Jack Slade 930 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 930 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Gerry Holbrook ist der einzige Überlebende eines Massakers, bei dem hundert Soldaten ermordet und ein Armeetransport mit einer Million Dollar und Waffen ausgeraubt wurden. Ihm wird die Schuld in die Schuhe geschoben. Aus der Armee ausgestoßen, als Verräter gebrandmarkt, versucht Holbrook verzweifelt, seine Unschuld zu beweisen und die wahren Täter zu entlarven ...


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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Als Verräter gebrandmarkt

Vorschau

Impressum

AlsVerrätergebrandmarkt

Der junge Lieutenant Gerry Holbrook ist der einzige Überlebende eines Massakers, bei dem hunderte Soldaten ermordet und ein Armeetransport mit einer Million Dollar und Waffen ausgeraubt wurden. Ihm wird die Schuld in die Schuhe geschoben. Aus der Armee ausgestoßen, als Verräter gebrandmarkt, versucht Holbrook verzweifelt, seine Unschuld zu beweisen und die wahren Täter zu entlarven.

Schon bald stößt er in ein Wespennest von Halunken. Die aber stammen alle aus den eigenen Reihen der Armee ...

»O mein Gott! Hängt ihn doch endlich auf! Hängt ihn, ich will ihn hängen sehen! Hängt das Schwein auf, den Verräter, den Mörder!«

Fort Webster am Northern Red River barst fast vor Zuschauern. Die gesamte Besatzung war angetreten. Außerdem hatte man für Zivilisten das Tor geöffnet.

Gerry Holbrook, ein junger Lieutenant, sollte öffentlich hingerichtet werden. Der Verräter vom Leech Lake, wie er genannt wurde. Mörder von hundert Kameraden, die einen Armeetransport mit Geldern und Waffen von Duluth westlich in Richtung Fargo begleitet hatten.

Eine Million Dollar hatten zum Transport gehört, Lohngelder der Armee und zivile Gelder für die Banken im Nordwesten. Außerdem Waffen und Munition. Von der Great Western Bank in Fargo hatten die Gelder verteilt werden sollen.

Jetzt hatten die Indianer alles erbeutet, so hieß es. Alle Männer des Armeetransports waren tot, bis auf Gerry Holbrook, den abscheulichen Schuft und Verräter. Jetzt führte man ihn unter den Galgen. Da stand er nun auf der Plattform, fast zwei Meter groß, blond, mit kantigem Kinn und stahlblauen Augen.

Ein Bild von einem Mann, ein erstklassiger Soldat, bis er zum Schuft und zum Scheusal wurde.

Die Flagge des Forts westlich des Red River wehte im Herbstwind. Die Jahreszeit war schon fortgeschritten, und bald würde es Unmengen Schnee geben.

Holbrook trug eine Uniform ohne Rangabzeichen, sogar die gelben Streifen an den Hosenbeinen hatte man ihm abgerissen. Er hatte ein blaues Auge und eine geschwollene linke Wange, wo er einem Wachsoldaten angeblich gegen den Gewehrkolben gelaufen war, als er Widerstand leistete. Er hatte auch am Körper, was die Uniform verbarg, Spuren von Misshandlungen.

Die Soldaten hassten ihn bitter. Das ganze Land hasste ihn. Das Militärgericht hatte ihn schuldig gesprochen. Seine Verteidigung – er wäre betäubt gewesen, als das Massaker stattfand – war lächerlich.

»Man hätte ihm etwas in den Kaffee gegeben!«, sagte Maisie Diggs, die Marketendertochter, zu ihren drei Freundinnen, die mit ihr der Hinrichtung beiwohnten.

Sie hatte die Hände auf die Wangen gepresst. Sie war aufgeregt und erregt. Eine Hinrichtung sah man schließlich nicht alle Tage.

»So etwas Lächerliches! Erst nach dem Massaker wäre er wieder aufgewacht. Nacht sei es gewesen. Sein Schädel hätte gebrummt. Die Wagen hätten gebrannt, und alle seine Kameraden seien tot und skalpiert gewesen. Von den Sioux, die restlos besiegt und entweder im Reservat oder in Kanada sind. Das glaubt doch kein Mensch.«

»So ist es. Gerry Holbrook ist der größte Schuft, der je über Gottes Erdboden wandelte«, stimmte ihre beste Freundin ihr zu.

Wie Maisie und die anderen beiden Girls fieberten sie dem Hängen entgegen. Maisie hatte gerade zuvor das mit dem »O mein Gott!« und »Hängen!« gerufen. Sie war ein zartes Geschöpf, hellblond, eher zierlich, mit blassem Teint. Blutrünstig sah sie jedenfalls nicht aus.

Doch in diesem Fall war sie es, wie die gesamte auf den Hängetod des Verräters und Massenmörders gierige Menge.

Gerade wurde die Urteilsbegründung verlesen.

»Das wissen wir doch schon alles«, sagte Sharon Bayswater, die Dritte des Freundinnenquartetts, ungeduldig. »Sie sollen ihm endlich den Strick um den Hals legen. Und ab mit ihm durch die Klappe.«

»Dann bricht er sich das Genick«, bemerkte Dinah McMurphy, die Vierte von den Girls. »Dann ist er sofort tot. Das ist viel zu schade für ihn. Sie sollten ihn baumeln lassen und langsam erwürgen. Das wäre ein Schauspiel. Da würde uns was geboten. Zudem bekommt einer, der auf die Weise gehängt wird, einen Ständer, also ein steifes Glied. Das entgeht uns jetzt.«

»Woher weißt du das?«

»Von meinem Onkel. Der hat mal einen Selbstmörder vom Strick abgeschnitten, und er sagte, das sei allgemein so. Bei der Drosselung der Luftzufuhr staut sich das Blut besonders im Unterleib, und dann ... na, ihr wisst schon.«

Die anderen kicherten.

»Also nein, was hast du für Gedanken, Dinah! Da würde sich bei dem Gehenkten noch mal mächtig die Hose ausbeulen oder gar platzen. Da hat er aber nichts mehr davon.«

Die vier kicherten weiter.

Ein neben ihnen stehender Mann stieß sie an. »Ruhe, was ist da so lustig? Alberne Gänse, benehmt euch. Ich will die Urteilsverkündung hören – und was der Verräter als letztes Wort noch zu sagen hat.«

Die Girls, keine älter als achtzehn, tuschelten nun nur noch miteinander.

»Also, wenn das so ist, dann entgeht uns ja was. Das wäre ein Schauspiel, wenn er da baumelt und mit den Füßen zuckt. Und sein ... ihr wisst schon ... steht steckensteif.«

Sie kicherten wieder und wurden nun auch noch von anderen zur Ruhe ermahnt. Die vier konnten sich kaum noch einkriegen. Immer wieder prusteten sie los. Empörtes Gemurmel erfolgte rundherum.

»Alberne Gören!«

»Haben die was genommen oder getrunken?«

»Die Jugend kennt keine Tugend. Eine Hinrichtung ist eine ernste Sache. Immerhin wird ein Mensch vom Leben zum Tod gebracht, die Seele vom Körper getrennt.«

»Das Schwein dort hat keine Seele. Und wenn, dann fährt sie zur Hölle. Ruhe, er bekommt gleich die Kapuze über den Kopf. Der Geistliche fragt ihn nach seinem letzten Wort.«

Auf der Galgenplattform standen beim Delinquenten der Henker, untersetzt, dunkel gekleidet, so ernst wie der Tod, zudem der Gehilfe, der Fortgeistliche mit der Bibel und mildem Blick, ein Captain – er hatte die Urteilsbegründung verlesen – und ein Master Sergeant.

Letzterer nahm eine stramme Haltung an und presste das Gewehr an die Seite.

»Gerry Holbrook«, sagte der Geistliche, »gleich wirst du vor deinen Schöpfer treten. Gestehst du nun dein Verbrechen? Bereust du? Gott vergibt dem reuigen Sünder.«

»Dem nicht«, ertönte es im Publikum.

Der Captain auf der Plattform forderte lautstark Ruhe.

»Ihr stört die Hinrichtung.«

»Hängt ihn! Hängt das Schwein endlich auf.«

»Ruhe! Sofort!«

Schweigen kehrte ein. Die Zuschauer gafften. Eine Frau in der Menge murmelte: »Ich kann nicht hinsehen!« Sie sah aber genau hin und erschauerte dabei.

Der Geistliche wiederholte seine Frage.

Holbrook antwortete: »Ich habe nichts zu bereuen. Ich bin betäubt worden und kam erst wieder zu mir, als alles vorbei war.«

»Und warum hat man gerade dich verschont?«, rief wer aus der Menge. »Das glaubst du doch selber nicht.«

Der Zwischenruf war nur kurz.

»Dann musst du deine Schuld mit ins Jenseits nehmen«, sagte der Geistliche. »Trotzdem will ich dir einen Bibelvers vorlesen ...«

»Geh weg mit der Bibel!«, herrschte Holbrook ihn an. »Ich bin unschuldig, mehr habe ich nicht zu sagen. Ihr macht euch schuldig, wenn ihr mich hängt. Doch das müsst ihr mit dem da oben ausmachen, wenn es mal bei euch so weit ist. Wenn ihr mich unbedingt aufhängen wollt, tut es. Verdammt sollt ihr alle sein! Die mich verurteilten und auch die Gaffer. Alle, die mir das eingebrockt haben.«

»Du bist ein verstockter Sünder«, sagte der Geistliche. »Captain?«

Der sagte: »Wenn er nichts sagen will, dann soll er es lassen. Henker, tu deine Arbeit.«

Rasch trat der Henker vor. Während sein Gehilfe Holbrook die schwarze Kapuze über den Kopf zog – wozu er sich strecken musste, denn Holbrook war sehr groß –, legte er ihm die Schlinge um den Hals. Fachmännisch zog er sie zu und rückte Holbrook den Henkersknoten unter das linke Ohr.

Der Henkersgehilfe und der Sergeant vergewisserten sich, dass der Todeskandidat exakt auf der Falltür stand.

»Einen Schritt nach links, du Halunke«, zischte der Sergeant. »Oder ich schlage dir voll in die Nieren.«

Holbrook machte den Schritt. Er stand stramm, er hatte die Hände auf den Rücken gefesselt. Die Seillänge hatte der Henker exakt so berechnet, dass Holbrook ein Stück durch die Falltür sauste und dann jäh gebremst wurde.

Der Ruck sollte ihm das Genick brechen. Der Henker, sein Gehilfe und der Sergeant hielten sich bereit, um Holbrook zu stützen, falls seine Knie vorzeitig nachgeben sollten. Holbrook stand aber ruhig. Er zitterte nicht und gab keinen Laut von sich.

Der Henker hatte schon andere Fälle erlebt.

Der Geistliche leierte ein Gebet. Von den Palisaden und vom Dach der Kommandantur flogen Krähen auf. Die Zuschauer hielten den Atem an. Trommelwirbel erschallte.

Der Captain sah den Fortkommandanten an, der inmitten anderer Offiziere vorn in der Zuschauermenge stand. Der nickte.

Der Captain wendete sich an den Henker: »Jetzt.«

Der Henker fasste den Hebel, der die Falltür auslösen sollte. Maisie und ihre Freundinnen seufzten.

Sie stießen ein langgezogenes »Oooooooooooohhh!« aus.

Da knallte ein Schuss.

»Halt! Er ist begnadigt.«

Der Telegrafist des Forts drängte sich durch die Menge. Diese war unruhig, es wurde gerufen, geschrien.

»Was soll das?«

»Hängt ihn! Warum baumelt er denn noch nicht?«

»Ruhe, Ruhe!«, schrien Offiziere und dann auch Soldaten.

Holbrook stand auf der Plattform, die Schlinge um den Hals. Ein kurzes Zittern lief durch seinen Körper. Der Henker, sein Gehilfe, der Captain, der Sergeant und der Geistliche standen da wie vom Donner gerührt. Der Trommelwirbel war verstummt. Die Krähen flogen krächzend über das Fort.

Die Zuschauer waren alle verblüfft. Sie stellten sich Fragen. Maisie Riggs schoss verquererweise durch den Kopf, dass sie nun nie erfahren würde, ob Gerry Holbrook nach dem Erhängen nun noch einen Ständer gehabt hätte oder nicht. Es war ein verdrehter Gedanke, aber so ausgesprochen geil, dass sie sich nur über das männliche Geschlechtsteil in jeder Situation Gedanken gemacht hätte, war Maisie eigentlich nicht.

Sie und ihre Freundinnen – und viele andere Zuschauer, die Mehrzahl, nur manche waren erleichtert – fühlten sich betrogen. Man hatte ihnen ein Schauspiel geraubt, auf das sie ein Anrecht zu haben glaubten. Darauf reagierten sie empört und verärgert.

»Die Armee weiß nicht, was sie will. Was soll das denn?«

Major Blomquist, ein Veteran mit grauschwarzem Bart, nahm das Telegramm, das ihm der Telegrafist brachte. Der entschuldigte sich, dass er geschossen hatte.

»Anders konnte ich die Hinrichtung nicht verhindern. Ich erhielt das Telegramm gerade eben. Ich musste die Hinrichtung stoppen. Es ist meine Pflicht, Befehle unverzüglich auszuführen und weiterzugeben.«

Ein Offizier klopfte ihm auf die Schulter.

»Keiner macht dir einen Vorwurf. Major?«

Der Fortkommandant hatte das Telegramm gelesen. Er senkte es und sah in die Runde.

»Gerry Holbrook ist begnadigt. Das Urteil wird in unehrenhafte Entlassung umgeändert. Er ist nun geächtet und vogelfrei.«

Er atmete tief durch und fuhr fort: »Auspeitschen lasse ich ihn aber. Davon steht nichts in dem Telegramm, das verfüge ich. Unehrenhaft entlassen, mit Zeremoniell, aller Rechte und Ehrenrechte verlustig. Wer ihn tötet, braucht sich dafür nicht zu verantworten. Wer ihm Obdach gewährt oder ihn unterstützt, verfällt der Feme der Gesellschaft.«

»Warum wird er nicht hingerichtet?«, fragten die umstehenden Offiziere.

»Fragt den Innenminister. Er ist dem Fall nachgegangen, auf Betreiben von General Crook. Crook hat interveniert. Mit Rückendeckung des Innenministers und des höchsten Gerichtshofs der USA ist das Todesurteil umgewandelt. Das kommt vom Armeeoberkommando.«

»Warum das denn? Und dann gerade auf Betreiben von Crook, dem Eisernen. Crook ist nicht gerade für Milde bekannt. Wie konnte er das denn tun?«

»Hm.« Der Major räusperte sich. »Holbrook hat unter Crook gedient und sich in Indianerfeldzügen ausgezeichnet. Zuletzt in den Siouxfeldzügen, bei denen vor drei Jahren General Custer mit der 7. Kavallerie am Little Bighorn verhackstückt wurde. Inzwischen ist das Ding ja gegessen – die Sioux und die Cheyenne haben sich alle ergeben. Nur Sitting Bull harrt noch mit einer Schar von Getreuen aus, drüben in Kanada, wohin sie sich zurückzogen. Holbrook erhielt mehrere Orden – für Tapferkeit. Crook hielt große Stücke auf ihn. Er mag ihn noch immer und scheint von seiner Schuld nicht vollständig überzeugt zu sein.«

»Da ist er der Einzige. Was Holbrook in dem Siouxkrieg tat und die Verdienste, die er sich erwarb, ändern nichts an der Tatsache, dass er ein Schuft und Verbrecher ist. Ein Massenmörder, schuldig am Tod von hundert Kameraden. So viel ich von Crook halte«, sagte der Offizier, welcher den Wortführer für das Korps spielte, »in dem Fall liegt er völlig daneben. Eine Million Dollar wurden geraubt, Geld der Armee, hauptsächlich jedoch von Banken, welche die Gelegenheit nutzen wollten, ihre Gelder sicher unter dem Schutz der Armee von Duluth nach Fort Webster zu transportieren. Kisten mit Waffen und Munition. Daran ist Holbrook schuld.«

»Er behauptet das Gegenteil«, äußerte der Major. »Wir kennen alle seine Geschichte. Ihn allein hätten die Mörder verschont, um ihm die Schuld anzuhängen. Damit er als Sündenbock dasteht, der den Transport an die Indianer verriet und auslieferte.«

»Indianer. Die Sioux. Warum sollten sie das tun? Wozu brauchen die Rothäute denn einen Sündenbock, den sie uns vorwerfen können? Das ergibt hinten und vorn keinen Sinn. Er war es, er ist es. Er ist der Schuft und Verräter vom Leech Lake. Er muss hängen. Standesrechtlich erschießen ist viel zu gut für ihn.«

Ein Offizier sagte: »Holbrook lügt. Er wollte überleben, klar, und sich von Sitting Bull einen Anteil für seinen Verrat geben lassen. Deshalb hat er sich diese irre Geschichte ausgedacht. Die Sioux habe die Truppe im Schlaf überrascht und ermordet. Die Wachen sind nachlässig gewesen. So ist es gewesen, nicht anders. Und Holbrook ist daran schuld. Hängt ihn, auf sage ich.«

Major Blomquist faltete das Telegramm zusammen und steckte es in die Jackentasche.

»Befehl ist Befehl!«, schnarrte er. »General Crook sieht das offensichtlich anders. Im Zweifelsfall für den Angeklagten. Holt Holbrook vom Galgen weg. Bringt ihn in die Zelle zurück. Morgen früh wird er ausgestoßen und weggejagt.«

Der Major schaute zu, wie Holbrook auf der Galgenplattform die Schlinge und die Kapuze abgenommen wurden. Unwillkürlich sah er auf den Schritt des Verurteilten. Dort war alles trocken. Es kam schon mal vor, dass sich ein Todeskandidat unter dem Galgen einpinkelte.

Holbrook sah weder erfreut noch überrascht drein. Er verzog keine Miene. Das ist keine Kaltblütigkeit, dachte der Fortkommandant; er hat noch nicht kapiert, dass er weiterleben darf.

Laut sagte er: »Er ist ausgestoßen, geächtet und vogelfrei. In seiner Haut möchte ich nicht stecken. Soweit kann er gar nicht flüchten, dass ihn keiner erkennt. Da müsste er schon auf den Mond gehen. Ihm steht blanker Horror bevor. Er wird sich noch einmal wünschen, er wäre gehängt worden – dann hätte er es hinter sich.«

Ein anderer Offizier sagte: »Der wird in der Freiheit nicht alt. Am Galgen wäre er besser weggekommen.«

So sah es Holbrook es auch.

In der Arrestzelle brütete er dumpf vor sich hin, die mit Handschellen zusammengeschlossenen Arme zwischen den Knien. Er grübelte vor sich hin. Draußen hörte er die Schritte der Wachen. Manchmal redeten sie brummelnd ein paar Worte.

Es war Nacht, und schon lag Schnee in der Luft. Die Männer stampften manchmal auf, um warm zu werden. Oder spuckten Schleim aus.

Die Sterne verhüllten Nebel und Dunst. Der Winter war hart und lang im Nordwesten, wenn Schneestürme heulend in North Dakota und Minnesota über die Prärie fegten und alles Leben erstarren ließen.

Dann sehnte jeder den Frühling herbei, wenn die Bäche murmelten und die Blumen sprossen. Von den Lampen im Fort sickerte schwacher Lichtschein in die Arrestzelle. Eiskalt war es drinnen. Die Zelle zu beheizen, hielt keiner für nötig.

Gerry Holbrook hüllte sich in die fadenscheinige Decke. Bis ins Innerste war ihm kalt. Wieder zermarterte er sich den Kopf und rief sich ins Gedächtnis zurück, was an jenem verhängnisvollen Tag und Abend vor drei Wochen geschah.

Er hatte den Waffen- und Geldtransport kommandiert, er, ein First Lieutenant, der direkt vor der Beförderung zum Captain stand. Das war eine Auszeichnung und zeigte, wie angesehen er war und wieviel Vertrauen man in ihn setzte.

An jenem Abend hatte er seine Mahlzeit aus der Feldküche verzehrt. Das Lager war aufgeschlagen und durch Posten gesichert. Drei Schlutter-Frachtwagen, geländegängig, die je eine Tonne Fracht fassten. Gezogen wurden sie von je sechs Maultieren.

Das Begleitkommando war beritten, man war gut vorangekommen. Es hatte auf dem Weg von Duluth zum Fort Webster auf der Ostseite des Red River, über hundert Meilen von Fargo entfernt, keine Zwischenfälle gegeben. Jemand hatte ihm einen Becher Kaffee gereicht.

Der achtundzwanzigjährige Lieutenant hatte ihn vorsichtig gehalten, um sich nicht die Finger zu verbrennen, und in kleinen Schlucken getrunken. Dann wurden ihm plötzlich die Beine schwer, und er kippte weg, wusste von nichts mehr. Als er erwachte, lag er zugedeckt neben einem niedergebrannten Feuer, den Kopf auf dem Sattel.

Zunächst war ihm die Stille rundum aufgefallen. Eine Ahnung von Unheil. Er hatte den Tod gespürt und gerochen. Sein Kopf schmerzte, und er hatte einen üblen Geschmack im Hals. Fühlte sich sehr benommen. Erst nach einer Weile klärten sich sein Blick und die Sinne. Er sah brennende Wagen, abgeschlachtete Mulis. Die Pferde hatte man weggeführt oder weggetrieben.

Um ihn herum lagen tote Soldaten. Gerry Holbrook hatte sich schwankend erhoben. Sogar seine Stiefel hatte er noch angehabt. Er spürte einen üblen, wattigen Geschmack im Mund, wie feuchte Watte, in der ein verwester Skunk gelegen hatte.

Er war zu dem nahen Bach gewankt und hatte sich mehrfach erbrochen. Dann sah er das Massaker – seine Soldaten, alle tot, viele verstümmelt, skalpiert. Es schien keinen Kampf gegeben zu haben. In den meisten Leichen steckten Pfeile. Schädel waren eingeschlagen, Kehlen durchschnitten.

Starre Augen glotzten den Lieutenant an. Er fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen, kniff sich mehrmals in den Arm und verbrannte sich sogar den linken Handrücken an einem glühenden Ast. Das Bild blieb. Von wachsender Panik getrieben sah Gerry sich alles an.

Die Ladung war weg, die Truhen mit dem Geld, dieser Riesensumme, und die Kisten mit Waffen. Sie mussten mit Packpferden abtransportiert worden sein. Gerry fand auch den Zahlmeister – ihm war der Schädel eingeschlagen worden.

Sein Skalp fehlte. Der Lieutenant sah sich um – er war zutiefst schockiert. Ein so wichtiges Kommando hatte man ihn anvertraut. Und jetzt waren alle tot – der Transport war überfallen und beraubt worden.

Noch drei Wochen später, in der Arrestzelle, zitterte Gerry bei dem bloßen Gedanken und der Erinnerung. Sein Gehirn hatte in jener Nacht quälend langsam gearbeitet. Er hatte dann ein in der Nähe umherirrendes Pferd eingefangen und war im Morgengrauen losgeritten, zum nächsten Armeeposten.

Dort hatte man ihm zuerst nicht geglaubt, was er berichtete, und ihn für geistig gestört und unter Halluzinationen leidend gehalten. Wer sollte sich schon mit einem Transport der Armee mit hundert bewaffneten und kampferfahrenen Soldaten anlegen? Und wie sollten sie alle überwältigt und umgebracht worden sein? Eine so starke Truppe verfügte über eine gewaltige Feuerkraft.