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In Laredo lernt Texas Ranger Clyde Burrow eine Frau von unbeschreiblicher Schönheit kennen, die man La Gitana nennt und die dort eine Bodega betreibt. La Gitana allerdings ist Peitschen-Djangos Geliebte. Clyde Burrow mag ein tollkühner Draufgänger sein, aber im Kampf um La Gitana setzt sein Verstand aus. Ein mörderisches Dreiecksverhältnis bahnt sich an, das nicht nur Clyde Burrow, sondern alle Texas Rangers und ganz Laredo in einen Abgrund von Gewalt und Grausamkeit stürzt. Im heißen Grenzland ist die staubige Luft bald von blauen Bohnen gesättigt, voller Ungewissheit, ob Peitschen-Django oder Ranger Burrow den Sieg davonträgt ... oder vielleicht keiner von ihnen?
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Seitenzahl: 156
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Djangos gefährlichste Waffe
Vorschau
Impressum
DjangosgefährlichsteWaffe
In Laredo lernt Texas Ranger Clyde Burrow eine Frau von unbeschreiblicher Schönheit kennen, die man La Gitana nennt und die dort eine Bodega betreibt. La Gitana allerdings ist Peitschen-Djangos Geliebte. Clyde Burrow mag ein tollkühner Draufgänger sein, aber im Kampf um La Gitana setzt sein Verstand aus. Ein mörderisches Dreiecksverhältnis bahnt sich an, das nicht nur Clyde Burrow, sondern alle Texas Rangers und ganz Laredo in einen Abgrund von Gewalt und Grausamkeit stürzt. Im heißen Grenzland ist die staubige Luft bald von blauen Bohnen gesättigt, voller Ungewissheit, ob Peitschen-Django oder Ranger Burrow den Sieg davonträgt ... oder vielleicht keiner von ihnen?
Die Winchester krachte und spuckte eine Mündungsflamme und Blei. Der Bandolero hinter dem falschen Giebel des Hauses an der Mainstreet von Laredo kippte, in die Stirn getroffen, nach hinten und fiel auf das flache Dach.
Auf der Straße ließ sich der Ranger seitlich vom Pferd fallen, jedoch nicht zu Boden. Von rechts und links feuerten vier Mexikaner. Ihre Kugeln pfiffen über den leeren Sattel weg.
Clyde Burrow hatte den Hinterhalt bemerkt, doch er war keineswegs umgekehrt. Er war ein Mann, der sich durch Kühnheit behauptete. Sie schützte ihn wie ein Mantel, meistens jedenfalls.
Er hielt sich mit einem Bein auf dem Pferderücken und presste sich an den Leib seines Hengstes. Mit einem Arm klammerte er sich am Pferdehals fest, ein Reiterkunststück, das im Galopp ohne Hilfsmittel nur wenige fertig brachten.
Er ritt an den Schützen vorbei, ließ sich dann in den Staub fallen, landete geschmeidig wie eine Katze und flitzte geduckt zur Seite. Die vier Bandoleros zögerten; zwei von ihnen lauerten rechts und zwei links in Einfahrten und auf dem Gehsteig.
Das hatten sie nicht erwartet. Das reiterlose Pferd, ein staubgrauer Hengst, lief wiehernd mit pendelnden Steigbügeln weiter. Seine goldfarbene Mähne flatterte im Wind.
Passanten stoben zur Seite, suchten Deckung. Eine Mutter warf sich einfach auf der Straße nieder und schützte mit ihrem Körper ihr Kind. Clyde duckte sich hinter den Gehsteigpfosten an der Main Street und in der Rio Grande Lane, einer schmalen Gasse.
Er hatte seine Winchester nicht losgelassen. Feuerte wieder, so schnell er durchladen konnte. Die beiden Bandoleros auf der anderen Straßenseite fielen. Clyde warf sich zu Boden.
Die zwei restlichen Gegner auf seiner Straßenseite schossen auf ihn. Die Kugeln pfiffen über ihn weg. Zwei Kugeln schlugen in einem Gehsteigpfosten ein und rissen Splitter heraus.
Clyde grinste grimmig. Kämpfe machten ihm Spaß, und er liebte es, dem Tod ins Auge zu sehen. Dann raste das Blut durch seine Adern, und er spürte intensiv, dass er lebte. Er war jung, er war wild, er war kühn, er wollte es wissen.
Er zögerte kurz und überlegte, wie er die beiden restlichen Bandoleros der Bande von Peitschen-Django packen sollte. Sie würden nicht aufgeben, denn es waren grimmige Hunde, Blutvergießer, die ihren Boss nicht enttäuschen wollten.
Was würden sie tun? Clyde versetzte sich in ihre Lage. Bei zwei Mann – einer müsste vorn an der Straße bleiben, während ihm der andere von hinter den Häusern in den Rücken zu fallen versuchte. Der Ranger war darauf gefasst.
Festnageln lassen wollte er sich nicht.
Die Straße war menschenleer, und auch aus den Häusern kam niemand hervor. Heißer Wind wehte von Mexiko her über den Rio Grande und trieb Staubfahnen und ein paar Thumbleweed-Büsche vor sich hier. Die runden Büsche rollten über die Straße.
Die Staubfahnen waren nicht dicht genug, um eine Sichtdeckung abzugeben, die Clyde hätte ausnutzen können. Er schoss auf den Eingang der Eisenwarenhandlung, wo die beiden Bandoleros lauerten. Wo vielmehr wohl nur noch einer lauerte, wenn Clyde mit seiner Vermutung richtig lag. Der andere konnte nicht auf dem überdachten Gehsteig zurückgehen, um von dort in einen Hof zu gelangen.
Er musste durch das Geschäft gehen, was kein Problem darstellte. Durch das Säuseln des Windes hörte der Ranger die Ladenglocke leise bimmeln. Aha, dachte er, ich liege richtig.
Die Hutkrempe eines breitrandigen Sombreros tauchte am Eingang auf, darunter ein großer Schnurrbart. Der war wohl das Furchterregendste an dem Mexikaner.
Clyde legte an und feuerte. Vorbei. Der Bandolero hatte seine Rübe zurückgezogen, was gut für ihn war. Er schoss nun mit seinem langläufigen Revolver und brüllte dabei.
»Verdammt sollst du sein, Gringoschwein! Ich lege dich um. Ich füttere dich mit heißem Blei.«
Dabei knallte er drauflos. Wie viele Revolver hat er denn?, fragte sich Clyde. Pulverdampf wölkte vor dem Eingang der Eisenwarenhandlung. Der Bandit wollte vortäuschen, dass zwei Männer schossen, was ihm bei dem ausgebufften Ranger nicht gelang.
Clyde gab mit links einen Revolverschuss ab, ohne sich zu zeigen und ohne Aussicht auf einen Treffer. Er wollte nur zeigen, ich bin da. Dann steckte er den Colt ins Holster und robbte am Boden, damit ihn der Gehsteig verdeckte, in die Gasse, sprang auf und lief hinten herum.
Er durchquerte ein Gattertor, drückte sich neben einem Kistenstapel mit dem Rücken an die Wand und lauerte. Sein Pulsschlag hatte sich kaum erhöht. Dann kam der Bandolero.
Er stieg über die Lattenwand. Clyde hätte ihn abschießen können. Doch er ließ sich Zeit. Die Winchester hatte er in den Händen.
Der Mexikaner riss sich den Hintern an einem Holzspan auf, als er auf dem Zaun saß. Er fluchte halblaut.
Clyde trat vor, den Karabiner im Anschlag.
»He, Compañero, was machst du da oben? Bist du unter die Reyezulos gegangen?«
Die Zaunkönige waren das, eine Vogelsorte. Dem Bandolero gefiel dieser Spott nicht. Trotz seiner ungünstigen Lage riss er den Revolver hoch.
Clyde schoss ihn vom Zaun. Der Mann fiel mit einem Aufschrei und einem Loch im Kopf. Der Ranger überwand seinerseits den Zaun, viel schneller und geschmeidiger, als es sein Gegner gekonnt hatte. Der lag da, mit Blut auf der Stirn, und die weitaufgerissenen Augen starrten in die grelle Sonne am Himmel.
Sie blendete ihn nicht mehr. Clyde hatte die Winchester an seinem vorherigen Standort liegen gelassen. So artistisch, dass er den Zaun überwand wie ein Puma und dabei noch den Karabiner hielt, war auch er nicht.
Sein Colt reichte aus. Er lief vor zur Straße und durch die Hintertür in die Eisenwarenhandlung mit der Verkaufstheke und den Regalen. Ein Mann duckte sich hinter die Theke. Einer mit weißer Schürze, schütterem Haar und angstverzerrtem Gesicht.
Clyde legte den Zeigefinger vor den Mund – verhalte dich still – und lief nach vorn. Zur Ladentür. Da war kein Mexikaner mehr.
Der Ranger öffnete die Tür. Die Glocke bimmelte. Clyde blickte sich um, die Straße hinauf und hinunter. Er sah niemanden – die Mutter hatte sich mit ihrem Kind in Sicherheit gebracht und war von der Straße verschwunden. Wo konnte der letzte Heckenschütze stecken, der Clyde nach dem Leben trachtete?
Der Ranger hörte nur das Säuseln des Windes. Staub und ein Thumbleweed flogen vorbei. Dann ertönte Hufschlag. Ein Reiter, zu weit entfernt für einen Revolverschuss, hockte geduckt im Sattel, preschte aus einer Einfahrt und jagte die Straße hinunter.
Es war der Fünfte und Letzte der Heckenschützen. Er floh. Er hatte sich zusammengereimt, dass seine Kameraden alle gescheitert waren, und wollte die eigene Haut retten. Als er noch weiter weg war, richtete sich im Sattel auf und schlug mit einer Hand auf die Kruppe des Pferdes, um es noch mehr anzutreiben.
Er schaute nur kurz zurück.
Clyde dachte nicht daran, ihn entkommen zu lassen. Einen Schuss auf ihn sparte er sich, denn es wäre sinnlos gewesen. Er pfiff nach seinem Pferd.
»Grey Ghost, herbei!«
Der graue Grulla galoppierte herbei. Der Ranger packte das Sattelhorn, ließ sich von dem rennenden Pferd mitziehen und schwang sich hinauf. Der Texas Ranger war ein großer, geschmeidiger Mann, muskulös, sehnig und hager.
Mit hellblondem, langem Haar und einem Sichelbart. Er wirkte nicht nur kühn und verwegen, er war es.
Er galoppierte hinter dem Fliehenden her, aus der Stadt, am Rio Grande entlang, dem träge dahinströmenden Grenzfluss. Clyde holte auf. Sein Grulla war ein erstklassiges Pferd, nach dem sich jeder Pferdeliebhaber die Finger leckte.
Der Braune des fliehenden Bandoleros war langsamer, aber trittsicher, mit einem ausgeprägten Hinterteil, zuverlässig, aber kein Renner. Gehetzt blickte der Bandolero zurück.
Dann war er plötzlich zwischen den Weidenbüschen und niedrigen Palo-Verde-Bäumen am Ufer verschwunden. Clyde saß ab.
Er lauschte und spähte, vergewisserte sich, dass er genug Munition bei sich hatte, und pirschte sich vor. Grey Ghost ließ er zurück. Mit hängenden Zügeln stand der herrliche Hengst da und sah seinen Besitzer an.
Pferde hatten kein Mienenspiel wie Menschen. Trotzdem gewann Clyde den Eindruck, das Pferd wisse und fühle, dass er sich in Gefahr begab. Es spürte die Spannung und Wachsamkeit, die von ihm auf das Tier übersprang.
Es schnaubte und warf den Kopf hoch. Pass auf dich auf, ich wünsche dir Glück, so empfand Clyde das. Wie viele Reiter und Cowboys fühlte er sich mit seinem Pferd verbunden. Es war ein Kamerad und ein Partner, besser und zuverlässiger als mancher Mensch.
Treuer vor allem. Und ehrlich.
Der Ranger pirschte sich durch die Büsche. Er lauschte mit angespannten Sinnen. Achtete auf jeden Windhauch, der Blätter bewegte, auf den Flug der Vögel und Insekten.
Das rettete ihm das Leben. Ihm fiel auf, dass Mücken im Schwarm auf eine bestimmte Weise über einem Busch tanzten. Er warf sich zur Seite, seinem Instinkt gehorchend.
Es knallte – eine Feuerlanze stach aus dem Busch hervor. Die Kugel des Banditen, der dort raffiniert lauerte, hätte Clyde mitten in die Brust getroffen. Doch die Mücken hatten den Bandolero verraten – sein Schweißgeruch lockte sie an.
So knapp konnte es gehen. Clyde schoss zweimal dorthin, wo das Mündungsfeuer geblitzt hatte. Er hörte einen Aufschrei.
Dann taumelte der Bandolero hervor, barhäuptig, mit weit aufgerissenen Augen. Blut rann ihm aus dem Mund. Er hatte zwei Einschüsse in der Brust und hustete Blut.
Trotzdem versuchte er noch, den Revolver hochzubringen.
Clyde richtete sich auf.
»Lass es, Compadre«, knirschte er.
Der Bandit, Blut in seinem kurzen schwarzen Bart, hob mit großer Anstrengung den Revolver. Clyde schoss ihm in den Arm. Er wollte sein Leben schonen.
Umsonst. Der Revolver fiel ins Gras, der Bandit sackte zusammen. Er saß da und keuchte mit seiner zerschossenen Lunge, hustete Blut. Er wollte noch etwas sagen, doch Clyde, der sich näherte, verstand ihn nicht mehr.
Schwer sank der Getroffene zur Seite, leblos. Clyde fühlte seinen Puls – da war nichts mehr. Er drückte dem Toten die Augen zu.
✰
Kurz darauf suchte Clyde Burrow La Gitanas Bodega in einer Seitengasse der Plaza auf. Die Bodega war nach ihrer Besitzerin »La Gitana« benannt. Und sie war wie diese weithin bekannt. Alle Männer in Texas und alle in Coahuila, Nuevo Leon und Chihuahua hatten von ihr gehört.
Clyde auch, doch bisher hatte er sie noch nie gesehen. Er rechnete nicht damit, dass Carmen Gambaro – so hieß sie mit Taufnamen – ihn nachhaltig beeindrucken könnte. Er war mit Esther DeSmet verlobt, der Tochter des Großranchers Lion Terence DeSmet. Esther hatte rötliches Haar, Sommersprossen, die ihrer Schönheit keinen Abbruch taten, und war sehr vital und eine Wucht von einer Frau.
Clyde war in sie vernarrt, jedenfalls glaubte er das, und sie umgekehrt in ihn. Sie wollten heiraten, noch ehe das Jahr um war. Clyde hatte sich für fünf Jahre bei den Rangers verpflichtet – davon war eines noch offen.
Er wollte seine Dienstzeit zu Ende bringen. Danach sah er einer glänzenden Zukunft als Esthers Ehemann und Miterbe der riesigen Lionhead-Ranch entgegen. Er hatte es nicht auf die Kronprinzenrolle abgesehen – dass Esther eine reiche Erbin war, stellte für ihn keinen Grund dar, sich um sie zu bewerben.
Doch er hatte auch kein Problem damit, es war ihm nicht unangenehm. Warum sollte es das? Er stammte aus einfachen Verhältnissen, hatte jedoch eine recht gute Bildung. Seine Mutter war als Lehrerin in Houston tätig, der Vater lebte nicht mehr.
Er hatte noch zwei ältere verheiratete Schwestern, die weit entfernt von hier lebten.
Jetzt band er sein Pferd vor der Bodega an – auf dem Vorplatz im Freien standen Tische und Stühle unter einem Gestänge-Dach und wildem Wein. Dort saß kein einziger Gast. Aus der Bodega drangen Gitarrenklänge.
Jemand klimperte die Tonleiter hinauf und hinunter und übte sich. Schlug ein paar Kadenzen und übte Riffs.
Clyde hatte sein Pferd auf der Plaza zurückgelassen, wo man eine Tränke und eiserne Halteringe an einer Mauer fand.
Er schlug den Perlenvorhang zur Seite und trat ein. Die Bodega war nicht sehr groß, aber geschmackvoll im mexikanischen Folklorestil eingerichtet. Es gab zwei Durchgänge und Nebenräume. Im Mittelpunkt der Bodega erhob sich eine runde, einen halben Meter hohe Bühne. Links davon an der Wand zog sich der Tresen mit den Flaschenregalen entlang. Zur Einrichtung gehörten auch eine geschnitzte Figur, die in Originalgröße einen festlich gekleideten mexikanischen Caballero darstellte, sowie Hocker und Stühle mit geflochtenen Sitzen.
Ein paar Bildern an den Wänden, gewebte bunte Teppiche, Blumen auf den Tischen, all das ergänzte das schöne Ambiente. Obwohl es ein paar Nummern größer war, erinnerte es Clyde an eine hübsche Puppenstube.
Es roch exotisch, nach Sandelholz und nach Räucherstäbchen. Nur eine Person hielt sich in der Bodega auf, außer dem Ranger. Clyde war wachsam – er hatte gerade erst einen Hinterhalt überstanden und hielt den Colt in der Faust.
Man hatte ihm gesagt, der Mann, hinter dem er her war, würde bei Carmen Gambaro verkehren. Er könne ihn dort antreffen. Von einem Informanten hatte Clyde das. Auf Peitschen-Django Moravez waren zu beiden Seiten der Grenze hohe Kopfgelder ausgesetzt. Er war der berüchtigtste und gefährlichste Bandit des Südwestens und des Nordens von Mexiko.
Ein Mann, um den sich Legenden rankten – mit dem Schwerpunkt seines Verbrecherwirkens in Texas, Nuevo Leon, Coahuila und Chihuahua. Ein Killer und Frauenheld, Revolver-Ass, Zug- und Bankräuber. Den Texas Rangers hatte er bisher immer ein Schnippchen geschlagen. Sie sahen es als Ehrensache und erstes Ziel an, ihn zur Strecke zu bringen – bisher war es ihnen noch nicht gelungen.
Peitschen-Django, der Schrecken mehrerer Bundesstraßen, rühmte sich dessen.
»Nicht mal die Texas Rangers können mich drankriegen«, war seine Rede. »Mir ist keiner gewachsen. Die Gouverneure von Nuevo Leon, Coahuila und Chihuahua habe ich in der Tasche. Über die Rurales lache ich nur. Die Gringos stecke ich alle mit links in die Tasche und überliste sie jederzeit. Ich bin Django, der Größte von allen. Mir kann keiner das Wasser reichen.«
So war er, großspurig, verwegen – doch er rechtfertigte seinen Ruf und war nicht nur ein Großmaul.
Clyde Burrow betrat die Bodega wie eine andere Welt. Hier herrschte eine besondere Atmosphäre.
Die Perlen des Türvorhangs klirrten und klingelten leise hinter ihm wie eine verwunschene Melodie. Sein Herz schlug plötzlich schneller, und er spürte einen Kloß im Hals wie die Erwartung von etwas Besonderem.
Vor ihm auf der niederen Bühne saß eine wunderschöne Frau mit einer Gitarre auf einem Hocker. Langes schwarzes Haar floss ihr wie eine dunkle Flut über die nackten Schultern. Sie trug ein rotes, schulterfreies Kleid, das ihre wunderbare Figur betonte.
Es war vorn tief ausgeschnitten und zeigte den Ansatz ihrer Brüste. An der Seite war es geschlitzt. Ein Bein hatte sie auf eine Fußbank hochgestellt und zeigte ihr langes, vollendet geformtes Bein. Sie trug ein Band mit einer gelben Stoffblume am Knöchel.
Sie hatte dunkle, unergründlich wirkende Augen und volle Lippen. Ihr Gesicht war wie von einem genialen Künstler geschnitzt. Sie war so schön, dass der Ranger stutzte.
Es traf ihn wie ein Schlag. Er schluckte.
»Carmen Gambaro?«, fragte er, obwohl es keine andere sein konnte. »La Gitana?«
Sie schlug einen Akkord und sah Clyde an. Ihr Blick ging ihm durch und durch.
»Die bin ich. Die Bodegera. Und du bist der Ranger, der hinter Django Moravez her ist und gerade erst fünf Männer erschoss. Was willst du von mir?«
Den letzten Bandolero, den er am Fluss erschossen hatte, hatte Clyde in die Stadt gebracht und beim Sheriff abgeliefert. Dem erstattete er Bericht.
»Du weißt gut Bescheid, schöne Carmen«, lobte er. »Man hat mir gesagt, dass Django in deiner Bodega verkehren würde.«
Mit dir verkehren würde, aber das sagte er nicht.
»Hier spricht sich alles schnell herum, Ranger«, sagte die Schöne. »Was willst du von mir? Meinst du, Django hätte sich unter meinem Bett versteckt?«
Clyde trat näher an sie heran.
»Weiß ich es? Vielleicht in deinem Bett. Warum hast du keine Gäste? Es ist früh am Abend, und die Sonne geht unter. Das ist eine Zeit, in der eine Bodega, zumal eine so bekannte wie diese, normalerweise gut besucht ist.«
La Gitana klimperte wieder. Sie schüttelte den Kopf. Ihre langen pechschwarzen Haare flogen, und ihre großen Kreolenohrringe bewegten sich heftig. Sie hatte sich die Lippen blutrot angemalt, genauso die Fingernägel. Lang waren diese, wie Krallen, um sie in Männerherzen zu schlagen.
»Woher wusstest du, dass Django hier einkehrt?«, fragte sie.
»Das hat mir jemand verraten.«
»Wer?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Informantenschutz. Ein kleines Vögelchen hat es mir gezwitschert.«
»Und da bist du allein gekommen?«
»Wie du siehst. Ich bin Fearless Clyde, der kühne und furchtlose Clyde.«
»Es gibt noch mehr Vögelchen. Auch solche, die verrieten, dass du kommst, Fearless Clyde. Der Hinterhalt war gelegt.«
Wieder folgte ein Akkord. Clyde stieg auf die Bühne, ging zu der Schönen und nahm ihr die Gitarre weg.
»Schluss mit dem Geklimper. Sag mir, wo er ist. Wo finde ich Peitschen-Django?«
»Wenn ich das wüsste, könnte ich eine Menge Kopfgelder verdienen. Zehntausend US-Dollar und noch einmal genauso viel auf der mexikanischen Seite.«
Sie stand auf. Clyde spürte ihre vitale Ausstrahlung, die Lockung des Weibes. Er roch ihren Duft, und sie roch seinen Schweiß- und Pferdegeruch sowie etwas Pulverdampf und den Hauch der Gefahr. Sie wich nicht zurück.
»Bist du seine Geliebte? Gehörst du Peitschen-Django, dem Banditen?«
»Ich gehöre niemand, nur mir selbst. Und ich tue und lasse, was ich will. Django kommt manchmal hierher. Er kommt und geht wie es ihm passt zu beiden Seiten des Rio Grande. Auch meine Bar sucht er auf. Ich weiß nicht, wo er sich jetzt aufhält, und wenn ich es wüsste, würde ich es dir nicht verraten. Ich will nicht mit durchschnittener Kehle enden, durch die sie mir die Zunge ziehen – die lengua large – die lange Verräterzunge. – Wenn Django hier wäre, dann würdest du nicht mehr leben, Ranger-Gringo.«
»Das käme darauf an.«
Clyde packte sie mit einer Hand fest am Arm. In der anderen hielt er die Gitarre. Trotzig und unbeeindruckt blickte Carmen zu ihm auf. Clyde war sehr groß, fast einen Kopf größer als sie – ein stattlicher Mann, beeindruckend, sehr männlich – auch gut und modisch gekleidet mit Conchos und Lederfransen an seinem Hemd.
Die Winchester hatte er draußen bei seinem Pferd gelassen.
»Du bist seine Geliebte. Du kennst ihn. Gesteh es! Wann kommt er zurück?«
»Lass mich los! Du tust mir weh.«
Clyde hielt sie mit beiden Händen an den Unterarmen. Er ließ sie nicht los, im Gegenteil, er zog sie an sich heran, legte den Arm um sie, packte sie fest am Po, drückte sie an sich.
»Du bist Djangos Weib.«