Jack Slade 958 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 958 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Der Oregon Trail, ein zur Legende gewordener Name für den weiten und beschwerlichen Weg in ein neues Land und in neues Leben. Mühsam bahnen sich die Gespanne unter Führung kundiger Scouts ihren Weg durch die Weiten des Nordwestens der USA. Meist nehmen die angehenden Siedler nicht mehr mit auf den Weg als ihre Armut und ihre Zukunftshoffnungen.
Auch Norman O’Rourke träumt von einem besseren und vor allem friedlicheren Leben. Doch dafür muss er zuerst den Mörder seines Bruders finden - und der ist mitten unter denen, die sich heute auf den Oregon Trail begeben ...


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Inhalt

Cover

Die Trailgeier

Vorschau

Impressum

DieTrailgeier

Der Oregon Trail, ein zur Legende gewordener Name für den weiten und beschwerlichen Weg in ein neues Land und in neues Leben. Mühsam bahnen sich die Gespanne unter Führung kundiger Scouts ihren Weg durch die Weiten des Nordwestens der USA. Meist nehmen die angehenden Siedler nicht mehr mit auf den Weg als ihre Armut und ihre Zukunftshoffnungen.

Auch Norman O'Rourke träumt von einem besseren und vor allem friedlicheren Leben. Doch vorher muss er den Mörder seines Bruders finden – und der ist einer von den Männern, die sich heute auf den Oregon Trail begeben ...

Im Hafen von Independence lagen zahlreiche Dampfboote und -schiffe vor Anker. Es war der westlichste mit größeren Dampfschiffen erreichbare Flusshafen am Missouri, der Startpunkt des Oregon Trails und ein belebter Ort.

Norman O'Rourke kam mit dem Dampfboot von St. Louis, den Sattel über der Schulter und die Sharps Rifle unter dem Arm. Er sah sich das Treiben im Hafen an, wo be- und entladen wurde und Passagiere an Land gingen.

O'Rourke, ein großer, stattlicher, gut gekleideter Mann mit markantem Gesicht und Schleife am Hals, marschierte durchs Gewimmel. Er bog von den Lagerhallen ab und wandte sich in Richtung Stadt.

Ein Geistlicher kam ihm entgegen. Er las im Gehen in seinem Brevier und hastete nicht wie die anderen, die sich geschäftig wie ein Ameisenhaufen benahmen. Er schien mit den Gedanken woanders zu sein.

O'Rourke hielt ihn an.

»Mann Gottes, wo finde ich hier das übelste Hurenhaus?«

Der Geistliche mit dem rundlichen, rosigen Gesicht starrte ihn an wie vom Donner gerührt.

»Das fragst du mich, mein Sohn? Du willst von mir den Weg zu einer Pforte der Hölle wissen?«

»Ich weiß nicht, ob es von da direkt in die Hölle geht. Da wissen Sie sicher besser Bescheid, Ehrwürden. Ich will da auch nicht aus den Gründen hin, die Sie vielleicht annehmen.«

»Also nicht wegen der sündigen Fleischeslust mit käuflichen Frauen?«

»Ich suche drei Männer.«

»Das ist ja noch schlimmer. Widernatürlich, pervers ...«

O'Rourke unterbrach ihn: »Jetzt machen Sie mal halblang, Ehrwürden. Das sind Verbrecher. Ich bin ein Marshal aus Kansas und ihnen bis hierher gefolgt. Und ich schätze, ich finde sie genau dort, wo ich gefragt habe.«

»Aus Kansas. Dann haben Sie hier aber keine Befugnisse.«

»Lassen Sie das meine Sorge sein. Einer dieser Schurken ist dick wie ein Fass – er wird Rumble Dick oder nur Rumble genannt. Der Zweite ist baumlang, mit einem abnorm kleinen Kopf und einer kreuzförmigen Narbe auf der linken Wange – Holy Cross ist sein Name. So wird er gerufen. Der Dritte heißt Kit Kelley – gut aussehend, blond, mehr als mittelgroß, sieht aus und tritt auf wie ein Gentleman. Bei ihm muss man aufpassen. Er hat einen Derringer in der Tasche.«

»Zu meiner Gemeinde zählen die drei nicht.«

»Ich dachte mir, dass Sie sie nicht kennen. Aber ich hege eine Vermutung, wo ich sie suchen kann: in einem Bordell. Dass Sie solche Orte nicht betreten, davon gehe ich aus, Ehrwürden. Aber Sie kennen sie doch. Sie sind ein Einheimischer. Ihre Schäfchen vertrauen Ihnen in der Beichte bestimmt allerhand an.«

»Ja. Ich weiß, was du meinst, mein Sohn.«

»Ich bin nicht Ihr Sohn, jedenfalls nicht, dass ich wüsste.«

»Das ist eine Redensart. Auf geistlichem Gebiet bin ich dein Vater.«

Dazu schwieg O'Rourke.

»Ich kenne durchaus solche Orte. Ich war schon in dem Etablissement, das ich dir gleich nennen werde, dem berüchtigtsten Etablissement der Stadt.« Er räusperte sich. »In meiner Eigenschaft als Geistlicher, um das Wort des Herrn zu verkünden und die Sünder und Sünderinnen zu bekehren. Die schwarzen Schafe und Böcke, die verirrten Lämmer. Diese bedürfen des Wortes mehr als die Gerechten und die Gläubigen, und das nehme ich ernst.«

»Sie waren also dort? Wie heißt dieses ... ähm, Haus?«

»Zum Krummen Louis. Crooked Louis, auch Crook Louis – Gauner Louis – genannt. Es ist ein Bordell, eine Spielhölle und ein Saloon in einem. Dort geht es hoch und heiß her. Getanzt wird dort auch, und auf der Bühne – offener Bühne! – finden abscheuliche Dinge statt. Frauen entblößen sich, kopulieren gar mit Männern. Also, einen Fetzen behalten beide noch an, doch wie sie sich aneinander reiben! Da findet die Erbsünde statt.«

»Jeder erbt was, der eine dies, der andere das.«

»Zieh das nicht ins Lächerliche, mein Sohn. An diesem gottlosen Ort wirst du vielleicht die Männer finden, die du suchst.«

»Danke, Ehrwürden.« Neugierig fragte O'Rourke: »Was ist Ihnen denn widerfahren, als Sie dort bekehren und predigen wollten?«

»Schlimmes, mein Sohn, Schlimmes. Sie haben mich tanzen lassen, indem sie mir vor die Zehen schossen. Auf offener Bühne. Dann übergossen sie mich mit Bier und stäubten mich mit Mehl ein. Unter dem Hohngelächter von Männern und Frauen jagten sie mich fort. Das Wort Gottes und ein Mann des Gebets sind dort nicht willkommen.«

»Nehmen Sie es sich nicht zu Herzen, Father. Ihre gute Absicht zählt – es wird Ihnen von Ihrer höchsten Instanz vergolten werden. Es war eine mutige Tat, dass Sie sich dort hinwagten. Noch einmal tun Sie es lieber nicht. Wie komme ich zum Crooked Louis?«

Der Geistliche in der abgewetzten schwarzen Soutane beschrieb O'Rourke den Weg.

»Ich bin Father Martin«, sagte er dann. »Gott schütze dich, mein Sohn. Du willst dort Verbrecher festnehmen? Das wird nicht ohne Gewalttat und Blutvergießen abgehen. Im Crooked Louis sind immer ein paar Hundert Jahre Zuchthaus versammelt.«

»Kümmern Sie sich um Ihre Schäfchen, Father Martin, ich mich um die meinen. Es hat jeder von uns seine Mittel und Wege. Mein Gesangbuch ist dieses.«

Er schlug auf den Griff seines Colt Dragoon. Dann lüftete er den Hut vor dem Geistlichen und ging seines Wegs. Father Martin sah ihm nach.

»Ich hätte ihn fragen sollen, was für einer Religionsgemeinschaft er angehört, dieser Marshal aus Kansas, der sich so waghalsig in ein tödliches Abenteuer stürzt. Die Chancen stehen eins zu hundert gegen ihn, wenn er allein dorthin geht – und gut möglich, dass ich ihn beerdigen muss. Ich kenne nicht mal seinen Namen. Well, er wird ein Dokument bei sich haben, mit dem er sich ausweisen kann. Ein Mann des Gesetzes – hier ohne Vollmachten – folgt entschlossen dem Pfad der Gerechtigkeit. Möge der Herr ihm beistehen. Ich gehe zum Sheriff, was dieser Kansas-Marshal auch hätte tun sollen, und setze ihn in Kenntnis.«

Eilig lief Father Martin weiter. Dabei passte er nicht genug auf und rempelte einen angetrunkenen Flussmatrosen von einem Dampfschiff an. Der war mit drei Kumpanen unterwegs und stank nach Öl und Brandy.

»Goddam, du schwarzbefrackter Hundesohn!«, fluchte er. »Kannst du nicht besser aufpassen?«

»Entschuldigung, das wollte ich nicht.«

»Was heißt hier Entschuldigung? Dir haue ich aufs Maul!«

Seine Freunde hielten ihn zurück.

»Mach das nicht, Jack. Das ist ein Geistlicher. Einen Priester zu schlagen, bringt Unglück. Das ist noch schlimmer, als einen Spiegel zu zerbrechen oder, womöglich am Freitag, einer schwarzen Katze zu begegnen.«

»Well, wenn das so ist ... Dann halte ich mich zurück.«

Das Matrosenquartett zog weiter. Father Martin tadelte in diesem Fall nicht den Aberglauben, der ihn vor einem blauen Auge oder ausgeschlagenen Zähnen bewahrt hatte. Er lief mit wehender Soutane weiter.

Es war ein herrlicher Sommertag, und die Sonne glänzte. Father Martin fühlte sich an dem rauen Ort immer noch etwas fremd am Platz. Sein Vorgänger war ein früherer Militärgeistlicher gewesen, dem Whiskey zugetan, und hatte manchmal noch mehr geflucht als seine Schäfchen.

Er war besser zurechtgekommen als der milde Father Martin. Leider hatte man ihn wegen seines Lebenswandels und seiner Eigenheiten, an denen seine kirchlichen Vorgesetzten Anstoß nahmen, seines Amtes enthoben.

Mit dem Ausspruch »Dann macht euren Dreck doch allein« war er abgezogen. Seitdem trieb er sich den kalifornischen Goldfeldern herum. Dort wusch er die Woche über Gold, am Sonntag predigte er. Er hatte eine eigene Kirche gegründet, weniger streng als die, die ihn gefeuert hatte. So hatte jeder das Seine.

In Independence war nun Father Martin da.

O'Rourke war mittlerweile um ein paar Ecken gebogen und stand vorm »Crooked Louis«. Das war ein zweistöckiges Haus mit bunt angemalter Fassade, vom Einsturz bedroht. Heiße Girls, kühle Drinks und Poker, Bakkarat und Roulette wurden an der Fassade angepriesen. Vor dem Haus – zu dem noch ein Nebengebäude gehörte, aus dem dröhnende Musik drang – lümmelten diverse Gestalten: Männer, denen man nicht über den Weg trauen konnte, und stark geschminkte, leicht bekleidete Frauen.

Sie tranken und lachten und rauchten. Herumtreiber und Herumtreiberinnen, die jeder ehrlichen und geordneten Arbeit aus dem Weg gingen. Lieber schlugen sie sich die Nächte um die Ohren, setzten sich jedem erdenklichen Stress aus und lebten auf der Skid Row gefährlich, als ordentlich zu leben.

Sie musterten O'Rourke. Eine unechte Blondine rief: »Da kommt ein zweibeiniges Pferd!«

Das bezog sich auf den Sattel, den er trug. Er musterte sie nur. Der neben ihr stehende Mann fasste sie am Arm.

»Halt dein Mundwerk im Zaum, Lou.«

O'Rourke war kein Mann, mit dem spaßte oder über den man Witze riss. Er betrat den Saloon.

Es roch nach ungewaschenen Körpern und nach Parfüm, Alkohol und Tabakrauch. Der große Saloon mit einer abgetrennten Abteilung zum Spielen wies eine hufeisenförmige Theke auf. Hinter der standen ein Barkeeper mit schneckenförmig über die Glatze gelegten Haaren und eine Brünette mit einem enormen Ausschnitt.

Die schweren großen Brüste drängten daraus hervor. Der Saloon fasste gut hundertfünfzig Personen, und es gab eine Bühne. Um die frühe Tageszeit war der Saloon gerade mal zu einem Viertel besetzt.

Auf der Bühne mühte sich ein Mulatte mit knappem Lederslip im Schritt, geölten Muskeln und einer Maske mit einer Blondine ab. Ein Pianist klimperte vergeblich gegen den Höllenlärm an, der aus der Tanzbar nebenan ertönte.

Der Mulatte verfolgte die Blondine mit einer Peitsche, ließ diese knallen, und sie floh, warf sich zu Boden und streckte flehend die Hand zu ihm empor. Sie trug nur einen knappen Ledertanga – Ober- und Unterteil. Das Unterteil betonte deutlich ihren Schamhügel und reichte knapp für die Spalte aus.

Der Mulatte ließ seine Peitsche knallen und nahm Posen ein. Mal den Kopf emporgereckt, mal dem Arm mit der Peitsche. Mal den Oberkörper zurückgebogen, mal ein Bein auf einen Sockel gestellt.

Er bewegte sich ruckartig. Was diese Choreografie darstellen sollte, wusste man nicht. O'Rourke legte den Sattel auf einen freien Stuhl und das Sharps-Patronengewehr auf den dazugehörigen Tisch. Er blickte sich um. Rumble Dick sah er nicht, wohl aber den baumlangen und dünnen Holy Cross mit dem abnorm kleinen Kopf.

Father Martin hatte nicht gelogen, als er angab, im »Crooked Louis« wären ein paar Hundert Jahre Zuchthaus versammelt. Die Männer waren allesamt üble und harte Burschen, allerdings zweitklassig, soweit O'Rourke das erkennen konnte. Die paar Weibsbilder passten zu ihnen.

Ein Mann machte eine Ausnahme. Er saß in der Ecke, mit Blick über den gesamten Saloon und mit dem Rücken zur Wand. Er hatte ein scharf geschnittenes Raubvogelgesicht und war fast kahlköpfig – obwohl er noch nicht alt war –, grauäugig und hager. Er hatte alles im Blick, und er sah aus wie ein Adler in seinem Horst, der jederzeit niederstoßen und seine Beute schlagen konnte.

Er rauchte eine Meerschaumpfeife und war allein, was in diesem Saloon, in dem die Saloongirls wie die Hyänen hinter dem Aas auf die Dollars aus waren, eine Seltenheit darstellte. Er musste klargemacht haben, dass er allein sein wollte.

O'Rourke konnte ihn nicht recht einschätzen. Er wusste nicht, ob der Hagere zum Personal des Saloons gehörte oder sogar Crooked Louis persönlich war.

O'Rourke ging zu ihm, ohne weiter auf Holy Cross zu achten, der auf jedem Bein ein Saloonflittchen sitzen hatte und an ihnen herumfummelte. Holy Cross, der Dieb, Räuber und Mörder kannte ihn nicht persönlich, hatte ihn noch nie gesehen.

»Bist du Crooked Louis?«, fragte O'Rourke den Hageren.

Der schüttelte knapp den Kopf.

»Wem gehört dieser Saloon?«

»Mir nicht.«

Mehr sagte er nicht. Gesprächig war er jedenfalls nicht. O'Rourke wandte sich ab. Einen Drink am Tresen sparte er sich.

Der Mulatte hatte die sich am Boden windende und kriechende, dann wieder aufspringende und posierende Blondine eingeholt. Man sah deutlich, dass er mit der Peitsche jeweils nur auf den Boden schlug oder sie allenfalls damit streichelte. Nun zog er sie an sich, drückte sie an sich. Sie schmiegte sich an ihn, und er beraubte sie ihres Oberteils.

Die Zuschauer waren nicht sonderlich begeistert.

»Was ist das denn für eine lahme Show?«, hörte O'Rourke jemanden fragen. »Er soll sie mal rannehmen und richtig bumsen. Warum zahlen wir sonst für die teuren Drinks?«

Die Blondine lutschte an dem Mulatten herunter und zupfte mit den Zähnen an seinen gepiercten Brustwarzen. Sie rieb dann das Gesicht an seinem Tangaslip und versuchte, lüstern zu wirken.

O'Rourke steuerte auf Holy Cross zu.

»Wo ist dein Partner?«, fragte er ihn. »Ich suche Rumble.«

Der Lange zog seine Hand unter dem knappen Rock eines der beiden Saloongirls hervor.

»Wer will das wissen?«

»Einer, der einen heißen Job zu vergeben hat. Gut bezahlt.«

»Das lässt sich hören. Mein Partner ist gerade beschäftigt. Zu einem heißen Ritt unterwegs mit einem der Girls, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Wo finde ich ihn? Es ist eilig.«

Holy Cross nickte einem der beiden Girls auf seinem Schoß zu. Offensichtlich rechneten er und sein Partner und wohl auch Kit Kelley nicht damit, dass ihnen jemand von Kansas bis hierher gefolgt war.

»Zimmer drei«, sagte die Saloonharpye. »Er ist mit Hazel zugange.«

»Ist Kit Kelley auch da?«

»Im Moment nicht«, antwortete Holy Cross gedehnt, als ob er bei dieser Frage einen Verdacht geschöpft hätte.

Ohne ihm die Gelegenheit zu geben, darüber lange nachzudenken, zog O'Rourke mit einer schnellen, flüssigen Bewegung den Colt Dragoon, wechselte blitzschnell die Hand vom Revolvergriff zum Lauf und haute ihn Holy Cross über den Schädel. Die Girls sprangen auf und liefen weg.

O'Rourke nahm den Revolver wieder schussbereit in den Griff und legte den Zeigefinger der Linken an seine Lippen.

»Pst. Das ist was Persönliches. Macht weiter hier wie bisher. Benehmt euch, dann gibt's keinen Ärger.«

Der Barkeeper fasste unter den Tresen, wo er mit Sicherheit eine Schusswaffe hatte.

»Willst du sterben?«, fragte O'Rourke ihn. »Lass die Flossen oben, damit ich sie sehen kann.«

Der Schneckenlockige nickte eingeschüchtert. O'Rourke befahl dem Pianisten weiterzuklimpern. Den Mann hätte man wegen Falschspiels verhaften können.

Der Hagere am Ecktisch hatte sich nicht gerührt, nur die Augen ein wenig mehr zusammengekniffen. Er rauchte ungerührt seine Meerschaumpfeife.

In dem Moment kam Rumble Dick die Treppe herunter. Er knöpfte sich noch die Hose zu. Sein Gesicht war gerötet. Hinter ihm erschien ein Saloongirl im knappen Dress und warf ihm eine Kusshand zu.

Rumble Dick, ein Fass von einem Mann, übersah die Lage mit einem Blick. Er sah seinen Partner am Boden liegen und den Revolver in O'Rourkes Hand.

»Gibst du mir eine faire Chance?«, fragte er.

»So fair, wie du willst.«

O'Rourke steckte seinen Revolver weg und stellte sich in Position. Auf der Bühne hörte die Show auf. Zuschauer wichen aus der Schusslinie. In dem Moment verstummte auch noch die Musik im Nebengebäude. Es wurde still im Saloon.

Das Saloongirl oben an der Treppe flüchtete.

»Weshalb bist du hinter mir her?«, fragte Rumble Dick. »Woher kommst du, wer bist du?«

»O'Rourke. Doppelmord, Brandstiftung, schwerer Raub. Vergewaltigung. Diebstahl. Such es dir aus.«

»Und woher?«

»Kansas. Salina County. Ich bin ein State Marshal.«

»Hier hast du keine Befugnisse. In Kansas war ich schon seit Jahren nicht mehr. Du bist auf der falschen Fährte, Marshal O'Rourke, und in Missouri hast du keine Befugnisse.«

»Aber einen Steckbrief.«

»Du lügst.«

Rumble Dick griff zum Revolver. Er hatte den Hosenschlitz noch halb offen, ein Hemdzipfel hing heraus. Das störte ihn nicht.

Der Dicke war schnell, aber O'Rourke zog schneller. Er hatte gar keinen Steckbrief, hatte alles auf eine Karte gesetzt und geblufft.

Sein 44er krachte. Die Kugel traf Rumble Dick ins Herz, und er riss die Augen auf und ließ den Revolver fallen. Sein Colt mit dem gespannten Hahn ging los, als er auf eine Stufe fiel. Die Kugel traf niemanden.

Rumble Dick knickten die Knie ein. Das zweibeinige Fass rumpelte die Treppe herunter und überschlug sich dabei. Saloongirls schrien auf. Pulverdampf wölkte.

Dann ging es rund. Rumble Dick und sein Kumpan Holy Cross hielten sich schon eine Weile in Independence auf und hatten Gleichgesinnte und Freunde gefunden. Gleich sechs Mann sprangen auf oder zogen am Tresen und an der Wand stehend ihre Waffen.

O'Rourke wäre verloren gewesen. Er hatte nur noch fünf Schuss in der Trommel. Abgesehen davon konnte er nicht so schnell und genau schießen, um sechs Gegner zu erledigen, bevor sie ihn trafen.

Doch etwas Unvorhergesehenes geschah. Der Hagere mit dem Falkengesicht in der Ecke sprang auf, einen verzierten Navy Pocket Colt in der Faust. Er schoss rasend schnell, indem er mit der Handkante über den verbreiterten Hammer seines Revolvers fächelte.

Die Schüsse gingen ineinander über. Er holte vier Mann von den Beinen. O'Rourke erwischte einen. Der Sechste ließ sein Schießeisen fallen und riss die Hände hoch.

»Nicht schießen! Ich ergebe mich.«

»Das wollte ich dir auch geraten haben«, sagte O'Rourke.

Er sah sich um. Keiner bedrohte ihn mehr oder wollte noch in den Kampf eingreifen. Sechs Männer lagen niedergeschossen da – Rumble Dick und fünf andere. Holy Cross regte sich noch nicht.

Der Pulverdampf zog in Schwaden. Der Hagere nahm die Meerschaumpfeife aus dem Mund, hustete und steckte sie in die Westentasche, sodass der Tabak nicht herausfiel. Die Hitze des glimmenden Tabaks spürte er durch den Meerschaum nicht, nur Wärme.

»Der Pulverdampf verdirbt mir den Geschmack vom Tabak«, sagte er. »Das ist edler Virginia. Etwas anderes rauche ich nicht. Nicht immer leicht zu bekommen.«

Er war kaltblütig und völlig gelassen. Noch nie hatte O'Rourke einen Mann so schnell und tödlich genau schießen sehen. Von den sechs Revolverhelden war keiner zum Schuss gekommen. O'Rourke war selbst nicht schlecht, doch diesem Mann wäre er in einem fairen Kampf mit dem Colt nicht gewachsen gewesen.

»Danke, Mister ...?«, sagte er, und in der Betonung lag die Frage.

»Logan Redfield, mein Name. Ich wollte für einen fairen Ausgleich sorgen.«

»Das haben Sie getan – und mir das Leben gerettet. Ich stehe in Ihrer Schuld.«

»Phsaw. Ein paar Schurken weniger auf der Welt können nicht schaden. Schätze, vier von den Bastarden sind tot. Und einer ist nahe dran. Der da ...« Er deutete auf einen. »... kann es überleben. Ich kenne mich damit aus.«

»Sind Sie Arzt?«

»Nein, ich weiß es aus Erfahrung.«

O'Rourke ging ein Licht auf. »Logan Redfield – Gun Logan – der Revolverheld! Der Mann, der spektakuläre Fights austrug. Der in den kalifornischen Goldfeldern von sich reden machte. Der Mormonen-Bob und seine Bande in den neuen Staaten erledigte.«

Das waren die riesigen Territorien im Südwesten, die nach dem mexikanisch-amerikanischen Krieg von 1846 – 48 mit dem Vertag von Guadalupe Hidalgo, vor fünf Jahren also, zum Gebiet der USA hinzugekommen waren. Der Traum für Farmer und Siedler war jedoch immer noch Oregon.

»Und der ...«

Redfield unterbrach O'Rourke: »Geschenkt. Jetzt bin ich hier.« Er fing an, seinen Revolver nachzuladen. Er trug einen zweiten am Gürtel. »Für so eine Schießerei solltest du zwei Schießeisen mitnehmen, O'Rourke. Sonst ziehst du den Kürzeren, wie die Mexikaner, die es fertigbringen, mit einem Messer zu einer Schießerei zu kommen.«

Er hatte einen grimmigen Humor.

Auf der Treppe oben erschien nun eine atemberaubend schöne rothaarige Frau im giftgrünen Kleid. Es zeigte allerhand von ihr. Sie war eine Augenweide, und bei ihren üppigen Formen hatten die Augen viel zu weiden.

Sie meldete sich zu Wort; außer ihr redete keiner. Nebenan waren die Schüsse gehört worden. Die Musik hatte nicht wieder eingesetzt. Doch aus dem Anbau erschien keiner, denn noch war man sich dort nicht sicher, ob die Schießerei schon zu Ende war.

»Was fällt euch ein, in meinem Saloon ein solches Blutbad anzurichten?«, fragte die Schöne. »Was hat das zu bedeuten?«

O'Rourke fragte zuerst: »Ihr Saloon, Lady? Sind Sie Crooked Louis?«