Red Fox.«
»Wozu Pulver und Blei verschwenden?« Das war der Rothaarige, der da sprach. »Ich schlage ihm den Schädel ein. Jetzt. Haltet das Girl fest. Ich werde den Anfang machen bei ihr. Ich bin euer Anführer.«
»Ich habe den Claim ausspioniert.«
»Schnauze. Ich bin der Boss.«
Der Gewehrkolben krachte gegen Joaquins Schädel. Es wurde dunkel um ihn.
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»Der ist hin«, sagte der Rothaarige.
Mittlerweile hatten seine Kumpane eine Laterne angezündet. Annunciata wand sich schluchzend in ihrem Griff. Sie flehte um Gnade und stieß damit auf taube Ohren.
Joaquin lag reglos am Boden. Um seinen Kopf breitete sich eine Blutlache aus. Red Fox war sicher, ihm den Schädel zertrümmert zu haben. Er wischte den blutbefleckten Kolbenboden seines Hall-Hinterladers an einem Tuchfetzen ab.
Dann lehnte er die Rifle an die Zeltwand und knöpfte Gürtel und Hose auf. Gierig betrachtete er Annunciatas nackten Körper.
»Jetzt kommen wir zum erfreulichen Teil. Du bekommst noch etwas geboten, bevor du ins Jenseits abwanderst, Schlampe.«
Annunciata versuchte zu verhindern, dass er in sie eindrang. Damit hatte sie keine Chance. Seine Kumpane feuerten Red Fox an und machten obszöne Bemerkungen. Als Red Fox fertig war, kam der nächste an die Reihe.
Es dauerte lange. Die junge Mexikanerin sträubte und wehrte sich nicht mehr. Apathisch ließ sie über sie ergehen, was die Kerle ihr antaten. Es war allerhand, und sie war das Spielzeug für ihre geilen und perversen Wünsche.
Endlich ließen die Männer von ihr ab.
Red Fox beugte sich über sie.
»Haltet sie weiter fest«, befahl er. Zu der Geschändeten sagte er: »Ich habe noch was Spezielles für dich. Das.«
Annunciatas Augen weiteten sich, als sie das Bowiemesser in seiner Hand sah. Er hackte damit auf sie ein. Dann stieß er zu und rammte das Messer bis zum Heft in sie hinein. Er drehte die Klinge um.
Der Schmerz war fürchterlich. Vier starke Männer hatten Mühe, Annunciata niederzuhalten. Bis sie dann endlich ohnmächtig wurde. Der fürchterliche Schmerz raubte ihr die Besinnung, und es war gewiss, dass sie verblutete und starb.
Rod Fox betrachtete die Verstümmelte. Seine Augen waren stumpf und teilnahmslos wie die eines toten Fischs. Die Qualen anderer Menschen konnte er nicht nachempfinden. Doch er genoss sie auf eine perverse Art.
Genauso wie er es genoss, Herr über Leben und Tod zu sein.
Er stand auf. Seine Hände waren voll Blut, und er war blutbespritzt. Wie ein Dämon aus der Hölle sah er aus. Eine Blutlache breitete sich um Annunciata aus.
Selbst Red Fox' Männer, hartgesottene Halunken, waren entsetzt von dem, was er tat. Doch keiner tadelte ihn.
»Wir holen jetzt unsere Sachen aus dem Lager und bringen alles hierher«, sagte er. »Wir nehmen diesen Claim im Besitz.«
»Was ist mit den beiden?«, fragte einer, ein Schwarzbart mit stechenden Augen.
Er hatte Joaquin und Annunciata im Auftrag von Red Fox ausspioniert.
»Was soll schon mit ihnen sein?«, fragte sein Boss. »Sie sind tot. Wer fragt schon nach zwei Mexikanern in diesen Zeiten? Wir haben den Krieg gewonnen. Mit dem Vertrag von Guadelupe Hidalgo sind riesige Landgebiete an die USA gefallen. Unter anderem Kalifornien. Die Mexikaner sind verachtet. Auf zwei mehr oder weniger von ihnen kommt es nicht an.«
Ein Jahr zuvor, 1848, hatte der Krieg gegen Mexiko für die USA siegreich geendet. Jetzt tobte der kalifornische Goldrausch und war auf seinem Höhepunkt. Der sollte noch lange andauern.
Jeder redliche Amerikaner, und das war die Mehrzahl, hätte sich über Red Fox' Worte und vor allem sein Tun empört. Dass er, der Oberschurke, sich rühmte: Wir haben den Krieg gewonnen – dabei hatte er nur Verbrechen begangen, während andere als Soldaten kämpften und ihr Leben riskierten.
»Wenn wir zurück sind, schmeißen wir die Leichen in den Bach«, sagte Red Fox. »Und beseitigen hier alle Spuren von ihnen. Da hat dieser Narr doch tatsächlich eine Goldader für uns entdeckt. Und seine Braut gab er uns als Zugabe obendrein. Das nenne ich großzügig.«
Nun lachten die Kerle rau. Das Entsetzen, das sie empfanden, als ihr Boss die junge Frau abschlachtete war gewichen. Keiner von ihnen hatte die Spur eines Gewissens. Verroht waren sie, durch und durch verkommen und Abschaum.
Einer fragte Red Fox, ob vielleicht jemand auf dem nächsten Claim oder anderswo etwas gehört hatte. Red Fox beruhigte ihn.
»Der nächste Claim ist weit fort. Geschossen wurde nicht. Die Schreie des Weibs tragen nicht meilenweit. Hier ist außer uns niemand. Lasst uns zu unserem Camp reiten. Bald sind wir wieder zurück. Das war doch ein unterhaltsamer Abend heute. Bin ich nicht ein guter Boss?«
»Doch, ja. Der Beste.«
Die sechs Mörder und Schänder und Claimdiebe verließen den Ort ihrer Schandtaten und Ungeheuerlichkeiten. Ihre Pferde standen ein Stück entfernt in einem Erlengebüsch. Nach einer Weile hörte man sie fortreiten. Der Hufschlag verklang.
Die Sterne glänzten, unberührt von dem, was aus der Erde geschah. Der Mond beschien die Stätte des Grauens. Auch er veränderte sich nicht, verbarg nicht sein Gesicht. Hätte er etwas empfinden können, dann wäre er längst vom Himmel gefallen oder ins Weltall entwichen, um die sich auf der Erde abspielenden Gräuel und all das Elend und Unrecht nicht beleuchten zu müssen.
Schwarz glänzte das vergossene Blut. Irgendwo stand geschrieben, es würde zum Himmel schreien. Doch man hörte es nicht.
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Murieta erwachte nach längerer Zeit. Sein Kopf schmerzte fürchterlich. Am ganzen Körper hatte er Schmerzen. Ein paar der Kerle hatten ihn aus lauter Langeweile getreten, als er angeblich tot dalag, während Annunciata geschändet wurde. Murieta hatte einen Zapfen geronnen Bluts an der Nase hängen.