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Ein Siedlertreck nach Oregon wird mitten in der Nacht von den Oglala-Sioux überfallen. Keine fünfzehn Minuten dauert der brutale Überfall, doch seine Ernte ist verheerend. Zurück bleiben Tod, Feuer und Zerstörung. Die überlebenden Siedler schaffen es mit letzter Kraft, Fort Bluehat zu erreichen. Doch dort geraten sie in die nächste Falle ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Überfall auf den Oregon- Trail
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Impressum
Überfall auf den Oregon-Trail
Ein Siedlertreck nach Oregon wird mitten in der Nacht von den Oglala-Sioux überfallen. Keine fünfzehn Minuten dauert der brutale Überfall, doch seine Ernte ist verheerend. Zurück bleiben Tod, Feuer und Zerstörung. Die überlebenden Siedler schaffen es mit letzter Kraft, Fort Bluehat zu erreichen. Doch dort geraten sie schon bald in die nächste Falle ...
Lautlos sauste der Pfeil durch die Nacht. Er zog eine feurige Spur hinter sich her und landete auf der Plane eines der Wagen. Sofort züngelten Flammen über das trockene Leinen.
»Feuer!«, rief Bill Greenfield. Der junge Mann war sofort hellwach und griff nach seinem Gewehr. Auch seine Frau Eve schrak aus dem Schlaf hoch. Er sprang aus dem Wagen und spähte über die Deichsel.
Weitere Pfeile jagten rot über den Nachthimmel und trafen auf die Wagen. Noch mehr Flammen fraßen sich über die Planen.
»Die Sioux kommen!«, brüllte Joe Roughman, der Scout des Zuges. Er erkannte die schemenhaften Umrisse der indianischen Reiter in der Nacht. Er riss das Gewehr hoch und feuerte.
Ein Sioux stieß einen gellenden Schrei aus und stürzte getroffen von seinem Mustang.
Doch in der nächsten Sekunde drang eine weitere Gruppe Indianer von Norden her in die kleine Wagenburg ein. Ihre Mustangs setzten mit weiten Sprüngen über die Deichseln der Wagen hinweg.
Von einem Moment zum nächsten brach die Hölle los. Die gellenden Kriegsschreie der Indianer waren nervenzerfetzend. Dutzende Schüsse krachten, und das gellende Wiehern der Pferde erfüllte die Nacht. Die Gesichter der Sioux waren mit den grellen Farben des Kampfes bemalt, und lange Federn steckten in ihren Haaren. Zugleich trafen immer mehr Brandpfeile auf die hellen Planen der Wagen und setzten sie in Brand. Hoch loderten die Flammen in den Nachthimmel empor.
Sämtliche Krieger hielten Gewehre in ihren Händen, legten sie an und schossen. Ihre Gewehrläufe spien Feuer.
Die Siedler waren aus dem Schlaf gerissen, und für Augenblicke blieben sie wehrlos. Gewehrfeuer blitzte auf, Dutzende Schüsse krachten, und mehrere Männer und Frauen stürzten getroffen zu Boden.
Ein Sioux, ein hoch gewachsener Mann, der einen gewaltigen, schwarzen Federschmuck im Haar trug, riss den Zügel seines Pferdes jäh zurück, und der schwarze Mustang stieg laut wiehernd auf die Hinterbeine, drehte sich im Kreise und trat mit den Vorderhufen nach jedem, der es wagte, ihm zu nahe zu kommen.
Bill Greenfield stand neben seiner Frau Eve mit dem Rücken zum Wagen, legte das Gewehr an und holte einen der Krieger mit einem gut gezielten Schuss aus dem Sattel. Die blauen Augen des jungen Mannes blitzten.
Auch Joe Roughman und John Pitt feuerten auf die Angreifer. Ringsum krachten Schüsse. Es war ein Inferno aus Chaos und Gewalt, aus Feuer und Rauch, losgebrochen schier aus dem Nichts.
Greenfield sah, wie Slay Miller, einer der Siedler, vom Tomahawk eines Sioux in den Kopf getroffen wurde. Der Mann stieß einen markerschütternden Schrei aus, riss beide Arme hoch in die Luft, als wolle er Gottes Hilfe anrufen, und stürzte dann mit gespaltenem Schädel blutüberströmt zu Boden.
Sicher ein Dutzend Sioux war inzwischen in die brennende Wagenburg eingedrungen, und ihre Gewehrläufe spuckten Feuer. Sie warfen Lassos um die Deichseln der Wagen und zerrten sie wütend zur Seite.
»Schießt, Leute!«, schrie Joe Roughman mit gellender, ja, verzweifelter Stimme. »Feuert, wenn ihr am Leben bleiben wollt!«
Er war ein hoch gewachsener Mann mit schulterlangen, dunklen Haaren. Das Magazin seines Gewehrs war leer, also warf er die Waffe zur Seite, zog seinen Colt und sandte einen weiteren Krieger in die ewigen Jagdgründe.
Auch Greenfield feuerte erneut, ebenso wie John Pitt und seine Frau Elise, wie Bud Conner und Jake Dillard. Alles war voller Feuer und Rauch, und das Blut spritzte meterweit.
Zwei Indianer, aber auch drei Siedler, lagen bereits tot in ihrem Blut. Zwei Sioux waren von ihren Pferden auf einen der Wagen gesprungen und schleuderten kleinere Möbelstücke, Säcke voller Bohnen und Mehl, Kisten voller Geschirr und Töpfe im hohen Bogen aus dem Wagen.
In einem Rausch der Gewalt stießen sie ein triumphierendes und markerschütterndes Geheul aus.
Nahezu sämtliche Wagen brannten jetzt lichterloh, hoch schlugen die Flammen und stieg der schwarze Rauch in den Nachthimmel. Überall ringsum krachten Schüsse. Bill Greenfield sah, wie der bärtige Buddy Miles, der von Anfang an mit dem Trail gefahren war, in die Brust getroffen zu Boden stürzte.
Wütend zielte er auf den Häuptling und feuerte.
Doch seine Kugel verfehlte ihr Ziel um den Hauch einer Feder.
Aber die Siedler – acht Männer und ein gutes Dutzend Frauen und Kinder – hatten sich jetzt gefasst: Alle hielten Gewehre und Colts in ihren Händen und schossen aus Leibeskräften auf die Angreifer. Ein weiterer Krieger stieß einen lauten Schrei aus und stürzte rücklings vom Mustang.
Der Anführer der Bande überblickte die Situation. Das Moment der Überraschung war vorüber. Er stieß einen gellenden Schrei aus, riss sein Pferd herum und setzte mit einem gewaltigen Sprung hoch über einen der brennenden Wagen hinweg. Seine Männer folgten ihm und traten ebenfalls den Rückzug an. Ohrenbetäubende Schreie ausstoßend, setzten sie auf ihren Mustangs über die brennenden Wagen.
Triumphierend jagten sie hinaus in die nächtliche Prärie, und die Erde erzitterte unter den Hufen ihrer Tiere. Der Überfall hatte keine fünfzehn Minuten gedauert, doch seine Ernte war verheerend. Zurück blieben Tod, Feuer und Zerstörung.
✰
Der kleine Wagenzug war vor gut zwei Monaten in Kansas-City aufgebrochen.
Bill und Eve Greenfield waren von New York City aus – wo Bill schon als Kind im Hafen und sie in den Nähfabriken der Lower East Side geschuftet hatte – mit der Eisenbahn in den Westen gefahren und hatten in Kansas-City den Großteil ihrer Dollar in einen Planwagen mitsamt zwei Zugochsen investiert.
Bei dieser Gelegenheit hatten sie die Pitts kennengelernt, zwei junge und tatkräftige Leute in ihrem Alter, die ebenfalls darauf hofften, drüben in Oregon ihr Glück machen zu können.
Dieser Bundesstaat erschien in jenen Tagen vielen wie ein Paradies, denn dort gab es noch gutes und freies Ackerland im Überfluss. Allerdings musste man zunächst einen weiten und verdammt beschwerlichen Weg hinter sich bringen.
Auch die Pitts hatten also einen Wagen mitsamt Zugochsen gekauft, ebenso wie Ray und Mary Miles, die aus Cleveland, Ohio, stammten, dort aber auch nur für Hungerlöhne in einer Fabrik hatten schuften müssen.
Für sie alle sollte der Weg in den Westen der Pfad zu Freiheit und Wohlstand sein.
Ray Miles wiederum hatte bereits in einem Saloon den Scout Joe Roughman kennen gelernt, einen hoch gewachsenen, stämmigen Mann mit schulterlangen, dunklen Haaren, der aus Wyoming stammte und den Oregon-Trail angeblich wie seine Westentasche kannte.
Roughman erklärte sich bereit, für ein vertretbares Honorar die Führung des Zuges zu übernehmen.
So organisierte sich der Trail. Allerdings hatte man keine unnötige Zeit zu versäumen, denn der Sommer war kurz, und wer oben in den Rockys in den Winter geriet, dem blühte ein schlimmes Schicksal.
Bis zum Einbruch des Herbstes musste man es nach Oregon geschafft haben, wenn man nicht in Schnee, Eis und Kälte untergehen wollte.
Jake Dillard kam dazu, ebenso Bud Conner, die Millers und die Cooks. Auch die Schwestern Kitty und Grace Morgan schlossen sich an, ältere, sehr hagere und fromme Damen, die in Oregon weniger den Wohlstand als die Erlösung ihrer Seelen zu suchen schienen und sogar ein Harmonium in ihrem Wagen transportierten.
Die Fahrt begann an einem schönen Frühlingstag in Kansas City und führte geradeaus gen Westen. Die Sonne schien in diesen Wochen von einem strahlend blauen Himmel, Lerchen kreisten hoch oben in der Luft, und ein milder Wind wehte.
Die Route führte quer durch Kansas und Nebraska, vorbei am Chimney Rock bis zum Platte-River, überquerte den Fluss bei Fort Kearny und folgte ihm dann durch die schier endlosen Weiten der Great Plains.
Der Zug kam gut und sicher voran. Unermüdlich zogen die Ochsen die schweren Wagen, während die Menschen nebenher liefen, um ihre Tiere zu schonen.
Unnützes Gepäck wie alte Möbelstücke, Waschtische oder massive Bettgestelle war längst am Wegesrand entsorgt worden, einzig das Harmonium der Schwestern trotzte mit Gottes Beistand aller Vernunft.
In der Regel bestand die kleine Karawane aus einem Dutzend Wagen, manchmal kamen ein oder zwei neue Planwagen hinzu, manchmal blieben andere zurück.
Der Scout Joe Roughman verstand sein Geschäft. Er führte den Zug und vorsorgte die Siedler sogar mit von ihm erjagtem Fleisch.
Der Trail passierte den Laramy Peak, einen bekannten Berg im Osten Wyomings, und den Independence Rock am Ufer des Sweatwaters. Immer mehr stieg das Gelände nun an, um den South-Pass zu erreichen. Dort oben würde man die Wasserscheide der Rocky Mountains passieren und sich auf den Weg hinunter nach Oregon machen.
Der weite und gefahrvolle Trail war ohne besondere Probleme verlaufen, und nur die zerstörten und ausgeplünderten Wagen, die Kreuze und manchmal sogar die ausgebleichten Knochen, die sich am Wegesrand fanden, zeugten von den Gefahren, denen man bislang so glücklich entgangen war.
Bis zu jener Nacht, in der die Sioux angriffen.
✰
Der heraufziehende Morgen enthüllte das ganze Ausmaß der Katastrophe.
So kurz der Angriff der Sioux gewesen war, so verheerend waren seine Folgen. Es hatte etliche Tote und Verletzte gegeben: Auf Seiten der Siedler hatten Slay Miller sowie Joe Cook und Frank Maier den Tod gefunden: Millers Schädel war vom Tomahawk eines Sioux zerspalten und bot einen absolut grauenerregenden Anblick von Blut und Gehirnmasse.
Der junge Bud Conner hingegen lag schwer verletzt in den Armen seiner Frau Linda und kämpfte um sein Leben. Drei Kugeln hatten ihn in die Brust getroffen, und es war verdammt unwahrscheinlich, dass er den Tag überlebte.
Mary Miles hatte einen Streifschuss am Arm erhalten, den die gottesfürchtige Grace Morgan jedoch bereits verbunden hatte; wie sie erzählte, war sie in ihren jungen Jahren Krankenschwester in einem Armenhospital in Boston gewesen.
Zudem waren mehrere der Kinder – unter ihnen der kleine Sam Greenfield und die fünfjährige Lisa Pitt – unter die Pferde der Sioux geraten, zum Glück aber mit dem Schrecken davongekommen.
Sämtliche Planwagen waren beschädigt oder zerstört: Fünf Wagen waren von den Indianern umgeworfen worden, und bei dreien waren Räder oder Achsen gebrochen. Sie mussten aufwändig repariert werden. Alle Planen waren ein Raub der Flammen geworden, und zahlreiche Habseligkeiten der Siedler waren aus den Wagen geschleudert und zerschlagen worden: Teile ihres Mobiliars, Säcke voller Lebensmittel, Kochgeschirr und Bettdecken.
Die Sioux hatten sich in einen Rausch der Gewalt hineingesteigert und ein Bild der Zerstörung hinterlassen. Frauen liefen händeringend und mit heißen Tränen in den Augen auf dem Lagerplatz hin und her, während ihre Männer Flüche der kalten Wut ausstießen.
Es war eine absolute Katastrophe. Die Mienen der Menschen waren wütend, erschrocken oder entsetzt, ja, manchmal sogar vom Entsetzen wie betäubt.
Aber auch vier rote Krieger lagen tot in ihrem Blut, drei innerhalb der kleinen Wagenburg und einer draußen in der Prärie.
»Verdammt! Was machen wir jetzt?«, stieß John Pitt hervor.
Er war ein stämmiger, dunkelhaariger Mann, ein Deutscher, der von Hamburg mit einem Seelenverkäufer herüber in die Staaten gekommen war und von einer Farm in Oregon träumte. Sein ursprünglicher Name hatte Johannes Peterchen gelautet, doch den hatte er rasch dem Sprachklang seiner neuen Heimat Amerika angepasst. Seine kleine Tochter Lisa, deren Arm verbunden war, stand zitternd und mit erschrockener Miene neben ihm.
»Wir werden weiterfahren«, erklärte der Scout Joe Roughman. »Was sonst?«
»Ja, wir müssen die Wagen reparieren«, stimmte der junge Bill Greenfield zu. Er war ein Mann mit jugendlichen, beinahe weichen Gesichtszügen, blauen Augen und lockigen, blonden Haaren.
»Es ist doch alles kaputt«, jammerte Kathy Morgan, eine kleine Lady mit silbergrauem Haar, die noch einige Jahre älter als ihre Schwester war.
»Wir schaffen das schon«, sagte Greenfield.
Also machten sich die Männer daran, die umgestürzten Wagen wieder aufzurichten, während ihre Frauen die wenigen und nun auch noch zerschlagenen Besitztümer einsammelten.
Der Scout Joe Roughman kniete neben einem der toten Sioux nieder und untersuchte ihn.
»Er war ein Oglala«, erklärte er an Bill Greenfield gewandt, der neben ihm stand. »Man erkennt es an seinem Federschmuck und an dieser Medizin, die er um den Hals trägt. Sehen Sie sich seine Kleidung an. Die Jacke ist aus Hirschleder gearbeitet.«
In der Tat bestand die Kleidung des Toten aus feinem, hellem Leder und war mit bunten Fransen und allerlei Stickereien verziert. Der Mann war vielleicht dreißig Jahre alt gewesen, und sein Gesicht war mit den grellen Farben des Krieges bemalt. Darunter konnte man seine runden Wangen erkennen.
»Die Oglala gehören zu den Lakota«, fuhr der Scout fort. »Sie sind Prärieindianer. Sie leben für gewöhnlich weiter unten im Süden, aber natürlich kommen sie bei ihren Streifzügen auch bis hier herauf an den Rand der Rockys.«
Greenfield nickte. In New York City gab es keine Indianer, und die einzigen Ureinwohner, die er bislang zu Gesicht bekommen hatte, waren friedliche Händler in Fort Kearny oder anderen Präriestädtchen gewesen.
»Es geschieht diesen Teufeln nur recht, wenn sie untergehen!«, stieß John Pitt erbittert hervor.
»Die Army führt seit Jahren Krieg gegen die Sioux«, erklärte Roughman. »Aber sie wollen sich nicht ergeben. Naja, für sie ist die Prärie ihr Land und wir sind die Eindringlinge.«
»Sie haben ja komische Ansichten, Mr. Roughman«, knurrte Pitt.
»Aber sie entsprechen der Wahrheit. Im Übrigen gibt das den Sioux noch lange nicht das Recht, unseren Wagenzug zu überfallen.«
»Wie sind die überhaupt auf uns gekommen?«, fragte Greenfield.
Der Scout sah den jungen Mann an. »Vielleicht war es einfach Zufall. Vielleicht waren sie gerade in dieser Gegend und haben uns in den vergangenen Tagen ausgespäht, ohne dass wir das mitbekommen haben.«
»Weshalb haben wir das nicht mitbekommen?«, fragte Pitt.
»Man sieht die Indianer nur, wenn sie sich auch zeigen wollen«, erklärte Roughman. »Sie sind verdammt geschickt. Sie sind Kinder der Wildnis. Vielleicht haben sie geglaubt, sie hätten ein leichtes Spiel mit uns. Vielleicht dachten sie, sie könnten uns im Schlaf überrumpeln. Aber wir haben uns nach Kräften gewehrt.«
»Werden sie zurückkommen?«, fragte Jake Dillard, der ebenfalls hinzugetreten war. Obwohl er ein Tagelöhner aus Ohio war, ging er gekleidet wie ein Holzfäller; eine Aufmachung, zu der auch seine kräftige Figur und sein dunkler Bart passten.
»Ich weiß es nicht«, antwortete der Scout. »Auf alle Fälle werden wir in Zukunft Wachen aufstellen müssen. Wir sollten unsere Gewehre immer bereithalten.«
Er stand auf. »Es wundert mich schon, dass die Roten über so viele gute Gewehre zu verfügen scheinen«, sagte er. Er hob eine der Waffen auf und betrachtete sie mit skeptischer Miene. »Wo haben sie die her? In der Regel besitzen die Indianer nur alte Schießprügel.«
Greenfield nickte. »Ja, das ist sonderbar. Die Bande muss Helfer haben.«
»Seht euch das mal an!«, rief John Pitt in diesem Augenblick.
Er war zu einem der toten Indianer getreten, bückte sich und zog eine Glasflasche aus dem Gürtel des Toten. Sie war etwa zur Hälfte mit einer goldbraunen Flüssigkeit gefüllt. Er zog den den Korken aus der Flasche und schnüffelte daran.
»Das ist Whisky!«, erklärte er. »Ich würde sagen, es ist ein ziemlicher Fusel, aber es ist Whisky!«
✰
Es war gegen Mittag und die Sonne brannte heiß auf die endlose Weite der Prärie. Das hohe, grüne Gras wiegte sich im warmen Wind, der von Süden wehte, und der aromatische Duft des Sommers würzte die Luft. In weiter Ferne, am westlichen Horizont, verwies ein dunkler Streifen auf die nahen Rocky Mountains, doch hier unten war das Land noch eben wie eine Tischplatte.
Die Siedler waren mit ihren Arbeiten gut vorangekommen, und Bill Greenfield und der hünenhafte Jake Dillard waren gerade damit beschäftigt, die Achse eines Planwagens gegen eine neue auszutauschen. Nur ein Wagen, bei dem zwei Räder zersprungen waren, war leider nicht mehr fahrtüchtig und musste in der Prärie zurückgelassen werden.
Die Leichen der ermordeten Siedler lagen nebeneinander im hohen Gras, während zwei Männer bereits damit beschäftigt waren, Gräber auszuheben.
»Was schlagen Sie nun vor?«, wandte Greenfield sich an den Scout und blickte von seiner Arbeit auf.
»Ich denke, dass wir diesen verfluchten Ort noch heute verlassen sollten«, sagte Roughman. »Sobald wir die Toten begraben haben. Die Wagen sehen ja schon wieder ganz gut aus, und den Ochsen hat die heutige Rast sicher nicht geschadet. Etwa anderthalb Tage im Westen liegt eine kleine Stadt namens Fort Bluehat; wir müssen kaum von unserer Route abweichen, um sie zu erreichen. Dort gibt es eine Abteilung der US-Kavallerie. Frische Vorräte gibt es dort ebenfalls. Von Bluehat aus ist der South-Pass dann nicht mehr weit.«