Jack Slade 938 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 938 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Nachdem eine Streife der US-Kavallerie ein Indianerdorf überfallen hat, bringen die Soldaten eine weiße Frau zurück in ihr Fort. Morningstar, wie sie sich nennt, hat angeblich ihr ganzes Leben bei den Indianern verbracht und findet sich in ihrer neuen Umwelt nicht zurecht. Der Soldat Dan Woodcock ist der Einzige, der Mitleid mit ihr hat. Doch um ihren Wunsch zu erfüllen und sie heimlich zurück zu den Indianern zu bringen, muss er desertieren und sich selbst in größte Gefahr begeben ...


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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Dan und die blonde Squaw

Vorschau

Impressum

Dan und die blonde Squaw

Nachdem eine Streife der US-Kavallerie ein Indianerdorf überfallen hat, bringen die Soldaten eine weiße Frau zurück in ihr Fort. Morningstar, wie sie sich nennt, hat angeblich ihr ganzes Leben bei den Indianern verbracht und findet sich in ihrer neuen Umwelt nicht zurecht. Der Soldat Dan Woodcock ist der Einzige, der Mitleid mit ihr hat. Doch um ihren Wunsch zu erfüllen und sie heimlich zurück zu den Indianern zu bringen, muss er desertieren und sich selbst in allergrößte Gefahr begeben ...

Dan Woodcock hielt am Tor Wache, als Captain Smolett mit seiner Doppelpatrouille ins Fort zurückkam. Er begriff sofort, dass es einen Kampf mit feindlichen Indianern gegeben hatte. Erschöpft und mit ernsten Gesichtern saßen die Soldaten auf ihren mit Staub bedeckten Pferden. Etliche von ihnen trugen blutgetränkte Verbände, und einer lag quer über dem Sattel und schien tot zu sein, denn sein Kopf pendelte haltlos hin und her.

Inmitten der Zweierreihen war eine Gefangene zu erkennen. Mit gefesselten Händen saß sie auf einem bunt gefleckten Mustang und blickte starr geradeaus. Aber es war keine Indianerin; obwohl sie wie eine solche gekleidet war, erkannte Dan Woodcock überrascht, dass sie eine Weiße war.

Es war eine junge Frau mit hellblonden Haaren, die in einer wilden Mähne auf ihre Schultern herabfielen. Ihr hübsches Gesicht, aus dem blaue Augen leuchteten, war von der Sonne dunkel gebräunt. Allem Anschein nach hatte sie eine höchst aufregende Figur.

Ohne den salutierenden Corporal zu beachten, ritt Captain Smolett an ihm vorbei durch das Tor und weiter über das Paradefeld zum Kommandanturgebäude, vor dem er den müden Haufen an Blauröcken anhalten ließ.

Noch hatte sich der von den Hufen aufgewirbelte Staub nicht gelegt, als Colonel McNully, von seinem Adjudanten begleitet, ins Freie trat. Ulysses McNully war der Kommandant des Forts – ein stämmiger Mann mit eisgrauem Backenbart und buschigen Brauen über scharf blickenden Augen.

Captain Smolett salutierte und schlug die Hacken zusammen. Dann rief er mit harter, weithin vernehmbarer Stimme: »Melde mich mit meinen Leuten von einem erfolgreich durchgeführten Einsatz zurück, Sir. Sind am Beaver Creek auf ein Lager der Brule Sioux gestoßen. Es kam zu einem heftigen Scharmützel, bei dem ein Dutzend Indianer getötet wurden. Ein Soldat verlor sein Leben, sieben weitere wurden verwundet, Sir. Gefangene wurden keine gemacht. Haben bei dieser Gelegenheit eine weiße Frau aus der Gewalt der Rothäute befreit. Das wäre im Moment alles, Sir.«

»Danke, Captain.« Der Blick des Kommandanten wanderte zu der auf dem Mustang sitzenden Blondine, deren hübsches Gesicht keine Erleichterung zeigte. Eher das Gegenteil war der Fall. Ihre Miene verriet eine Mischung aus Verzweiflung und Trotz.

»Warum ist sie gefesselt?«, fragte er.

»Weil sie nicht mitkommen wollte, Sir«, antwortete Smolett. »Sie hat Widerstand geleistet, weshalb wir Gewalt anwenden mussten. Offenbar steckt sie mit den Rothäuten unter einer Decke. Ich würde sie daher eher als Gefangene bezeichnen, als ein befreites Opfer der Roten. Soll ich sie in den Arrest bringen lassen, Sir?«

»Nein, Captain.« Der Colonel schüttelte leicht den Kopf. Dann befahl er mit seiner sonoren Stimme: »Lassen Sie die Verwundeten zum Sanitäter bringen, Captain. Die Mannschaft soll sich in ihre Quartiere begeben. In einer Stunde erwarte ich von Ihnen einen ausführlichen Bericht.«

»Zu Befehl, Sir«, schnarrte Smolett und salutierte erneut vor seinem Vorgesetzten. »Nur eine Frage noch, Sir. Was soll mit dieser Frauensperson geschehen?«

»Um die werde ich mich persönlich kümmern«, antwortete der Fortkommandant und wandte sich an seinen Adjudanten. »Helfen Sie der Frau beim Absteigen, Kadett Tanner!«

»Jawohl, Colonel!« Der angehende Offizier holte die Gefangene vom Pferd und führte sie am Arm ins Kommandanturgebäude. Sie wehrte sich nicht dagegen, gab aber ein gereiztes Zischen von sich, das ihren Unwillen verriet.

»Keine Angst, Miss«, versuchte Tanner, die Frau zu beruhigen.

»Kommen Sie, kommen Sie nur! Hier sind Sie in Sicherheit.«

Die Blondine wurde in die Kommandantur gebracht, wo der Colonel sie von ihren Fesseln befreite.

Hier in diesem Raum, dessen Wände mit alten Waffen, dem Sternenbanner und einem Bild von Abraham Lincoln geschmückt waren, unterzog er sie einer eingehenden Musterung. Und er sah vor sich eine Frau, die nicht älter als fünfundzwanzig sein konnte. Wahrscheinlich war sie noch jünger. Sie trug ein mit Perlenstickereien und Stachelschweinborsten verziertes und mit Fransen besetztes Wildlederkleid und halbhohe Mokassinstiefel. Ihr blondes Haar war von der Sonne gebleicht und von roten Bändern durchflochten.

Ihr Kleid wies eingetrocknete Blutflecken auf. Die Blonde schien aber nicht verletzt zu sein. Offenbar stammte das Blut von einer anderen Person.

»Ich bin Colonel McNully und befehlige dieses Fort«, stellte der altgediente Offizier sich vor. »Wie darf ich Sie ansprechen, Ma'am?«

Die Blonde schien seine Frage nicht verstanden zu haben, denn sie reagierte in keiner Weise. Auch McNullys nächster Versuch, mit ihr zu einer Verständigung zu kommen, schlug fehl. Die Blonde schüttelte nur den Kopf und schaute ihn verständnislos an.

»Sie verstehen mich anscheinend nicht«, sagte er. »Sprechen Sie denn kein Englisch?«

Wieder blieb die junge Frau stumm.

»Vielleicht versteht sie Spanisch«, sagte der Adjudant. »Ich beherrsche von dieser Sprache einige Brocken, denn ich habe längere Zeit unten im Süden gelebt. Soll ich versuchen, die junge Lady zum Reden zu bringen, Sir?«

»Tun Sie das!«, antwortete McNully und nickte.

Da versuchte der Adjudant sein Glück. Aber auch sein Bemühen, sich mit der Blonden zu verständigen, brachte keinen Erfolg. Es kamen lediglich ein paar indianische Worte aus ihrem hübsch geformten Mund, in dem zwei weiße Zahnreihen schimmerten.

»Bedaure, Sir«, meinte der Adjudant enttäuscht. »Stumm ist die Lady zwar nicht, aber sie versteht leider auch kein Spanisch.«

Da ließ der Colonel einen Dolmetscher holen. Rule Sparks war ein Halbblut und bei den Sioux aufgewachsen. Daher beherrschte er ihre kehlige Sprache perfekt. Schief grinsend betrat der dunkelhaarige, gefährlich wirkende Mann, der für die Armee als Scout arbeitete, die Kommandantur.

Jetzt war er es, der an die junge Frau Fragen stellte, und sie antwortete darauf nach kurzem Zögern im Sioux-Dialekt. Angeblich hatte sie schon immer, seit sie denken konnte, bei den Indianern gelebt. Sie konnte sich weder an eine Entführung noch an eine weiße Mutter erinnern, die sie aber gehabt haben musste.

»Sie heißt Morningstar«, berichtete der Halbblutmann. »Ihr Alter beträgt zwanzig Sommer, vielleicht auch einige mehr. Sie möchte, dass man ihr die Freiheit zurückgibt.«

»Damit sie zu ihrem Stamm zurückkehrt, den barbarischen Brule? Das kommt nicht infrage!«, rief McNully. »Sagen Sie ihr, dass sie von nun an bei den Weißen leben wird.«

Der Scout übersetzte wieder, worauf das Gesicht der Blonden einen bekümmerten Ausdruck annahm. Dass sie sich in der Gesellschaft weißer Menschen befand, schien ihr gar nicht zu gefallen. Sie fühlte sich unter ihnen offenbar fremd.

Ehe man weiter in sie dringen konnte, rief eine weibliche Stimme: »Quält das arme Ding doch nicht mit neugierigen Fragen! Habt Mitleid mit ihr!«

In der offenen Tür stand Hester McNully, die rundliche Gemahlin des Fortkommandanten. Sie war unbemerkt eingetreten und hatte der Unterhaltung schon eine Weile zugehört.

»Merkst du denn nicht, dass sie völlig erschöpft ist, Ulysses?«, fuhr sie nun vorwurfsvoll fort. »Was muss die Arme wohl durchgemacht haben? Sie braucht jetzt kein peinliches Verhör, sondern menschliche Zuwendung.«

Ohne auf eine Entgegnung ihres Mannes zu warten, trat sie näher und musterte die Blonde voller Besorgnis.

»Ist sie verletzt?«, fragte sie.

»Nein, ich glaube nicht«, antwortete der Colonel.

»Woher stammte dann das Blut an ihrem Kleid?«

»Das will sie nicht sagen. Es ist auch egal. Bitte, misch dich hier nicht ein.«

»Und ob ich das tue!«, rief Hester McNully energisch. »Denn hier geht es um eine weiße Frau, die offensichtlich Hilfe braucht, die Hilfe einer anderen Frau, die nicht so herzlos ist wie ihr Männer. Ich werde dafür sorgen, dass sie diese Zuwendung bekommt. Das Wichtigste dürfte im Moment aber sein, dass sie etwas zu essen kriegt, denn sie sieht halb verhungert aus.«

Von einem plötzlichen Impuls gesteuert, nahm sie die Blonde an der Hand und sagte zu ihr mit einem freundlichen Lächeln: »Kommen Sie mit mir, Miss, ich kümmere mich um Sie!«

Ohne den Protest ihres Mannes zu beachten, führte sie die Blonde in ihre Privatwohnung. Die Squaw mit den blonden Haaren folgte ihr bereitwillig.

Als Dan Woodcock an diesem Abend seine Uniform auszog, musste er daran denken, dass er sie bald für immer ablegen würde, denn seine Militärzeit neigte sich dem Ende zu. Inzwischen konnte er die Tage, die er noch bei der Kavallerie dienen würde, fast an seinen Fingern abzählen. Zwei Wochen noch, dann würde er wieder ein Zivilist sein, ein freier Mann, der selbst über sich bestimmen konnte.

Er hatte es in den vier Jahren, die er bei der Armee war, nur bis zum Corporal gebracht, denn er war kein sehr pflichtbewusster Soldat gewesen. Zwar war er, was das Reiten und Schießen betraf, immer einer der Besten gewesen, doch es hatte ihm am nötigen Ehrgeiz gemangelt, um trotz Mut und Tapferkeit weiterzukommen. Dan hatte einfach zu oft über die Stränge geschlagen, war zweimal sogar degradiert worden. Das verdankte er in erster Linie Captain Smolett, diesem arroganten, keinen Fehler verzeihenden Affen.

In genau zwei Wochen würde das alles hinter ihm liegen. Dann konnte ihm die Armee den Hobel blasen.

Dan Woodcock war ein schlanker, etwas über mittelgroßer Mann mit dichten braunen Haaren und markanten Gesichtszügen. Dass er eine Menge Körperkraft besaß, zeigte sich, als er jetzt sein verschwitztes Unterhemd auszog. Starke Muskelstränge spielten unter seiner Haut, die nur dort gebräunt war, wo sie der Sonne zugänglich war. Also am Hals, im Gesicht und an den Händen mit den breiten Gelenken.

Dan betrachtete sich im Spiegel und fand, dass wieder eine Rasur nötig war. Wahrscheinlich würde er sich einen Schnurrbart wachsen lassen.

Sein Freund Fred Larkin lag bereits auf seinem eisernen Feldbett, hatte die Augen aber noch offen und blickte nachdenklich zur Zimmerdecke empor. Er hatte an der Strafexpedition gegen die aufrührerischen Brule teilgenommen und dachte jetzt wahrscheinlich an die damit verbundenen Kampfhandlungen.

»Sag mal, Fred, wie war das eigentlich mit der Festnahme dieser weißen Squaw?«, sprach er ihn an.

Fred Larkin, vom Dienstgrad her nur ein einfacher Reiter, drehte sich seitlich herum und schien erst nachdenken zu müssen, ehe er das Wort ergriff, denn er schwieg eine ganze Weile.

Dann jedoch antwortete er: »Wir wussten nicht, dass eine weiße Frau bei den Indianern war. Das begriffen wir erst, als sie aus einem Zelt gestürzt kam und einem von uns das Gewehr entreißen wollte. Da waren die Kampfhandlungen bereits in vollem Gang. Wir hatten das Lager der Roten im Morgengrauen umzingelt und griffen auf Smoletts Befehl hin von allen Seiten an. >Lasst keinen von den roten Hunden entkommen!<, hat er gebrüllt. >Knallt alle ab!< Und so ist es auch geschehen. Doch die Indianer haben verzweifelten Widerstand geleistet, hatten letzten Endes aber keine Chance.«

»Und diese weiße Frau? Nach ihr hab ich dich gefragt«, erinnerte Dan seinen Freund, an dem das Erlebte offenbar nicht spurlos vorüber gegangen war.

»Ach ja«, sagte Fred. »Sie scheint mit einem der Brule-Krieger verheiratet gewesen zu sein. Mit der Befreiung haben wir ihr wohl keinen Gefallen getan.«

»Warum nimmst du das an?«

»Weil sie, obwohl sie weiß ist, zu diesem Stamm gehört. Sie war die Squaw eines Indianers, denn als ein junger Krieger, von mehreren Kugeln getroffen, sterbend zu Boden gestürzt ist, hat sie sich schreiend über ihn geworfen und sein Gesicht mit Küssen bedeckt. Das war wohl ihr Mann. Sie war nur mit Mühe von ihm wegzubringen und hat wie eine Verrückte getobt. Sie hat geschrien und sich wie eine Pumakatze gewehrt. Mein Gott, sie war kaum zu bändigen, sie hat gebissen und gekratzt. So führt sich eine Frau wohl nur dann auf, wenn sie Angst um ihren Geliebten hat.«

Dan legte den Spiegel aus der Hand und setzte sich auf die Bettkante. Das Mannschaftsquartier, das er sich mit sechs anderen Soldaten teilte, wurde von zwei Öllampen spärlich erhellt. Bald schon würde Nachtruhe herrschen.

»Es war keine schöne Sache«, fuhr Larkin von sich aus fort. »Die Brule kämpften wie Löwen, haben auch von uns welche erwischt. Und wir schossen und schossen, dass die Läufe heiß wurden, und machten alle nieder. Nur wenige sind dem Gemetzel entkommen. Nein, es war keine schöne Sache. Glaub mir, Dan, manchmal hasse ich die Armee.«

»Mir geht es nicht anders«, erwiderte Dan. »Das ist auch der Grund, warum ich demnächst auscheide.«

»Du willst also wirklich nicht bleiben?«

»Keinen Tag länger, das steht fest.«

»Du könntest aber befördert werden und künftig mehr Sold kriegen, wenn du dich weiter verpflichtest.«

»Darauf pfeife ich!«, rief Dan entschlossen. »In zwei Wochen wird meine Zugehörigkeit zum 7. Kavallerieregiment der Vergangenheit angehören.«

»Na schön, ich kann dich verstehen. Aber du wirst mir fehlen, Dan. Was wirst du denn machen als Zivilist? Hast du schon Pläne?«

»Ja, Fred, die habe ich. Mir schwebt ein eigenes Stück Land vor, auf dem ich eine Ranch gründen kann. Sie muss nicht groß sein, aber an einem idyllischen Platz liegen. Auf jeden Fall gehe ich weiter nach Westen.«

Fred antwortete nur noch mit einem undeutlichen Gemurmel. Er war eingeschlafen.

Wenig später schloss auch Dan die Augen. Seine Gedanken kehrten wieder zu der hübschen Blondine zurück, die man den Brule-Sioux entrissen hatte. Eine Frau zu bekommen, die so aussah wie sie, das war nach seinem harten und entbehrungsreichen Soldatenleben sein größter Wunsch.

Während sich Colonel McNully in der Kommandantur von Captain Smolett hinsichtlich der Kampfhandlungen am Beaver Creek Einzelheiten berichten ließ, kümmerte sich seine Frau um ihren Schützling.

»Morningstar heißt du also«, sagte sie in dem Bewusstsein, dass sie höchstwahrscheinlich nicht verstanden wurde. »Es ist ein schöner Name, den dir die Sioux gegeben haben. Leider kann ich mir das indianische Wort dafür nicht merken, weil es zu fremd für mich klingt.«

Die Blonde reagierte nicht darauf, blickte stattdessen auf den gefüllten Teller, den die Frau des Kommandanten auf den Tisch gestellt hatte. Er enthielt verlockend riechende Bratkartoffeln, vermischt mit würfelig geschnittenem Speck.

»Iss!«, sagte Hester McNully mit einer einladenden Handbewegung. »Lass es nicht kalt werden!«

Die appetitlich aussehende Mahlzeit ließ der hungrigen Blondine das Wasser im Mund zusammenlaufen. Entschlossen machte sie sich darüber her. Sie ließ das bereit liegende Essbesteck unbeachtet und begann mit Hilfe der Finger zu essen. Ungeniert griff sie zu und schob sich die Brocken in den Mund.

Hester fand das zwar höchst unschicklich, lächelte aber nachsichtig. Die Hauptsache, so dachte sie, ihrem ungewöhnlichen Gast schmeckte es. Die Blonde erinnerte sie an ein scheues Wildtier. Vorsicht und Misstrauen schienen ihr angeboren.

Während sie mit großem Appetit das ihr vorgesetzte Essen verzehrte, wanderte ihr Blick neugierig in der gemütlich eingerichteten Offizierswohnung umher. Ihr Blick huschte über die polierten Möbel, über die an der Wand hängenden Bilder und die verschiedenen Zier- und Gebrauchsgegenstände.

Alles, was sie hier zu sehen bekam, schien ihr fremd; nichts hatte sie jemals zu Gesicht bekommen.

Sie hörte erst zu essen auf, als der Teller leer war. Am Schluss leckte sie noch ihre Finger ab. Dann bedachte sie ihre Wohltäterin mit einem dankbaren Blick.

»Ich sehe, dass es dir geschmeckt hat«, sagte Hester freundlich lächelnd. »Das freut mich.«

Die Blonde erwiderte das Lächeln flüchtig und blickte dann wieder abwesend vor sich hin. Sie wirkte nach wie vor unnahbar, schien sich gedanklich in ihrer eigenen Welt zu befinden. Es haftete an ihr der Geruch der Wildnis, der Geruch von rauchenden Lagerfeuern und wilder Natur. Zivilisation war ihr fremd.

Viele weiße Frauen, das wusste Hester McNully aus Erfahrung, die in die Hände von Indianern geraten waren, waren nach ihrer Befreiung nicht mehr normal gewesen. Was sie in ihrer Gefangenschaft erleben mussten, hatte ihren Geist verwirrt und sie für immer geschädigt. Das schien bei der unbekannten Blonden nicht der Fall, obwohl sie sich für eine weiße Frau recht merkwürdig benahm. Ihr ganzes Verhalten war das einer Indianerin. Sie war ohne Zweifel ein Sonderfall.

Die Frau des Fortkommandanten entschloss sich mit Einverständnis ihres Mannes, Morningstar vorläufig bei sich aufzunehmen. Sie wollte ihr das Zimmer ihrer Tochter überlassen, die sich zur Zeit auf einem College im Osten befand und erst in einigen Monaten wieder zu Besuch nach Fort Madison kommen würde. Die hilfsbereite Frau legte auch saubere Kleidungsstücke für sie bereit in der Hoffnung, dass die verwilderte Blondine diese gegen ihr blutbeflecktes Wildlederkleid tauschen würde.

Doch Morningstar schien sich von Letzterem nicht trennen zu wollen. Außerdem konnte sie der hübsch eingerichteten Kammer nicht viel abgewinnen.

Anscheinend hatte sie überhaupt etwas gegen geschlossene Räume. Denn als die McNullys nachts verdächtige Geräusche hörten und deshalb Nachschau hielten, war die Blonde nicht mehr in der ihr überlassenen Kammer. Sie hatte das Bettzeug an sich genommen und sich draußen auf der Veranda hingelegt. Sie wollte wohl lieber unter freiem Himmel schlafen.

Die zivile Siedlung, die im Laufe der Zeit neben Fort Madison entstanden war, trug den gleichen Namen. Sie bestand aus zwei Dutzend meist schäbigen Häusern und Hütten, die ohne jede Anordnung erbaut worden waren. Jeder hatte seine Behausung dort errichtet, wo es ihm am besten gefallen hatte. Man fand hier eine Handelsstation, eine Schmiede mit Mietstall und Pferdehandel und einige Saloons, von denen der Golden Bell von Phil Shapley der größte und zugleich auch der vornehmste war.

Verschiedene Handwerker hatten sich hier niedergelassen und hofften darauf, früher oder später gute Geschäfte zu machen. Im Schatten der Palisaden fühlten sie sich sicher.

Beinahe täglich kamen Wagenzüge an. Diese bestanden vorwiegend aus irischen Einwanderern auf dem Weg nach Westen. Hier in Fort Madison machten sie Halt, um sich und ihren Pferde- oder Maultiergespannen eine Rast zu gönnen und sich mit frischen Vorräten einzudecken, sofern sie das dafür nötige Geld besaßen. Viele arme Leute waren unter den Landsuchern, die mit ihren klapprigen Planwagen aus Missouri und anderen Oststaaten kamen. Weiter im Westen, in den unerschlossenen Gebieten des Kontinents, hofften sie ein Stück freies Land zu finden, um sich eine neue Existenz aufzubauen.