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Sheriff Chad Oliver ist geradezu besessen von dem Gedanken, den wahren Mörder von Allie Simpson zu finden. Ein Mann wurde gehängt - der bis zuletzt seine Unschuld beteuerte.
Chad steht allein gegen alle - die ganze Stadt, die mächtige Big Wheel Ranch. Auch seine launische, flatterhafte, schöne Frau Maisie versteht ihn nicht. Unaufhaltsam geht er seinen Weg - durch die Hölle und wieder zurück ...
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Der Mörder von Allie Simpson
Vorschau
Impressum
Der Mördervon AllieSimpson
Der Sheriff Chad Oliver ist geradezu besessen von dem Gedanken, den wahren Mörder von Allie Simpson zu finden. Ein Mann wurde gehängt – der bis zuletzt seine Unschuld beteuerte.
Chad steht allein gegen alle – die ganze Stadt, die mächtige Big Wheel Ranch. Auch seine launische, flatterhafte, schöne Frau Maisie versteht ihn nicht.
Unaufhaltsam geht Chad seinen Weg – durch die Hölle und wieder zurück ...
»Mein Name ist Tombstone«, sagte der Finsterling im Sheriff's Office von Worland zu Sheriff Chad Oliver. Er hockte sich auf die Schreibtischkante und streckte sein steifes Bein aus. »Das ist mein Gehilfe Ferret. Wir sind hier, um den Mörder der Farmerin Allie Simpson zu finden.«
»Dafür ist Warren Simpson gehängt worden«, erwiderte Chad. »Der jüngere Bruder von Allies Ehemann Kevin. Er hat seine Tat mit dem Leben bezahlt.«
»Bist du sicher, dass du den richtigen Mann dafür aufgehängt hast, Sheriff?«, fragte der Finstere. »Ich bin Kopfgeldjäger, ich jage Verbrecher, wenn es sein muss, bis hoch nach Alaska. In bin der Beste in meinem Job.«
»Dann geh doch nach Alaska.« Chad schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass es knallte. »Runter von meinem Schreibtisch. Stell dich gerade hin, dein Gehilfe auch. Oder setzt euch, das ist mir egal. Jedenfalls fläzt euch hier nicht rum.«
Der Mann, der sich Tombstone nannte, erhob sich quälend langsam. Auf seinen Wink stellte sein Gehilfe zwei Stühle hin. Beide nahmen sie Platz.
Draußen regnete es. Es war ein trüber Morgen, uncharakteristisch für den Monat Mai. Mit dem Eintreten von Tombstone und Ferret schien es im Office düsterer und drückender geworden zu sein.
Die Tür wurde geöffnet. Phil Garvey, Chads Gehilfe, trat ein. Er stutzte.
»Wir haben Besuch? So früh schon? Wer ist das?«
»Ein Grabstein und sein Frettchen«, erwiderte der Sheriff trocken. Denn das bedeuteten die Worte Tombstone und Ferret. »Sie wollen den Mörder von Allie Simpson finden.«
»Da müssen sie auf den Friedhof gehen. Da liegt Warren Simpson, dem du den Hals langgezogen hast. Dem wir dann ... du weißt schon.«
Chad war unangenehm berührt. Er hatte die Hinrichtung des Mörders selbst durchführen müssen. Der staatlich bestellte Henker hatte sich bei einem Ausritt ausgerechnet am Tag vor der Hinrichtung kompliziert das Bein gebrochen. Die Hinrichtung sollte nicht aufgeschoben werden.
Chad hatte sich heftig gesträubt. Schließlich erklärten ihm der Stadtrat und der Richter, dass es seine Pflicht war. Wenn der Henker ausfiel und eine Hinrichtung dringend anstand, mussten der Sheriff oder sein Deputy einspringen.
Chad schauderte es jetzt noch, als er an die Hinrichtung dachte. Er hatte schlagartig einen schalen Geschmack im Mund.
»Glaubt ihr, dass ihr den Richtigen aufgehängt habt?«, fragte der finstere Tombstone.
»Wir sind keine Gläubigen, wir sind Gesetzesbeamte«, erwiderte Chad gröber, als er beabsichtigte. »Die Gläubigen musst du in der Kirche suchen. Ist Tombstone überhaupt dein richtiger Name?«
»Richtig genug. Wir gehen der Sache nach.«
Der Finstere verzog keine Miene. Er lachte wohl nur an Gewittertagen, und dann ging er dazu in den Keller. Kein Funken Humor, dachte der Sheriff.
»Dann geht doch«, sagte er. »Für mich ist der Fall abgeschlossen. Wieso seid ihr überhaupt hier? Wer hat euch beauftragt?«
»Die Farmervereinigung des Great Divide Basin. Kevin Simpson und seine Frau waren angesehene, ehrliche Farmer. Allies Schwager, Kevins Bruder Warren, ein unbescholtener Mann. Er war immer fröhlich und allseits beliebt. Spielte gern Banjo, kannte Kartentricks, mit denen er Kinder und Zuschauer erheiterte. Er betrog beim Spiel allerdings nie. Er spielte auch nie um Geld. Kaum zu glauben, dass er ein solches Verbrechen beging – die Frau seines Bruders vergewaltigte und hinterher ermordete, damit sie nicht gegen ihn aussagen konnte.«
»Man kann in niemanden hineinsehen«, sagte der Deputy und setzte sich auf die hölzerne Bank an der Wand. »Die Beweise waren erdrückend. Warren hatte Kratzer im Gesicht. Bei ihm wurden Allies Ring und ihr Armband gefunden. Außerdem hatte er Blutspuren an den Kleidern. Die Würgemale an Allies Hals stammten von ihm.«
»Würgemale kann jeder anbringen«, sagte Ferret, ein kleiner, hagerer Mann. »Die Kratzer ... Wir kennen die Geschichte. Warren hatte eine Beule am Kopf. Er schwor, er hätte Allie tot und geschändet gefunden, als er vom Feld heimkehrte. Er wäre hinterrücks niedergeschlagen worden. Ein Unbekannter hätte ihm die Verletzungen zugefügt und das Belastungsmaterial untergeschoben.«
»Das hätte ich an seiner Stelle auch geschworen, um meinen Hals aus der Schlinge zu ziehen«, sagte Chad. Trotzdem stießen ihm ein paar Ungereimtheiten auf. »Er floh, ich verfolgte ihn bis in die Absaroka Range, schoss ihn dort an und brachte ihn nach Worland zurück. Hier wurde er vor Gericht gestellt.«
Die letzten Worte des Verurteilten fielen ihm ein: »Sheriff, ich zürne dir nicht. Du tust nur deine Pflicht. Doch wisse, du hängst einen Unschuldigen.«
Unterm Galgen, die Schlinge schon um den Hals, hatte Warren das gesagt.
Er hatte auch noch gesagt: »Ich vergebe dir. Möge auch Gott es tun. Mit deinem Gewissen musst du selbst fertig werden.«
Dann hatte der Sheriff den Hebel umgelegt, der die Falltür öffnete, auf welcher der Verurteilte stand. Dann ... es schauderte ihn heute noch.
Tombstone sagte: »Ja, Warren Simpson floh. Er wusste, dass niemand ihm glauben würde. Mit dem Blut an der Kleidung. Allie Simpson war geschlagen und misshandelt worden, um ihren Widerstand zu brechen. Sie blutete heftig aus Mund und Nase. Dann noch die Kratzer ...«
»Jetzt sag nur nicht, Warren hätte sie sich selbst zugefügt. Oder ein Unbekannter, welcher die Tat verübte und der ihn dann niederschlug. Das Geld, das die Simpsons unter der Feuerstelle vergraben hatten, war verschwunden.«
Chad redete hastig, wie um sich selbst zu überzeugen.
»Hast du es bei Warren gefunden, Sheriff?«, fragte Tombstone.
»Nein.«
»Was sollte er wohl damit gemacht haben? Ausgegeben haben kann er es auf seiner Flucht nicht. Dass er es verschenkte oder vergrub und versteckte, ist nicht anzunehmen. Er rechnete damit, fliehen zu können. Als sich das zerschlug, warum hat er dann das Versteck nicht verraten? Damit hätte er sich wenigstens von einem kleinen Teil seiner Schuld reingewaschen.«
»Das ist eine verzwickte Geschichte«, fand Chad. »Er hoffte wohl bis zuletzt, dass er nicht hängen musste. Hätte er nun aber das Geldversteck verraten, dann hätte er sich belastet.«
»Und als er sicher war, dass er baumeln musste, warum redete er dann nicht? Sondern schwor weiter Stein und Bein, dass er unschuldig war?«
Tombstones Worte rissen in Chad weitere Zweifel auf. Er hatte geglaubt, mit dieser üblen Geschichte fertig zu sein. Die erste Zeit nach der Hinrichtung hatte sie ihm nachts Albträume beschert. Das war besser geworden. Er hatte seine innere Ruhe wiedergefunden.
Und jetzt kam dieser berüchtigte Kopfgeldjäger daher und riss alles wieder auf. Stoisch starrte der Sheriff den Finsteren an.
»Woher soll ich denn das wissen? Warren Simpson wurde überführt und schuldig gesprochen. Seine blutigen Kleider ließ er am Tatort zurück. Er wollte nicht in den von seinem Opfer blutbefleckten Klamotten reiten. Das ist Fakt.«
»Yeah, und den Ring und den Armreif hast du in seiner Satteltasche gefunden. Er nahm sich die Zeit, um sich andere Kleidung anzuziehen. Der Ring und der Reif – wozu brauchte er diesen billigen Tand? Nur um ihn bei sich zu haben und sich damit zu belasten?«, fragte Tombstone mit kalter Logik. »Das Geld hatte er nicht mehr, diese beiden Beweisstücke schon.«
»Er war durcheinander«, sprang der Deputy seinem Vorgesetzten bei. »Er hatte gerade einen Mord begangen. An der Frau seines Bruders, die er begehrte und die ihn abblitzen ließ. Er war in Panik. Er wusste, dass sein Bruder bald von der Feldarbeit heimkommen würde. Den wollte er nicht auch noch umbringen, ihm auch nicht Rede und Antwort stehen. So ist er davongeritten, wie vom Teufel gejagt.«
»Die Zeit, um sich umzuziehen, hatte er aber.«
»Er wird mit der Rückkehr seines Bruders gerechnet haben.«
»Das passt alles nicht zusammen«, antwortete Tombstone. »Am Anfang waren alle gegen ihn, gegen Warren Simpson. Alle Menschen in weitem Umkreis waren geschockt von der Tat. Der Volkszorn konzentrierte sich auf Warren. Man wollte ein Opfer haben. So ist manches übersehen worden. Ihre Nachforschungen waren mangelhaft, Sheriff Oliver. Doch jetzt sind Zweifel aufgetreten. Die Pinkerton Detektei wollte den Fall nicht übernehmen. So beauftragte die Farmergenossenschaft mich und Ferret. Wir werden die Wahrheit herausfinden, ob es dir passt oder nicht, Sheriff.«
Chad sprang auf, zornrot im Gesicht.
»Jetzt reicht es! Ich will nicht, dass ihr hier herumschnüffelt und die Pferde kopfscheu macht. Wir brauchen keine selbsternannten Gesetzeshüter. Wenn es was aufzuklären gibt, tue ich das.« Er fasste die beiden scharf ins Auge. »Verlasst meine Stadt. Es ist neun Uhr vormittags. Um zwölf Uhr mittags will ich euch nicht mehr sehen, oder ich sperre euch ein.«
Seelenruhig erhob sich Tombstone und zog ein Schriftstück unter seinem schwarzen Umhang hervor. Er reichte es Chad.
»Da. Ein Schreiben des Gouverneurs, dass ich im Auftrag der Farmergenossenchaft Ermittlungen anstelle und dazu berechtigt bin. Du kannst mich nicht aus der Stadt jagen, Sheriff. Hinter mir steht der Gouverneur.«
»Er nicht, nur sein Schreiben.« Chad kaute an dem Bissen, der ihm da in den Mund gestopft worden war. »Dann soll es eben sein. Du und dein Frettchen, tut, was ihr nicht lassen könnt. Aber ich warne euch. Wenn ihr Ärger macht, sperre ich euch ein.«
Tombstone grinste, wenn man das Verziehen seines hartlippigen Mundes so interpretieren wollte.
»Das sind schon ganz andere Töne, Sheriff. Die Deutlichkeit nehme ich dir nicht übel. Es passt niemandem, wenn man ihm so schwerwiegende Versäumnisse und Fehler nachweist. Doch für seine Fehler muss man geradestehen, das ist nun mal so. Drei Menschen kamen ums Leben. Eine ganze Familie ist ausgelöscht worden. Und an mir liegt es nun, für Gerechtigkeit zu sorgen.«
»Arme Gerechtigkeit«, entfuhr es Chad. »Raus jetzt. Ihr verpestet die Luft, ihr zwei.«
»Das will ich nicht gehört haben, Sheriff.«
Mit diesen Worten humpelte Tombstone hinaus. Ferret warf in der Tür noch einen tückischen Blick zurück und schloss sie dann leise und sorgfältig. Das machte mehr Eindruck, als wenn er sie zugeworfen hätte.
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Chad ließ sich schwer auf den Stuhl fallen. Er fuhr sich über die Stirn.
»Nimmt dieser Albtraum denn nie ein Ende?«
Sein Deputy legte ihm die Hand auf die Schulter.
»Wir haben das Richtige getan, Chad. Es musste sein. Diese Farmer müssen verrückt geworden sein, einen berüchtigten Killer und Kopfgeldjäger wie Tombstone anzuheuern, um den alten Dreck wieder aufzuwühlen. Um alte Wunden aufzureißen und neue zu schlagen. Wir sollten zu Thor Wyman gehen, das ist der Sprecher und Vorsitzende der Farmergenossenschaft, und ihn dazu bringen, Tombstone von seinem Auftrag zu entbinden.«
»Ja, das sollten wir.«
»Das sind zwei üble Figuren. Hast du gesehen, dass Tombstone außer dem Colt noch einen Schrotschießer an seinem Gürtel trägt? Und dass Ferret ein Wurfmesser in der Nackenscheide hat?«
»Klar habe ich das gesehen.«
Chad Oliver war groß und schlank, dabei muskulös, neunundzwanzig Jahre alt und seit fünf Jahren Sheriff von Worland und dem dazugehörigen County. Er hatte dunkles Haar, graue Augen, war glattrasiert und trug legere Kleidung. Jeans, Boots, Hemd, Weste und Halstuch. Er wirkte sonst kühl und gelassen.
Jetzt war er aufgeregt. Er war schnell mit dem Colt, ein erstklassiger Reiter, zäh und ausdauernd. Er war mit der Tochter des Großranchers Dag Johnson verheiratet, auch Iron Dag genannt, dessen Ranch sich bis zum Powder River erstreckte. Tausende von Quadratmeilen und zigtausend Rinder auf der Weide.
Dag Johnson lieferte Rindfleisch an die Schlachthöfe von Chicago und nach Montana in die Goldfelder. Er hatte außer der Tochter einen Sohn, Elroy, genannt Boy Johnson, was er nicht gern hörte. Der Vormann von Dag Johnsons harter und zahlreicher Crew hieß Walt ›Tornado‹ Hunnegan.
Maisie, Dag Johnsons verwöhnte Tochter, hatte am Sheriff von Worland, einem Frauentyp, einen Narren gefressen. Sie hatte ihn erobern und haben müssen, um alle anderen aus dem Feld zu schlagen. Nach ein paar stürmischen Wochen hatten sie vor zwei Jahren geheiratet, zum Entsetzen von Maisies Vater und ihres Bruders und dem Erstaunen des ganzen Counties.
Keiner hatte geglaubt, dass Chad Oliver, der Womanizer, sich an die Kandare legen lassen würde. Im Hafen der Ehe hatte man ihn sich so gut vorstellen können wie einen Hai im Goldfischbecken.
Zur Verwunderung seiner vorher zahlreichen Geliebten war er jedoch seit dem Zeitpunkt der Eheschließung absolut treu. Es wurde allerdings gemunkelt, in der jungen Ehe würde es kriseln. Maisie war einen sehr gehobenen Lebensstandard gewöhnt und Chad Oliver ein stolzer Mann, der keine Unterstützung von ihrem Vater annehmen wollte. Er stand strikt auf der Seite des Gesetzes, ohne Ansehen der Person.
Er war nicht käuflich und auch nicht bestechlich.
Der Deputy Phil Garvey war fünf Jahre älter als der Sheriff. Ein untersetzter, rothaariger, kräftiger und eher gemütlicher Typ, wenn man ihn nicht in Rage brachte. Er neidete es Chad nicht, dass der den Posten erhielt. Obwohl erhebliche Einnahmen damit verbunden waren. Der Sheriff kassierte auch die Steuern und führte sie an den Staat ab.
Dafür erhielt er einen Anteil von zwei Prozent.
Garvey zog es vor, der zweite Mann zu bleiben – an Chad blieb die Verantwortung hängen. Er musste den Kopf dafür hinhalten, wenn etwas schief lief oder passierte. Zudem war er entschlussfreudiger als der manchmal träge Phil Garvey.
Garvey war mit einer biederen, hausbackenen Frau verheiratet und hatte zwei kleine Kinder. Chads Ehe war bisher kinderlos, obwohl er sich redlich bemühte, Nachwuchs zu schaffen. Irgendwie klappte es nicht mit der Schwangerschaft – ein Kind, wie er hoffte, hätte das Verhältnis zu seinem Schwiegervater positiv verändert.
Dag Johnson ließ im vertrauten Kreis schon mal Bemerkungen fallen wie: »Dieser Sternträger – ein armer Schlucker und sturer Gesetzesvertreter. Plagt sich in einem minderwertigen Job und schlägt sich mit Gesindel herum. Kinder kann er auch keine machen.«
Chad starrte an die Wand. Doch er nahm sie nicht bewusst wahr. Er dachte an die Hinrichtung von Warren Simpson, an das, was sich dabei abgespielt hatte. Die Szenen würde er nicht vergessen, so lange er lebte. Und er dachte an Kevin Simpson, den Ehemann der ermordeten Allie.
Erst nach einer Weile hörte er wieder bewusst, was sein Deputy redete.
»Wenn ich Tombstone im Dunklen begegnete, würde ich mich fürchten.«
Chad grinste schwach.
»Um dir Angst zu machen, bedarf es nicht viel. Was geschehen ist, ist geschehen. Reite mal raus zu der Farm von Joe Hendricks. Er hat Anzeige erstattet. Wegen Hühnerdiebstahl.«
»Und da soll ich ermitteln? Das sind dreißig Meilen zu reiten.«
»Das spielt keine Rolle. Gesetz ist Gesetz. Die Hendricks-Farm gehört zu unserem County. Wir müssen dem nachgehen. Ein Diebstahl ist angezeigt worden.«
»Von Hühnern. Wer stiehlt denn hier Hühner? Ein Hobo vielleicht, ein Landstreicher. Und dann noch gleich drei!«
»Vielleicht waren es drei Landstreicher. Oder ein Fuchs, der seine Beute verschleppte. Für schlechte Zeiten. Füchse sind schlau. Auf jeden Fall müssen wir dem nachgehen. Hendricks hat Anzeige erstattet. Er kam extra in die Stadt. Well, einkaufen wollte er auch. Wir haben unsere Vorschriften. Eine Anzeige kann ich nicht einfach unter den Tisch fallen lassen. Du musst hinreiten und dir die Sache anschauen.«
»Muss ich das?«, fragte Garvey bockig. »Dann komme ich erst morgen zurück. Ich habe nämlich keine Lust, mir den Arsch wundzureiten, damit ich die Strecke hin und zurück an einem Tag schaffe. Auf der Hendricks-Farm habe ich ja auch noch zu tun.«
»Dann übernachte halt dort.«
»Hendricks wird mir in seiner Nissenhütte kein Quartier anbieten. Abgesehen davon, dass ich dort sowieso nicht übernachten möchte. Ich will weder Läuse und Flöhe noch die Krätze kriegen.«
»Dann schlafe im Heuschober oder unter freiem Himmel.«
»In Worland wird's Ärger geben, das spüre ich. Mit Tombstone und diesem hinterhältigen Ferret ist nicht zu spaßen. Klar werden die Ärger machen.«
»Damit werde ich schon fertig. Gehst du jetzt oder nicht? Reitest du – ja oder nein?«
»Okay, ich bin ja schon weg. Sechzig Meilen reiten wegen dreier Hühner! Ich wette, das ist ein Fuchs gewesen. Soll ich den festnehmen, wenn ich ihn finde? Oder wie wird er bestraft?«
»Erschieß ihn.«
»Die Todesstrafe wegen dreier Hühner? Das ist nicht gerecht.«
Damit ging Garvey hinaus. Chads Laune war etwas besser. Die dunklen Bilder plagten ihn nicht mehr so intensiv. Worland und das Washakie County waren nicht gerade als pulverdampfgeschwängerte Höhepunkte der Kriminalität bekannt. Dort ging es seit vielen Jahren ruhig zu, oder es war ruhig zugegangen.
Deshalb war es für die Einwohner von Worland und die Menschen im County ein übler Schock gewesen, als Allie Simpson überfallen, vergewaltigt und ermordet wurde. Drei Monate war das nun her. Es war kalt gewesen, Schnee hatte keiner gelegen.
Keiner im Washakie County hatte sich vorstellen können, dass ausgerechnet hier in dieser friedlichen, verschlafenen Gegend so etwas passieren würde. Und doch war es geschehen.
Jetzt stand wieder Ärger ins Haus.
Der Vormittag verging ohne besondere Vorkommnisse. Chad ging in der Mittagszeit im Restaurant essen. Er hätte zu Hause essen können, doch Kochen war nicht das Ding seiner hübschen jungen Frau. Maisie hasste die Hausarbeit, und sie war schlampig. Chad hatte sich an einen unordentlich, vielmehr chaotisch geführten Haushalt gewöhnen müssen – vielmehr hatte er sich nicht daran gewöhnt.
Maisie wollte unbedingt, dass er ein Dienstmädchen nahm. Sie hatte ihm ein paar vorgestellt, doch Chad hatte sie alle abgelehnt. Zu Hause auf der Ranch ihres Vaters hatte die hübsche blonde Maisie nie einen Finger rühren müssen, was den Haushalt betraf – sie war überhaupt durch und durch verwöhnt.
Eine Prinzessin auf der Erbse. Sie weigerte sich strikt, im Haushalt mehr anzufassen, als sie unbedingt musste. Schon eine Tasse zu spülen, empfand sie als Zumutung. Chad hätte nun von seinem Gehalt durchaus ein Dienstmädchen bezahlen können.
Doch das verweigerte er aus Prinzip. Wenn Maisie die ganze Zeit zu Hause war, konnte sie auch den Haushalt führen, war seine Meinung. Von Iron Dag, Maisies Vater, wollte Chad keine Unterstützung annehmen. Das kam für ihn nicht in Frage.
Der Großrancher hätte ihm, was Chad nicht wusste, auch keine gegeben. Hämisch wartete der Alte ab und verfolgte die Entwicklung dieser Ehe. Er hoffte und rechnete damit, dass seine verwöhnte Tochter bald erkennen würde, in welch stachliges und unbequemes Nest sie sich gesetzt hatte.
Dann, dachte er, würde sie wieder zu ihm zurückkehren, ihm vorjammern, wie schlecht und wie rücksichtslos ihr Mann sie behandelte und wie ungern sie von ihm abhängig war. Dass ihr Vater sie einengte und kontrollierte, hatte Maisie missfallen. Auch wie er sie herumkommandierte, wenn es ihm passte. Für Iron Dag gab es zwei Sorten von Meinungen – seine, die war immer richtig, und andere, die waren falsch.