Jack Slade 972 - Jack Slade - E-Book

Jack Slade 972 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Dodge City, Zentrum des Viehtransports in Kansas. Wyatt Earp ist hier als Stadt-Marshal tätig. Doch mehr als die üblichen Banditen und Halunken macht ihm sein tyrannisches Eheweib zu schaffen, und so beschließt er schließlich, Dodge zu verlassen und sein Glück anderswo zu suchen, in der Goldgräberstadt Deadwood.


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Seitenzahl: 158

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Du warst zu leichtsinnig, Cowboy!

Vorschau

Impressum

Du warst zuleichtsinnig,Cowboy!

Dodge City, Zentrum des Viehtransports in Kansas. Wyatt Earp ist hier als Stadt-Marshal tätig. Doch mehr als die üblichen Halunken macht ihm sein tyrannisches Eheweib zu schaffen, und so beschließt er schließlich, Dodge zu verlassen und sein Glück anderswo zu suchen, in der Goldgräberstadt De‍a‍dwood.

Allerdings steigt Wyatt Earp nicht allein in den Zug. Sein alter Freund und Kupferstecher Doc Holliday packt ebenfalls die Koffer und begleitet seinen Kumpan. In Deadwood herrscht noch ein ganz anderes Level an Gesetzlosigkeit als in den Viehsammelstädten von Kansas. Wyatt graust es ob der Missstände, und er beschließt, Verbündete zu suchen, um den schlimmsten Sumpf auszumisten und sich wieder einen Stern an die Brust heften zu können ...

»Du Lump! Du Hurenbock! Du Verbrecher!«

Wyatt Earp war kaum zur Tür hereingekommen, als seine Frau Mattie schon vehement loslegte. Sie warf mit Tellern und Tassen nach dem hochgewachsenen, blonden Mann mit dem Schnäuzer.

Wyatt duckte sich.

»Aber meine Taube, mein Liebling, was hast du denn?«, fragte er konsterniert. »Was hab ich dir denn getan?«

»Du hast der Saloonschlampe Esther McCoy ein Kind gemacht, du verdammtes Schwein! Mir sagst du, dass du mich liebst, und mit diesem rothaarigen Gift steigst du ins Bett. Ich bringe dich um! Ich will die nie wiedersehen.«

»Aber Mattie, beruhige dich doch. Davon ist kein Wort wahr. Ich kenne die Rote Esther überhaupt nicht. Das heißt, jedenfalls nicht so nahe, dass ich sie je angefasst hätte. Wie kommst du denn darauf?«

Mattie hörte auf zu werfen. Das gesamte Porzellan des Earpschen Haushaltes lag in Trümmern und Scherben.

Mattie war dunkelhaarig, achtundzwanzig Jahre, ein Jahr jünger als Wyatt, der zu der Zeit Stadtmarshal von Dodge City war. Mit seinen beiden Brüdern Virgil und Morgan zusammen bändigte er die wilde Stadt, das El Dorado am Chisholm-Trail, wo Jahr für Jahr zigtausend Rinder verladen wurden und die Cowboys sich austobten und die Hölle losließen.

Die Earps schafften das gerade so mit Ach und Krach. Sie hatten allerdings jede Menge Ärger und wurden von vielen Seiten angefeindet. Keine Woche, ja, keinen Tag, keine Nacht ging es ohne Schießerei, Messerstecherei oder Schlägerei ab in Dodge City.

Die Stadt des Sechsschüssers wurde Dodge genannt, und es hieß, dass in den Straßen das Blut fließen würde. Jetzt stand Wyatt ein besonderer Ärger ins Haus – nämlich mit der Schönen, mit der er seit ein paar Monaten zusammenlebte.

Er war völlig verknallt in die schwarzhaarige Mattie, seine zweite Frau, nachdem die erste nach ein paar Monaten Ehe im Kindbett verstorben war. Das Kind hatte es auch nicht überlebt, und es dauerte lange, ehe Wyatt sich von diesem Schicksalsschlag erholte.

»Ich weiß es mit Sicherheit!«, rief Mattie und stampfte mit dem Fuß auf. Ihre Augen funkelten. »Esther hat es geschworen. Andere bestätigten, dass du mit ihr zusammen warst. Schämst du dich nicht? Verdammt sollst du sein, Wyatt Earp! Deine schwarze Seele soll zur Hölle fahren. Du und Doc Holliday, ihr seid eine Schande für die Menschheit, Halunken und eine wahre Pest! Teeren und federn sollte man euch, aus der Stadt hinausjagen. Nimm dir ein Beispiel an deinen Brüdern. Sie sind verheiratet – und solide.«

»Das bin ich doch auch – mit dir.«

»Ja, aber wie, aber wie.« Mattie ergriff in ihrer Rage ein Küchenmesser. Sie richtete es auf Wyatt. »Ich steche dich ab!«

Allmählich wurde es ihm doch zu bunt. Mattie konnte sich bei ihm allerhand erlauben, aber alles nun doch nicht. Die Zornesfalte erschien auf seiner Stirn, und wenn Wyatt Earp zornig wurde, ging man ihm besser aus dem Weg.

Nicht so Mattie. Sie stach nach ihm.

Er wich aus. Sie stach wieder zu und fügte ihm einen Ritz am Unterarm zu. Wyatt wurde nun ernsthaft böse. Er packte ihr Handgelenk und drückte mit aller Kraft zu. Mattie schrie auf.

Sie ließ das Messer fallen. Er riss sie an sich und drückte sie gegen sich, hielt ihr die Arme fest.

»Hör mich doch erst mal an!«

Sie spuckte ihm ins Gesicht. Wyatt regte sich auf. Er packte Mattie, sie strampelte. Das brauchte Kraft. Wyatt legte sie übers Knie und versohlte Mattie den Hintern so fest, wie er konnte. Er war ihre Launen gewöhnt – Mattie, bildhübsch, wie sie war, hatte den Teufel im Leib. Sie trank gern Likör und Whiskey, und er hatte sie im Verdacht, dass sie Laudanum nahm, ein Opiat.

Sie behauptete immer, sie hätte alles unter Kontrolle. Er glaubte es, weil er es glauben wollte – und weil er von sich auf sie schloss. Er brauchte keine Suchtmittel. Er wollte immer Herr seiner selbst sein.

Mattie kreischte wie eine Furie. Die Earps hatten eine Wohnung im ersten Stock eines dreigeschossigen Hauses an der Frontier Street in Dodge. Mattie stellte sich derart an, dass die Nachbarn oben und unten sowie die von gegenüber an die Wände und an die Tür trommelten.

Auf der Mainstreet etwas entfernt ritten johlende Cowboys vorbei. In den Verladecorrals brüllten die Rinder. Rangierloks pfiffen. Es war allerhand los in der Treibherdenstadt. Und Wyatt, jung, wild und verwegen, spuckte immer gern dem Teufel aufs Auge und war alles andere als ein ruhender Pol und ein Fels in der Brandung.

Erst als ihm der Arm wehtat, ließ er Mattie los. Sie rieb sich den Po.

»Du Bastard! Du hast mir die Nieren kaputtgeschlagen.«

»Ich habe dir den Hintern versohlt, an deine Nieren bin ich nicht gekommen. Übertreib nicht. Du hast mich verletzt.«

»Und doch hast du mich in die Nieren geschlagen.« Sie wollte ihm ein schlechtes Gewissen machen.

Er sagte: »Niemals. So viele Anatomiekenntnisse habe ich, dass ich weiß, wo die Nieren sitzen.«

»Anatomiekenntnisse – die hast du von Doc Holliday, dem schwindsüchtigen Falschspieler, der mit Big Nose Kate zusammenlebt, einer Frau von üblem und zwielichtigem Ruf.«

»Doc ist kein Falschspieler, er spielt immer ehrlich. Und Kate ist in Ordnung – sie verdient ihr Geld in Saloons und ist eine Geschäftsfrau.«

»Ich weiß schon, was für ein Geschäft sie betreibt. Daran ist gar kein Zweifel. Du verkehrst in übler Gesellschaft, Wyatt. Deine Brüder schämen sich schon für dich. Das jetzt mit Esther McCoys setzt dem Fass die Krone auf. Mit einem mordsdicken Bauch läuft sie herum und erzählt allen, wer der Vater ihres Kindes ist. Es hat sich überall herumgesprochen.«

»Das ist nicht wahr. Ich habe sie niemals angefasst.«

»Lügner! Delmer DeMare, der Besitzer des ›Wild Horse Saloon‹, bestätigt es, ebenso Prairie Dog Hunderville und sämtliche Girls aus dem ›Wild Horse‹, das ein übles Etablissement mit Spielzimmern nebenan und Bordellräumen im ersten Stock ist. Du hast dort verkehrt, gesteh es!«

»Dienstlich war ich dort, ja, dienstlich. Ich muss den Saloon kontrollieren wie alle anderen auch. Und jedes Mal ist einer meiner Brüder dabei gewesen. Oder Paul Stilwell, der Deputy.«

»Das glaube ich dir nicht. Heimlich hast du dich hingeschlichen, um mit der Roten Esther das Tier mit den zwei Rücken zu spielen, du Schuft. Schau mich nicht so unschuldig an mit deinen blauen Augen. Ich habe dich durchschaut. Du weißt ja gar nicht, was du mir antust. Meine Mutter hat mich vor dir gewarnt.«

Mattie setzte sich hin und schluchzte bitterlich. Wyatt vergaß in dem Moment, dass sie schon früh von zu Hause, einer kleinen Farm, ausgerissen war und ihre strengen Eltern, die ganze Familie, schon jahrelang nicht mehr gesehen hatte. Er atmete schwer. Matties Vorwürfe trafen ihn tief.

»Doc Holliday ist mein Zeuge, dass ich niemals in diesem üblen Schuppen verkehren würde, wo Prostitution und Beischlafdiebstahl an der Tagesordnung sind, wo sie gepanschte Drinks und welche mit Knockouttropfen ausschenken. Und dass ich eine wie die Red Esther niemals auch nur mit der Feuerzange anfassen würde. Das ist eine üble Intrige gegen mich, weil ich Delmer DeMare und seinem Gesindel dort schon mehrfach hart auf die Zehen gestiegen bin. Sie wollen meinem Ruf schaden, mich loswerden, aus der Stadt treiben. Weil ich gedroht habe, das ›Wild Horse‹ für die gesamte Saison zu schließen. Und Delmer und das andere Pack fortzujagen. Daher kommt das.«

»Doc Holliday! Das ist ja ein schöner Zeuge. Da hast du gerade den Richtigen genannt, Wyatt.«

Die Nachbarn hatten aufgehört, an die Wände zu klopfen und Ruhe zu verlangen. Die Earps unterhielten sich immer noch ziemlich laut, doch so toll wie zuvor war es nicht mehr.

»Der Falschspieler!«, giftete Mattie. Wyatt verband sich den Arm mit einem Lappen. »Der schwindsüchtige Zuhälter. Der Revolverheld. Dieser Ausbund an allen Untugenden.«

Wyatt schwoll die Zornesader.

»Jetzt reicht es. Doc ist mein Freund. Er hat mir das Leben gerettet, als ein Cowboy hinterrücks auf mich anlegte. Ohne ihn würde ich auf dem Boothill liegen. Er ist alles andere als das, was du sagtest. Big Nose Kate ist eine anständige Frau ...«

»Ha!«

»Er lebt bestimmt nicht von ihr. Und sie betreibt nicht das Gewerbe, das du ihr unterstellst.«

»Und doch tut sie es. Es ist das älteste Gewerbe der Welt.«

Wyatt schüttelte den Kopf.

»Es ist sinnlos«, sagte er, und er meinte: Mit dir zu streiten.

Mattie war keiner Vernunft und keinen Argumenten zugänglich. Sie beschuldigte ihn und Doc Holliday übelster Dinge. Da gab es nur eins für ihn, um sich reinzuwaschen.

»Auf der Stelle gehe ich in den ›Wild Horse Saloon‹ und stelle Delmer DeMare und die anderen dort zur Rede. Sie werden das widerrufen, was sie mir anhängen wollen. Diesen üblen Verleumdungen setze ich ein Ende. Das ist Rufmord der schmutzigsten Art. Weil sie anders nicht mit mir fertig werden, wollen sie mir auf die Weise ans Leder. Niemals, sage ich.«

»Du bist zu feige, um allein dort hinzugehen. Dafür wirst du Doc Holliday brauchen.«

Wyatt hatte vorgehabt, den Doc mitzunehmen. Jetzt fühlte er sich an seiner Ehre gepackt.

»Ich brauche kein Kindermädchen. Allein gehe ich hin. Das regele ich – jetzt, auf der Stelle. Ich setze dem Rufmord und diesen Lügen ein Ende.«

Damit drehte er sich auf dem Absatz um und verließ die Wohnung und das Haus. Mattie saß noch ein paar Augenblicke da. Dann rannte sie durch die Scherben und das verwüstete Zimmer zum Fenster und riss es auf.

»Wyatt!«, rief sie aus dem Fenster. »Komm zurück. Ich habe es nicht so gemeint.«

Aber er saß schon im Sattel und ritt um die Ecke. Mattie sah nur einen Straßenhändler mit Obstkarren unten. Sie rieb sich den schmerzenden Po. Sie konnte nun klarer denken.

Was soll ich tun, fragte sie sich? Ich habe es deutlich zu weit getrieben. Wenn sie Wyatt nun umbringen, was mache ich dann?

Wyatt Earp schoss, konnte man sagen, der Dampf aus den Ohren. Er ritt durch die Stadt, wo am frühen Nachmittag schon der Bär tobte. Überall vergnügungssüchtige Cowboys, denen das Fell juckte und der Treiberlohn in den Taschen brannte. An diesem heißen Sommertag 1878 war Dodge City ein einziger Rummelplatz aller Vergnügungen und auch Laster. Mit Wichita, Abilene, Hays City, Newton und Ellsworth teilte sich Dodge diesen Rang.

Dodge galt als die Wildeste und Schlimmste dieser Cattletowns.

Man fand hier eine Vergnügungsmeile und eine Rotlichtbezirk, und beides vermischte sich stellenweise. Die wilden Cowboys, meistens aus Texas, wollten am Ende des Trails Sex, Whiskey und Glücksspiel. Die Nacht wurde zum Tag gemacht, der Tag teils zur Nacht.

Jeder in der Stadt profitierte vom Zustrom der Herden während der Saison von Ende April bis Oktober. Die Verladecorrals wurden niemals leer. Die Viehtransporte rollten Tag und Nacht.

Wyatt sah das Treiben auf der Straße, Fuhrwerke, Reiter, Fußgänger auf den Gehsteigen. Er bemerkte ein paar Ordnungswidrigkeiten und Dinge, gegen die er sonst eingeschritten wäre. Jetzt hatte er es aber eilig.

Er und seine Brüder Morgan und Virgil sowie der Deputy Stilwell waren für die Stadtordnung zuständig. Rundherum das County unterstand Sheriff Ward Manson und seinen Leuten.

Es war laut in der Stadt. Schon bevor er das Vergnügungsviertel und den Rotlichtbezirk erreichte, hörte Wyatt die Trompete eines auf Stelzen stehenden Anreißers vor einem Etablissement, das Saloon, Spielhölle und Bordell in sich vereinte. Gleich nebenan befand sich eine Badeanstalt, in der die Besucher sich auf Wunsch von einer Bademagd bedienen lassen konnten. Diese Bedienung war rundum und bei entsprechenden Preisen alles ein.

Auch eine Wäscherei war vorhanden. Hier gab es einfach alles.

Wyatt griff ein, als er sah, wie drei angetrunkene Cowboys einen Chinesen in die Mangel nahmen. Sie hatten hin und her gestoßen und derb geknufft und gezaust und ihm den Zopf abgeschnitten, den einer schwenkte.

»Das ist nicht so gut wie ein Skalp«, röhrte der Cowboy, »aber fast. Den nehme ich mit als mein Andenken an Dodge. Rabenschwarz, wie der Haarbusch an der Pussy der Mexikanerin, die ich neulich gevögelt habe.«

Er wollte sich ausschütten vor Lachen.

»Die Chinesinnen haben die Pussy quer sitzen, hörte ich.« Wieder knuffte er den Chinesen. »Das will ich nachschauen. Hast du nicht eine Schwester, wo ich das kann?«

»Ich nix wissen, ich nix getan, lassen mich gehen!«, jammerte der Chinese.

»Er weiß nichts«, sagte ein anderer von dem Trio. »Er will uns den Spaß nicht gönnen. Aber wir wollen Spaß haben, Spaß, Spaß, Spaß! Wir lassen das Schlitzauge tanzen, Jungs!«

»Ja, das machen wir.«

Der Cowboy zog den Revolver. Er wollte dem Chinesen direkt vor die Zehen schießen, damit der hochsprang vor Schreck. Ein paar Schüsse. Munition hatten die Kerle genug, und der arme Hund musste tanzen und springen. So etwas konnte leicht schiefgehen, zumal wenn die Schützen betrunken waren, und dann dem Opfer ein paar Zehen kosten.

Von den Passanten griff niemand ein. Weil sie auf den Chinesen konzentriert waren, bemerkten die drei Wyatt erst, als er vom Pferd sprang. Direkt auf die Straße. Wyatt zog seinen langläufigen Buntline Colt, ein spezielles Geschenk, und haute ihm dem Cowboy auf den Unterarm.

Der Mann schrie auf, ließ den Revolver fallen und rieb sich den Arm.

Wyatt ließ die beiden anderen in seine Revolvermündung schauen.

»Das reicht, der Spaß ist zu Ende. Gebt dem Mann seinen Zopf zurück, bezahlt jeder zehn Dollar und trollt euch. Eure Waffen liefert ihr ab.« Wyatt winkte einen Passanten herbei. »Du nimmst die Schießeisen und lieferst sie im Office ab.«

»Warum gerade ich?«

»Weil ich es dir sage. Pronto, marsch, marsch!«

Jäh ernüchtert sahen die drei Rabauken den Marshal an. Mit ihm war nicht gut Kirschenessen, das sahen sie. Sie schnallten ab, und der Passant, ein unbedeutender Bürger der Stadt, sammelte die Waffengurte ein und hob das Schießeisen, das dem Tanzmeister entfallen war auf. Er tippte sich an die Hutkrempe und entfernte sich, um die Anweisung des Marshals auszuführen.

»Her mit dem Geld!«

»Dreißig Dollar für einen Chinesenzopf!«, beschwerten sich die Cowboys. »Das ist Wucher. Was sind denn das für Preise? Hier kommen wir nicht mehr her. Nächstes Jahr treiben wir lieber nach Wichita.«

»Dort ist Bat Masterson Marshal. Der macht noch ganz was anderes mit euch. Habt ihr das Geld oder nicht?«

Sie kramten in ihren Taschen. Der, dem Wyatt auf den Arm gehauen hatte, verzog schmerzvoll das Gesicht.

»Ich glaube, du hast mir den Arm gebrochen, Marshal.«

»Wenn du glaubst, geh in die Kirche. Ansonsten zum Doc. Wird's bald, her mit dem Geld.«

Zwanzig Dollar hatte Wyatt schon kassiert.

Der mit dem schmerzenden Arm – der wohl nicht gebrochen war – sagte: »So viel habe ich nicht mehr bei mir. Ihr müsst mir was pumpen, Kameraden.«

»Nein«, lehnten beide ab. »Du stehst schon genug bei uns in der Kreide. Wenn man von dir Geld zurückerwartet, wird die Milch sauer. Machen wir nicht.«

»Was seid ihr denn für Kameraden?«

»Her mit den zehn Dollar«, fuhr Wyatt ihn an. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Wenn du nicht genug einstecken hast und dir keiner was leiht, gibst du mir deine Stiefel. Sofort!«

Er fuchtelte mit dem Revolver. Der vorher so großmäulige Cowboy war klein mit Hut.

»Ich bringe es morgen.«

»Die Musik spielt jetzt. Die Stiefel. Und ein Widerwort noch, dann nehme ich auch deine Hose.«

Der Cowboy zog seine Stiefel aus. Er hatte keine Socken an, sondern trug Fußlappen. Wyatt rümpfte die Nase.

»Mit den stinkigen Dingern kannst du in kein Bordell gehen. Wasch dir mal deine Füße.«

Er gab dem Chinesen die Stiefel. »Hier, Chang, die schmeißt du in den Bach hinter der Häuserzeile.«

Seinen Zopf hatte der Chinamann schon erhalten und in die Tasche seiner langen blauen Leinenjacke mit chinesischen Schriftzeichen gesteckt. Er nahm die Stiefel und nickte und verneigte sich.

»Ja, Mister Marshal. Sofort, Mister Malshal. Wie Befehl, Mistel Marshal.«

»Geh zu, Chang.«

»Ich Name Chung.«

»Alles gut, Chang.«

Der Chinese lief los, ohne Zopf. Wyatt wandte sich an die drei Cowboys. Derjenige, der seine Strafe nicht bezahlen konnte, hatte vier Dollar und ein paar Cent. Die hielt er noch in der Hand. Wyatt nahm ihm die vier Dollar ab. Die Cent ließ er ihm.

»Ich will nicht so sein. Verschwindet von der Straße. Wenn ich euch noch mal bei einem Unfug erwische, sperre ich euch ein.«

»Mit Verlaub, Marshal, gegen welchen Paragrafen haben wir denn genau verstoßen?«, fragte einer aus dem Trio.

»Störung des Stadtfriedens, Verstoß gegen die guten Sitten, Körperverletzung. Eingriff in die Privatsphäre. Auch Chinesen sind Bürger der Stadt und der USA. Ihr könnt euch nicht aufführen wie die wilden Säue. Euren Spaß könnt ihr haben, aber benehmt euch. Abmarsch!«

Die drei trollten sich kleinlaut. Wyatt schwang sich wieder in den Sattel. Es hatten sich Zuschauer angesammelt, auf der Straße hielten ein paar Reiter. Zwei Wagen hatten angehalten. Die Kutscher schauten.

»Ende der Vorstellung«, sagte Wyatt. »Es gibt nichts mehr zu sehen. Wenn ihr nichts zu tun habt, tut es woanders.«

»Sind Sie ein Chinesenfreund, Marshal?«, fragte ein junger Cowboy.

»Ich bin ein Freund von Recht, Ruhe und Ordnung.«

Damit ritt Wyatt weiter. Der kleine Auflauf löste sich auf. Bevor der Marshal den »Wild Horse Saloon« erreichte, musste er noch einmal eingreifen. Ein Cowboy belästigte eine Bürgerin, die gerade vom Einkaufen kam. Das geschah noch außerhalb des Sperrbezirks.

Der Rowdy stellte sich ihr in den Weg und verlangte einen Kuss. Wyatt ritt hin. Außer dem Buntline mit dem dreißig Zentimeter langen Lauf trug er noch einen kurzläufigen Colt Lightning am Gürtel.

»Geh der Frau aus dem Weg, belästige sie nicht. Das ist kein Saloongirl und keine Tänzerin oder Stripperin. Wenn es dich juckt, geh in den Sperrbezirk.«

Der Cowboy, ein vierschrötiger Kerl mit der Statur eines Bullen und dem Verstand eines solchen, stierte Wyatt an. Er sah, wen er vor sich hatte – so viel Hirn hatte er. Schweigend machte er den Weg frei, murmelte sogar »Ich entschuldige mich« und verdrückte sich.

Die Bürgersfrau dankte.

»Danke, Marshal. Es wird immer schlimmer in Dodge. Als anständige Frau kann man nicht mehr auf die Straße gehen, ohne befürchten zu müssen, von außer Rand und Band geratenen Cowboys über den Haufen geritten oder angepöbelt zu werden.«

»Ich tue mein Bestes dagegen, Mrs. Ellerton. Dodge ist nun mal eine Treibherdenstadt. Da muss man manches in Kauf nehmen. Wenn es Beschwerden gibt, wenden Sie sich ans Marshal's Office. Wir halten die Stadt im Zaum.«

»Wenn wir Sie nicht hätten, Wyatt. Tausend Dank noch mal.«

Wyatt grüßte und ritt weiter. Im Sperrbezirk sah er Töchter der Sünde vor den Saloons und sonstigen Etablissements, sah sie auf den Balkonen stehen und aus dem Fenster schauen. Noch herrschte kein Hochbetrieb. Diese Frauen waren leicht bekleidet, eine sogar barbusig.