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Jack Slade

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Beschreibung

Man nennt sie die Rafter, auch wenn sie nicht die eigentlichen Flößer sind, die ihre Baumstämme durch das gewaltige Flusssystem nach St. Louis staken. Wo sie zuschlagen, treibt Blut im Missouri. Da betritt ein ungewöhnlicher Mann den Schauplatz, Jules "Savate" LaMoore, den die Flussschiffer-Vereinigung von St. Louis zum Flussmarshal beruft, um den Raftern das blutige Handwerk zu legen ...


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Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Blut im Missouri

Vorschau

Impressum

Blut imMissouri

Man nennt sie die Rafter, auch wenn sie nicht die eigentlichen Flößer sind, die ihre Baumstämme durch das gewaltige Flusssystem nach St. Louis staken. Wo sie zuschlagen, treibt Blut im Missouri. Da betritt ein ungewöhnli‍cher Mann den Schauplatz, Jules »S‍a‍v‍a‍t‍e« LaMoore, den die Flussschiffer-Vereinigung von St. Louis zum Flussmarshal beruft, um den Raftern endlich das blutige Handwerk zu legen ...

Spätsommer 1866. James Watson, eine fette kleine Kröte von Mann, paffte in seinem Office im Hafen von St. Louis an einer dicken Zigarre.

»Soso«, sagte er zu Larry King, seinem Stellvertreter und seiner rechten Hand, »die Flussschiffer und die Flößer haben also einen Flussmarshal eingesetzt. Da kann ich nur lachen. Hinausgeschmissenes Geld, sage ich. Wie heißt denn der Kerl, und was ist das für einer?«

»Jules LaMoore. Er ist französischer Abstammung – seinen Nachnamen hat er amerikanisiert. LaMoreau oder so ähnlich hießen wohl seine Vorfahren.«

»Froschfresser aus Frankreich. Und Jules heißt er mit Vornamen – hört sich an wie Julie, oder Juliette. Sicher ist er vom anderen Ufer. Der kann uns nicht an den Karren fahren.«

»Ich weiß nicht, Boss. Vorher war er auf dem Mississippi als Sicherheitschef auf großen Salondampfern tätig. Er hat einen gewissen Ruf.«

»Hier wird er nichts werden. Hier wird mit härteren Bandagen gekämpft als auf den Salonschiffen, diesen schwimmenden Luxuslinern mit Schaufelradantrieb und mehreren Decks, auf denen die Baumwollbarone der Südstaaten so gern ihre Vergnügungsfahrten mit Gattinnen und Geliebten unternahmen. Hauptsächlich den Geliebten. Da haben sie an Bord wilde Partys gefeiert. Da wurde öffentlich gestrippt, gepokert sowieso, und der Champagner floss in Strömen.«

Watson paffte eine Rauchwolke aus seiner Havanna.

»Der Krieg hat den Süden ruiniert. Viele Plantagen wurden zerstört. Das Land liegt darnieder, und bis es wieder aufgebaut ist, wird es lange dauern. Den Baumwollbaronen ist die Lust auf Luxuskreuzfahrten vergangen. Die Mittel dazu fehlen ihnen derzeit auch. Diese Art der Schifffahrt ist stark eingeschränkt, ein Bruchteil nur noch, was vor dem Krieg stattfand. LaMoore hat während des Kriegs auf der Seite des Südens gekämpft. Nach dem Friedensschluss bekam er seinen Job nicht wieder. Eine Weile hielt er sich mit anderen minderen Arbeiten über Wasser. Jetzt hat ihn die Missouri River Union angeworben.«

»Das mit der Armee wusste ich nicht, Boss.«

»Mit dem, was du alles nicht weißt, könnte man eine ganze Bibliothek füllen«, sagte Watson sarkastisch. »Doch das ist nicht tragisch. Für das, was du bei mir machst, weißt du genug. Wo ist LaMoore jetzt, und wo will er hin?«

»Zu dir, Boss. Er will hier aufkreuzen und dich sprechen. Ich weiß es aus erster Hand. Er ist im Hotel ›River Place‹ abgestiegen und sprach heute bei der Flussschiffervereinigung vor, die in ihrem Verwaltungshaus tagte. Sie haben ihn engagiert. Jetzt ist er auf dem Weg hierher.«

King hatte einen Informanten bei den Flussschiffern und Flößern. Watson überlegte. Man konnte es in seinem Kopf förmlich rattern hören.

»Vom Skipper House kommt er«, murmelte er. »Wenn er den kürzesten Weg nimmt, muss er durch die Gasse am Floßhafen. Lauert ihm dort auf, wenn er kommt. Haut ihn zusammen, dass er am Leben verzagt, und schmeißt ihn in die Floßgasse. Wir wollen ihm gleich mal die Krallen stutzen, dem Schnüffler. Er ist höchst überflüssig und stört nur. Diese sturen und dummen Flussschiffer sind mir sowieso schon ein Dorn im Auge. Mit einem wie LaMoore müssen sie nicht auch noch aufwarten.« Er grinste schmaläugig. »Wenn er überlebt, wird er es nie vergessen. Noch auf dem Sterbebett wird er sich senkrecht setzen, wenn ihn jemand fragt: Was war das Schlimmste, was du jemals erlebt hast? Besser, er taucht nicht mehr auf.«

»Es wird sich vielleicht nicht vermeiden lassen, dass man seine Leiche findet. Oder falls er doch irgendwo an Land kraucht, ist ihm sicher die Lust vergangen, als Flussmarshal tätig zu sein. Dafür werde ich sorgen, Boss. Monkey Joey, Bonecrusher Charlie und Chang Ling nehme ich mit. Und ich werde mir persönlich ansehen, wie sie sich LaMoore vorknöpfen. Du kannst dich auf mich verlassen, Boss.«

»Das will ich doch hoffen. Ich erwarte deine Vollzugsmeldung.«

Pfeifend eilte King aus dem Office im ersten Stock und in den Warteraum im Haus nebenan, wo die harten Jungs des River-Kings Watson kartenspielend auf ihren Einsatz warteten. King winkte drei von ihnen herbei, von denen einer fürchterlicher aussah als der andere, und erteilte ihnen Instruktionen.

»Ihr kommt mit mir.«

Die drei sahen aus, wie ihre Namen erwarten ließen. Plattnasige Schläger. Monkey Joey sah aus, als hätte er einen Affen zum Vater gehabt. Der Bonecrusher war am ganzen Körper tätowiert und glatzköpfig – die Haare hatte er alle abrasiert. Er konnte sich aufrecht stehend an den Kniekehlen kratzen.

Chang war Chinese. Er trug einen langen Zopf, war stämmig wie ein Rammbock, kurzbeinig und grinste permanent. Er konnte mit den Handkanten und Füßen Backsteine und Bretter zerschlagen und trug außerdem Wurfsterne bei sich.

Larry King, der sie anführte, wirkte gegen sie fast harmlos, obwohl er es faustdick hinter den Ohren hatte. Im Gegensatz zu seinem Boss Watson war er groß und schlank. Er kleidete sich mit Talmieleganz – protzig und billig – und stank nach Parfüm. Man sah ihm an, dass er seine Laufbahn als Zuhälter begonnen hatte. Die linke Gesichtshälfte wies eine große Narbe auf.

Die hatte ihm ein missgünstiger Konkurrent mit dem Rasiermesser zugefügt.

Sie warteten bei der Gasse am Floßhafen. Ein paar Flößer gingen an ihnen vorbei, fröhlich schwatzend, nachdem sie den harten Job hinter sich hatten, gewaltige Flöße vom oberen Missouri und seinen Nebenflüssen bis nach St. Louis zu lenken. Knochenharte Arbeit in der Wildnis, zu allem anderen auch noch von Indianern bedroht. Auf dem Wasser selbst war es ebenfalls nicht ungefährlich, seit die Rafter-Bande ihr Unwesen trieb.

Manch ehrliche Flößerbesatzung war schon gekillt worden. Die Flöße wurden dann von den Rafter-Banditen und ihre Helfern übernommen. Die bis zu 30 Meter langen Stämme erzielten in St. Louis und anderswo als Bauholz Topp-Preise. Die Flößer, die früher eine eng verbundene Gemeinschaft gewesen waren, trauten sich untereinander nicht mehr. Bei den Flussschiffern sah es nicht besser aus.

Verbrecher wie Watson hatten sich breitgemacht.

Larry King hielt also Ausschau. Als der neue Flussmarshal – er war ihm beschrieben worden – sich nicht blicken ließ, schickte er seine drei Totschläger in die Gasse, um nach ihm Ausschau zu halten. Nachdem sie losgegangen waren, kam eine hübsche junge Lady in Männerkleidung an ihm vorbei, einen Männerhut auf dem Kopf, einen Seesack über der Schulter.

Sie hatte lang herabfallendes brandrotes Haar. Es musste eine Flussschifferin sein, eine Kapitäns- oder Lotsentochter, nahm King an.

Er pfiff durch die Zähne und lüftete seinen Hut.

»Sieh da, ein Rotfuchs. Dafür habe ich eine Flinte.«

Die Schöne blieb stehen. »Schau an, ein Affe. Ich hole gleich meinen Käfig.«

Damit ging sie weiter, ihrem Quartier irgendwo in der Stadt zu. King wurmte die Abfuhr. Dann sah er den Mann, dem er auflauerte. Jules La Moore kam nicht durch die Gasse, und er war zudem später dran als erwartet. Ein großer und schlanker, breitschultriger Mann, gut gekleidet, mit markantem Gesicht, das zu einem kühnen Piraten gepasst hätte, und dunkelhaarig. Er kam mit geschmeidigem federndem Schritt.

King pfiff durch die Zähne, um seine drei Schläger herbeizuholen. Er zog rasch sein Zigarrenetui und nahm eine lange, dünne Virginia hervor. Dann hielt er den Flussmarshal an. Der trug keinen Revolver am Gürtel. Bei ihm war keine Waffe zu sehen.

»Haben Sie Feuer, Mister?«

»Wer Zigarillos bei sich trägt, sollte auch Feuer haben«, sagte LaMoore. Er überragte King, der nicht klein war, um ein gutes Stück. »Oder rauchen Sie sonst kalt, Mister?«

»Hab meine Schwefelhölzer vergessen. Bitte seien Sie so freundlich.« King grinste ihn an. »Ich bin Nichtraucher. Jetzt muss ich weiter.«

»Einen Augenblick.« King hielt ihn am Ärmel fest. »Kennen wir uns nicht? Ich glaube, ich habe Sie schon einmal gesehen.«

»Wüsste nicht, wo.«

LaMoore riss sich los. Er war auf der Hut.

»In der Begleitung von Senator Lorrimer war das.«

Das sollte eine Schmeichelei sein. Mit einem Senator in einem Atemzug erwähnt zu werden, beeindruckte viele. Den Flussmarshal nicht.

»Ich kenne keinen Senator Lorrimer.«

Jetzt waren die drei Schläger da. Sie walzten heran und umringten LaMoore. Monkey Joey streifte sich zu allem Überfluss noch über jede klobige Faust einen Schlagring mit langen Zacken. King grinste wieder.

»Ich glaube, die Gentlemen wollen etwas von Ihnen.«

Er trat zurück. LaMoore zeigte sich nicht beeindruckt. Jedem anderen hätten beim Anblick des infernalischen Trios und in Erkenntnis ihrer einschlägigen Absichten die Knie gezittert. LaMoore nicht.

Die drei Totschläger hielten sich nicht mit Vorreden auf. King hatte ihnen mit einem kurzen Nicken bedeutet, dass sie loslegen sollten. Zwar gab es Zeugen, Flussschiffer und andere, auch die rasante Rothaarige. Doch King glaubte nicht, dass sie es wagen würden, gegen ihn und die drei Schläger auszusagen.

Sie würden das Schicksal des Mannes nicht teilen wollen, der zusammengeschlagen werden sollte.

Die drei griffen an. King war dabei, sein Zigarillo anzuzünden – natürlich hatte er selbst Feuer – und wollte genüsslich zusehen. Es kam anders.

LaMoore explodierte förmlich. Und auf unübliche Art. Er trat Monkey Joey aus dem Stand mit dem Fuß voll ans Kinn. Es krachte und knackte. Der Totschläger fiel um wie angeschossen. Der Bonecrusher kassierte einen mit dem anderen Fuß; die Fußkante traf mit aller Wucht seine Rippen.

Zwei Rippen brachen. Der Bonecrusher krümmte sich vor Schmerzen und stand auf der Stelle. Chang Ling schnitt etwas besser ab, denn er konnte Kung Fu. Doch nicht lange. Bald zog auch er gegen die Fäuste, Füße und Handkanten des Flussmarshals den Kürzeren und legte sich nieder.

Der Bonecrusher gab noch nicht auf. Er holte sein großes Bowiemesser aus der Scheide am Gürtel.

»Lass es!«, warnte ihn LaMoore. »Oder ich breche dir den Arm.«

Der Bonecrusher ließ es nicht. Gleich darauf lag er am Boden, neben ihm sein Messer, und hielt sich jammernd den Arm. LaMoore kickte das Messer weg. Er war nicht mal außer Atem. Die Zuschauer glaubten es kaum.

Die schöne Rothaarige hatte den Seesack auf den Boden gestellt und gaffte herüber.

King schüttelte den Kopf und kniff ein paar Mal die Augen zusammen. Er wollte es nicht glauben. LaMoore, dem sie ans Leder gewollt hatten, stand nach wie vor auf den Beinen. Dabei war King fest überzeugt gewesen war, ihn blutig geschlagen als Bündel Elend am Boden zu sehen. Und die drei Schläger lagen flach, schwer verletzt und kampfunfähig.

King griff nach seinem Revolver. Doch schon blickte er in die Mündung des Pocket Colts, den LaMoore unter der Jacke im Schulterholster getragen hatte.

»Lass es sein, Mister. Du bist Larry King, Watsons rechte Hand.«

»Du kennst mich?«

»Eine Narbenvisage wie deine gibt es nur einmal. Ich bin keine deiner Dirnen, die du früher verprügelt hast und wohl noch immer verprügelst. Deine Sorte ändert sich nie. Ihr habt mir aufgelauert. Bring mich zu deinem Boss.«

»Ich ... ich weiß nicht. Das kann ich nicht.«

»Doch, du kannst.« Der Revolverhahn knackte, als LaMoore ihn spannte. »Oder mein Kracher geht los.«

Er schlug King den Zigarillo aus dem Mund.

»Wird's bald?«

»Ja. Ja. Yeah. Ich gehe vorneweg. Folge mir. Was die drei Männer betrifft, die du ... äh, niedergeschlagen hast, das ... das muss eine Verwechslung sein. Oder, hm, wir wollten dir eigentlich nur einen Schreck einjagen. Das war nicht böse gemeint.«

»Okay. Ich zittere ja, wie du siehst«, erwiderte LaMoore höhnisch. »Jetzt schieb los. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«

Da sah er die schöne Rothaarige auf der anderen Straßenseite, wie sie ihn hingerissen anschaute. Den Blick war er gewöhnt. Hier stand ihm alles offen.

»Moment.« Er ließ King stehen, ging über die Straße und lüftete vor der Schönen seinen breitrandigen Südstaaten-Pflanzerhut. »Ma'am. Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Jules LaMoore ist mein Name.«

»Dolores – Sie dürfen mich Dolly nennen. Dolly Smith. Ich bin die Tochter von Kapitän Redfern Hoss Smith, dem die ›Marlin‹ gehört. Ich bin ein paar Tage in der Stadt und wohne bei meiner Tante.«

LaMoore grinste mit blitzenden Zähnen.

»Darf ich Ihnen meine Aufwartung machen?«

Dolly war ein einfaches Girl vom Fluss. Sie überlegte sich einen Moment, ob eine Aufwartung etwas Unanständiges war. So noble Manieren und derartige Komplimente kannte sie nicht. Dann sagte sie sich, dass ein Mann wie LaMoore keinesfalls anzüglich oder zweideutig mit einer hübschen jungen Lady wie ihr auf offener Straße sprechen würde.

»Gern. Wenn Sie möchten.« Sie nannte die Adresse und den Namen der Tante. »Kommen Sie einfach vorbei.«

»Das werde ich sicher.«

»Wie haben Sie das gemacht? Diese drei Fürchterlichen außer Gefecht gesetzt? Und woher haben Sie Ihre guten Manieren?«

»Am Mississippi lernt man das eine wie das andere, Miss Smith. Auf bald.«

Dolly sah ihm bewundernd nach, während er über die Straße zu der Stelle ging, wo Larry King auf ihn wartete. Dessen Hand war weit vom Revolver entfernt. Monkey Joey, der Bonecrusher und Chang Ling lagen oder hockten noch immer bewusstlos oder schwer angeschlagen am Boden.

Der Chinese quälte sich auf die Beine und hielt sich dabei krumm und schief. Er holte einen Wurfstern unter der blauen Jacke hervor. Und warf.

Der Wurf war schwach. LaMoore fing den Wurfstern mit der Hand aus der Luft. Beinahe mitleidig sah er den Chinesen an.

»Ist das alles, was du draufhast?« Er warf den achtzackigen Metallstern mit Wucht quer über die Straße, dass er in einem Ladenschild stecken blieb. »Leg dich schlafen.«

Mit zwei Fingern stieß er ihn um. Er traf ein Nervenzentrum. Chang Ling schrie kurz auf und sackte zusammen.

LaMoore, den Pocket Colt lässig in der Linken, wandte sich an King.

»Wollen wir jetzt zu deinem Boss gehen?«

King beeilte sich rasch zu sagen: »Ja, ja, selbstverständlich. Ich führe dich sofort hin. Mr. Watson wird sich freuen ...«

LaMoore entgegnete: »Das glaube ich nicht.«

Kurz darauf standen sie vor James Watson. In Kings Begleitung hatte man LaMoore ohne Verzug zum Boss im ersten Stock eines Geschäftshauses vorgelassen. Watson fiel die Zigarre aus dem Mund, als er sah, wer da kam.

»Wo sind Joey, Charlie und Chang?«, stotterte er. »Was ist passiert?«

LaMoore hockte sich auf die Schreibtischkante. King blieb vor dem Aktenschrank stehen. Er war bleich und kleinlaut.

»Die kommen schon klar«, beantwortete LaMoore Watsons Frage. Die drei würden sich aufrappeln, oder man würde sie wegtragen. Ihre Blessuren konnten sie dann verarzten lassen und jedem erzählen, was es mit dem neuen Flussmarshal auf sich hatte. »Heb deine Zigarre auf, Watson. Leg sie weg.«

Watson gehorchte. Er blieb ruhig in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch sitzen. Kaltblütig war er. Er war nicht umsonst ein Boss geworden.

»Du weißt, wer ich bin«, sagte LaMoore. »Wir wollen Klartext reden. Ich bin der neue Flussmarshal, der erste seiner Art. Ich bin hinter der Rafter-Bande her, und hinter allen anderen, die am Big Muddy schmutzige Geschäfte betreiben und krumme Dinger abziehen. Die Flussschiffervereinigung hat mich angeworben und zahlt gut. Im Erfolgsfall. Habe ich keinen, so bin ich tot – oder werde gefeuert. Wobei eher mit dem ersten Fall zu rechnen ist.«

Er legte eine kurze Pause ein.

»Ich weiß, dass du ein Bandit und Verbrecher bist, Watson, ein Halsabschneider. Du würdest gern ein Syndikat gründen, in das alle Flussschiffer eintreten und an dich Schutzgelder zahlen müssen sowie Prozente von ihren Einnahmen, wie immer du das dann nennen willst. Daraus wird nichts. Lass es bleiben. Begnüge dich mit ehrlichen Geschäften, oder du wirst es bereuen. Dann landest du nämlich im Zuchthaus – oder am Galgen. Merke es dir – ich komme wieder ...«

Er sprach den Satz nicht zu Ende. Watson konnte denken, was er wollte, und das war nichts Gutes. Er schluckte. Der Adamsapfel an seinem Krötenhals zuckte.

»Verstanden, Mr. LaMoore.«

»Du kannst mich Savate nennen. Meine Freunde nennen mich so – und meine Feinde. Das war's.«

Damit stand der Flussmarshal auf und ging hinaus. Er bedachte King mit einem durchbohrenden Blick, stieg die Treppe hinunter und betrat die lärmerfüllte Straße. Im Hafen waren die Kräne und Ladebäume an der Arbeit. Flussmatrosen eilten vorüber, Transportwagen und -karren fuhren in beiden Richtungen vorbei.

Eine Dampfsirene tutete am Hafen und lärmte wie ein Urzeitsaurier.

Vorher, als die drei Schläger Savate auflauerten, hatte wenig Betrieb geherrscht. Jetzt waren Flussschiffe angekommen und wurden be- und entladen. St. Louis war eine geschäftige Stadt, das Tor in den Westen, auf dem Land- und dem Wasserweg. Und eine raue Stadt und ein Verkehrsknotenpunkt.

Die Eleganz der Städte in den Südstaaten wie New Orleans oder die Gediegenheit derer Neuenglands an der Ostküste, wie Washington und Baltimore, fehlte ihr völlig. St. Louis war zusammengeklotzt, zweckmäßig erbaut und hektisch.

Von Lärm und von Unruhe erfüllt, ein Durchgangslager und Umschlagplatz.

Savate sah Dolly Smith auf der anderen Straßenseite stehen. Sie sah sich die Geschäftsauslage eines Chinesen an, an der sie sicherlich kein Interesse hatte. Der bezopfte Mr. Wang – oder wie immer er hieß – redete eifrig auf sie ein.

Sie reagierte nicht. Offensichtlich hatte sie auf Savate gewartet. Er setzte ein siegesgewisses Grinsen auf und überquerte die Straße. Dolly schlenderte mit ihm den Gehsteig entlang, nachdem sie dem Chinesen bedeutet hatte, dass sie keinen Lampion, keinen Buddha und auch sonst keinen Kitsch bei ihm kaufen wollte.

»Darf ich Sie begleiten, Miss Smith?«, fragte Savate die burschikose Rothaarige.

»Warum nicht? Mir hat es imponiert, wie Sie diese drei Fürchterlichen außer Gefecht gesetzt haben. Wie war doch noch gleich Ihr Name?«

Er nannte ihn und fügte hinzu: »Meine Freunde nennen mich Savate.«

Sie plauderten ungezwungen und kamen in weniger betriebsame und bevölkerte Bereiche der Stadt. Vor einem Backsteinhaus blieb Dolly stehen.

»Hier wohnt meine Tante.«

»Ein schönes Haus. Darf ich auf einen Kaffee hereinkommen?«

»Meine Tante ist nicht zu Hause. Eigentlich schickt es sich nicht. Aber was soll es. Ich bin eine junge Frau vom Fluss, eine Kapitänstochter. Ich komme vom Big Muddy und kann auf mich aufpassen.«

Das traute ihr Savate zu. Sie war über mittelgroß und wirkte durchaus kräftig und tüchtig. Auf dem Missouri mit seinen gurgelnden, tückischen Wassern und zahlreichen Gefahren musste sie das sein. Eine Flussschiffertochter, die auf einem Dampfboot mitfuhr oder sogar aufgewachsen war. musste zupacken können und praktisch veranlagt sein.

Dolly wirkte burschikos. Im Salon der Tante sah man Plüschmöbel und ein paar seemännische Accessoires an der Wand. Auch die Tante hatte mit der Flussschiffahrt zu tun. Dolly kochte Kaffee.

Sie brachte zudem eine Flasche Rum mit.

»Damit wir uns die Kehle durchspülen können.«

Sie war den rauen Ton auf dem Fluss gewöhnt. Sie tranken, und Dolly – in der Kleidung eines Flussmatrosen, mit kecker Stupsnase, auf der sich Sommersprossen tummelten, und einem beachtlichen Busen – schenkte noch einmal ein.

»Auf einem Bein steht man nicht. Cheerio.«

Wieder kippten sie den Jamaika-Rum.